Protokoll der Sitzung vom 29.08.2019

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Quatsch!)

Ich wünsche mir - das ist ein ernst gemeinter Wunsch -, dass die Landesregierung, Landespolitik und Gesellschaft gleichermaßen gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um politische Kriminalität gleich welcher Couleur entschieden zu bekämpfen.

(Wortmeldung Christopher Vogt [FDP])

Ihre Anträge lassen dies leider nicht erkennen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zurück zum eigentlichen Thema, nämlich Rechtsextremismus.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich kann zumindest als Replik eines feststellen: Das gesamte Haus außer der AfD besteht anscheinend nur aus Linken und Linksextremisten. Wenn das Ihre Sicht der Dinge ist, fühle ich mich auch als Linker ganz wohl, meine Damen und Herren. Jetzt aber wirklich zum Thema.

Walter Lübckes Tod - das ist eigentlich der Hintergrund - hat uns wirklich entsetzt, meine Damen und Herren. Davor haben uns über Jahre die Erkenntnisse aus der Aufarbeitung der NSU-Morde immer wieder fassungslos zurückgelassen. Das sind Dinge, die sich sehr stark von dem unterscheiden, was wir bisher von Linksextremisten gewohnt waren. Es ist verständlich, dass sich daraus ein erhöhter Wunsch nach Information ergibt. Es geht ja allgemein um die Frage, welchen Umgang wir mit Listen, die bei Vertretern des rechten Terrors gefunden wurden,

(Claus Schaffer)

pflegen wollen. Nicht erst durch den Mord an Walter Lübcke ist klar, dass Listen dieser Art keine Bagatellen sind. Das sind sie nun wirklich nicht.

Nun gibt es aber berechtigterweise unterschiedliche Arten und Weisen des Umgangs damit. Über die 10.000er-Liste, mit der auch der NSU hantierte, wissen wir, dass 24 Menschen aus Schleswig-Holstein auf ihr standen, und sie wurden vom LKA angeschrieben, und zwar, wie wir vom Innenministerium erst letzte Woche noch gehört haben, ausschließlich aufgrund der Schwere der durch den NSU verübten Taten.

Diskussionen gibt es nun bei uns wegen der sogenannten Nordkreuz-Liste mit 25.000 Namen. In Hamburg wurde mittlerweile eine Telefonnummer vom LKA eingerichtet, an die sich die betroffenen Menschen wenden können. In Mecklenburg-Vorpommern werden Betroffene derzeit angeschrieben. Der Grund scheint das hier mittlerweile entstandene öffentliche Interesse zu sein. Unser Landeskriminalamt möchte bisher keine Auskunft geben. Für mich gibt es durchaus berechtigte Einwände gegen automatisierte Veröffentlichungen oder die Bereitstellung derartiger Daten auf Anfrage; denn - das haben auch andere schon gesagt - so schüren wir Angst, wir verunsichern gegebenenfalls politisch Aktive und ihre Familien und machen uns so mit den Urhebern dieser Liste gemein. Wir machen praktisch ihre Arbeit, und genau das sollte nicht der Effekt sein.

Schlimmstenfalls holen sich Menschen nun die Informationen ab, dass sie auf einer bei Razzien gefundenen Liste standen, und leben fortan in einer unbestimmten Angst, ohne weitere Angebote der Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Wir lassen Menschen dann mit dem Gefühl zurück, dass sie in Gefahr schweben und ihnen nicht geholfen wird.

Die in rechtsextremen Zirkeln kursierenden Listen unterscheiden sich stark in ihrer Genauigkeit und in ihrem Umfang. Die Liste von der Gruppe Nordkreuz hat, wie gesagt, 25.000 Namen erfasst. Sie verunsichert uns als Privatpersonen oder auch als in der Öffentlichkeit stehende Menschen so stark, weil wir nicht wissen, wer sich diese Daten zu eigen macht, sich zu eigen gemacht hat und sie vor allem auch als eine Art Handlungsaufruf versteht.

