Protokoll der Sitzung vom 25.09.2019

Im Umweltbereich sind viele Haushaltstitel mit EU-Geldern kofinanziert. Darum ist die Diskussion über die Reform der EU-Agrarpolitik für uns im Land äußerst haushaltsrelevant. Die EU-Agrargelder müssen endlich zielgerichtet für eine klimafreundliche Landwirtschaft eingesetzt werden können. Auch hier schlummern Klimaschutzpotenziale, die endlich genutzt werden müssen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch im Land können wir gemeinsam mit der EU etwas tun. So setzt das Land bereits 40 % der EFRE-Mittel für Klima- und Energieschutzprojekte ein. Bis zum Ende der Förderperiode werden wir rund 92 Millionen € an EFRE-Mitteln sowie durchschnittlich 20 % Kofinanzierung des Landes in Klimaschutzvorhaben stecken. Das alles ist schon gut, wird aber noch lange nicht ausreichen.

Es stimmt nicht, dass wir bisher nichts getan haben. Ich sage es ausdrücklich: Wir alle - in den letzten Jahren haben wir in verschiedenen Konstellationen gearbeitet - haben das Thema Klimaschutz in Schleswig-Holstein schon lange auf der Liste der wirklich wichtigen Dinge. Das müssen wir immer wieder betonen. Wir fangen nicht erst heute an, darüber nachzudenken. Wir haben bereits etwas getan und müssen unsere Anstrengungen noch verstärken.

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Klimaschutz kostet viel Geld. Auf die nächsten zehn Jahre wird es entscheidend ankommen. Das muss keine schlechte Nachricht sein. Viele Ökonomen sagen, dass Klimaschutz ein Innovationstreiber sei, der der Gesamtwirtschaft nicht schaden, sondern - im Gegenteil - sehr helfen werde, wenn man es richtigmache. Diese Chance muss genutzt werden. Das sollte in Zeiten von Handelskonflikten und ökologischen Katastrophen allen einleuchten.

Im Übrigen haben wir in den jüngsten Haushalten mit gewaltigen Kosten für Dürrehilfen und den Deichausbau bereits einen kleinen Vorgeschmack

darauf bekommen, was versäumter Klimaschutz kosten kann.

Meine Damen und Herren, natürlich birgt der Haushalt 2020 noch viel mehr. Ich möchte noch einen weiteren Schwerpunkt benennen, und zwar die Bildung. Wir werden am Freitag noch über die KitaReform, den Bereich der frühkindlichen Bildung sprechen. An diesem Haushalt wird bereits deutlich, was der Einstieg in die Reform für uns als Land bedeutet. Die Kita-Reform wird 2020 in Kraft treten. Erstmals beteiligt sich das Land mit einem verlässlichen Finanzierungsanteil an den Kosten für jedes betreute Kind. Das wird in der allgemeinen Diskussion noch viel zu wenig betont: Wir stellen nicht eine Summe X zur Verfügung, sondern wir beteiligen uns prozentual an den Kosten. Wenn die Zahl der Kita-Plätze steigt, steigen damit auch die Kosten des Landes. Das ist endlich eine verlässliche Zusage für die Kommunen, für die Träger und im Grund auch für die Eltern, worauf wir uns in den nächsten Jahren einstellen müssen. Das ist wirklich ein großer Erfolg.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und vereinzelt FDP)

Die Reform entlastet die Eltern. Hier wird immer auf die Geschichte der gebrochenen Versprechen hingewiesen. Die Reform entlastet die Eltern, die Kommunen und verbessert die Qualität. Das bezieht sich auf Durchschnittswerte. Das ist logisch, wenn man bedenkt, dass hier im Land die Beiträge zwischen 700 € und fast beitragsfrei liegen. Natürlich werden nicht alle Eltern entlastet, aber die Mehrheit, die Masse der Eltern. Die Mehrheit der Kommunen wird entlastet. In den meisten Kitas wird es nun eine höhere Qualität geben. Es wäre unlogisch, wenn dies nicht zuträfe. Wir geben eine halbe Milliarde Euro zusätzlich ins System, und zwar zur Senkung der Beiträge, zur Erhöhung der Qualität und zur Entlastung der Kommunen. Würde dann am Ende niemand entlastet, wäre dies unlogisch. Aber wenn man ein neues Modell aufsetzt, beziehen sich die Erwartungen auf die Durchschnittwerte.

