Protokoll der Sitzung vom 21.07.2017

Es ist beantragt worden, den Antrag, Drucksache 19/68, dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer enthält sich? - Wer ist dagegen? - Das ist gegen die Stimmen der Abgeordneten der AfD-Fraktion mit den Stimmen der anderen Fraktionen so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Konzept zur Reduzierung der Nitratbelastung des Grundwassers

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/76

Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerqualität

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/98

Ich sehe, dass das Wort zur Begründung nicht gewünscht wird. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der AfD hat deren Fraktionsvorsitzender, Herr Abgeordneter Jörg Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Repräsentierende des Souveräns! Sehr geehrte Damen und Herren! Unbelastetes Trinkwasser ist für uns alle unersetzlich. Ich glaube, in dieser Aussage haben wir einen parteiübergreifenden und breiten Konsens. Ebenso wichtig wie eine nachhaltige Wasserwirtschaft ist die Produktion von Nahrungsmitteln durch unsere Landwirte. Es ist leider nicht immer ganz so einfach, beides in Einklang zu bringen. Das verbindende Element ist das Grundwasser. Seine Belastung mit Nitrat und anderen Schadstoffen wird neben der Bodenbeschaffenheit maßgeblich von landwirtschaftlicher Aktivität beeinflusst. Das Grundwasser dient in nahezu allen Regionen Schleswig-Holsteins als Quelle für unser Trinkwasser. Daher ist eine engmaschige Überwachung der Grundwasserqualität im Rahmen einer nachhaltigen und umweltverträglichen Land- und Wasserwirtschaft von essenzieller Bedeutung für uns alle.

An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass 2016 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen unzureichender Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie angestrengt wurde. Dies verdeutlicht den Ernst der Lage, aber ein konsequentes Anpacken des Problems seitens der Politik hat es bislang nicht gegeben. Über die gesundheitsschädlichen Auswirkungen der bekanntesten Schadstoffe wie Nitrat und dessen Stoffwechselprodukte wie Nitrit im Körper will ich nicht lang referieren. Insbesondere unsere Jüngsten, die Zukunft unseres Landes, sind dadurch gefährdet.

(Minister Dr. Heiner Garg)

Zwar wurde mit der Novellierung der Düngeverordnung im März dieses Jahres ein erster Schritt in die richtige Richtung getan, aber die Umsetzung wird nicht nur unter Wissenschaftlern kontrovers diskutiert. Laut Düngebericht 2016 weist unser Bundesland überdurchschnittlich viele Messstellen mit Nitratgehalten über dem gesetzlichen Grenzwert von 50 mg/l auf. Auffällig dabei ist die geografische Häufung der betroffenen Messstellen in der Geest.

Unser Bundesland zeichnet sich durch sehr unterschiedliche Böden und vergleichsweise hohe Niederschläge aus. Angesichts dessen reichen die in der Düngeverordnung festgelegten zeitlich befristeten Ausbringungsverbote nach der Ernte und die sechs- bis siebenmonatigen Lagerkapazitäten möglicherweise nicht aus.

§ 13 der Düngeverordnung sieht in Gebieten mit Nitratgehalten über der Belastungsgrenze die Durchführung von mindestens drei gesonderten Maßnahmen vor. Hier jedoch bleibt offen, welche der insgesamt 14 optionalen Verringerungsmaßnahmen in Abhängigkeit von regionalen Besonderheiten realisiert werden sollen.

Wir fordern daher ein wissenschaftlich fundiertes Konzept zur Reduzierung der Nitratbelastung unseres Grundwassers unter Berücksichtigung der bodenklimatischen Besonderheiten Schleswig-Holsteins. Außerdem fordern wir eine zeitlich engmaschige Überwachung der Nitratwerte nach Umsetzung der gemäß Düngeverordnung geforderten Maßnahmen. Die Wirkung dieser Maßnahmen muss frühzeitig evaluiert werden. Eine weitere Verschleppung der Problematik - wie im erwähnten Vertragsverletzungsverfahren angemahnt - können wir uns nicht leisten. Ich beantrage daher die Überweisung unseres Antrags in den zuständigen Umweltausschuss.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Heiner Rickers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Nobis, ich kann Ihnen nicht vorwerfen, dass Sie nicht aus Erfahrung schöpfen können, weil Sie noch nicht so lange wie wir Mitglied im Parlament sind. Deswegen will ich versuchen, ein Stück weit auf die Vergangenheit einzugehen.

Lassen Sie mich einleitend zugeben, dass wir es politisch ähnlich wie Sie sehen. Grundwasser ist als höchstes Gut und als schützenswert anzusehen. Wir müssen deswegen versuchen, vorausschauende Politik hier im Landtag Schleswig-Holstein zu gestalten und mit diesen politischen Entscheidungen in der Fläche etwas zu bewirken.

