Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

Die zweite merkwürdige Begründung ist, dass das Projekt - das ist hier mehrfach gesagt worden - verkehrlich und klimatechnisch nicht ausreichend sein

soll. Da ist man deshalb von den Socken, weil mit der Begründung sieben andere Projekte in dieses Paket aufgenommen worden sind.

(Lukas Kilian [CDU]: Hoppala!)

Das Projekt Marschbahn steht - wie gerade gesagt wurde - im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. Von den sieben aufgenommenen Eisenbahnprojekten steht nicht einmal eins im Bundesverkehrswegeplan.

(Heiterkeit Christopher Vogt [FDP])

Die verkehrliche Bedeutung dieser wunderbaren Anlage hat sofort dazu geführt, dass Frau Schulze mit dafür sorgt, dass ein nicht im Bundesverkehrswegeplan stehendes Projekt in dieses Gesetz aufgenommen wird, während eins, das im vordringlichen Bedarf steht, herausgekegelt wird. Das ist schon ziemlich irre, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP, CDU und SSW)

Dann kommt die Abteilung: „Jetzt begründen wir einmal ökologisch.“ Alle wissen hier, dass wir die Zweigleisigkeit auch im Hinblick auf die Elektrifizierung dieser Strecke möchten. Die Elektrifizierung dieser Strecke brauchen wir, weil wir die Dieselzüge schon ab dem Jahr 2030 wahrscheinlich nicht mehr einkaufen können, um auf die Insel zu kommen. Wir brauchen das als Vorlage.

Dann entblödelt man sich nicht zu sagen, es habe keinen ökologischen Wert, weil die Zweigleisigkeit nur dazu führt, dass Dieselzüge hin- und herfahren. Das ist ein Hammer in dieser Begründung.

Zur Vergleichbarkeit der anderen Projekte: Was machen die Vertiefung der Ems oder die Vertiefung des Mittelrheins oder die Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals? Sorgt sie dafür, dass nur noch batteriebetriebene Schiffe auf dem Kanal fahren oder was? Hat das an dieser Stelle einen besonderen ökologischen Wert? Die Begründung ist an den Haaren herbeigezogen.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Das sehe ich genauso!)

Es gilt, was Kollege Flemming Meyer an anderer Stelle sagte. Bullshit ist bei uns in Schleswig-Holstein auf den Feldern zu besichtigen, aber gehört nicht in die Begründung einer Bundesumweltministerin.

(Beifall FDP, CDU, AfD und SSW)

Ich freue mich darüber, Herr Stegner, dass Sie angekündigt haben, nicht nur Gespräche zu führen, sondern auch unterstützen. Ich freue mich wirklich,

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

dass es auch hier im Landtag von der Landtagsfraktion die Unterstützung für das Thema gibt. Wir brauchen eine breite Mehrheit dieses Hauses dafür, um unsere Forderungen in Berlin durchzusetzen. Das wird nicht leicht, weil jetzt natürlich alle kommen und sagen, dass sie jetzt ihre Projekte auch noch unterbringen wollen. Es beginnt bei meiner eigenen Bundestagsfraktion und geht über alle anderen Fraktionen. Jetzt kommt jeder aus den Löchern gekrochen und sagt, dass dieses oder jenes Projekt noch in das Gesetz aufgenommen werden soll. Es wird ein Riesenmonsterthema werden. Dann haben wir in der Tat verfassungsrechtliche Probleme, anschließend begründen zu können, warum das eine oder andere Projekt eine ganz besondere, herausgehobene Bedeutung hat.

Aber Lars Harms hat es vorhin gesagt - die besondere Bedeutung dieses Projekts besteht darin, dass es die einzige Landanbindung einer Insel ans Festland ist und Pendlerinnen und Pendler ihren Arbeitsplatz gar nicht anders erreichen können. Die Unpünktlichkeiten, die auf der Strecke entstehen, würden sich auf den Deutschland-Takt, den wir alle wollen, maßgeblich so auswirken, dass er insgesamt als Deutschland-Takt nicht mehr fahrbar ist. Wir haben es mit einer Situation zu tun, in der auf dieser Insel der wichtigste Nabel erreicht wird. Wir wollen am Ende auch ökologisch die Elektrifizierung der Strecke erreichen.

Meine Damen und Herren, ich appelliere an alle, dieses Projekt unbedingt in das Gesetz aufzunehmen. Dann, Herr Stegner, werden wir sehen, ob sich tatsächlich realisieren lässt, dass das dann auch die Beschleunigungseffekte erfährt, und ob es verfassungsrechtlich standhält. Aber es ist eine zusätzliche Chance, dieses Verfahren voranzubringen.