(Christopher Vogt [FDP]: So ist es!)

Die Mittel steigen also insgesamt aufgrund von 418 Millionen €. Bis zum Ende der Legislaturperiode werden wir sie mehr als verdoppelt haben. Die frühkindliche Bildung ist der wichtigste Grundstein für die Bildungschancen aller Kinder und damit für die Bildungsgerechtigkeit.

Bildungsgerechtigkeit bedarf es auch im Schulsystem. Wir, die Grünen, haben uns gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern dafür eingesetzt, dass

(Eka von Kalben)

die Mittel für den Bildungsbonus erhöht wurden. Der Bildungsbonus kann nun schon mit Beginn des Schuljahres 2019/20 voll starten.

Unser Ziel ist es, dass alle Kinder eine gute Startchance bekommen. Im Rahmen des Bildungsbonus beziehungsweise der PerspektivSchulen finanzieren wir deshalb im Jahr 2020 circa 4 Millionen €. Das entspricht 79 Stellen. Das Geld muss allerdings nicht für die Schaffung von Stellen für Lehrerinnen und Lehrer, sondern kann auch für andere Arbeit ausgegeben werden. Es reicht nicht, den Schulen und Kitas Geld zuzusprechen. Wir brauchen auch gut ausgebildete Menschen; darauf hat Herr Dr. Stegner hingewiesen.

Wir haben hier im Land einen riesigen Fachkräftemangel. Aktuell werden in Schleswig-Holstein 1.698 Lehrkräfte ausgebildet. Das ist ein Plus von 96 Lehrkräften gegenüber dem Vorjahr. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Dr. Stegner, handelt die Regierung. Mir hat in Ihrer Rede und bei Ihrem Hinweis auf das Problem gefehlt, welche Alternativen es geben soll. Jedenfalls müsste für jede Alternative noch zusätzlich Geld bereitgestellt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Wir haben klare Maßnahmen getroffen. Wir haben mit Blick auf den Mangel an Lehrkräften und die steigenden Schülerzahlen an den Grundschulen eine stufenweise Erhöhung der Mittel für Grundschullehrkräfte angeschoben. Wir haben zugesagt, dass ab dem Schuljahr 2019/20 als Modellprojekt 30 Lehrkräfte für den gymnasialen Bereich an den Grundschulen arbeiten können, natürlich mit einer entsprechenden zusätzlichen Qualifizierung. Auch an den beruflichen Schulen soll, um eine noch bessere Versorgung zu ermöglichen, die Europa-Universität Flensburg ab September 2019 das Duale Studium für das Lernen an beruflichen Schulen aufbauen. Außerdem finanzieren wir zukünftig junge Menschen, die sich für ein Referendariat im ländlichen Raum entscheiden.

Es mag sein, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen und nicht alle greifen, sodass die Menschen wieder in die Städte abwandern. Aber wir erproben jetzt immerhin konkrete Maßnahmen.

Man kann nicht sagen, wir tun nichts. Deswegen wünsche ich mir von einer konstruktiven Opposition, dass Sie sagen, was Sie stattdessen oder anders machen würden. Wie schnitzen Sie sich die Menschen? Wir haben sie nicht.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stärken außerdem die berufliche Orientierung, zum Beispiel mit dem Handlungskonzept „PLuS“. Ich bin sehr dankbar, dass das verstetigt werden kann. Mit dem Programm werden Schülerinnen und Schüler ab der 8. Klasse unterstützt. Insgesamt fließen nun 1,3 Millionen € mehr. Dafür werden wir mit jährlich 300.000 € Lehrkräfte und Coachingfachkräfte qualifizieren.

