Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

weil die Parteifreundin diesen Entwurf abgeändert und ein Veto eingelegt hat, zu erklären, was der Nutzen dieser Entscheidung war, ist wirklich absurd. Überdenken Sie Ihre Entscheidung!

- Herr Dr. Stegner, verlassen Sie nicht das Haus, sondern reden Sie mit!

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ich hole mir nur Wasser, wenn ich darf!)

- Na ja, holen Sie sich gern Wasser, aber vergessen Sie auf dem Weg nicht, mit Ihren Parteifreunden, Ihrer Regierungsspitze zu sprechen! Sie sind stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Es stünde uns allen gut zu Gesicht, wenn auch die SPDUmweltministerin dieses Projekt wieder wichtig fände.

Aber Sie haben vollkommen recht mit Ihrem kleinen staatspolitischen Vortrag an den Juristen Bernd Buchholz: Die Bundesregierung ist Exekutive, die Legislative hat jetzt zu entscheiden. Ich hoffe, dass Ihre Bundestagsfraktion nicht mit ähnlich schwachmatischen Argumenten kommt und sich nicht mit einem Barwert von 30.000 € über den Tisch ziehen lässt, was das Thema München-Mühldorf-Freilassing angeht, sondern dieses Projekt wieder in den Gesetzentwurf aufnimmt, weil wir das für die Pendlerinnen und Pendler in Schleswig-Holstein brauchen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Senioren und Seniorinnen von der Volkshochschule Rendsburg.

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung zum Kollegen Vogel. Herr Kollege Vogel, seit Jahrzehnten fordern wir gemeinschaftlich in diesem Haus die Elektrifizierung der Marschbahn unter anderem aus ökologischen Gründen.

(Kai Vogel [SPD]: Das ist etwas anderes!)

Sie wissen, wir haben die rote Laterne. Nur 29 % unserer Strecken sind elektrifiziert. Das Perfide ist,

jetzt die Begründung zu hören. Wir bekommen den Ausbau der Infrastruktur nicht, weil es nicht ökologisch sei. - Das ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen in Schleswig-Holstein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Lassen Sie mich auch Folgendes sagen: Jahrzehntelang wurde die Infrastruktur vernachlässigt. Die Bahn in Deutschland, aber gerade auch die Marschbahn - wenn wir ehrlich sind - gleicht einem Scherbenhaufen. Wir wollen im Zeitalter des Klimawandels vom ÖPNV überzeugen. Wir wollen Menschen vom Auto auf die Bahn bringen. Wir erleben aber, dass wir Menschen von der Bahn verlieren, weil Sie schlicht und ergreifend die Faxen dicke haben, weil im Jahr 2019 ein hundert Jahre altes, gut ausgestattetes Infrastruktursystem nicht mehr verlässlich funktioniert, nicht mehr pünktlich funktioniert.

Das ist ein Punkt, zu dem auch wir Grüne sagen: Das muss sich in Deutschland ändern. Wenn wir den Klimawandel beherrschen wollen, müssen wir auch in der Mobilität auf ökologische Alternativen zurückgreifen können.

Bei der Befassung mit diesem Gesetz sage ich aber auch - glauben Sie mir das -: Wir wollen einen schnellen Ausbau - wir haben uns in diesem Haus sehr klar dazu bekannt -, aber der Zweck heiligt nicht die Mittel.

Ich lese in dem Gesetzentwurf Begründungen von Herrn Scheuer, die nach meiner Auffassung gegen das verstoßen, was wir gemeinsam in der Aarhus Konvention von 1998 beschlossen haben, nämlich zu dem „Schutz des Rechts … gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer ihrer Gesundheit und Wohlbefinden zuträglichen Umwelt beizutragen“.

Wenn wir diese Rechte übergesetzlich in einer Legalplanung beschneiden - Herr Scheuer verkürzt in dem Gesetzentwurf Fristen -, ist das für Umweltverbände und Menschen, die sich vor dieser Legalplanung schützen wollen, eine Last. Diese Fristverkürzung ist eine Last. Ich sage auch: So schnell ich ausbauen möchte, so wenig möchte ich die alten Konflikte, von denen wir vor Stuttgart 21 gedacht haben, wir hätten sie in dieser Gesellschaft eigentlich überwunden, wiederaufkommen lassen, nämlich dass wir nicht darauf achten, dass Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe stattfindet, dass Öffentlichkeitsbeteiligung für Umwelt- und Naturschutz in unserem Land eine Errungenschaft ist, die wir gemeinsam befürworten.