Frau Metzner, natürlich sind wir darauf vorbereitet, notfalls auch ein normales Planfeststellungsverfahren durchzuführen; aber es muss doch alles versucht werden, es beschleunigt hinzubekommen.

Deshalb mein Appell an alle, hier zu unterstützen, in Berlin dafür zu wirken. Die Menschen auf der Insel, die Pendlerinnen und Pendler, die gerade das derzeit erfahren, haben es verdient.

Eine Ausführung zu dem Kollegen Tietze. Er hat es verdient, dass man darauf eingeht. Kollege Harms hat es gesagt - es ist ein Thema, das ein wenig dänisches Vorbild hat. Aber in Dänemark gilt die Aarhus-Konvention auch, und die Gewaltenteilung ist auch in Dänemark nicht aufgehoben.

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Ja!)

Das heißt, dieses legale Planungsinstrument funktioniert auf eine bestimmte Art und Weise. Wenn man den Gesetzentwurf nicht nur nach den Fristen für einlegende Naturschutzverbände betrachtet, sondern auch danach, was vorgesehen ist, dann beinhaltet dieses Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz unter anderem eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung. Natürlich findet ein Anhörungsverfahren statt. Hierbei ist folgender Passus zu beachten: Stellt man im Verfahren fest, aus den Anhörungen ergibt sich, man wird damit keinen Zeitgewinn haben, ist der Vorhabenträger sofort in der Lage zu sagen, es wieder an das Bundesministerium für Verkehr zu übergeben, um in das normale Planfeststellungsverfahren umzuleiten.

Es ist nur eine Chance. Es werden keine Rechte beschnitten. Es wird einmal der Versuch unternommen, Planfeststellungsverfahren zu beschleunigen. Deshalb appelliere ich an alle: Unterstützen Sie uns dabei, auch in Berlin, und sorgen Sie mit allen Fraktionen dafür, dass dieser wichtige Teilabschnitt wieder in dieses Maßnahmenbeschleunigungsgesetz aufgenommen wird! - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU, SSW, vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Volker Schnurrbusch [AfD])

Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 5 Minuten überschritten. Diese Zeit steht jetzt auch allen Fraktionen zu. - Ich sehe aber nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag Drucksache 19/1815 in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und SSW)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 44 auf:

Kapazitäten und Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen und in der Fleischverarbeitung in Schleswig-Holstein

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/1510

Ich erteile das Wort der Finanzministerin Monika Heinold in Vertretung für den Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf für Minister Albrecht sprechen. Der vorliegende Bericht behandelt verschiedene Themen, die neben dem MELUND auch die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums, des Sozialministeriums und des Verbraucherschutzministeriums betreffen. Es geht um die Unterbringungs- und Beschäftigungssituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Fleischwirtschaft. Es geht um die dort vorhandenen Arbeitsbedingungen und die Frage, inwieweit die Unternehmen ihre eingegangenen Selbstverpflichtungen umsetzen, und es geht um Tierschutz.

Meine Damen und Herren, es ist leider kein neues Thema, das wir heute hier diskutieren. Immer wieder sind Missstände in Schlachthöfen und fleischverarbeitenden Betrieben bekannt geworden. Es hat wiederholt Beschwerden über die Unterbringungsund Beschäftigungssituation von Arbeiterinnen und Arbeitern, vor allem aus Osteuropa, gegeben. Daraufhin hat das zuständige Sozialministerium im Mai 2018 eine Informations- und Überwachungskampagne in den Schlachthöfen und in den fleischverarbeitenden Betrieben initiiert. An der Kampagne wurden neben der staatlichen Arbeitsschutzbehörde auch andere Behörden wie Baubehörde und Gesundheitsämter beteiligt.

Erste Ergebnisse zeigen, dass die seit 2014 eingegangenen Selbstverpflichtungen der Unternehmen zwar zu besseren Arbeitsbedingungen geführt haben und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Branche zugenommen hat; die Beschäftigung erfolgt aber oftmals über mehrere Subunternehmer. Hier liegt das Problem; denn die Subunternehmen beziehungsweise Vertragsnehmerinnen und Vertragsnehmer suchen Wege, um - unter anderem - die Zahlung des Mindestlohns zu umgehen. Die Arbeitgeberverantwortung liegt zwar bei den Werkvertragsnehmern; aber es entsteht der Eindruck, dass die Betreiber das rechtliche Konstrukt des Werkvertrags nutzen, um Lohnkosten rigoros zu senken.

