Protokoll der Sitzung vom 22.01.2020

(Dr. Frank Brodehl)

ihrem geliebten Eilun Feer. Sie singt ganz selbstverständlich manchmal auf Hochdeutsch, aber eben auch auf Niederdeutsch und Friesisch. Sie ist eine wunderbare Botschafterin für unsere Minderheitenund Regionalsprachen. Sie vertritt damit unsere Heimat und unser kulturelles Erbe auf ganz besonders schöne Art und Weise.

Es ist bereits ausgeführt worden: Wir sind ein Mehrsprachenland. Manche sprechen Hochdeutsch, viele Niederdeutsch, friesisch in seinen verschiedenen Varianten, Dänisch oder Romanes. Die Sprachenvielfalt ist eine Selbstverständlichkeit bei uns im Norden. Sie ist eine unserer großen Stärken, ein wichtiger Teil unseres Heimatverständnisses und natürlich auch Teil unserer Verfassung. Auch das ist bereits erwähnt worden.

Die Sängerin Norma, finde ich, zeigt aber ganz besonders und eindrucksvoll: Sprache lebt nur dort, wo sie tatsächlich auch im Alltag gelebt wird und der Sprecher eine emotionale Bindung zu ihr hat. Das ist natürlich zunächst in den Familien, in den Kitas und dann im schulischen Alltag der Fall. Deshalb ist es der Landesregierung ein großes Anliegen, dass sich die Sprachenvielfalt gerade an den Schulen unseres Landes widerspiegelt.

Nordfriesisch wird in Schleswig-Holstein im nordfriesischen Sprachgebiet als Minderheitensprache im Sinne der Europäischen Charta der Regionalund Minderheitensprachen geschützt. Das ist gut so. Wir sind in Schleswig-Holstein da schon viele gute Schritte vorangekommen und leisten traditionell auf diesem Gebiet Pionierarbeit.

Jedoch an dieser Stelle ein Aber. Herr Harms, ich will es deutlich sagen: Ich bin im Sommer in Nordfriesland gewesen. Tatsächlich macht mir die Entwicklung beim Friesischunterricht ernsthafte Sorgen. Diese Entwicklung ist übrigens nicht neu, sondern hat sich gerade im Laufe der letzten Legislaturperiode verschärft. Ich bin sehr froh, dass wir im letzten Schuljahr zum ersten Mal eine Trendumkehr erkennen können. Wir hoffen zumindest, dass es eine Trendumkehr ist.

Weil mir diese Entwicklung so große Sorgen macht, haben wir bereits im Sommer angefangen, uns massiv Gedanken zu machen, wie wir dieser Situation wirksam entgegentreten können und ein Maßnahmenpaket entwickelt. Ich freue mich darüber, dass wir uns im Ausschuss darüber austauschen werden, welche Maßnahmen sinnvoll sind. Da bin ich vollkommen bei Ihnen, Frau Bohn. Wir müssen uns über das Ziel verständigen und dann sehen, welche Maßnahmen am besten wirken können.

Ich möchte nun einige dieser Maßnahmen aufzählen. Eine der Maßnahmen ist ein Runder Tisch, den wir nun fest etabliert haben, bei dem wir uns mit allen Akteuren, die an diesem Thema arbeiten, zusammensetzen, Maßnahmen entwickeln und ihre Wirksamkeit überprüfen. Dazu wird auch gehören, dass wir für die Sprache Friesisch Projektschulen einrichten, ähnlich, wie wir es für das Dänische machen. Dazu gehört auch, dass wir den Schulen besonderes Material zur Außendarstellung - auch Schilder - anbieten. Wir wollen im Bewusstsein der Menschen die Bedeutung des Friesischen auch durch solche symbolischen Dinge stärken. Wir sind in einem intensiven Austausch mit West- und Saterfriesen. Dieser Austausch soll verstetigt werden. Wir sind dabei, sämtliche Lehrwerke zu erneuern beziehungsweise erstmals zu erstellen. Dafür gibt es keine Institution oder keinen Verlag, sondern wir machen es in Eigenregie. Die notwendigen Abordnungsstunden, die die Lehrkräfte dafür brauchen, werden wir 2020 erstmals zur Verfügung stellen.