(Lukas Kilian)

Ich habe in der Begründung auch gelesen, dass nur 0,04 % der Verfahren an Verwaltungsgerichten Verbandsklageverfahren aus Umweltschutzgründen sind. 0,04 % in Deutschland. Allerdings: Wenn geklagt wird, dann sind die Kläger gut, dann gewinnen sie. Das sehen wir an der A 20. Das heißt, wenn sie das Klagerecht wahrnehmen, sind sie in der Lage,

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Alles zu blo- ckieren!)

Fehlplanungen und Planfeststellungen, die im Vorfeld falsch gelaufen sind, aufzudecken. Deshalb sage ich bei allem, was ich aus Berlin lese und was ich durch Herrn Minister Scheuer höre: Durch die Hintertür die Axt an das Verbandsklagerecht zu legen und Verbände von hinten durch die kalte Küche auszuschließen, wird es mit Grün nicht geben - um das auch einmal zu sagen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Sandra Redmann [SPD]: Wie bitte?)

Deshalb wollen wir klar und deutlich sagen: Warum wir für den Ausbau der Marschbahn sind, ist ganz klar. Das ist eine Notsituation, das ist Daseinsvorsorge. Die einzige verlässliche Verkehrsinfrastruktur auf dieser Insel ist die Bahn. Deshalb sind wir für diese Legalplanung. Wir schauen uns diesen Prozess aber genau an. Herr Scheuer ist in der Tendenz wie ein Elefant im Porzellanladen und zerstört Vertrauen. An dieser Stelle machen wir auch im Bund nicht mit.

Ein schlechtes Gesetz, das diese Rechte aushebelt, wird vor dem EuGH scheitern. Das hat Herr Scheuer bei der Maut schon erlebt. Deshalb sagen wir: Eine Planungsvereinfachung kann gute Pläne nicht ersetzen, und schlechte Planverfahren von hinten durch die kalte Küche wird es mit uns nicht geben. Wir werden den Prozess konstruktiv begleiten.

Für uns ist völlig klar: Die Marschbahn muss beschleunigt werden, aber nicht gegen die Prinzipien des Klagerechts der Verbände, nicht gegen die Prinzipien eines guten Natur- und Umweltschutzes in Deutschland. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dennys Bornhöft [FDP])

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich wollte eigentlich mit dem Satz beginnen: Da ist die Bundesumweltministerin von der SPD auch der eigenen Partei in den Rücken gefallen. - Aber nach den Ausführungen des ansonsten sehr geschätzten Kollegen Vogel nehme ich diesen Satz zurück, denn offenbar ist die Umweltministerin nicht der SPD, sondern dem gesamten Bundesland Schleswig-Holstein in den Rücken gefallen.

Zunächst sah der Referentenentwurf des Bundesverkehrsministeriums bekanntlich vor, den Ausbau der Marschbahnstrecke als beschleunigtes Verkehrsprojekt in das neue Maßnahmengesetz aufzunehmen. Nun aber kommt, auf Betreiben von Frau Schulze, die abrupte Wende - ein fatales Signal für Sylt-Bewohner, für die Berufspendler und unsere Urlaubsgäste.

In der Tat stellen sich mehrere Fragen. Welche konkreten Gründe haben das Umweltministerium im Bund dazu veranlasst, zulasten der Marschbahn zu entscheiden? Die bisher angeführten Gründe können es wohl kaum sein, denn die sind wahrlich zu dünn. Warum erfüllt der Ausbau der Marschbahn nach Ansicht von Frau Schulze nicht jene verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an beschleunigte Verkehrsprojekte der Legalplanung zu stellen sind? Welche verkehrspolitischen Prioritäten verfolgt die Bundesregierung überhaupt, wenn einerseits die Zahl der zu beschleunigenden Verkehrsprojekte von sechs auf zwölf erhöht, andererseits aber der Marschbahnausbau davon ausgenommen wird?

Weiter fragen wir uns, welchen Stellenwert die Verkehrsinfrastruktur in Schleswig-Holstein auf Bundesebene überhaupt noch besitzt, wenn unser Bundesland bereits bei einem derart problembeladenen Thema wie der Verkehrsanbindung nach Sylt von der Bundesregierung im Stich gelassen wird. Wir fühlen uns von dieser Bundesregierung im wahrsten Sinne des Wortes abgehängt.

(Beifall AfD)

Von Beginn an stand schließlich fest, dass die Zahl der zu fördernden Projekte begrenzt und die Begehrlichkeiten auf Landesebene dafür umso größer sein würden. Dass die Marschbahn jetzt nicht zum Zuge kommen soll, obwohl die Zahl der Projekte zuvor sogar erhöht worden ist, ist ein Unding.