Meine Damen und Herren, auch wenn es Betriebe gibt, die sich an die Standards des Arbeits- und Sozialrechts sowie an die Selbstverpflichtungen halten, ist unbestreitbar, dass weiterhin Missstände vorhanden sind. Deshalb ist es absolut notwendig, dass die Landesregierung mit Informationen und gezielten Überwachungen tätig ist. Auch müssen die Schlachthofbetreiber von ihren Werkvertragsunternehmen konsequenter einfordern, die im Verhal

tenskodex und in der Selbstverpflichtung formulierten Standards einzuhalten.

Wie der Bericht zeigt, werden in Schleswig-Holstein nach wie vor viele Tiere geschlachtet. Die Schlachtkapazität liegt in Schleswig-Holstein bei über 2 Millionen Tieren jährlich. Obwohl immer mehr Menschen, gerade auch junge Menschen, sich vegetarisch oder vegan ernähren, wird die Kapazität in den nächsten Jahren vermutlich weiter ansteigen, so der Bericht. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir als Landesregierung uns jetzt und zukünftig für faire Arbeitsbedingungen, Lebensmittelhygiene und Tierschutz einsetzen.

Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher können mithelfen, indem sie fragen, wo das Schwein aufgewachsen ist, woher das Fleisch kommt, wo die Kuh geschlachtet und das Huhn zu Frikassee verarbeitet wurde, um dann bewusst zu entscheiden, welches Fleisch sie zu welchem Preis kaufen und essen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete der SPD-Fraktion Kirsten Eickhoff-Weber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im September haben wir über Tierwohllabel, Nutztierstrategie und Gülleverordnung gesprochen, heute Morgen über die Zukunft der Landwirtschaft. Die gesellschaftliche Debatte zum Thema Fleisch ist auch in diesem Haus angekommen. Dabei geht es um die Bedingungen in der Fleischindustrie. Wir müssen uns damit auseinandersetzen. Es reicht nicht aus, dass wir genau hinsehen; wir müssen auch Konsequenzen ziehen. Eine Neuausrichtung der Landwirtschaft hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft kann nur gelingen, wenn wir uns auch trauen, die marktbeherrschenden Mächtigen der Fleischindustrie in den Fokus zu nehmen.

(Beifall SPD)

Dabei geht es um Arbeitsbedingungen, Tierwohl, Hygiene, konsequente Kontrollen - und um faire Preise für die Landwirtschaft. Es geht auch um den Schutz von Handwerk und mittelständischen Unternehmen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, danke, dass die Landesregierung diesen Bericht zu Kapazitäten und Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen vorgelegt hat.

Leider ist dieser Bericht weniger als nur dürr. Schon in der vergangenen Legislaturperiode, im Jahr 2014, wurde uns, damals auf Antrag der FDP, ein Bericht vorgelegt. Der Bericht war ausführlich und umfänglich. Es ist für mich unbegreiflich, dass man sich nicht daran orientiert hat. So reicht es auf jeden Fall nicht.

Zu der Situation der Fleischverarbeitung in Schleswig-Holstein - auch das war Teil der Frage - wird nichts gesagt. Nicht ein einziges Wort! Wir lesen viel Problembeschreibung. Ansonsten ist dieser Bericht nur Ausdruck von Macht- und Hilflosigkeit.

Im Jahr 2016 hatte der Schleswig-Holsteinische Landtag mit dem Antrag „Lohndumping in Schlachthöfen verhindern!“ eine heftige Diskussion ausgelöst, die bis Ende 2016 dauerte. Einige Punkte wie die faire Beratung sind auf den Weg gebracht worden. Wir hatten aber auch anderes gefordert, nämlich die Selbstverpflichtung der Fleischindustrie zu überprüfen. Kollege Bernd Voß forderte sogar eine jährliche Überprüfung. In dem aktuellen Bericht steht, dass die Überprüfung leider nicht möglich sei, weil nur nach Berlin berichtet werde, und das sei nicht schleswig-holstein-spezifisch.

Das kann nicht reichen, und das darf nicht reichen. Das darf auch dem Minister nicht reichen. Wir alle wissen von den Problemen in Schleswig-Holstein. Wir wissen von den Ansätzen zur vertikalen Integration. Wir wissen, dass die Bauern keine ordentliche Preise erzielen können. Wir wissen, dass sich die Konzentrationsstrukturen wie ein Pilzgeflecht durch das Land ziehen.

Im Jahr 2015 hat der damalige Umweltminister zur Übernahme der Schlacht- und Zerlegebetriebe Thomsen in Kellinghusen durch Tönnies erklärt: