Protokoll der Sitzung vom 28.08.2019

Einige der in dem Antrag beschriebenen Problemlagen werden durch die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes voraussichtlich gemildert oder ihnen wird - hoffentlich - gänzlich abgeholfen. Die volle Wirkung entfalten das Bundesteilhabegesetz sowie seine landesrechtliche Umsetzung jedoch erst zukünftig. Wir können daher jetzt noch nicht sagen, ob und wenn ja, wo zur Verbesserung nachjustiert werden kann oder muss.

Die Verengung auf die Eingliederungshilfe und die Zusammenarbeit mit den Kommunen, wie es in dem vorliegenden Antrag geschrieben steht, könnte ein Stück weit zu kurz greifen. So braucht es beispielsweise Wege, die insbesondere denjenigen, die bereits länger ohne Berufstätigkeit sind, Arbeitschancen eröffnen. Das wiederum ist nur in Kooperation mit den jeweiligen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern möglich. Der Bundesgesetzgeber hat in § 11 des SGB IX auch die Möglichkeit der Unterstützung von Modellprojekten eröffnet. In Schleswig-Holstein wird sie bereits genutzt. So hat die Landesregierung 2018 zusammen mit den kommunalen Landesverbänden und der Bundesagentur für Arbeit eine Möglichkeit geschaffen, die es Men

schen mit Behinderungen einfacher macht, den ersten Schritt in den Arbeitsmarkt über einen Minijob zu machen. Die Arbeitgeber erhalten hierfür entsprechende öffentliche Förderung. Wir würden es sehr begrüßen, wenn dieses Modell weiter wachsen würde und mehr Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, am besten gut verteilt im ganzen Land, dazukämen. Perspektivisch wäre es auch wünschenswert, wenn mehr Arbeitsverhältnisse oberhalb der MinijobGrenze geschaffen würden und hierüber Arbeit für diese Menschen realisiert werden könnte.

Ich freue mich sehr auf die weitere Beratung zu diesem Thema im Sozialausschuss. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Wie kann die Beschäftigungssituation von Menschen mit schweren, dauerhaften psychischen Beeinträchtigungen weiter verbessert werden? Eine wichtige Frage! Der SSW schlägt hierzu unter anderem vor, beim Verdienst anzusetzen. Im Einzelnen wird vorgeschlagen, weitere Angebote im Bereich der niedrigschwelligen stundenweisen Beschäftigung zu schaffen, Beschäftigungsangebote ohne vertragliche Grundlage als sogenannte offene sozialräumliche Angebote zu ermöglichen und ein Therapie- oder Motivationsgeld zu zahlen.

Meine Damen und Herren, wir halten das für eine zu einseitige Sicht. Bleiben wir bei der Zahlung: Eine geringe Vergütung allein - wie durch das Motivationsgeld - führt eben nicht dazu, dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen ihre Tätigkeit als sinnstiftend empfinden, wie es im Antrag des SSW heißt. Ein Vergleich mit den Menschen, die in unserem Land ehrenamtlich unterwegs sind, zeigt: Auch diese Menschen empfinden ihre Arbeit als sinnstiftend, obwohl sie nicht einen einzigen Euro dafür bekommen.

Wir müssen uns vielmehr fragen, was Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen tatsächlich brauchen. Für diese Menschen stehen die persönliche Beratung, die nahe Begleitung und eine kompetente Unterstützung in allen Fragen rund um das Arbeitsleben im Vordergrund. Sie brauchen Hilfe

(Dennys Bornhöft)

bei der Arbeitsplatzsuche und der Bewerbung sowie Unterstützung in der Einarbeitungszeit.

Viel wichtiger als ein Euro mehr oder weniger ist außerdem, dass die berufsbezogenen Fähigkeiten und Interessen dieser Menschen entdeckt und entwickelt werden. Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen brauchen in besonders hohem Maße eine auf sie zugeschnittene Tätigkeit. Daher bin ich kritisch gegenüber den offenen sozialräumlichen Angeboten. Es ist eine gut gemeinte Idee aus den 70er-Jahren, aber es ist der falsche Weg. Denn entscheidend ist die Art der speziell auf den psychisch erkrankten Menschen zugeschnittenen Tätigkeit.