Konkret möchte ich nun zu den Anträgen drei Punkte anführen: Erstens. Ich finde es schwierig, wenn die drastischen Begriffe, die in den Medien kursieren, so in politische Anträge übernommen werden. Manchmal lesen wir in den Zeitungen von Feindeslisten, manchmal sogar von Todeslisten,

meist hantieren unsere Zeitungen mit diesen Begriffen in Gänsefüßchen. Diese Begriffe so in die parlamentarische Diskussion zu übernehmen, festigt sie und verleiht ihnen einen scheinbaren Wahrheitsgehalt. Das ist etwas, was eigentlich niemand will.

Zweitens. Es ist ein groß angelegtes Vorhaben, Information und Beratung für von Rechtsextremen bedrohte Menschen neu zu organisieren. Für mich steht außer Frage, dass die konkrete Gefährdungseinschätzung bei den Sicherheitsbehörden bleiben muss. Tatsächlich frage ich mich aber, ob es wirklich sinnvoll wäre, eine Anlaufstelle beim Innenministerium einzurichten. Ich könnte mir vorstellen, dass gerade Personen, die sich politisch eher weiter links von der Mitte bewegen, Hemmungen haben, sich an ein Ministerium zu wenden. Wir glauben, dass stattdessen Beratungsstellen wie Zebra e.V., die auch psychosoziale Beratung leisten und weitere Unterstützung vermitteln können, bei Bedarf besser als bisher gefördert werden sollten, dass das Ganze also nicht beim Innenministerium angesiedelt wird.

Drittens. Für uns bleibt der Konflikt bestehen, ob es nun wirklich der richtige Weg ist, Einzelpersonen, die tatsächlich nur auf einer Liste stehen, weil sie bei einem linken Versandhandel bestellt haben, mit einer abstrakten Gefahr zu behelligen. Dass Personen, wenn sie konkret in Gefahr sind, informiert werden müssen, ist vollkommen klar. Es geht also um den Zwiespalt zwischen angemessener Information und dem groß angelegten Verbreiten von Angst. Wir sollten in aller Ruhe im Ausschuss beraten, ob wir wirklich alle Personen anschreiben, ob wir wirklich alle informieren wollen oder ob es nicht besser ist, es alles so auf sich beruhen zu lassen und nur bei einer konkreten Gefährdung selber zu handeln. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD, vereinzelt CDU, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort hat die Abgeordnete Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sowohl Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier als auch Bundesinnenminister Horst Seehofer betonten mehrfach, dass von Feindes- und Todeslisten gerade keine Rede sein könne und vor allem, dass keine Anhaltspunkte für konkrete Ge

(Lars Harms)

fährdungen vorlägen. Auch der Landesverband der AfD Mecklenburg-Vorpommern fand sich auf der angeblich rechten Liste, die sich als Kundendatei entpuppt hat. Mit gutem Recht könnte sich auch die AfD als potenzielles Opfer von vorgeblichen Todeslisten und linksextremer Gewalt stilisieren. Ich wundere mich deshalb, dass die SPD ihren Antrag nicht zurückgezogen hat und die Regierungsparteien ebenfalls mit einem einäugigen Antrag beigesprungen sind. In Wirklichkeit geht es doch darum, weitere Fördermittel für linksgrüne Projekte im Rahmen sozialistischer Vetternwirtschaft anzuschieben.

(Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber reden wir doch zur Abwechslung mal von Fakten.

(Unruhe)

Dazu ein Zitat:

(Anhaltende Unruhe - Christopher Vogt [FDP]: Ihre Chefin!)

„Fakt bleibt: Man muss Positionen und Personal der Rechtspopulisten attackieren, weil sie gestrig, intolerant, rechtsaußen und gefährlich sind!“

Diese Aufforderung zu politisch motivierter Gewalt des Superdemokraten Stegner, der Vorsitzender der einst großen SPD werden möchte, hat tatsächlich gefruchtet. Im zweiten Quartal 2019 gab es in Deutschland 31 gewaltsame Angriffe auf Politiker; mehr als drei Viertel dieser Attacken richteten sich gegen AfD-Vertreter. 24 Gewaltattacken in drei Monaten!