Dieses Konzept soll jungen Menschen helfen, den Übergang von der Schule in das Berufsleben zu finden. Wenn wir etwas machen wollen, um dem Fachkräftemangel in diesem Land entgegenzutreten, müssen wir gerade in der Schule ansetzen. Es darf uns kein junger Mensch, der ausbildungsfähig ist, verlorengehen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Diesem Ansatz dient auch das produktive Lernen, für das 250.000 € im Haushaltsentwurf eingestellt sind. Damit bekommen Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Praxisstätten und Betriebe zu besuchen und sozusagen das wahre Leben kennenzulernen, wodurch ihnen auch vermittelt wird, wofür sie eigentlich lernen. Es ist natürlich viel motivierender, wenn man weiß, wofür man die Schulbücher aufschlagen muss, wenn man eine Ahnung davon hat, wo man hinterher arbeiten will. Das ist, glaube ich, ein sehr gutes Konzept, um wieder mehr Menschen in eine Ausbildung zu bekommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Der dritte Punkt, für welchen wir uns starkmachen, ist, dass Mittel für Deutsch als Zweitsprache in die Berufseinstellungsorientierung fließen. Nachdem die hier angekommenen Menschen Deutsch gelernt haben - nicht alle, aber viele -, ist die Integration ins Berufsleben das A und O. Ich freue mich sehr auf den Bericht des Arbeitsministers zu diesem Thema in dieser Tagung. Ich glaube, es wird oft unterschätzt, wie viel wir gerade in diesem Bereich für Integration machen. Darüber werden wir wahrscheinlich Freitag sprechen.

Mehr fordern in allen Bereichen geht immer, aber dass wir als Regierungskoalition in einem ständigen Spagat zwischen Schulden, notwendigen Mehrausgaben und vielen weiteren, wirklich berechtigten Bedarfen sind, sollten hier alle wissen. Sie mögen vielleicht sagen, das Land habe Rekordeinnahmen, unsere Kassen sprudelten, Sie mögen vielleicht sa

(Eka von Kalben)

gen, dass wir zu wenig für unsere Beamtinnen und Beamten täten, doch richtig ist, dass wir mit der Übernahme des hohen Tarifabschlusses und den zusätzlichen Verbesserungen der Besoldungsstrukturreform wirklich alles tun, was unser Haushalt im Moment hergibt; denn wir haben in den kommenden Jahren große finanzielle Herausforderungen zu bewältigen. Die Anpassungen unserer Finanzplanung an den prognostizierten Konjunktureinbruch um 700 Millionen €, die Übernahme der verbliebenen HSH-Lasten in dem Haushalt, die steigenden Versorgungskosten infolge des demografischen Wandels, also wenn die Beschäftigten in Rente oder Pension gehen, die Aufrechterhaltung unseres Investitionsniveaus, um den Sanierungstau abzubauen. Frau Heinold hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch Häuser, Krankenhäuser und Straßen, die wir nicht sanieren, Schulden für zukünftige Generationen sind, und - ich betone es auch -, wenn wir nicht in Klimaschutz investieren, auch Schulden für künftige Generationen, und zwar sehr, sehr verheerende.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil wir diese großen Aufgaben noch vor uns haben, bestätigt all das unseren haushaltspolitischen Kurs der letzten Jahre. Statt manche Vorschläge, wir sollten die Überschüsse verwenden, um strukturelle Ausgaben zu steigern, umzusetzen, um damit beispielsweise eine Beitragsfreiheit zu finanzieren, haben wir jeden dieser Euros in IMPULS gesteckt. Das führt nun dazu, dass wir dringend notwendige Investitionen in den kommenden Jahren weiter betreiben können, auch, wenn sich die wirtschaftliche Situation weiter verschlechtert.

Sie mögen sagen, wir kürzen den Kommunen zu viele Mittel für Integration, da wir die Mittel von 19,4 auf 7,4 Millionen € reduzieren. Doch richtig ist, dass nicht wir diese Mittel gekürzt haben, sondern dass es die Koalition im Bund war, die diese Kürzung zu verantworten hat, und dass das Land diese nicht ohne Weiteres auffangen kann. Wir werden versuchen, einen großen Teil zu refinanzieren, aber wir können nicht von einem Jahr auf das andere einfach 12 Millionen € aus der Tasche schütteln. Insofern ist es mitnichten so, dass es eine Entscheidung dieser Regierung war, Integrationsmittel zu kürzen, sondern es war eine Entscheidung des Bundes, bei der wir Schwierigkeiten haben, ihre Folgen aufzufangen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Kommunen ab dem Jahr 2020