Genau nach diesem Credo arbeiten auch die bereits heute bestehenden Hilfs- und Unterstützungsangebote. Wir haben einige Beispiele gehört. Zu nennen wäre natürlich auch der Integrationsfachdienst. Sie kennen die Regelungen des § 140 a SGB V. Hier ist der gesetzliche Anspruch auf eine besondere Versorgung bei psychischen Gesundheitseinschränkungen geregelt. Hieraus resultieren dann wieder besondere Versorgungsangebote, um Menschen mit psychischen Erkrankungen zu mehr Stabilität und Lebensqualität zu verhelfen, gerade im Arbeitsleben.

Nicht zuletzt - auch das klang an - sind Wohn- und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen zu nennen, die grundsätzlich auch Menschen mit psychischen Erkrankungen offenstehen. Hier wird nicht nur eine angemessene berufliche Bildung angeboten, sondern eben auch eine, wenn nötig, dauerhaft sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Dass hierbei nicht etwa der Verdienst im Vordergrund steht, sondern die Ermöglichung tatsächlicher Teilhabe, ist bekannt, das wurde auch gesagt. Das ist auch durch die Neuregelung im Bundesteilhabegesetz so abgesichert.

Gerade auch wegen der Neuregelung im Bundesteilhabegesetz ist unseres Erachtens jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, alte, zu kurz gedachte Forderungen oder Ideen zu wiederholen. Wir sollten zunächst einmal abwarten, wie sich die bereits jetzt umgesetzten Reformstufen des Bundesteilhabegesetzes in der Praxis auswirken. Und zudem: Ab dem 1. Januar 2020 tritt dann die Reformstufe 3 des Bundesteilhabegesetzes in Kraft. Speziell diese sieht Verbesserungen in der Einkommens- und Vermögensheranziehung vor, sodass sich dadurch auch die finanzielle Situation von Menschen mit Behinderung verbessern wird.

Meine Damen und Herren, zusammengefasst: Natürlich kann man immer und sollten wir auch im

mer wieder darüber sprechen, wo es noch Nachbesserungsbedarf gibt, wo es noch Gesetzeslücken gibt. Gleichzeitig können wir aber zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass das Teilhabegesetz seine Wirkung erst noch entfalten wird. Ich bin absolut zuversichtlich, dass es das zur Genüge tun wird.

Ihr Antrag, Frau Waldinger-Thiering, ist dennoch richtig - das klang auch schon an -, weil er dafür sensibilisiert, immer wieder zu überprüfen, wie Menschen mit Behinderung mehr als bisher noch in den Arbeitsmarkt und auch in die Gesellschaft, in die Familie, in andere Felder eingegliedert werden können. Darüber sollten wir im Ausschuss Gespräche führen. Ich freue mich sehr auf die dortigen Beratungen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Gerade in der jetzigen Zeit kann man nicht häufig genug sagen, dass unsere Gesellschaft stark ist, weil unsere Gesellschaft vielfältig ist und Inklusion die Voraussetzung für diese Vielfalt unserer Gesellschaft schafft. Für Menschen mit Handicap sind, wie für fast alle Menschen, Arbeit und Beschäftigung eine ganz zentrale Bedingung für gesellschaftliche Teilhabe. Das gilt genauso für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Deswegen, liebe Abgeordnete des SSW, verfolgt der vorliegende Antrag auch aus unserer Sicht den richtigen Ansatz, weil es darum gehen soll, die Beschäftigungssituation von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu verbessern.

Lassen Sie mich trotzdem zu den vorgeschlagenen Maßnahmen sagen: In vielen Bereichen sind wir heute weiter, als es der Antrag an der einen oder anderen Stelle suggeriert. Der Antrag fokussiert relativ stark auf die Eingliederungshilfe. Das Bundesteilhabegesetz allerdings bietet - zum Glück - über die Eingliederungshilfe hinaus inzwischen neue Möglichkeiten, die Beschäftigungssituation für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu verbessern. Für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die Leistung der Eingliederungshilfe

(Dr. Frank Brodehl)

erhalten, bestehen Angebote, einer geringfügigen Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt nachzugehen.

Die Landesregierung hat bereits im vergangenen Jahr in Abstimmung mit den kommunalen Landesverbänden und im Einvernehmen mit der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit das Modellprojekt „Übergänge schaffen - Arbeit inklusiv“ entwickelt. Damit wollen wir die passgenauen, auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Einzelnen abgestimmten Übergänge auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen.