Ein kurzer Rückblick und eine Situationsbeschreibung: In Schleswig-Holstein ist es wirklich so, dass nicht nur nahezu alle, sondern tatsächlich alle Grundwasserleiter zur Versorgung mit Trinkwasser dienen. Es wird also wirklich kein Trinkwasser aus Oberflächengewässern gewonnen. Das ist im Vergleich zu anderen Ländern in Schleswig-Holstein ein ganz immenser Vorteil, weil dieses Grundwasser durch dicke Deckschichten durch die Grundwasserleiter eine gewisse Filterwirkung durchlebt hat. Insofern ist im Moment eine ganz hervorragende Qualität im Grundwasser vorhanden.

Da die Qualität des Grundwassers dermaßen gut ist, ist auch das Trinkwasser in Schleswig-Holstein entsprechend gut. Ich will mich einmal bei all denjenigen bedanken, die dazu beigetragen haben, dass diese Qualität so gut ist und am Ende dem Verbraucher zur Verfügung steht.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Richtig beschrieben haben Sie, dass das Grundwasser bei der öffentlichen Wasserversorgung aus Tiefen - ich kann Zahlen nennen - zwischen 50 und 150 m gehoben wird. Die entsprechende Deckschicht, die insbesondere auf dem Mittelrücken darauf liegt, ist das, was als Filter dient. Richtig ist auch die Feststellung, dass alles das, was man oben aufbringt, irgendwann - wenn der Filter durchlässig ist - unten im Grundwasser landet. Wir werden in Schleswig-Holstein versuchen, das, was angeschoben ist, zu verbessern.

Sie haben sich vornehmlich auf den Bereich Landwirtschaft fokussiert und auf den Nitratbericht der Bundesregierung, des Bundesumweltministeriums, von 2016 sowie auf den Nährstoffbericht der letzten Landesregierung, erstellt von der CAU Kiel. Ich möchte das Ganze ergänzen.

Der Bundesbericht geht auf die Messstellen im tieferen Grundwasserbereich ein und zeigt durchaus positive Tendenzen auf. Es gibt Verbesserungen in etlichen Grundwasserkörpern, 70, 50, vielleicht auch 150 m tief. Gleichzeitig weist der Nährstoffbericht der Landesregierung aus der letzten Legislaturperiode durchaus defizitäre Entwicklungen auf.

(Jörg Nobis)

Auch die nehmen wir zur Kenntnis und versuchen, sie abzuarbeiten.

Nun komme ich nicht nur aus Erfahrung, sondern auch aus politischer Überzeugung zu dem, was die Landwirtschaft am Ende dazu beitragen sollte. Auf über 75 % der Fläche in Schleswig-Holstein wird Landwirtschaft betrieben. Dementsprechend kommen die Einträge aus der Landwirtschaft auch irgendwann im Grundwasser an.

Herr Abgeordneter Rickers, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Nobis?

Sehr gern.

Herr Kollege, Sie sprachen von 150 m Tiefe. Habe ich das richtig verstanden? Soweit ich weiß, müssen die Messungen immer von der ersten grundwasserführenden Stelle genommen werden. 150 m Tiefe wäre viel zu tief.

- Ich kann versuchen aufzuklären. Es gibt zwei Berichte. Es gibt den Bericht zur Wasserqualität, Grundwasser und Trinkwasser, der Bundesregierung, also des Bundesumweltministeriums. Darin sind in dem gemessenen gehobenen Grundwasser auch in größeren Tiefen durchaus positive Tendenzen zu erkennen. Das Messstellennetz - da gebe ich Ihnen recht - ist beim ersten Grundwasserleiter in relativ geringer Tiefe aufgestellt. Auch dort wird gemessen. Dort sind zum Teil negative Entwicklungen festzustellen. Wir müssen auf jeden Fall politisch dagegen angehen.

Ich komme zu dem, was wir uns in der JamaikaKoalition politisch vorstellen können. Zu diesem Kapitel haben im Koalitionsvertrag etliche Seiten abgehandelt. Ich will versuchen, mich ein Stück weit auf die angesprochene Landwirtschaft zu fokussieren. Das Problem ist erkannt. Lösungen müssen erarbeitet werden. In der Vergangenheit haben wir es durchaus - auch auf bundespolitisches Ansinnen hin - geschafft, dort Verbesserungen herbeizuführen. Ich nenne unter anderem eine erweiterte Fruchtfolge, eingeschränkte Ausbringungszeiten für Gülle, längere Lagerungsmöglichkeiten, verbesserte Technik bei der Ausbringung von Gülle und Mist, verschärftes landwirtschaftliches Fachrecht bei Lagerung, bei Dünger- und Güllebilanzen, bei flächengebundener Viehhaltung und bei Agrarumweltmaßnahmen und Beratungsverpflichtungen.