durch die Änderung der Gewerbesteuerumlage mit insgesamt 138 Millionen € bessergestellt werden, was wiederum zulasten des Landeshaushalts geht. Insofern appelliere ich an die Kommunen, auch aus diesen Mitteln alle freiwerdenden und freiverfügbaren Beträge in Integrationsmaßnahmen zu stecken, um diese weiter zu fördern. Aber natürlich gilt es weiterhin, mit den Kommunen vieles zu besprechen. Ich sage das ganz klar. Da gibt es keine unterschiedlichen Optionen - nur, weil eine Partei in der Koalition das Finanzministerium innehat und die anderen nicht: Wir Koalitionspartner, und zwar alle drei, sind uns sehr einig, dass wir die Kommunen unterstützen wollen, weil dort vor Ort die Arbeit stattfindet, dort vor Ort die Bürgernähe stattfindet. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe. Insofern sind wir uns einig. Wir sind uns zu Dritt aber genauso einig, dass wir eine solide und dauerhafte Finanzierung brauchen und keine Luftbuchungen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ich komme zum Schluss. Dieser Haushalt ist ein Meilenstein für die Halbzeit der Jamaika-Koalition. Es lässt sich festhalten, dass das Land weiterhin ökologisch, sozial und weltoffen ist. Wir alle gemeinsam haben Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Wir haben viel für den Schutz unserer Natur, für den Schutz des Klimas, für den sozialen Zusammenhalt und vor allem für die Bildung getan. Nun gilt es, unsere Klimaschutzaktivitäten zu verstärken, es gilt, dem Fachkräftemangel zu begegnen, und schlussendlich geht es darum, mit unserer Politik viele Menschen anzusprechen.

Unser politisches Handeln müssen wir so gestalten, dass es die Gesellschaft zusammenhält und nicht auseinanderdriften lässt. Es muss den Menschen, die heute leben, gerecht werden, und genauso auch denen der zukünftigen Generationen. Dafür gilt es, gemeinsam in diesem Haus zu streiten. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die FDP hat deren Fraktionsvorsitzender, der Abgeordnete Christopher Vogt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem dritten Jamaika-Haushaltsentwurf setzen wir unseren Modernisierungskurs konse

(Eka von Kalben)

quent fort. Wir stärken gezielt unser Bundesland, vor allem die Bildung auf allen Ebenen, mit der Kita-Reform, mit mehr Lehrerstellen und auch mit mehr Geld für unsere Hochschulen sowohl beim Bau als auch bei der Finanzausstattung. Wir stärken mit mehr Stellen die Polizei und die Justiz und damit die Sicherheit und das Vertrauen in unseren Rechtsstaat, was in diesen Tagen wichtiger ist als in früheren Jahrzehnten.

Eine bessere Ausstattung hilft da übrigens viel mehr als schärfere Gesetze. Es gibt auch neue Herausforderungen, zum Beispiel die Cyberkriminalität, die wir bekämpfen und anpacken müssen. Wir verbessern unsere Infrastrukturen in allen Bereichen: auf der Straße, auf der Schiene. Ganz besonders gilt das für die digitale Infrastruktur und für die Gesundheitsinfrastruktur, den Wohnungsbau und den Sport.

Herr Dr. Stegner, jetzt haben Sie sich wieder einmal bemüht, die Unterschiede der Koalitionsparteien herauszuarbeiten, die wir wirklich zur Genüge kennen. Wir haben ja jeden Tag damit zu tun. Ich finde das schon wirklich interessant. Sie als Sozialdemokraten kommen ja noch nicht einmal alleine mit sich klar, insofern ist das eine bemerkenswerte Kritik. Inhaltlich war das nach wie vor mau, rhetorisch ein bisschen besser, die Übungen durch die Regionalkonferenzen wirken. Der eine Gag war besonders gut, aber ich fand es ein bisschen schade, dass Sie nicht gemerkt haben, dass ich deutlich jünger bin als mein Amtsvorgänger. Das fand ich ein bisschen schade, aber macht nichts.

(Zuruf SPD: Das sieht man aber gar nicht! - Weitere Zurufe SPD)

- Altklug, ist ja klar. - Trotz hoher Investitionen in Höhe von rund 1,3 Milliarden €, was wieder über 10 % Investitionsquote entspricht, die wir auch dringend brauchen, um enorme Altlasten zu beseitigen, arbeiten wir solide und generationengerecht. Die Investitionen sind damit gegenüber dem Soll aus dem Jahr 2017 um fast 50 % erhöht worden. Höhere Investitionen sind aber kein Fetisch der FDP-Fraktion, sondern schlichtweg notwendig, um den Bestand an Gebäuden und Verkehrswegen zu erhalten und zu erneuern. Diese weiterhin dem Verfall preiszugeben, wäre auch finanzpolitischer Irrsinn. Deswegen haben wir hier einen absolut notwendigen Kurswechsel vollzogen, der auch weiterhin verfolgt werden muss.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)