Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

Die deutsche Sprache hat für alles ein Wort, und wir in Schleswig-Holstein haben meistens auch auf alles eine Antwort. Die Landesregierung führt das Programm „Schleswig-Holstein blüht auf“ für das sogenannte Straßenbegleitgrün durch. Gemeinden werden blütenreiche Saatgutmischungen zur Verfügung gestellt, und diese Saat kann eingesetzt werden, um allerlei Flächen, wo es sich eben aus Sicht der Gemeinden anbietet, mit mehr als nur einfachem Rasen auszustatten. Bunte, abwechslungsrei

(Dr. Andreas Tietze)

che Blühstreifen durchziehen so unsere schleswigholsteinischen Gemeinden. Die sind nicht nur nett anzuschauen, sondern sie bieten auch Insekten und Vögeln ein vielfältiges Nahrungsangebot, und das ist wichtig.

Aber diese Blühstreifen müssen natürlich auch gepflegt werden, das heißt im Zweifelsfall auch, dass sie regelmäßig gemäht werden müssen. Auch die Verantwortung, die damit einhergeht, erfüllen die Gemeinden im Rahmen des Programms „Schleswig-Holstein blüht auf“.

Allerdings kann dieses Programm nicht an allen Wegesrändern angewandt werden. An Kreisstraßen, Landstraßen und Bundesstraßen lässt sich ein hochwachsender Blühstreifen nicht immer mit der Verkehrssicherheit vereinbaren; denn die Fahrbahn muss frei sein. Das heißt, Gräser oder Gestrüpp dürfen nicht auf der Fahrbahn liegen oder darüberragen. Die Sicht muss immer ungehindert möglich sein.

Es ist daher besser, man gestaltet den Randstreifen von vornherein so pflegeleicht, wie es möglich ist. Ob es aber bei einem Randstreifen bleiben muss, der so trist ist wie das Verwaltungsdeutsch zum Thema Straßenbegleitgrün, das ist sicherlich noch die Frage, daran können wir arbeiten. Der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr nutzt gezielt die Möglichkeiten zur Entwicklung von Lebensräumen auf unbebauten Verkehrsflächen. Dabei beachtet der LBV die Notwendigkeit, Pflegemaßnahmen durchzuführen. Das Beispiel der A 7 wurde schon erwähnt, da wurde es auf zahlreichen Grünflächen ausprobiert. So gibt es jetzt zum Beispiel an vielen Autobahnauffahrten, an Böschungen oder an Raststätten an der A 7 auf größeren Flächen nicht nur kurzes Gras, sondern auch Margeriten oder den Klappertopf, eine Art, die derzeit leider auf der Roten Liste steht. Gut, dass sie hier mit eingesetzt wird.

(Zuruf SPD)

- Der Klappertopf, genau.

Der LBV und die Landesregierung tun bereits das Richtige, um herauszufinden, wie man am besten Blühfläche und Pflegemanagement zum Zwecke der Verkehrssicherheit und Biodiversität miteinander vereinbaren kann. Auf welchem Untergrund wächst was am besten? Wo muss wie gemäht werden? Das sind keine Fragen, auf die es selbstverständliche Antworten gibt, und es gibt immer auch Folgeprobleme zu lösen. Das hat Herr Rickers beispielsweise zum Thema Kompost und Abfuhr schon erwähnt.

Die Pflege von Biotopen ist mehr als nur das Hinwerfen von ein paar Samen. Guerilla Gardening, das klappt ganz gut auf innerstädtischem Grün, aber natürlich nicht an jeder Verkehrsstrecke.

Herr Schnurrbusch, Sie haben gesagt, das sei jetzt vielleicht einmal ein Antrag, dem man zustimmen könne, jetzt wo Sie sich mal für ein buntes und vielfältiges Schleswig-Holstein einsetzen - zumindest im Redetext. Ihr Antrag ist zunächst einmal nett anzusehen - wie eine Mimosen-Pflanze beispielsweise. Aber wenn man sich näher damit befasst, dann klappt Ihr Antrag leider die Blätter zusammen.

