Das Schlachten von warmblütigen Tieren ist in Deutschland klar geregelt. Das haben wir jetzt schon mehrmals gehört. Demnach dürfen Tiere nur getötet werden, wenn sie vorher betäubt worden
sind. Es gibt aber eine Ausnahmegenehmigung, mit der vom Grundsatz abgewichen werden kann. Das heißt, die zuständige Behörde darf nur dann eine Ausnahmegenehmigung erteilen, wenn dies erforderlich ist, um den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen. Das ist im Tierschutzgesetz geregelt. Das ist eine Klarstellung und deutliche Einschränkung, wie und wann Tiere ohne Betäubung geschlachtet werden dürfen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil dazu klargestellt, dass muslimische Metzger unter bestimmten Voraussetzungen für das Schächten eine Ausnahmegenehmigung von der Betäubungspflicht erhalten können. Wir als SSW teilen diese Auffassung, weil sie prinzipiell der Lebenswirklichkeit in den muslimischen Glaubensgemeinschaften entspricht. Das Schächten kann eine Notwendigkeit sein, um die religiöse Freiheit leben zu können.
Wie sieht es denn mit der Wirklichkeit hier bei uns aus? Das wurde schon mehrmals erwähnt, Herr Rickers hat es auch schon erwähnt. Klar ist: Veranlasst durch einen solchen Antrag schaut man genauer nach. Wir wissen, dass bei uns die Ausnahmegenehmigungen von den zuständigen Veterinärbehörden erteilt werden, die müssen halbjährlich Bericht erstatten.
Da können wir ganz klar sehen, dass die letzte Ausnahmegenehmigung in Schleswig-Holstein 2004 erteilt wurde. Es sind also in den letzten 13 Jahren keine Ausnahmegenehmigungen erteilt worden. Hieraus kann ich also keinen unmittelbaren Handlungsauftrag erkennen.
Vielmehr sind wir der Auffassung, dass hinter diesem Antrag ein ganz anderer Aspekt steckt: Unter dem Deckmantel des Tierschutzes wird hier Stimmungsmache betrieben. Es geht hierbei nicht um Tierschutz, es geht einzig und allein darum, bestimmten Religionsgemeinschaften die Möglichkeit zu entziehen, eine Ausnahmegenehmigung für das Schächten zu bekommen.
Sicherlich schaut man sich bei solcher Gelegenheit auch die Geschichte des Schächtens in Deutschland näher an. Das haben wir hier schon gehört. Die Betäubungspflicht beim Schlachten wurde im April
1933 eingeführt. Dazu hat der Bundesgerichtshofs ganz klar formuliert, dass das Ziel dieser Gesetzgebung war, den jüdischen Teil der Bevölkerung in seinen religiösen Empfindungen und Gebräuchen zu verletzen - nichts mit Tierschutz. Ich denke unwillkürlich daran, wenn ich so einen Antrag sehe. Jo tak.
Vielen Dank. - Bevor ich dem Minister für die Landesregierung das Wort erteile, gibt es einen Dreiminutenbeitrag der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir in der Schule wären, hätte ich jetzt unter Ihre Reden geschrieben: Thema verfehlt! - Es geht doch gar nicht um die Verhältnisse in SchleswigHolstein, es geht darum, dass wir eine Initiative auf Bundesebene anstoßen. Wenn wir in SchleswigHolstein dieses Problem nicht haben, wo ist dann das Problem, sich für die Abschaffung dieser Vorschriften einzusetzen? Das verstehe ich wirklich nicht.
Dass Sie alte Vorurteile benutzen und uns vorwerfen, hier irgendwelche Religionsgemeinschaften diskreditieren zu wollen, empfinde ich wirklich als unanständig und diffamierend. - Vielen Dank dafür.
Ich erteile nun dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Dr. Robert Habeck, das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich halte das dem Antrag zugrunde liegende Problempotenzial tatsächlich für ein sehr schwieriges. Die Frage, zu welchen Bedingungen wir Tiere halten, um sie dann zu töten beziehungsweise um ihre Produkte zu verzehren, berührt jede Form von ethischen und moralischen Fragestellungen.
cher zu klärende tierschutzrechtliche Fragen, beispielsweise das Töten von männlichen Eintagsküken gleich nach ihrem Schlüpfen, das Halten von Nerzen oder anderen Pelztieren nur zum Zwecke des Luxus oder alleine die tatsächlichen Dumpingpreise, die für tierische Produkte teilweise genommen werden - mit entsprechendem Druck auf die Landwirte, Tiere in großen Massen zu halten.
