Protokoll der Sitzung vom 28.08.2019

(Beifall AfD)

Für die CDU-Fraktion hat das Wort die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren und sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin!

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist ein Papier- korbgesetz!)

Ja, es ist schon schlimm, was wir uns hier manchmal anhören müssen. Aber auf diesem Gesetzentwurf beziehungsweise auf diese Initiative haben wir eigentlich schon lange gewartet. Das steht ja bereits in Ihrem Programm. Deshalb ist es auch logisch,

(Claus Schaffer)

dass Sie hier heute einen solchen Gesetzentwurf einbringen.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: In der Tat!)

Wissen Sie was? Sie nehmen die Gleichstellungsbeauftragten in Gemeinden, Ämtern, Städten und Kreisen aufs Korn. Haben Sie Angst vor diesen Frauen? Das glaube ich manchmal.

(Lebhafter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Sie folgen noch ihrem alten Familienbild, der alten Einstellung zur Familie. Gleichstellung und Gleichberechtigung, das ist Ihnen alles ein bisschen suspekt, das braucht man nicht.

Ich denke, der von Ihnen eingebrachte Gesetzentwurf ist rückständig im Bild der Gesellschaft. Sie verkennen die Realitäten. Ihr Bild von Familie teilen wir nicht. Ich glaube, dass auch die Menschen in Schleswig-Holstein es nicht teilen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Sie reden von Freiwilligkeit, sie reden von alter Ordnung; das sage ich Ihnen: die Rolle der deutschen Frau als Hausfrau, die auf die Kinder aufpasst, die über Haus und Garten waltet und hütet, das ist Ihr persönliches Familienbild. Das ist nicht unseres.

Sie haben das bewiesen, als wir den Antrag zum Kita-Gesetz verabschiedet haben. Diesen Antrag hatten Sie abgelehnt und gesagt, er entspreche nicht Ihrem Familienbild. Das war entlarvend, und das finde ich schlimm. Deswegen kriegen Sie von mir hier heute auch diese Rede zu hören.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Es ist das Familienbild aus dem vorigen Jahrhundert. Mehr möchte ich dazu gar nicht sagen. Sie sprechen bevorzugt vom „Gender-Wahn“; Sie sprechen sich gegen Gender-Mainstreaming aus. Aber Sie wissen gar nicht genau, was das ist. Das ist der faire Ausgleich der Geschlechter untereinander. Dagegen haben Sie etwas. Ich aber finde, dagegen kann man überhaupt nichts haben; das ist gut für die Gesellschaft.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Sie klären uns gegen unseren Willen darüber auf, was die natürliche Rolle der Frau sei. Die natürliche Rolle der Frau ist es, dass sie selbständig ist und dass sie Hilfe bekommt, wenn sie Hilfe benötigt.

Aber dazu komme ich noch. Ich glaube, Sie stehen mehr auf die drei alten K: Kinder, Küche und Kirche. Das hat aber nicht mit Gleichstellung zu tun. Sie wollen deshalb auch die Gleichstellungsbeauftragen nicht.

Hier gibt es etwas Nachhilfe von mir. Den Artikel 3 des Grundgesetzes haben Sie ja bereits selber zitiert. Anscheinend haben Sie ihn aber nicht verstanden. Ich möchte ihn deshalb auch nicht noch einmal vorlesen, aber ich lese Ihnen den Artikel 9 der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung vor. Das müssen Sie ertragen. Ich zitiere:

„Die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der anderen Träger der öffentlichen Verwaltung. Insbesondere ist darauf hinzuwirken, dass Frauen und Männer in kollegialen öffentlich-rechtlichen Beschluss- und Beratungsorganen zu gleichen Teilen vertreten sind.“

Das ist eine Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragen zu gucken, dass überall gleich viele Männer und Frauen sind und dass insoweit Gerechtigkeit herrscht. Das ist das verbriefte Recht der Gleichstellungsbeauftragen. Diese aber wollen Sie nicht.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Es geht um die gesetzliche und faktische Gleichstellung von Männern und Frauen. Das Ziel haben wir noch nicht erreicht, und deswegen brauchen wir auch diese Frauen in den Kommunen, in den Ämtern, in den Kreisen und in den Hochschulen.

Schon lange ist gerichtlich geklärt - auch das wollte ich Ihnen noch einmal sagen -, dass die Bestellung von hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten keinen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung darstellt. Aber Sie stellen sich hier hin und sagen genau das Gegenteil. Das ist falsch - aber gut.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich habe von Ihnen gar nichts anderes erwartet. Gleichstellungsbeauftragte - das muss ich den meisten hier gar nicht erzählen - sind ein fester und wirksamer Bestandteil in den Verwaltungen. Sie beraten mit ihrer Kompetenz die Frauen auch bei Personalauswahlverfahren, sie beraten mit bei Frauenförderplänen. Sie beraten auch die Menschen von außen. Ein Personalrat kann nicht die Hausfrau, die von ihrem Mann geschlagen wird, beraten. Das

(Katja Rathje-Hoffmann)

kann aber eine Gleichstellungsbeauftragte. Also passen Sie bloß auf bei dem, was Sie hier sagen!