Nach Ihrem Redebeitrag gestern zum Tempolimit auf der A 7 glaube ich auch eher an einen Schreibfehler. Sie stehen nicht auf mehr Blühstreifen, Sie stehen auf mehr Beschleunigungsstreifen. Wer es als Ausweis der deutschen Identität empfindet, mit über 300 km/h über die Autobahn zu ballern, dem nehme ich die Liebe zu Fluginsekten neben Straßen nicht ab.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und SPD)

Damit haben Sie es innerhalb von 24 Stunden wieder einmal sehr schön geschafft, einen eigenen, vermutlich gut gemeinten Antrag selbst ins Lächerliche zu ziehen. Das ist mittlerweile fast schon ein Talent, sich immer selbst auszubremsen - ganz ohne bestehendes Tempolimit.

Insofern werden wir Ihren Antrag ablehnen und unseren Alternativantrag beschließen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und SPD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als wir Ende der 70er-Jahre die großen Debatten in Dänemark über Windmühlen führten, da war ein Argument der Windmühlengegner immer wieder das mit den Vögeln, wie viele Vögel von den Windmühlen geschreddert würden, aber Insekten hat man damals nicht erwähnt. Das hing wahrscheinlich damit zusammen, dass man die Biodiversitätsdebatte damals noch nicht geführt hat.

Der vorliegende Antrag der AfD ist natürlich in Zusammenhang mit dieser Biodiversitätsdebatte zu se

(Dennys Bornhöft)

hen. Die negative Entwicklung und der massive Einbruch bestimmter Arten sind nämlich nicht wegzudiskutieren. Der dramatische Artenrückgang gerade bei Insekten und Fluginsekten ist auf den Verlust bestimmter Lebensräume und Nahrungsgrundlagen zurückzuführen. Vielerorts entzieht unsere monotone und intensive Kulturlandschaft bestimmten Arten jede Überlebenschance. Gerade die spezialisierten Arten, die nur in ganz bestimmten Lebensräumen existieren können, sind hiervon stark betroffen.

Dieser entscheidende Prozess wurde lange Zeit kaum wahrgenommen. Aber mit der Diskussion um den Erhalt der Artenvielfalt und der Bedeutung der Biodiversität ist auch die Erkenntnis gewachsen, dass wir dringenden Handlungsbedarf haben. Wie gesagt, diesen Aspekt greift die AfD nun in ihrem Antrag auf und will Straßenbegleitgrün aufwerten und Blühstreifen am Fahrbahnrand anlegen. - So weit, so gut.

Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, hat es aber im Detail in sich. Die allgemeine Aufwertung der Randstreifen durch Blühstreifen entlang der Straßen, der Radwege, der Rastplätze und der Böschungskanten klingt im ersten Moment durchaus einleuchtend, um damit die Situation für bestimmte Arten der Flora und Fauna entlang der Straßen und Wege zu verbessern.

Die AfD lässt jedoch durch ihren sehr allgemein gehaltenen Antrag mehrere wichtige Aspekte außer Acht. Was hier so allgemeinverbindlich gefordert wird, ist in der Praxis so nicht umsetzbar. Es gibt Bereiche, beispielsweise an steilen Böschungen oder in Erosionsbereichen, wo aus Sicherheitsgründen eine dichte Grasnarbe notwendig ist, die für den entsprechenden Halt sorgt. Auch an manchen Banketten ist eine feste Grasnarbe wichtig, damit keine Abbruchkante entlang der Straßen- oder der Wegränder entsteht.

(Sandra Redmann [SPD]: Ja, aber da kann man was machen!)

Darüber hinaus sind aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht alle Flächen entlang der Straßen und Wege für Blühstreifen geeignet, zum Beispiel aufgrund möglicher Sichtbehinderungen.

Die genannten Aspekte finden im Antrag keine Beachtung, das heißt, der gesamte Bereich, der mit Verkehrssicherheit zu tun hat, wird im Antrag überhaupt nicht berücksichtigt.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Dennys Bornhöft [FDP])

Das halte ich für fahrlässig. Zudem ist die versteckte Kritik, dass das Land in Sachen Blühstreifen entlang der Straßen und Wege nichts mache, definitiv falsch.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Habe ich nicht gesagt! Stimmt ja nicht!)

So ist beispielsweise einer Pressemitteilung des damaligen MELUR von 2016 zu entnehmen, dass das Umweltministerium und das Verkehrsministerium ein gemeinsames Projekt zur Anlage und Pflege von straßenbegleitenden Blühstreifen gestartet haben.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Großartig!)

