Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

Die SPD-Fraktion wird diesen Antrag daher ganz klar ablehnen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Lasse Petersdotter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Tobias von Pein hat die Tradition dieser Gesetze schon angesprochen. Ich möchte ein paar Jahre vorher anfangen. Bereits 1930 wurde in Bayern das Schächten verboten. Dieses Gesetz gilt heute als eines der ersten antisemitischen Gesetze zur Ungleichbehandlung von Jüdinnen und Juden.

Schon damals ging es nicht um Tierschutz, sondern es ging um Diskriminierung. Auch bei dem uns heute vorliegenden Antrag geht es nicht um Tierschutz, sondern es geht um Diskriminierung einer religiösen Minderheit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, SSW und Dennys Bornhöft [FDP])

Dass das so ist, sehen wir allein schon an der Tatsache, dass das Wort „Tierschutz“ nicht ein einziges Mal im AfD-Wahlprogramm erwähnt ist. Das ist peinlich.

(Jörg Nobis [AfD]: Das steht drin! Das kön- nen Sie doch lesen! - Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [AfD]: Das steht drin!)

- Es steht das Wort „Tierwohl“ drin. Das Programm enthält einige sehr dünne Worte zum Thema „Tierwohl“. Das Wort „Tierschutz“ ist nicht ein einziges Mal erwähnt.

Und Sie kommen nach hier vorne und zitieren Mahatma Gandhi zum moralischen Fortschritt. Es ist eine gute Frage, wie es um Ihre Partei gestellt ist, wenn Sie zum Tierschutz nicht mehr zu sagen haben als das Verbot des Schächtens und einige dünne Silben nebenher.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Ich muss mir diese Zwischenrufe von der AfD auch gar nicht antun, denn ich selbst bin überzeugter Veganer. Ich habe ein generelles Problem mit dem Schlachten - egal, ob geschächtet wird, oder ob das Schlachten im Akkordtakt stattfindet, wie es in Bad Bramstedt beispielsweise vor den Eingriffen des MELUR der Fall war.

(Jörg Nobis [AfD]: Und dann stellen Sie sich hin und sprechen pro domo?)

Während dieser Debatte sind in 35 Minuten 41 Tiere geschlachtet worden.

Wir brauchen eine grundsätzliche Debatte über den Umgang mit Tieren, aber nicht auf dem Rücken religiöser Minderheiten. Vielmehr sollten wir den Rücken der Tiere stärken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und FDP)

Wie ist die Lage in Schleswig-Holstein beziehungsweise in ganz Deutschland? - Herr Rickers hat es angesprochen: Betäubungsloses Schlachten ist in Deutschland verboten. Es gibt eine Ausnahmeregelung, und diese Ausnahmeregelung ist gut begründet. Es ist mehrfach von höchsten Gerichten zugesi

(Tobias von Pein)