Mit dem aktuellen Veto der Bundesumweltministerin ist absehbar, dass die Marschbahn auch im wei

(Dr. Andreas Tietze)

teren Verlauf dieser Legislaturperiode zu unserer ständigen Begleiterin wird, denn ein Ende der Probleme ist nicht in Sicht. Weiter werden Monat für Monat Tausende von Zugreisenden, besonders Pendler, auf dem Weg nach Sylt von Verspätungen, Zugausfällen und einer maroden Infrastruktur daran gehindert werden, pünktlich an ihr Ziel zu gelangen. Die Ursachen sind bekannt: mangelhafte Wartung von Zug- und Gleisanlagen, fehlendes Personal, besonders bei den Lokführern. Die Eingleisigkeit des Bahnverkehrs und gleichzeitig hohe Zugdichte sind nach wie vor unverändert Hauptursachen des Problems. Bereits kleine Verspätungen reichen aus, um die Pünktlichkeit für den ganzen Tag zu Fall zu bringen, denn alle Trassen sind belegt, und es gibt keine Möglichkeit, Verspätungen aufzuholen.

Die angekündigten Investitionsmaßnahmen der Deutschen Bahn auf der Marschbahnstrecke mit geplanter Grundsanierung bis zum Jahr 2022 können deshalb nicht darüber hinwegtäuschen, dass der laufende Betrieb auf dieser wichtigen Anbindung nach wie vor gravierende Mängel aufweist. Schon oft wurde in der Vergangenheit vonseiten der Bahn zwar eine Stabilisierung des Zugverkehrs beschworen, aber hier war regelmäßig der Wunsch der Vater des Gedankens. Vor diesem Hintergrund ist der zweigleisige Ausbau der Bahnstrecke nach Sylt trotz der gegenwärtigen Rückschläge mit Nachdruck voranzutreiben.

Der Bund ist am Zug. Wir unterstützen daher den vorliegenden Dringlichkeitsantrag zur Wiederaufnahme des Marschbahnausbaus in das Maßnahmenbeschleunigungsgesetz, denn - darüber sind wir uns fast alle einig - Svenja Schulze darf in dieser Frage nicht das letzte Wort behalten.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Fraktionsvorsitzende Lars Harms.

(Zurufe)

- Doch nicht. Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank für das Wort! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Jugendorganisation des SSW hat auf unserem letzten Parteitag Bullshit-Bingo gespielt. Hat ein Redner oder eine Rednerin einen erwarteten Satz gesagt,

wurde der abgestrichen. Ich könnte das am Beispiel der Marschbahn-Debatte durchaus wiederholen. Wir haben alle Argumente und alle Fakten über Pendlerzahlen, Strafzahlungen und Verspätungen auf der Strecke der Marschbahn schon mehr als einmal gehört. Tausende Pendler sind darüber schon in Rente gegangen. So manches Schulkind, das sich die Füße in Klanxbüll festgefroren hatte, weil der Zug nicht kam, studiert mittlerweile schon.

Eine der ertragsreichsten Strecken der Deutschen Bahn ist trotz vielem Lob und vieler Kritik weder zweigleisig ausgebaut noch elektrifiziert. Stattdessen wird die Situation langsam, aber sicher zu einem echten wirtschaftlichen Hemmschuh für die Region Nordfriesland. Autozug und Pendlerverkehr sowie Tagesausflügler und Urlauber, alles muss durch diesen Flaschenhals, und seit Neuestem sogar mit zwei konkurrierenden Anbietern.

(Unruhe)

Herr Abgeordneter, einen Moment bitte. - Es ist sehr laut. Wenn Sie Gespräche führen müssen, dann tun Sie das bitte draußen. Ansonsten würde ich Sie bitten, dem Abgeordneten Meyer zuzuhören.

Durch das Beschleunigungsgesetz sollte jetzt endlich der nötige Rückenwind kommen, doch das scheint jetzt vom Tisch. Ausgerechnet das Umweltministerium findet den klima- und verkehrspolitischen Nutzen des Ausbaus nicht ausreichend für das Beschleunigungsgesetz. Der Nutzen einer zweigleisigen Marschbahn ist angeblich zu gering. Das muss man erst einmal hinbekommen, nämlich ein umweltfreundliches Projekt mit dem Argument des mangelnden Umweltnutzens zu kippen.

Ich hoffe sehr, dass der Antrag der schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten noch eine Wende bringt. Bei aller Aufregung um die hoffentlich korrigierbare Entscheidung der Berliner Fachleute wird allerdings vergessen, dass auch der beschleunigte Ausbau die Probleme erst in einigen Jahren beheben wird. Was bis dahin bleibt: dreckige Wagen, Züge ohne Barrierefreiheit, kaputte Toiletten und so weiter. Diese Missstände hätte die Deutsche Bahn schon lange beheben können. Tut sie aber nicht. Auch der Einsatz von mehr Lokomotivführern und mehr Werkstattpersonal ist kaum spürbar. Es kommt weiterhin immer wieder zu Verspätungen und verpassten Anschlusszügen.