Auf zehn ausgewählten Standorten an der A 7 zwischen Rendsburg und Flensburg sollen demnach Blühstreifen entstehen - zur Förderung der Artenvielfalt. Ziel dieser Maßnahme ist, Erfahrungen für die fachgerechte Anlage und Pflege von artenreichen Grünflächen zu sammeln, damit das dann als Gebrauchsanweisung für Kreise, Städte und Gemeinden zur Verfügung gestellt werden kann.

Darüber hinaus ist sich der LBV seiner Verantwortung durchaus bewusst und in Kenntnis der naturschutzfachlichen Bedeutung der Flächen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen. Das heißt, je nach Gegebenheit wird bei Neu- oder Umbaumaßnahmen heute bereits darauf geachtet, dass kein Mutterboden mehr verwendet wird, sondern ein standfestes Substrat. Darüber hinaus wird bei Ansaaten darauf geachtet, dass ein standortangepasstes Regionssaatgut mit gebietsheimischen Kräutern und Gräsern verwendet wird.

Zudem läuft derzeit das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben Klappertopf mit dem LBV und verschiedenen Partnern aus Forschung und Naturschutz. Meine Kollegin Sandra Redmann hat das schon erwähnt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist das!)

Das heißt, es wird durchaus etwas getan, um herauszufinden, wie man Aspekten des Artenschutzes unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit gerecht werden kann. Dabei hat der Aspekt Verkehrssicherheit sicherlich die höchste Priorität. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD, vereinzelt CDU, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Dennys Bornhöft [FDP])

(Flemming Meyer)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will nur ganz kurz auf die Diskussion eingehen, über die ich mich sehr gefreut habe, ehrlich gesagt, weil sie zeigt, dass das Thema nicht ganz verkehrt ist. Ich möchte klarstellen, dass ich zu keiner Zeit die Landesregierung kritisiert habe, dass sie zu wenig unternehme. Wir stehen genauso hinter dem Programm „Schleswig-Holstein blüht auf“ wie alle anderen. Das macht unser Land tatsächlich ansehnlicher.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich sehe das auch aus wirtschaftlicher Sicht, denn unsere Gäste aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland kommen natürlich auch gern hierher, wenn sie eine intakte Landschaft vorfinden. Die Kritik habe ich nicht geübt, liebe Frau Redmann, und ich habe auch ganz klar gesagt, dass der LBV schon einiges unternommen hat. Ich glaube, ich habe dreimal in meiner Rede Pilotprojekte erwähnt. Ich habe nur gesagt, man könnte da ansetzen und noch mehr machen.

Lieber Herr Bornhöft, gestern beim generellen Tempolimit habe ich aus den Reihen der FDP ein deutliches Kontra vernommen. Insofern stehen wir da nicht ganz allein. Ob Sie mit 300, 120 oder 80 km/h durch die Gegend fahren - Insekten werden in jedem Fall an den Scheiben kleben bleiben. Wenn Sie sagen, Autofahren und Insektenschutz widersprächen sich, müssen Sie auf das Autofahren verzichten und auf die Bahn umsteigen, die auch ein paar Insekten mitnimmt.

(Unruhe)

Herr Dr. Tietze, Ihnen gebührt die Ehre, als Letzter angesprochen zu werden. Es gibt keinen Alleinvertretungsanspruch der Grünen bei solchen Themen. Das glauben Sie vielleicht, aber das hat sich mit den Jahren abgeschliffen. Auch die AfD versteht sich - auch wenn Sie es nicht glauben - als Bewahrer einer intakten Natur. Sie gehört auch für uns zur Heimat und zur Identität.

(Zuruf Thomas Hölck [SPD])

- Das spielt überhaupt keine Rolle. Ich bin ziemlich weit gereist, Herr Hölck. Darüber können wir gern einmal reden. Ich bin froh, wenn ich auf der ganzen Welt eine intakte Natur vorfinde. Wir haben gerade

über Müllexporte gesprochen. Ich bin sehr oft in Südostasien gewesen und weiß, was mit dem Müll dort passiert. Das liegt aber nicht an uns, sondern an den Kollegen vor Ort.

(Anhaltende Unruhe)

Sie haben keinen Alleinvertretungsanspruch. Die Idee unseres Antrags haben wir uns nicht aus den Fingern gesogen, die kommt aus der Praxis. Auch wir sprechen mit Landwirten und Bauunternehmern. Die haben uns auf diese Idee gebracht. Die Debatte zeigt, dass es sinnvoll wäre, darüber im Ausschuss zu beraten. Ich finde es schade, dass Sie den Antrag pauschal ablehnen. - Danke schön.