chert worden - sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch das Bundesverfassungsgericht haben sich dazu geäußert -, dass die Religionsfreiheit, aber auch die Berufsfreiheit abgesichert sein muss. Deswegen gibt es diese Ausnahmeregelungen, die völlig zu Recht sehr restriktiv gehandhabt werden, was dazu geführt hat, dass seit 2004 in SchleswigHolstein keine solche Ausnahmeregelung mehr erteilt wurde. Das ist ein Fortschritt, aber das bedeutet nicht, dass die Ausnahmen falsch wären, sondern sie müssen schlichtweg gut begründet sein. All das interessiert die AfD aber nicht, weil es Ihnen nur darum geht, Probleme zu benennen, keine Lösungen zu liefern und Ihre eigene Agenda durchzusetzen. Es ist Ihnen auch völlig egal, wenn Sie sich dafür verbiegen müssen. Man muss sich das einmal vorstellen: Die AfD stellt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heraus und nimmt das als Argument gegen die Entscheidung eines nationalen Gerichts. Eine EU-Institution ist Ihnen plötzlich wichtiger als ein nationales Gericht. Das ist bigott und unglaubwürdig. Das nimmt Ihnen doch keiner ab.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Aber tue ich doch einmal so, als würde ich Ihnen das abnehmen; tue ich doch einmal so, als würden Sie dieses Argument ernst meinen. In dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heißt es: Die Schlachtung ist nicht von der Religionsfreiheit gedeckt, aber der Konsum des geschächteten, des koscheren, des Halal-Fleisches, ist von der Religionsfreiheit gedeckt. In Ihrem Wahlprogramm fordern Sie an anderer Stelle dennoch ein generelles Importverbot von geschächtetem Fleisch. Worum es Ihnen geht, ist die Erschwerung jüdischen und vor allem muslimischen Lebens in Deutschland.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Die Religionsgemeinschaften sind Ihnen da schon weit voraus. Es gibt Alternativen, auf die sich viele geeinigt haben. Es gibt die Elektrokurzzeitbetäubung, für die wir uns ganz eindeutig aussprechen. Die Elektrokurzzeitbetäubung bedeutet: Das Tier wird für 25 Sekunden betäubt. Dann ist eine anschließende Schlachtung, eine Schächtung möglich, und zwar dadurch, dass das Tier nicht durch die Betäubung verendet, sondern erst betäubt wird und dann verendet. Das ist in dem Sinne „tierleidsparsamer“, und es ist möglich, die Zeremonie durchzuführen.

Das alles interessiert die AfD nicht. Es geht hier nicht um Problemlösung, sondern es geht darum, religiöse Minderheiten auf die Agenda zu setzen. Sie werden - wie jedes Mal - auf breiten Widerspruch stoßen. Sie sind der Wolf im Schafspelz, auch wenn Sie sich hier als Verfechter der Tierschutzpolitik darstellen. Wir werden Sie auch hier wieder enttarnen und benennen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Oliver Kumbartzky.

(Jörg Nobis [AfD]: Sind Sie auch Veganer?)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich meinen beiden Vorrednern an. Das waren wirklich super Reden mit klaren Argumenten, denen ich mich anschließe.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Martin Habersaat [SPD]: Ruhig allen dreien! Heiner war auch nicht schlecht!)

- Ja, natürlich, ich meinte die drei Vorredner.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren von der AfD, Sie tun in Ihrem Antrag so, als sei Ihnen Tierschutz besonders wichtig. Ich habe mir zur Vorbereitung meiner Rede die Mühe gemacht, Ihr Grundsatzprogramm anzuschauen. Im Grundsatz steht tatsächlich etwas über Tierschutz, ganze drei Seiten von 100. Sie sind ja wirklich eine tolle Tierschutzpartei. Sie tun so, als ob das Ihr Hauptthema wäre, als ob das Ihre erste große Initiative zu diesem Thema wäre. Sie haben von Ihrem Grundsatzprogramm abgeschrieben. Das Thema Schächten ist darin enthalten, und Sie haben es eins zu eins in den vorliegenden Antrag einfließen lassen.

Man fragt sich, welche Prioritätensetzung Sie haben. Sie zitieren Gandhi, Sie sagen, wie wichtig Ihnen der Tierschutz sei. Wir sind am Anfang der Legislaturperiode, und was fällt Ihnen zuerst zum Thema Tierschutz ein? Was muss als erstes gemacht werden? - Das Schächten muss verboten werden. Kein Wort zu tiergerechter Haltung, Tiertransporten, Tierversuchen, Futtermitteln, Medikamenten, Krankheiten oder was auch sonst immer

(Lasse Petersdotter)

Thema ist. Nein, es geht um etwas, das allein die AfD als vornehmliches Thema sieht: Es geht um die Abschaffung einer Ausnahmegenehmigung in einem Bundesgesetz, und zwar um eine Ausnahmegenehmigung wohlgemerkt, die zum letzten Mal im Jahr 2004 in Schleswig-Holstein erteilt worden ist. - Wow, was für eine Initiative!

