Klassenkämpfe aufführen, reflexartig Resolutionen verabschieden und reflexartig in irgendeiner Weise Abwehrmechanismen aktivieren sollten.
Meines Erachtens ist die Bundesratsinitiative aus Bayern ein guter Vorschlag, das Arbeitszeitgesetz zu flexibilisieren und zu dynamisieren, weil wir heutzutage in vielen Familien das Problem haben, dass die Eltern um die Kinder kreisen und gemeinsam ihre Arbeitszeit irgendwie so organisieren müssen - wir sprachen darüber vor Kurzem noch -, so dass man sich selbst gar nicht mehr sieht, sondern irgendwie organisiert, dass einmal der eine und einmal der andere sich um die Kinder kümmert. Gemeinsame Zeit ist rar geworden. Das liegt auch am Arbeitszeitgesetz, weil es starre Grenzen und wenig Flexibilisierung gibt.
Deswegen ist es ein ernstzunehmender Wunsch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, das Arbeitszeitgesetz in diesem Punkt anzupassen. Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass wir als Jamaika-Koalition einen Alternativantrag eingebracht haben, in dem wir unsere Landesregierung auffordern, im Rahmen der Beratung im Bundesrat zu ermöglichen, dass Flexibilisierungen im Arbeitszeitgesetz eingebaut werden.
Es muss für Eltern, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, möglich sein, auch in Etappen zu arbeiten, wenn man sein Leben so organisieren möchte, dass man zum Beispiel morgens das Kind in die Kita bringt, zwei Stunden arbeiten geht, dann wieder nach Hause kommt und das Kind aus der Schule abholt.
Meines Erachtens wäre das auch eine Stärkung der Gewerkschaften, liebe Kollegen von der SPD, weil dann die Gewerkschaften im Rahmen dieser Flexibilisierungsmöglichkeiten die Möglichkeit haben, Rechte und Spielräume für ihre Mitglieder wahrzunehmen.
Was heute starr gilt - eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht, im Ausnahmefall zehn Stunden -, führt, wie wir alle wissen, jeden Tag zu millionenfachem Rechtsbruch, insbesondere im Gaststättengewerbe.
Wir wissen, dass in Schleswig-Holstein jeder Landgasthof schließen könnte, wenn man auf einer Hochzeitsfeier um 23 Uhr den Saal hell beleuchtet und sagt: entweder Schichtwechsel oder Schluss mit der Feier. - Schichtwechsel auf dem Land, das macht keiner. Nein, da gibt es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sagen: Wir möchten unsere Arbeitszeit auf wenige Tage konzentrieren, um Geld zu verdienen. Wir wollen in dieser Zeit arbeiten. Wir wollen als Landgasthof überlebensfähig sein. Wir können uns gar keinen Mehrschichtbetrieb leisten. Wir können nicht um 23:30 Uhr mit einem Mal die neue Schicht anreisen lassen, weil da im Zweifelsfall Bus und Bahn nicht mehr fahren.
Vielen Dank, Herr Kollege Lukas Kilian. Sie haben gesagt, dass es für die Gastronomie von Vorteil sein könnte. Wir wissen alle, dass in Schleswig-Holstein - aber nicht nur in Schleswig-Holstein - besonders im Gastronomiebereich Fachkräftemangel besteht. Gehen Sie davon aus, dass eine Tätigkeit in der Gastronomie dadurch attraktiver wird, dass man diese Arbeitszeitunterbrechung haben kann und weiß, dass man nach einem Dienst von 13 Stunden nach zehn Stunden Unterbrechung am nächsten Morgen gleich wieder 13 Stunden arbeiten muss? Glauben Sie, dass die Arbeit in der Gastronomie dadurch attraktiver wird?
- Sie stellen es so dar und denken: Man arbeitet dann nur noch. Es geht nur um Mehrarbeit. Man hat gar keine Ruhezeiten mehr und wird so eingeteilt, dass man im Endeffekt dauerhaft im Hamsterrad der Arbeit läuft. - Das ist der Vorwurf, der da mitschwingt. Das ist die Sorge, die man bei der Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes hat, dass es in Wirklichkeit um Mehrarbeit geht.
Wenn man es richtig macht - dazu müssen wir als Jamaika-Koalition unsere Landesregierung auffordern -, kann das ganz im Gegenteil einen positiven Effekt erzeugen, weil dann Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, Arbeitszeiten so einzuteilen, dass man sich als Arbeitnehmer dafür entscheidet zu sagen: Ich möchte jetzt 12 oder
13 Stunden arbeiten und vielleicht morgen auch. Dafür habe ich den Rest der Woche frei, weil ich mir das entsprechend so einteilen kann und das legal möglich ist.