Da wir gerade bei den Landesgeschäftsstellen sind: Schauen Sie sich mal den Zustand der Landesgeschäftsstelle in Kiel an.

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb fordere ich Mittel für den Kampf gegen Linksextremismus und Linksterrorismus. - Vielen Dank.

Das Wort für einen Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vier Anmerkungen zu der Debatte.

Erstens. Zu der Frage, was da in der Sache passiert, haben viele Kolleginnen und Kollegen schon Richtiges gesagt. Das muss man nicht wiederholen. Ich meine allerdings, dass wir in der Gesellschaft darüber reden müssen, dass wir deutlicher feststellen müssen, dass wir jedwede Form von Gewalt verurteilen, egal, von wem sie ausgeht, und egal, gegen wen sie sich richtet, und egal, wie sie begründet wird.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, AfD, SSW und Doris Fürs- tin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Zweitens. Ich glaube, auch in den demokratischen Parteien müssen wir aufpassen, dass wir nicht in Randbereichen Dinge zulassen, die als Ermunterung gewertet werden können und die die rechten Parteien stärken. Ich nenne als Beispiel Herrn Maaßen. Sie haben mitbekommen, dass sich das, was vor einem Jahr über Chemnitz gesagt worden war, als wahr erwiesen hat. Es gibt Polizeiprotokolle, die zeigen, dass Hetzjagden geplant worden sind gegen Menschen, die anders aussehen, die Flüchtlinge sind. Dieser Herr Maaßen geistert jetzt sozusagen herum - sein Nachfolger macht übrigens gute Arbeit, wenn ich das hier sagen darf -, und dann wird er von seiner Parteivorsitzenden - zu Recht - gerüffelt, und die wird daraufhin vom Generalsekretär zurückgepfiffen. Das sind die falschen Signale, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir müssen uns klipp und klar von allem abgrenzen, was in dieser Richtung passiert.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Drittens. Die AfD ist keine normale Partei. Es ist nicht so, dass da nur ein paar Bestimmte dabei wären. Sie ist keine normale Partei. Wenn der Kreisverband Dithmarschen den Mord an Herrn Lübcke öffentlich feiert, dann ist das eine Riesensauerei. Wer in einer solchen Partei ist, sollte sich schämen. Ich muss sagen: Das ist keine normale Partei!

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Deswegen haben wir zwei Dinge zu tun. Wir müssen auf der einen Seite als demokratische Parteien die Probleme lösen, damit die Angstmacher keine Chance haben, die Situation auszubeuten. Das gilt überall, auch bei uns. Auf der anderen Seite kann es keine Normalisierung geben. Es ist völlig schnurz, ob jemand aus einer solchen Partei austritt oder nicht austritt. Das ist alles der gleiche Verein wenn ich das mal so sagen darf. Wer sich so äußert, wer sich klar gegen die Grundwerte unserer Verfas

(Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein)

sung äußert, mit dem darf man nichts gemein haben wollen. Da kann das Ziel erst erreicht sein, wenn diese Leute nicht mehr in Parlamenten sitzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Lassen Sie mich - viertens - auch noch eine persönliche Anmerkung machen als jemand, der häufig selbst erlebt hat, wie es ist, bedroht zu werden, der insbesondere aber auch die Bedrohung von Familienmitgliedern erlebt hat. Was einen selbst angeht, so muss ich sagen: Das fruchtete bei mir noch nie. Man darf da nie weichen. Im Übrigen sind wir Politiker privilegiert; wir sind besser geschützt als andere Menschen. Dass aber Familien hiervon betroffen sind, zeigt mir, dass hier teilweise Grenzen überschritten werden, bei denen wir Demokratinnen und Demokraten immer zusammenstehen müssen. Wir mögen leidenschaftlich streiten über alles, worüber man streiten kann; das gehört zur parlamentarischen Demokratie. Aber wir müssen zusammenstehen gegen die Gefahren von rechts. Es darf nicht sein, dass Menschen in Deutschland wieder Angst haben müssen vor Nazis und vor rechter Bedrohung. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Christopher Vogt.