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Warum hat es in Schleswig-Holstein so lange keine betäubungslosen Schlachtungen gegeben? Dazu haben wir vom Kollegen Rickers etwas gehört. Ich will es aber gern auch noch einmal sagen. Das betäubungslose Schlachten ist grundsätzlich und verständlicherweise verboten. Es gibt die Ausnahmeregelung nach § 4 Absatz 2 Tierschutzgesetz, die sehr restriktiv gehandhabt wird. Die Ausnahme muss von einem Angehörigen einer entsprechenden Religionsgemeinschaft beantragt werden. Sie muss sorgfältig begründet sein. Der Antrag muss sorgfältig geprüft werden. Zudem muss ein Schlachthof angegeben werden. Ein Tierarzt sollte bei der Durchführung einer solchen genehmigten Ausnahmeschlachtung anwesend sein, und nur speziell ausgebildete, nachgewiesen sachkundige Fachleute dürfen diese Schlachtung durchführen. Wie gesagt, seit 2004 ist das hier nicht mehr genehmigt worden, weil die Behörden sehr restriktiv sind, und das ist auch gut so. Wir brauchen hier keine blutleeren Manöver, wie Sie sie hier fahren, solche durchsichtigen Manöver. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank. - Ich schaue in Richtung Abgeordnete des SSW. Uns ist mitgeteilt worden, dass Sie auf einen Redebeitrag verzichten. Ich sehe aber, dass der Kollege Meyer zum Redepult kommt und sprechen will. Dann soll er auch das Wort erhalten.

(Zurufe SSW)

- Ganz ruhig, kein Problem. Die Information ist hier nur nicht angekommen.

Ich erteile für den SSW dem Kollegen Flemming Meyer das Wort - und nur ihm, Herr Arp.

(Beifall Hauke Göttsch [CDU])

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von mir kommt die Information bestimmt nicht.

(Heiterkeit SSW)

Der Tierschutz hat in Schleswig-Holstein und in Deutschland einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Dies lässt sich mittlerweile anhand der rechtlichen Bestimmungen und Regelungen feststellen. Tiere sind in Deutschland juristisch durch das Tierschutzgesetz und die entsprechenden Verordnungen geschützt. Zudem ist der Tierschutz seit 2002 sogar im Grundgesetz verankert, und auch in Schleswig-Holstein hat er Verfassungsrang. Zudem wurde seinerzeit von der Küstenkoalition ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände in Schleswig-Holstein eingeführt. Nichtsdestotrotz gilt es, den Tierschutz und das Tierwohl immer weiter fortzuführen.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wie gesagt: Tierschutz hat mittlerweile einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Daher ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass wir in Schleswig-Holstein entsprechende Gremien und einen Beauftragten haben, der sich dieser Thematik annimmt. Wir haben einen Tierschutzbeirat, der sich aus Persönlichkeiten aus dem Bereich des Tierschutzes, der Landwirtschaft, der Kirche, der Veterinärmedizin und andere Wissenschaftsbereichen zusammensetzt. Er hat eine beratende Funktion gegenüber dem zuständigen Minister in Grundsatzangelegenheiten des Tierschutzes.

Dann haben wir auch noch den Runden Tisch „Tierschutz in der Nutztierhaltung“, der in regelmäßigen Abständen in einem breiten gesellschaftlichen Dialog Tierschutzthemen erörtert. Mit der Arbeit des Runden Tisches haben wir ein hervorragendes Instrument, um die Aspekte der Nutztierhaltung von allen Seiten zu beleuchten, sowohl unter fachlichen und ökonomischen als auch unter ethnischen Gesichtspunkten. Das ist Fakt, das ist gut und das ist richtig. Der Tierschutz hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Das Schlachten von warmblütigen Tieren ist in Deutschland klar geregelt. Das haben wir jetzt schon mehrmals gehört. Demnach dürfen Tiere nur getötet werden, wenn sie vorher betäubt worden