- Wenn die Arbeitnehmer nicht einwilligen, haben sie, weil das aktuell über das Arbeitszeitgesetz verboten ist, die Möglichkeit, das zu melden. Dann kriegt der Arbeitgeber zum Teil erhebliche Bußgelder.
(Birte Pauls [SPD]: Freuen Sie sich! - Wolf- gang Baasch [SPD]: Und der Arbeitnehmer die Kündigung! - Weitere Zurufe SPD)
Moment! Entschuldigung, Herr Abgeordneter. - Ich möchte um ein bisschen Ruhe auf der Oppositionsbank bitten. Herr Kilian antwortet auf die Frage der Abgeordneten Waldinger-Thiering.
Genau. - Frau Waldinger-Thiering, ich möchte Ihnen die Antwort geben. Sie stellen das in den Kontext des Fachkräftemangels; das ist im Bereich des Fachkräftemangels ein wichtiges Thema. Was Frau Midyatli gesagt hat, dass es dabei nur um Fachkräftemangel gehe, geht am Thema vorbei. Es geht um sämtliche Arbeitsverhältnisse in Deutschland, in denen es möglich ist, mit Flexibilisierung etwas zu erreichen. Auch da müssen wir aufpassen, nicht alles aus dem Blick zu verlieren.
Wenn man heutzutage über Digitalisierung von Arbeit spricht, stellt sich jeder irgendeinen Hipster vor, der in einem Café mit seinem Laptop die Arbeitsprozesse erledigt, oder cooles Homeoffice. Wir haben aber extrem viele Berufe, in denen Homeoffice in der Form gar nicht möglich ist. Die Kassie
rerin wird immer an der Kasse sitzen müssen. Die kann nicht zu Hause kassieren. Das funktioniert nicht. Genauso läuft es bei dem Regalpacker, der die Regale einräumt. Da gibt es auch kein Homeoffice. Die Flexibilisierungsmöglichkeiten, die in den letzten Jahren in der Arbeitswelt entstanden sind, betreffen viele nicht. Wir sollten bei sinnvollen Beratungen im Bundesrat ermöglichen, dass man Flexibilisierung im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreicht. Wir haben einen EU-Arbeitsschutz.
Ja. - Wir haben eine EU-Höchstarbeitszeit, die als Wochenarbeitszeit festgelegt ist. Wir haben in Deutschland eine Vielzahl von Arbeitnehmerrechten. Wir sagen in unserem Alternativantrag, dass es unter Wahrung der Arbeitnehmerrechte und mit einer Branchendifferenzierung durchaus wichtig ist zu flexibilisieren.
Darf ich nur noch einmal ein kleines Resümee machen? - Sie haben eine lange Antwort auf meine Frage zum Gastronomiebereich gegeben. Sie haben das ganz schön ausgeweitet. Diese Befürchtungen sind an mich durch Personal in der Gastronomie herangetragen worden, das noch mehr Arbeit befürchtet und weiß: Sie kriegen niemanden für den nächsten Tag, für die nächste Schicht. Dann müssen sie wieder los.
Als Tourismusland Schleswig-Holstein erweisen wir uns keinen Dienst und wirken auch nicht dem Fachkräftemangel entgegen, wenn wir das so aufsplitten und das Gastro
Ich nehme das mit. Ich sage Ihnen ganz deutlich, dass es gerade angesichts des Fachkräftemangels eine gute Zeit ist, um das Arbeitszeitgesetz zu modernisieren, weil gerade jetzt die Arbeitnehmer in einer Position sind, dass sie sich Beschäftigungsverhältnisse besser aussuchen können, weil es einen Fachkräftemangel gibt. Wenn irgendwo etwas nicht passt und man sich dermaßen schlecht von einem Arbeitgeber behandelt fühlt, kann man ohne Probleme drei Häuser weiterziehen und findet auch da einen Job. In dieser Zeit das Arbeitszeitgesetz arbeitnehmerfreundlich zu modernisieren und zu flexibilisieren,
ist meines Erachtens eine sehr gute Idee. Das hat ganz nebenbei bemerkt - die Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Deswegen schauen wir einmal, was dabei rumkommt. Ich bin froh, dass die Debatte angestoßen ist und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages Schülerinnen und Schüler der Alfred-Nobel-Schule aus Geesthacht, sowie Mitglieder der CDU Sievershütten. Herzlich willkommen!