(Beifall CDU, SSW und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir werden die Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für das Friesische in seinen verschiedenen Varianten ausbauen. Wir werden erstmals zum Schuljahr 2020/21 eine Abordnungsstelle für die Minderheitensprachen einrichten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wir sprechen mit unseren Landesuniversitäten darüber, wie wir die Attraktivität der Studiengänge konkret steigern können. Das gilt für die erste Phase der Lehrerausbildung und dann natürlich auch für die zweite Phase.

Für die Zusammenarbeit mit der Ferring Stiftung bin ich sehr dankbar, das möchte ich ausdrücklich sagen. Mit der Ferring Stiftung sind wir über die Digitalisierung der Lernmaterialien, aber auch über so banale Dinge wie die friesischsprachige Version des Brettspiels Monopoly im Gespräch. So etwas spielt emotional eine große Rolle.

Keinesfalls möchte ich an dieser Stelle vergessen, den Lehrkräften, die bei uns Friesisch unterrichten und sich dabei fast immer über Gebühr engagieren, ganz herzlich Danke zu sagen. Ich denke, dass ich das auch in Ihrem Namen mache.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Diese Lehrkräfte unterrichten nicht nur Friesisch, sondern erarbeiten ganz häufig in Eigenarbeit Un

(Ministerin Karin Prien)

terrichtsmaterial: Da werden Lieder gedichtet, Zeitungsartikel übersetzt und zusammengetragen, Arbeitsblätter erstellt. Wir haben da insofern allen Grund zur Dankbarkeit.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Wir machen uns auf den Weg. Wir sind uns im Ziel, glaube ich, einig, und müssen jetzt miteinander gucken, dass wir die richtigen Maßnahmen - möglicherweise auch über das, was wir bereits auf den Weg gebracht haben - aufs Gleis bringen.

Wir müssen bei allem, was wir tun, gucken, dass wir nicht Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen haben, die wir nicht wollen, weil wir inzwischen bei den ganzen Mangelfächern natürlich eine riesige Konkurrenz haben. Natürlich ist die Frage, wenn ich neue Zertifikate anbiete: Was hat das für Auswirkungen auf die Zertifikate in anderen Bereichen? - Darüber müssen wir einfach in Ruhe sprechen. Insgesamt können wir aber zu einer sehr fruchtbaren, konstruktiven Beratung im Ausschuss kommen. Ich freue mich jedenfalls darauf. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/1894 dem Bildungsausschuss und mitberatend dem Europaausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist nicht so. Dann ist es einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Jahr der Bildung für Nachhaltige Entwicklung

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1783

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Anette Röttger das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Es ist inzwischen knapp 30 Jahre her, dass mit der UN

Resolution im Jahr 1992 ein Leitbild für eine gemeinsame Politik nach den Prinzipien nachhaltiger Entwicklung verabschiedet worden ist. Seitdem läuft nicht nur weltweit ein gesellschaftlicher Diskussionsprozess darüber, auch bei uns in Schleswig-Holstein ist seitdem viel zum Thema Nachhaltigkeit passiert.

In Kitas, Schulen, Hochschulen, aber auch in den Elternhäusern oder in der Erwachsenenbildung findet Bildung für nachhaltige Entwicklung statt. Unser Land verfügt über inzwischen über mehr als 40 Bildungspartner, Bildungseinrichtungen und Bildungszentren für Nachhaltigkeit. All das hat viel Wertschätzung verdient und ist eine gute Ausgangslage für ein Jahr der Bildung für Nachhaltige Entwicklung, das wir mit diesem Antrag für das kommende Schuljahr gern auf den Weg bringen möchten.

Schleswig-Holstein kümmert sich im Norddeutschen Verbund bereits um die Vernetzung und Zertifizierung sogenannter Zukunftsschulen. Eine ganze Reihe außerschulischer Bildungspartner sind bereits zusammengeführt. Diese vielen guten laufenden Beispiele wollen wir gern noch sichtbarer machen und im Sinne der Nachhaltigkeit weiterentwickeln. Ein BNE-Kongress mit allen beteiligten Partnern dazu soll Ende Februar 2020 in Kiel stattfinden.