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich selbst bin hauptamtliche kommunale Gleichstellungsbeauftragte. Ich bin beurlaubt worden, damit ich hier heute diese Rede halten kann und so etwas bereits seit zehn Jahren machen kann.

(Große Heiterkeit und Beifall CDU)

Ich sage Ihnen: Wir kämpfen weiter, auch ohne Sie: gegen Gewalt in der Familie, für die Rechte von Frauen und im Übrigen auch von Männern, die manches Mal ebenfalls bei den Gleichstellungsbeauftragten aufschlagen. Auch denen helfen wir sehr gerne; denn Gleichstellung ist keine Einbahnstraße, das wissen wir alle.

Aber für Sie noch einmal diese Lehrstunde. Wir können uns gern darüber unterhalten, was die Gleichstellungsbeauftragte macht. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Beate Raudies das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frauen, es geht wieder los. Rückwärtsgewandte Männer wollen uns sagen, was gut für uns Frauen ist. Schön, das ist nichts Neues, das kennen wir schon.

(Große Heiterkeit - Thomas Hölck [SPD: Aber nur die da vorn!)

- Lieber Thomas, selbstverständlich bist du nicht rückwärtsgewandt, du bist Sozialdemokrat!

(Beifall SPD)

Also kein Grund zur Aufregung, sagen einige. Doch! Diese Männer, um die es heute geht, sind Mitglieder der AfD-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Diese vier Männer haben beschlossen, dass in Sachen Gleichstellung in Deutschland und vor allem in Schleswig-Holstein alles picobello ist. Ihrer Meinung nach bedarf es nach rund 30 Jahren aktiver Gleichstellung mit entsprechender Gesetzgebung keiner besonderen Regelungen mehr; so schreiben sie es jedenfalls in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf. Sie halten Gleichstellungsbeauftragte für nicht mehr zeitge

mäß, für durch die Gesetzgebung überholt und fordern - für Sie vielleicht konsequent - die Abschaffung der Gleichstellungsbeauftragten in unseren Kommunen und Hochschulen. Dann, meine Herren von der AfD, verstecken Sie diesen reaktionären Angriff auf Frauenrechte und die Gleichstellung hinter dem Deckmäntelchen des Bürokratieabbaus und der Verteidigung der kommunalen Selbstverwaltung. Geht es nicht noch ein bisschen billiger? Also wirklich!

Allein der Gesetzentwurf der AfD zeigt, dass die Gleichstellungsbeauftragten nicht überholt sind, sondern dringend gebraucht werden. Vielleicht sollten wir Ihren Antrag zum Anlass nehmen, auch einmal über Gleichstellungsbeauftragte in den Fraktionen zu sprechen, um auch dort noch ein bisschen Nachhilfeunterricht zu erteilen.

Die Kollegin Rathje-Hoffmann hat schon darauf hingewiesen: Den Herren der AfD sind wohl einige Dinge entgangen. Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes hat Herr Schaffer korrekt zitiert. Aber ich bin bei Ihnen, liebe Kollegin Rathje-Hoffmann: Verstanden hat er diesen Artikel offensichtlich nicht. Zwar haben Frauen auf dem Papier gleiche Rechte, auch das Recht, individuell gegen Benachteiligung vorzugehen. Faktisch gibt es aber weiterhin strukturelle Benachteiligung wie ungleiche Bezahlung, ungleiche Verteilung der Familienarbeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, ein hohes Ausmaß an männlicher Gewalt, Frauenaltersarmut und so weiter. Die Listen werden in den letzten 30 Jahren eigentlich immer länger, und hier beginnt die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten.

Liebe Kollegin Rathje-Hoffmann, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie auf die Landesverfassung hingewiesen haben, die die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern als Aufgabe des Landes und der Kommunen definiert. Ich finde, wir haben insoweit eine tolle Landesverfassung. Das ist dort wirklich gut geregelt, und das haben wir auch extra so hineingeschrieben. Ich bin darauf sehr stolz.

Ergänzen möchte ich noch, dass das Bundesverfassungsgericht bereits 1994 entschieden hat, dass die den schleswig-holsteinischen Gemeinden auferlegte Pflicht, eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen, mit Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes vereinbar ist. Lesen hilft, meine Herren, vielleicht auch einmal googeln. Sie sollten nicht immer alles gleich ausblenden, was nicht in Ihr Selbstbild passt.

(Beifall SPD)

(Katja Rathje-Hoffmann)

Ihnen geht es nicht um den Bürokratieabbau oder um die kommunale Selbstverwaltung. Sie wollen die Gleichstellung abschaffen, Ihnen geht es darum, ein reaktionäres Frauenbild durchzusetzen, die Frau auf ihre natürliche Aufgabe mit Kinder, Küche und Kirche zu beschränken. Das ist Ihr Familienbild, das steht in Ihrem Programm. Das kann jeder nachlesen.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: So ein Blödsinn!)