Protokoll der Sitzung vom 22.01.2020

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die Kollegin und Kollegen vom SSW für diesen wunderschönen Antrag. Föl toonk! Dieses Mal werde ich nicht ganz so viel auf Friesisch sprechen, weil wir gemerkt haben, dass die Übertragung für den Stenografischen Dienst schwierig ist.

(Martin Habersaat [SPD]: Da sitzt Ole Schmidt, der kann das! - Weitere Zurufe)

Ich freue mich riesig über den Antrag. Wir haben neulich eine Sitzung mit dem Friesenrat gehabt, in der deutlich geworden ist, dass wir noch ordentlich etwas zu tun haben. Wir alle freuen uns hier im Landtag, loben uns dafür, dass wir in SchleswigHolstein in der Minderheitenpolitik vorbildlich sind, und halten fraktionsübergreifend, parteiübergreifend immer schöne Reden. Auch ich war immer der Meinung, dass eigentlich alles ganz gut läuft.

Dann habe ich einmal verglichen, was die Antwort auf meine Kleine Anfrage aus der vorletzten Legislaturperiode im Vergleich zur Antwort auf die Kleine Anfrage, die Jette gestellt hat, ergibt. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die Friesisch lernen, geht zurück. Das kann doch nicht so bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Wir müssen für den Schutz der friesischen Sprache mehr tun! Deswegen freue ich mich, dass der SSW viele Ideen gesammelt hat. Ich finde, wir sollten nicht in den Duktus verfallen: ja, aber; eigentlich

finden wir das ja gut, aber im Detail müssen wir noch einmal darüber reden.

Wir sollten uns erst einmal darauf verständigen, dass wir ein gemeinsames Ziel haben, auf das wir hinarbeiten, und sagen: Dieses Ziel wollen wir erreichen. Wenn die Wege des SSW vielleicht nicht eins zu eins gehen - da habe ich mich von den Bildungsexpertinnen in unserer Fraktion beraten lassen -, dann suchen wir nach anderen Wegen. Aber das Ziel ist wichtig, und es muss alles getan werden.

Ich sage Ihnen, warum das so wichtig ist. Das Friesische teilt sich in neun Sprachgruppen auf; drei davon sind akut vom Aussterben bedroht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen in die Puschen kommen, wir müssen noch viel mehr tun, um diese schöne Sprache zu erhalten.

Jetzt kommt ein kleines Beispiel: Rüm hart - klaar kiming. Was heißt das für uns? - Mit einem weiten Herzen und klaren Horizont voranzugehen. Das ist nicht nur Verfassungsauftrag, sondern mir ist es ein Herzensanliegen, dass wir mehr für diese Sprache tun, dass auch in hundert Jahren noch Kinder auf Föhr und auf dem Festland aufwachsen, die Friesisch in ihrer Familie sprechen können. Dafür sind die Schulen wichtig, dafür ist das Studium wichtig.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen mit Ihnen in den zuständigen Ausschüssen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir im hohen Norden sind zu Recht stolz auf unsere kulturelle und sprachliche Vielfältigkeit. Wenn man sich anguckt, wie viele verschiedene Sprachen und Dialekte in so einem kleinen Flecken Land wie Schleswig-Holstein gesprochen werden, dann muss man etwas Vergleichbares in Deutschland schon sehr lange suchen.

Für mich und meine Fraktion ist es daher unstrittig, dass wir uns auch zukünftig gemeinsam für den Erhalt dieser besonderen Kultur engagieren. Unverzichtbarer Bestandteil davon sind die Förderung und der Erhalt der Minderheitensprachen, die berechtigt einen besonderen Schutz und eine besonde

(Birte Pauls)

re Förderung genießen. Aus diesem Grund setzen wir uns mit dem umfangreichen Maßnahmenkatalog für so eine Förderung ein.

Vor ziemlich genau einem Jahr wurde zwischen dem Land Schleswig-Holstein und dem Nordfriesischen Institut eine weitere Vereinbarung geschlossen, im Übrigen auf Friesisch. Diese enthält eine Förderung von insgesamt 1,9 Millionen €, die dem Institut bis zum Jahr 2021 eine gute finanzielle Ausstattung für die Arbeit zusichert. Sicher ist mir klar: Mehr ginge immer und wäre schön.