In einem Zeitalter fortschreitender Digitalisierung und in einer Zeit mit einer satten Gesellschaft, die nur volle Regale und Überfluss kennt, ist ein ressourcenschonendes Verhalten schwerer vermittelbar als in Zeiten des Mangels. Wir wissen, dass ein nachhaltiges Denken und Handeln am besten aus den Vorgängen in der Natur und damit auch aus dem Umgang mit Pflanzen und Tieren abgeleitet werden kann. Die Veranstaltungsreihe DraußenLernen oder das Projekt: Schulklassen auf dem Bauernhof sind beste Beispiele dafür.

An diesen Orten außerhalb der Schule geht es um echtes Erleben, um Grunderfahrungen und damit auch um fächerübergreifendes Begreifen. Ich bin sehr davon überzeugt, dass solche Lern- und Lebenserfahrungen besonders gut geeignet sind, um Grundhaltungen und Gewohnheiten im Sinne nachhaltiger Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen zu entwickeln und fest zu verankern.

(Beifall CDU und FDP)

Wenn Schülerinnen und Schüler zum Beispiel selbst Samenkörner in die Erde legen und sich dann um das Wachsen und Gedeihen einer Pflanze selbst kümmern, lernen sie in der Regel deutlich mehr, als

(Ministerin Karin Prien)

wenn sie diesen Vorgang in einem Lehrbuch erfassen.

Unser Auftrag ist die Bewahrung der Schöpfung und damit der sorgsame Umgang mit Pflanzen und Tieren, so nennen es die einen. Bildung für nachhaltige Entwicklung sagen die anderen. Beides meint ein verantwortungsvolles Handeln im Alltag, ein Denken und Handeln über Generationen hinweg unter Einbeziehung ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte. Jeder von uns kann und sollte mit seinem Tun und Lassen unmittelbar und direkt dazu beitragen und mit unseren Ressourcen wie Boden, Luft und Wasser sorgsam umgehen. Eine nachhaltige Entwicklung findet nur so lange statt, wie jeder einzelne von uns bereit ist nachhaltig zu handeln.

Kinder lernen, was sie erleben. Wir freuen uns über jede Kita und jede Schule, die sich dafür einsetzt, denn es ist unser Anspruch, mit einem Bildungsauftrag möglichst früh anzusetzen.

Auf der Internationalen Grünen Woche findet in diesen Tagen das Thema Nachhaltigkeit in unterschiedlichsten Themenfeldern statt, rund um Landwirtschaft und Ernährung. Unter dem Motto „Du entscheidest“ richtet sich das Thema in Berlin in diesem Jahr direkt an den Verbraucher. Bildung für nachhaltige Entwicklung verlangt vom Verbraucher verantwortungsbewusste, echte und ehrliche Konsumentscheidungen. Gleichgültigkeit und Doppelmoral haben hier keinen Platz. Das gilt für den Einkauf und die Auswahl unserer Lebensmittel. Das gilt nicht nur für diese Bereiche, es gilt vielmehr auch für Mobilität, Wohnen und Freizeit.

Es ist aus unserer Sicht genau der richtige Zeitpunkt für ein Jahr der Bildung für Nachhaltige Entwicklung in Schleswig-Holstein. Aus diesem Grunde bitte ich herzlich um Zustimmung zu diesem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Martin Habersaat das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! „Lasst hundert Blumen blühen“, das war der Vorläufer vom „Großen Sprung nach vorn“. Das waren beides gewissermaßen Mottojahre von Mao. Die „Initiative für mehr Arbeit“ stammt aus dem

Werk von Marc-Uwe Kling - Känguru, Ministerium für Produktivität -, das kennen sie alle.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat auch die Jamaika-Koalition die Mottojahre für sich entdeckt.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: So ist es!)

Claus Leggewie, ein bekannter Politikwissenschaftler, hat nicht zu Unrecht festgestellt:

„Kampagnenpolitik ist so alt wie die Politik selbst.“