Mit dem Modul „Übergang im Minijob“ regeln wir konkret die Grundlagen für die Träger der Eingliederungshilfe in Schleswig-Holstein zur Förderung von Minijobs für Menschen mit Handicap. Insbesondere auch die von Ihnen angesprochene Frage des Hinzuverdienstes hat sich als alternatives niedrigschwelliges geeignetes Angebot für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen bewährt, wovon der vorliegende Antrag im Übrigen auch ausgeht.

Darüber hinaus eröffnet der offene Leistungskatalog des Bundesteilhabegesetzes die Möglichkeit des Zuverdienstes und schafft zudem mit anderen Leistungsanbietern neue alternative Angebote.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Zweiten Teilhabestärkungsgesetz haben wir in der vergangenen Landtagstagung die letzte Stufe der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes erreicht. Nun müssen die mit dem Gesetz verbundenen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben entwickelt werden. Es ist schon jetzt absehbar, dass mit den anderen Leistungsanbietern insbesondere für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine Alternative zur Werkstatt für Menschen mit Handicap und zu den bisherigen Beschäftigungsprojekten entstehen wird.

(Beifall FDP und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Als Träger der Eingliederungshilfe wird das Land im Einvernehmen mit den Kreisen und den kreisfreien Städten die Rahmenbedingungen für andere Leistungsanbieter konzeptionell entwickeln und dabei das Augenmerk auf die Angebote für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen legen. Jenseits aller Neuerungen steht, glaube ich, fest, dass wir in Schleswig-Holstein beispielsweise bereits offene Treffpunkte für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen haben. Sie bieten Unterstützung, Beratung und ehrenamtliche Beschäftigung an. Allerdings ist richtig, dass ihre Zielrichtung vorrangig soziale Teilhabe und nicht die Förderung von Be

schäftigung ist. Ich will aber sagen - ich glaube, das ist in dem einen oder anderen Redebeitrag auch bereits angeklungen -: Das ist ein genauso wichtiger Beitrag zur Inklusion und stärkt die gesellschaftliche Vielfalt in unserem Bundesland.

Ich freue mich, wenn wir Demokraten gemeinsam daran arbeiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/1506 dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig so beschlossen. Ich danke Ihnen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Wahl einer Landtagsvizepräsidentin

Wahlvorschlag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1625

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Mit der Drucksache 19/1625 haben die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP die Abgeordnete Aminata Touré zur Wahl als Landtagsvizepräsidentin vorgeschlagen. In dem Zusammenhang darf ich die Familie ganz herzlich auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages begrüßen.

(Beifall)

Zum Wahlablauf gebe ich noch folgende notwendige Hinweise:

Zur Wahl ist mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen notwendig. Wir beschließen über den Wahlvorschlag der Landtagsvizepräsidentin, Drucksache 19/1625. Wer ihm zustimmen will, kreuzt Ja an, wer ihn ablehnen will, kreuzt Nein an, und wer sich der Stimme enthalten will, kreuzt Stimmenthaltung an.

Die Mitglieder des Landtages werden durch die Schriftführer aufgerufen und gehen dann bitte außen herum zu dem Saaldiener zu meiner Linken, der ihnen den Stimmzettel aushändigen wird. Gegen Sie dann bitte einzeln zur Wahlkabine. Nach

(Minister Dr. Heiner Garg)

Abgabe Ihrer Stimme falten Sie den Stimmzettel und werfen ihn in die Wahlurne.

Ich bitte alle Mitglieder des Landtages, darauf zu achten, dass das Kreuz auf dem Stimmzettel korrekt angebracht ist, sodass keine Zweifel über die Gültigkeit Ihrer Stimme entstehen können.

(Unruhe)

Ich habe ja erwähnt: Es ist notwendig, das alles vorzutragen.

Wer den Stimmzettel beschädigt, verändert oder mit Zusätzen oder anderen Kennzeichen versieht, macht ihn ungültig. Es ist daher auch nur der in der Wahlkabine bereitliegende Stift zur Stimmabgabe zu benutzen. Die Verwendung eines anderen Schreibgerätes ist als unzulässige Kennzeichnung anzusehen, die zur Ungültigkeit des Stimmzettels führt.

Die Mitglieder des Landtages bitte ich, bis zum Aufruf ihres Namens auf ihren Plätzen sitzen zu bleiben und nach Abgabe ihrer Stimme gleich wieder Platz zu nehmen. Bevor wir in die Wahlhandlung eintreten, bitte ich einen der Schriftführer, sich davon zu überzeugen, dass die Wahlurne leer ist. Das ist der Fall.