Protokoll der Sitzung vom 19.06.2019

(Beifall CDU und FDP - Jörg Nobis [AfD]: Ich glaube schon!)

Alle weiteren Fragen, die sich aus diesem Vorfall ergeben, sind primär nicht durch die Landespolitik zu beantworten, sondern stellen sich zuallererst an die Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Kiel. Der Beschluss der Ratsmehrheit zum Ausrufen des Klimanotstandes in Kiel hat den Aktivisten als Begründung dafür gedient, sich über Recht und Ordnung hinwegzusetzen. Deshalb scheint es mir geboten zu sein, schnellstmöglich eine Klärung herbeizuführen.

(Kay Richert [FDP]: Sehr gut!)

Es ist die Frage zu beantworten, wie der Beschluss der Ratsmehrheit zu verstehen ist: Ist es nur eine unverbindliche Resolution, die keine konkreten Handlungen nach sich zieht?

(Kay Richert [FDP] und Stephan Holowaty [FDP]: Ja!)

Wenn das der Fall ist, sollte das möglichst schnell auch öffentlich eingeräumt werden, damit nicht weitere Aktivisten unter Berufung auf diesen Beschluss zu rechtswidrigem Handeln ermuntert werden und es nicht erneut zu vergleichbaren Vorfällen wie am Pfingstsonntag hier in Kiel kommt.

(Beifall CDU und Volker Schnurrbusch [AfD] - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Beim Feu- erwerk!)

Nun ist Oberbürgermeister Kämpfer auch schon kräftig dabei, zurückzurudern. Er formuliert jetzt, es sei gar kein Klimanotstand beschlossen, es sei nur ein dringender Handlungsbedarf festgestellt worden. Aber auch dann ist zu klären, was damit ei

(Jörg Nobis)

gentlich gemeint ist und welche Konsequenzen ein solcher dringender Handlungsbedarf nach sich zieht. Wenn das wirklich ernst gemeint ist, dann müsste die logische Konsequenz doch eigentlich darin bestehen, das Kreuzfahrtgeschäft in Kiel gänzlich einzustellen.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, nicht dass wir uns hier falsch verstehen: Das ist nicht mein Vorschlag und auch nicht meine Forderung.

(Zurufe SPD)

Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass glaubwürdige Politik doch genau das nach sich ziehen müsste, wenn man zuvor solche Beschlüsse gefasst hat.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP - Annabell Krämer [FDP]: So ist es!)

Es ist natürlich ein Leichtes, das Einlaufen von Marineschiffen für eine NATO-Übung mit dem Hinweis auf den beschlossenen Klimanotstand zu kritisieren, also an einer Sache Kritik zu äußern, bei der man als Kieler Ratsversammlung weiß Gott nicht die geringste Zuständigkeit hat. Man kann an dieser Situation, dem Einlaufen von Marineschiffen, als Ratsversammlung nicht das Geringste ändern. Allerdings müsste man dort, wo man als Kieler Ratsversammlung ganz allein entscheiden kann, nämlich bei der stadteigenen Seehafen Kiel GmbH & Co. KG die Frage beantworten, wie es mit der Geschäftspolitik dieser städtischen Gesellschaft weitergehen soll. Das erwarte ich von der Kieler Ratsversammlung, wenn sie zuvor solche Beschlüsse fasst.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Wie ist es in der Kieler Ratsversammlung mit einer Aktuellen Stunde? - Zuruf Bernd Heinemann [SPD])

Allerdings müsste die Ratsmehrheit dann auch die Frage beantworten, wie die Stadt Kiel Förderbeträge in zweistelliger Millionenhöhe an das Land und die EU zurückzahlen will, die die Stadt Kiel in den letzten Jahren für den Bau der Kreuzfahrtterminals erhalten hat.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Genauso müsste die Ratsmehrheit die Frage nach dem Verlust von mehreren Hundert Arbeitsplätzen in der Stadt Kiel beantworten - ganz zu schweigen von dem erheblichen Schaden für den Tourismusstandort Schleswig-Holstein, der dadurch ausgelöst würde.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Wenn man diese Folgen vermeiden möchte, dann bliebe zu guter Letzt noch die Möglichkeit, sich ein Vorbild an Norwegen zu nehmen. In Norwegen ist ab dem Jahr 2026 das Befahren bestimmter Fjorde durch Kreuzfahrtschiffe nicht mehr zulässig, sofern diese mit Schweröl betrieben werden.

(Zuruf: Das machen wir auch!)

Das könnte ein deutlich praxisnäherer und realistischerer Kurs sein.

(Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ja, allerdings muss auch dann die Kieler Ratsmehrheit die Frage beantworten, ob ein solch langwieriger Übergangszeitraum von sieben, acht oder gar zehn Jahren, der mit Sicherheit erforderlich sein wird, um in dieser Zeit die technische Umstellung der Kreuzfahrtschiffe zu ermöglichen, mit dem beschlossenen dringlichen Handlungsbedarf überhaupt vereinbar ist.