Das alles thematisiert der AfD-Antrag allerdings nicht, sondern er zielt ausdrücklich und allein auf eine der wahrscheinlich am schwersten zu lösenden moralischen Fragestellungen ab, nämlich der des Konflikts zwischen der Religionsfreiheit und der Frage des Schächtens, einer in der Tat besonders unangenehmen Art, Tiere zu töten. Das ist ein Grundsatzkonflikt, das muss man einräumen. Aber dieser Grundsatzkonflikt ist nicht einseitig zu beantworten. Der Gesetzgeber hat klug gehandelt, indem er einerseits das Töten von Tieren in der Regel nur unter Betäubung zulässt und außerdem hinzufügt, dass Tiere nur unter Annahme eines Grundes getötet werden dürfen - was bei den männlichen Eintagsküken beispielsweise aus meiner Sicht nicht gegeben ist -, andererseits aber grundgesetzlich die Freiheit zusichert, dass jeder in Deutschland seiner Religionsausübung nachkommen kann.
Es gibt - Flemming Meyer hat es angesprochen - eine lange grundgesetzliche Ausarbeitung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2002, in der der Frage nachgegangen wird, wann der Grundsatz der freien Religionsausübung verletzt ist und wann nicht. Das Verfassungsgericht kommt eindeutig zu dem Urteil, dass die Artikel in dieser Kombination so auszulegen sind, dass, wenn man aus nachweisbaren religiösen Gründen einer Glaubensform anhängt, die das Schächten von Tieren vorschreibt, dem dann der Vorrang zu geben ist. Das mag man aus Tierschutzgründen bedauern, aber aus bürgerrechtlichen und demokratischen Gründen, aus Religionsfreiheitsgründen muss man diesem Gedanken folgen. Wo kämen wir hin, wenn jüdisches und islamisches Leben in Deutschland nicht mehr möglich wäre?
Deswegen möchte ich im Rahmen dieser Abwägung - Flemming Meyer hat damit angefangen gern mit Erlaubnis des Präsidenten den ganzen Absatz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts unter dem Vorsitz von Hans-Joachim Papier von 2002 vorlesen:
„Nachdem der Nationalsozialismus im Deutschen Reich an die Macht gekommen war, gingen immer mehr Länder dazu über, das Schächten zu verbieten. Deutschlandweit wurde der Zwang, warmblütige Tiere vor der Schlachtung zu betäuben, durch das Gesetz über das Schlachten von Tieren vom 21. April 1933 …“
Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen kann es nicht geben. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der CDU-Fraktion, der SPD-Fraktion, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der AfDFraktion abgelehnt.
Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, dass wir nun mit dem Tagesordnungspunkt 26 weitermachen, den ich somit aufrufe:
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der letzten Woche hatte ich das Vergnügen, der Eröffnung des Naturfilmfestivals in Eckernförde beizuwohnen. Gezeigt wurde ein wunderbarer Film mit dem Titel „Wilde Ostsee“, koproduziert vom NDR. Gestern Abend lief der erste Teil der Reihe auf arte, heute Abend um 18:35 Uhr folgt Teil 2. Ich kann Ihnen allen nur empfehlen einzuschalten. Es sind wirklich tolle Aufnahmen von Landschaft und Tieren am und im Meer zu sehen.
Diese Reihe ist ein Musterbeispiel dafür, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu leisten vermag. Ich bezweifle, dass es heute auch nur einen deutschen Privatsender gibt, der das Risiko eingehen würde, einen Filmemacher auf die Reise um die Ostsee zu schicken, um ein ganzes Jahr lang aufwändigste Szenen in höchster Qualität zu drehen. Hier bekommt der Zuschauer wahrlich etwas für sein Geld geboten.
Ob es dafür allerdings eines Konglomerats von der Größe einer ARD bedarf, ist eine ganz andere Frage. Mit den Gebühren, die nicht mehr an das Empfangsgerät, sondern an den Haushalt gekoppelt sind, haben ARD und ZDF 2013 noch einmal kräftig zugelangt und verfügen heute über schlanke 8 Milliarden € jährlich, um die sogenannte Grundversorgung herzustellen. Informationen, Bildung und, ja, auch Unterhaltung, kosten Geld und sollen jedem Bürger zur Verfügung stehen, der sich dafür interessiert.