Viele der geforderten Maßnahmen im vorliegenden SSW-Antrag werden größtenteils bereits umgesetzt oder befinden sich in der Planung für eine zeitnahe Umsetzung, zum Beispiel die Möglichkeit des Abschlusses eines Zertifikatskurses oder das Zurverfügungstellen von digitalen Unterrichtsmaterialien. Es wurde bereits erwähnt: Ich halte die Kooperationen mit der Ferring Stiftung zur Erstellung von Unterrichtsmaterialien wegen der besonderen fachlichen und sprachlichen Kompetenz für sehr wertvoll. Auch die im Antrag geforderte Ernennung von friesischen Modellschulen ist bereits in einer fortgeschrittenen Planungsphase, und die ausgewählten Schulen sollen in Kürze durch das Ministerium verkündet werden.

Wir sehen, der Antrag des SSW enthält größtenteils Forderungen, die unsere Landesregierung bereits umsetzt oder bei denen wir konkret an einer Umsetzung arbeiten. Allerdings müssen wir auch anerkennen, wo sich weitere Maßnahmen schwierig gestalten oder Grenzen haben, zum Beispiel die erhobene Forderung nach einer Jobgarantie, die sich nach kurzer Überlegung und ins Recht schauend als nicht umsetzbar erweist, denn sie würde dem Beamtenrecht fundamental widersprechen.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

Sie würde auch mit unserem Wettbewerbsansatz bei der Stellenvergabe über Kreuz liegen. Das Gleiche gilt für die Referendariatsplätze. Die Planstellen werden letztendlich von den Schulen zur Besetzung ausgeschrieben. Wir können Schulen nicht zwingen, etwas gegen ihren Willen zu tun. Ich kann aber nachvollziehen, dass man an der Stelle durchaus darüber nachdenken sollte. Wir stehen hier allerdings auch in Konkurrenz zu anderen Mangelfächern, bei denen wir auch bestimmte Regelungen und Vorzüge haben. Wir müssen schauen, wie sich das in der Konkurrenzsituation verhält.

Ich bin gestern Abend in der FördeRunde gefragt worden, ob ich sagen könnte, wie es in 30 Jahren um das Friesische aussieht. Ich habe gesagt: Nein,

das kann ich nicht, aber ich würde mir wünschen, dass es in 30 Jahren immer noch Menschen gibt, die diese Sprache aus voller Überzeugung und mit voller Begeisterung sprechen.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Lars Harms [SSW]: In 30 Jahren lebe ich noch!)

- Ich auch. - In Anlehnung an meine Kollegin Marret Bohn möchte ich sagen: Der Antrag ist sehr gut, aber es gibt bei vielen Punkten ein „ja, aber“. Ich halte es für sinnvoll, dass wir in den beiden Ausschüssen - Bildung und Europa - über ergänzende Maßnahmen und die weitere Ausgestaltung diskutieren. Ich bin sicher, dass wir eine konstruktive Diskussion zum Erhalt dieser Sprache führen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Ich habe vor einiger Zeit im Radio ein Interview zum Thema Friesisch gehört. Ein älterer Herr auf der Insel Föhr äußerte sich sinngemäß: Ich wünsche mir, dass junge Leute, die in Nordfriesland leben und kein Friesisch sprechen, eines Tages out sind.

Ich würde mich dem Wunsch zwar so nicht anschließen - niemand soll out sein -, aber wir alle verstehen, um was es dem Herrn geht, nämlich darum, die Mehrsprachigkeit in Nordfriesland zu schützen und zu fördern. Genau das ist das Ziel aller Fraktionen im Landtag; alle Vorredner haben sich so geäußert, und auch die AfD steht aus tiefster Überzeugung dahinter, allein schon deswegen, weil wir alle wissen, wie identitätsstiftend Sprache sein kann.

(Beifall AfD)

Das Ziel, Friesisch lebendig zu halten, ist sowohl in der Verfassung unseres Landes als auch im schleswig-holsteinischen Schulgesetz festgeschrieben. Der rechtliche Rahmen, in dem die Landesregierung ihre Sprachenpolitik seit über zwei Jahrzehnten entwickelt, ist die 1998 von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierte Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Das ist bekannt, und es ist auch bekannt, dass sich Jamaika aufbau

(Anita Klahn)

end auf dem Handlungsplan Sprachenpolitik in seinem Koalitionsvertrag darauf verständigt hat - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis -, „die Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt in unserem Land zu stärken“.

Es ist gut, dass jetzt mit dem Antrag des SSW endlich ein Antrag vorliegt. Vielen Dank von unserer Seite. Im Kreis Nordfriesland liegt er fast gleichlautend von der CDU vor; das zeigt nur, dass dort in die gleiche Richtung gegangen wird.