Das hat im Gesamtpaket dazu geführt, dass die Landwirtschaft weiß, in welche Richtung es letztlich gehen wird. Es hat auch dazu geführt, dass auf Bundesebene die angesprochene Düngeverordnung bereits im Herbst in Kraft tritt. Damit werden Sie erleben, dass neben den bisher ergriffenen Maßnahmen die Verschärfung des bundesweiten Düngerechts in Schleswig-Holstein Folgen haben wird. Es wird verschärft zu Düngebilanzen kommen, zu Obergrenzen bei der Ausbringung, die 170 kg/ ha-N-Grenze, die heftig diskutiert worden ist, die auch für Biogasanlagen gilt. Am Ende werden Sie feststellen - das wird einige Jahre dauern -, dass das ganze Maßnahmepaket, das angeschoben worden ist und durch uns, die Jamaika-Koalition, durch positive politische Begleitung mit vorangebracht worden ist, etwas leisten wird.

(Sandra Redmann [SPD]: In 14 Tagen?)

Abschließend möchte ich sagen: Wir sind uns einig: Das, was wir heute beschließen und auf den Weg bringen, werden wir in vielleicht 30 Jahren wertschätzen können.

Schauen Sie einmal auf die Uhr.

Wir sind verpflichtet, für folgende Generationen vorausschauende Politik zu machen. Wir sind uns einig und auf dem besten Weg dorthin. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Sandra Redmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein bezieht sein Trinkwasser zu 100 % aus dem Grundwasser. Das ist eben angesprochen worden. Natürlich sind der Schutz und die Qualität des Wassers von existenzieller Bedeutung. Das wird hier sicherlich keiner abstreiten. Im Grundwasser sowie in den Oberflächengewässern lassen sich Pestizide oder deren Abbauprodukte in allen Teilen Schleswig-Holsteins finden. Eine großflächige Nitratbelastung ist nachgewiesen und damit unbestritten.

(Heiner Rickers)

Der Bericht hierzu wurde ja auch erst im letzten Jahr in einer Anhörung diskutiert, und es wurden Maßnahmen besprochen. Natürlich werden die Ergebnisse fortlaufend aktualisiert. Wir brauchen daher den AfD-Antrag nicht und lehnen ihn ab.

Auch im Alternativantrag der Regierungskoalition finden sich keine neuen Forderungen und Maßnahmen, die sinnvoll darauf aufbauen. Ich werde mir den Antrag jetzt einmal vornehmen und ihn Punkt für Punkt durchgehen. Ich bin gespannt darauf, Herr Rickers, wo Sie die Sachen finden, die Sie eben angesprochen haben.

Frau Abgeordnete Redmann, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Nobis?

Nein, jetzt möchte ich erst einmal den Antrag der Regierungskoalition besprechen.

„Der Landtag spricht sich dafür aus, dass Einträge von Nähr- und Schadstoffen sowie sonstige Einflüsse auf das Grund- und Trinkwasser aus allen Quellen weiter reduziert werden, um auch für künftige Generationen die Trinkwasserressourcen nachhaltig sicherzustellen.“

Mann, was für ein Satz! „Spricht sich dafür aus“, was soll mir das sagen? Dass Sie sich dafür aussprechen, ist also der inhaltliche Weg sozusagen.

„Der Landtag bittet die Landesregierung, die geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen umzusetzen und parallel freiwillige Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerqualität zu verstärken.“

Welche geänderten gesetzlichen Maßnahmen meinen Sie denn? Meinen Sie die Düngeverordnung? Meinen Sie Landesregelungen? Warum haben Sie die hier nicht benannt? Kannten Sie die selber nicht, oder wollten Sie das offenlassen, weil Sie sich nicht einigen konnten? Was ist mit den freiwilligen Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerqualität? Ich nehme an, Sie meinen damit die Allianz zum Gewässerschutz, die es unter der Küstenkoalition gab und die jetzt fortgeführt werden soll. Ich gehe davon aus, dass Sie sozusagen das gute Alte, Bestehende damit meinen, also auch nichts Neues.

„Hierzu soll der vorsorgende Grundwasserschutz fortgesetzt werden.“

Ja, was denn genau? Ich kann Ihnen sagen, was dieser Antrag zum Ausdruck bringt. Ich sage das auch deshalb, weil ich ja nun weiß, wie schwer es ist, sich in einer Koalition auf Punkte zu verständigen. Das möchte ich jetzt ausdrücklich sozusagen mitfühlend mit auf den Weg geben.