Doch seit die Rundfunkstaatsverträge vor 30 Jahren verabschiedet wurden, hat sich die Medienlandschaft grundlegend verändert. Die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein hat gerade eine Untersuchung veröffentlicht, nach der die 14- bis 29-Jährigen hier im Land bereits zu 55 % sogenannte Video-On-Demand-Angebote nutzen, also Programme auf Abruf. Damit ist dieser Anteil in Schleswig-Holstein sogar höher als im Bundesdurchschnitt. Schon heute hat die individuelle Gestaltung des Film- und Fernsehangebotes nach dem Motto „Jeder ist sein eigener Programmdirektor“ einen Anteil von bis zu 25 % - Tendenz steigend. Das steht aus unserer Sicht in krassem Widerspruch zu dem überbordenden Angebot des öffentlichrechtlichen Rundfunks, das von den Zwangsgebührenzahlern immer weniger genutzt wird.
Im Bemühen, ihre Claims abzustecken, hat die ARD ihre Angebote immer weiter ausgeweitet. Heute betreiben die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten 22 Fernsehkanäle, 67 Radioprogramme und
sind darüber hinaus im Internet präsent. Hörfunkfrequenzen wurden ganz gezielt besetzt, um es der privaten Konkurrenz schwer zu machen. Zeitungsund Zeitschriftenverlage klagen noch heute über kostenfreie Nachrichten auf den Netzseiten von ARD und ZDF.
Über die zukünftige Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks wird aktuell wieder debattiert. Den Ministerpräsidenten der Länder soll in wenigen Wochen ein Zwischenbericht vorgelegt werden. Ziel ist der Abschluss eines neuen Rundfunkstaatsvertrages, der nicht nur die Finanzierung, sondern auch die inhaltliche Ausrichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festlegt, Stichwort: Kultur- und Bildungsauftrag. Bei diesen Diskussionen lassen die Senderfürsten bisher leider kein gestiegenes Problembewusstsein erkennen, denn statt Einsparpotenziale zu identifizieren, sind bereits Forderungen nach noch höheren Einnahmen zu hören. Offenbar reichen 17,80 € pro Monat nicht aus. Schon spricht man von einer Erhöhung von 3 € pro Monat, möglicherweise schon ab nächstem Jahr.
„Wofür?“, fragt sich da der erstaunte Gebührenzahler. Für noch mehr Unterhaltungssendungen oder teure Sportübertragungen? Sollen dafür Millionen ausgegeben werden, während es noch nicht einmal für eine kostengünstige regionale Sendung reicht? In der Sitzung des Beirates für Niederdeutsch am letzten Montag wurde zu Recht beklagt, dass der NDR in Schleswig-Holstein keine entsprechende Sendung auf Plattdeutsch bereithält. Warum nicht? Kostengründe werden angeführt.
Aber auch in der politischen Berichterstattung sind die journalistische Unabhängigkeit und eine vorrangig auf Information ausgerichtete Programmgestaltung vernachlässigt worden. So kam eine von der gewerkschaftsnahen Otto Brenner Stiftung kürzlich vorgelegte Studie zu dem Fazit, dass ARD und ZDF in puncto Informationsjournalismus dem eigenen Anspruch nicht gerecht werden. Eine tendenziöse Berichterstattung - unter anderem während der Flüchtlingskrise - habe weiter dazu beigetragen - so die Studie -, das Vertrauen der Zuschauer in die öffentlich-rechtlichen Medien weiter zu untergraben. Das heißt im Klartext: Die Zuschauer bleiben weg, müssen aber immer mehr zahlen.
Vor diesem Hintergrund ist im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung ein Festhalten am bisherigen privilegierten Status quo des öffentlichrechtlichen Rundfunks nicht mehr vertretbar. Notwendig ist eine umfassende Neuordnung, wobei die in den Staatsverträgen vorgesehenen Kündigungsfristen
- für einen breiten Diskussionsprozess ausreichend Zeit geben. Daher beantragen wir die Überweisung unseres Antrages an den Innen- und Rechtsausschuss. - Vielen Dank.