Außerdem müsste sich die Mehrheit der Kieler Ampelkooperation auch darüber klarwerden, dass ein solcher Weg zwingend ein Bekenntnis zum LNGTerminal in Brunsbüttel erfordert. Denn wenn man vom Schweröl wegkommen will, braucht es auch diesen LNG-Terminal, um den Kraftstoff liefern zu können, der das Schweröl im Schiffsverkehr ersetzten soll. Das gehört dann zur Ehrlichkeit mit dazu.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, angesichts dieser zahlreichen Fragen brauchen wir dringend eine Versachlichung der Debatte. Allein mit dem Ausrufen eines Klimanotstandes ist es nicht getan, wenn man sich nicht vorher überlegt hat, welche konkreten Umsetzungsschritte es dazu braucht.

Bislang ist festzustellen, dass dieser Beschluss als einziges die rechtswidrige Blockade des Kreuzfahrtschiffes „Zuiderdam“ verursacht hat. Darauf zu setzen, dass durch derartige fragwürdige Aktionen die gewünschten Veränderungen herbeigeführt werden, kann sicherlich nicht die Antwort der Politik auf die Fragen des Klimawandels sein.

(Beifall Kay Richert [FDP])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung der Abgeordneten von Kalben?

(Tobias Koch)

Immer sehr gern. - Guten Morgen, Eka.

Guten Morgen, Herr Koch. Ich bin ein bisschen irritiert über Ihre Aussage, dass Sie sagen, der Beschluss der Kieler Ratsfraktion - der zugegebenermaßen den Begriff Klimanotstand nutzt, der aus dem Englischen übersetzt wurde und eigentlich etwas anders gemeint ist, der darauf abzielt, dass man alle Maßnahmen, die man in einer Stadt trifft, auf den Klimawandel hin untersucht - habe die Blockade und die rechtswidrigen Handlungen verursacht.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Haben Sie das so gemeint? Dann wäre ich irritiert. Wenn nicht, dann wäre ich dankbar für eine Äußerung von Ihnen dazu.

- Vielen Dank für den Hinweis. Ich lese das gern noch einmal im Protokoll nach. Es besteht ja immer eine gewisse Gefahr bei einer freien Rede. Zunächst einmal: Ich halte den Begriff des Klimanotstandes in der Tat für höchst problematisch, weil damit über den Begriff Notstandsgesetzgebung eine Situation herbeigeredet wird, die wirklich weitreichende Konsequenzen haben müsste. Ich habe - glaube ich - nicht gesagt, dass das die Blockade verursacht hat, sondern ich habe hoffentlich gesagt, dass die Aktivisten dazu motiviert worden sind, auf der Basis dieses Beschlusses rechtswidrig zu handeln und damit dadurch eine indirekte Beförderung dieser Blockade hervorgerufen wurde.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Was wir brauchen, meine Damen und Herren, ist ein abgestimmter Vorhabenplan, ein konkreter Umsetzungsweg, und vor allen Dingen einen gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage. Ähnlich wie beim Kohleausstieg unter Einbeziehung aller Beteiligten und Betroffenen ein Fahrplan vereinbart wurde, braucht es so etwas auch für die Zukunft des Kreuzfahrtgeschäftes in Schleswig-Holstein. Das würde ich mir vonseiten der CDU-Fraktion wünschen. Diese Anregung wollte ich hier einbringen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, vereinzelt FDP und Beifall Lars Harms [SSW])

Meine Damen und Herren, bevor ich die nächsten Wortmeldungen aufrufe, begrüßen Sie gemeinsam

mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages Mitglieder des SPD-Ortsvereins Sereetz. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Kathrin Wagner-Bockey.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Nobis, einleitend, bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich Ihnen gern sagen, dass die Parteien in diesem Haus sehr wohl in der Lage sind, Probleme mehrdimensional zu erkennen, zu durchdenken und auch zu lösen.

Deshalb erlaube ich mir, in meiner Rede auf die Probleme, auf die die Klimaaktivisten aufmerksam machen wollten, genauso wie auf Lösungsansätze und auch darauf, wie der Polizeieinsatz sich gestaltet hat, einzugehen. Sich nur eines aus dieser ganzen Geschichte herauszupicken, greift nämlich zu kurz.

(Beifall SPD und Burkhard Peters [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn, meine Damen und Herren, wir müssen reden - nicht nur Sie und ich, sondern wir alle. Unsere Gesellschaft muss ernsthaft ins Gespräch darüber kommen, wie wir unsere Welt lebenswert erhalten. Wir können unsere Ansprüche an Mobilität, Bequemlichkeit und Luxus nicht in der Form weiterleben, wenn wir sie gleichzeitig in Einklang bringen wollen mit dem Grundbedürfnis nach sauberer Luft, sauberem Wasser und giftfreien Böden.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb müssen wir uns fragen, wie wir unser Leben verändern müssen, wenn wir unseren Kindern eine lebenswerte Welt hinterlassen wollen.