Besonders leicht lernen Kinder eine Sprache, wenn sie in den Familienalltag integriert wird. Zuallererst sind also Familien gefordert, wenn es darum geht, die friesische Sprache und Kultur weiterzugeben und lebendig zu halten. Die einzige Familie aus Friesland, die ich kenne, praktiziert und lebt das zumindest ganz genauso.

Kommen wir zur Schule. Eine Bestandsaufnahme des friesischen Unterrichtes in Nordfriesland und auf Helgoland zeigt, dass die Zahl der Schüler, die am Friesischunterricht teilnimmt, im letzten Schuljahr immerhin leicht gestiegen ist. Danke für ihre beiden Kleinen Anfragen, Frau Waldinger-Thiering. Es ist also begrüßenswert. Eigentlich ist es aber erstaunlich, denn Friesisch wird ja an den Grundschulen derzeit nicht als reguläres Unterrichtsfach, sondern meist als AG oder als freiwilliger Zusatzunterricht angeboten. An den weiterführenden Schulen steht Friesisch in direkter Konkurrenz zu AGs aus dem musikalischen oder sportlichen Bereich. Es ist eine harte, attraktive Konkurrenz.

Der erfreuliche - wenn auch geringe - Anstieg der Zahl der Schüler, die friesisch sprechen, ist sicherlich zum Großteil nicht auf die Förderung des Friesischen in der Schule, sondern in den Kindergärten zurückzuführen. Kleinkindern fällt das Erlernen einer neuen Sprache erwiesenermaßen besonders leicht. Genau deshalb unterstützen wir die Zuweisung für Sprachbildung der Regional- und Minderheitensprachen für diejenigen Kitas, die es den Kindern ermöglichen, die Sprache Friesisch zu lernen. Die Zuwendungen an den Kreis Nordfriesland sind naturgemäß am höchsten. Zahlreiche Kitas nutzen dies, um das Friesische spielerisch zu vermitteln. Hier wird die Basis gelegt, die dafür sorgt, dass man im späteren Bildungsverlauf wieder an den Friesischunterricht anknüpfen kann.

Meine Damen und Herren, so wichtig Friesischunterricht in Kita und Schule auch ist: Wenn wir über die Zukunftsfähigkeit des Friesischen sprechen, dürfen wir nicht nur über die Schule sprechen, sondern müssen besonders die Kultur- und Spracharbeit durch das Nordfriesische Institut, den Nordfri

esischen Verein und die Friisk Foriining hervorheben.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

- Danke. Diese Vereine und Vereinigungen halten die friesische Sprache und Kultur lebendig und bleiben auch in Zukunft unverzichtbar. Dennoch nehmen neben Elternhäusern, nordfriesischen Vereinen und Kitas natürlich die Schulen eine elementare Rolle ein. Die Landesregierung bleibt deswegen aufgefordert, die Lehrerversorgung für den Friesischunterricht auch zukünftig zu sichern. Dazu gehört zuallererst, dass das Wissen über die Möglichkeit, Friesisch zu studieren, stärker vermittelt wird, besonders in Nordfriesland. Es gibt tatsächlich junge Lehramtsanwärter und Interessenten für den Lehrerberuf, die nicht wissen, dass man Friesisch studieren kann. Zweitens gehört dazu, dass die Mehrleistung der Studenten, die in Flensburg erfolgreich den Zertifikatskurs Friesisch absolviert haben, im Bewerbungsverfahren für das Referendariat berücksichtigt wird. Das sollte genauso für diejenigen gelten, die in Kiel Friesisch als Ergänzungsfach studiert haben. Es sollte, denken wir, keinen Unterschied zum DaZ-Zertifikat geben.

Der Bildungsausschuss ist genau der richtige Ort, um darüber und über weitere geeignete Maßnahmen für den Friesischunterricht zu sprechen, damit eines Tages junge Leute, die in Nordfriesland leben und friesisch sprechen, nicht out, sondern in sind. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall AfD)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Diejenigen, die das Vergnügen hatten, am vergangenen Wochenende auf dem Schleswig-Holstein-Abend der Grünen Woche anwesend zu sein,

(Zurufe CDU: Ja!)

erinnern sich vielleicht an die Sängerin Norma, die von Föhr kommt - von Föhr! -,

(Beifall Klaus Jensen [CDU])

(Dr. Frank Brodehl)