Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

und sich, wie wir das im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dafür einzusetzen, dass die Wartefrist beim Familiennachzug nicht über den Zweijahreszeitraum hinaus verlängert wird. Die Gründe, aus denen wir uns dafür einsetzen, sind sehr menschlich. Ich habe dem, was Frau Touré gesagt hat, überhaupt nichts hinzuzufügen. Das kann ich voll und ganz unterstreichen.

Damit ich meine Redezeit nicht komplett mit dem verbrauche, dass Sie Herrn de Maizière vorwerfen und was Sie alles in einen Topf werfen, sage ich Folgendes: Wir sind hier in Schleswig-Holstein, wir sind die Jamaika-Koalition.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich bin ganz bewusst in der CDU. Ich habe das schon einmal gesagt. Manchmal sage ich sogar, ich bin stolz, in der CDU zu sein.

(Beifall CDU)

- Manchmal! Aber ich bin sehr bewusst in dieser CDU, und ich bin bewusst und sehr gern in dieser Jamaika-Koalition. Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Ich habe die Aufgabe, Integrations- und Flüchtlingspolitik neu übernommen. Ich mache das sehr gern. Ich stehe hier als Abgeordnete für eine Flüchtlingspolitik, die human ist, aber die sich gleichzeitig an Recht und Gesetz hält. Das ist für mich kein Gegensatz.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir brauchen auf der einen Seite ein hohes Mitgefühl und Menschlichkeit, um Menschen, die vor Krieg, die vor Verfolgung flüchten und hier Schutz suchen, den Schutz zu bieten, der ihnen nach unserem Asyl- und Aufenthaltsgesetz zusteht, der ihnen auch nach der Genfer Flüchtlingskonvention und unseren Regelungen zusteht.

Ich werbe auf der anderen Seite dafür, dass wir alle verantwortlich dafür sind, uns an Regeln zu halten, damit wir nicht Entscheidungen treffen, die nur aus dem Bauchgefühl entstehen, sondern wir uns objektiv an das halten, was vereinbart worden ist. Deshalb werben wir mit unserer zweiten Initiative für ein Einwanderungsgesetz. Ich finde es schon ein bisschen schwierig, Frau Midyatli. Diese Debatte haben wir schon 2015 geführt. Damals haben Sie sich dagegen gesträubt, ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen. Meine Kollegin Damerow

hat sich dafür eingesetzt. Wir haben hier Debatten zum Einwanderungsgesetz geführt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das war das bayeri- sche Teil, das Sie vorgelegt haben!)

- Es mag sein, dass Ihnen das alles nicht gefällt.

(Martin Habersaat [SPD]: Mit deutscher Mi- mik und deutscher Gestik, oder?)

Zuwanderung, die nicht ausschließlich auf humanitären Gründen beruht, muss so gesteuert werden, dass sie auch an den Bedarfen von Staat und Gesellschaft und Wirtschaft orientiert ist. Hier müssen verständliche Regeln gelten.

Frau Kollegin.

Regeln müssen verständlich sein.

Frau Kollegin Ostmeier.

Entschuldigung.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Stegner?

Immer gern.

Bitte schön.

Liebe Frau Kollegin Ostmeier, ich finde es schon ein wenig kurios. Im ersten Teil Ihrer Rede tun Sie so, als gehöre Herr de Maizière Ihrer Partei gar nicht an, als hätten Sie nichts damit zu tun und als gehe es nur darum, die guten Bestrebungen des Ministerpräsidenten Günther zu unterstützen.

Im zweiten Teil Ihrer Rede kommen Sie auf ein Gesetz zurück, das auf einer Vorlage hier beruhte, die dermaßen Integration karikiert hat, weil sie nämlich von der bayerischen Vorlage abgeschrieben war, dass der kein

(Barbara Ostmeier)

vernünftiger Mensch hätte zustimmen können.

Wenn das „Integrationsgesetz“ heißt und wenn das die Grundlage für diese Koalition sein sollte, dann wünsche ich Ihnen viel Freude in der Debatte. Wir jedenfalls verstehen unter Integration nicht, wie man möglichst viele Leute möglichst schnell loswird und wie man den Familiennachzug nach Möglichkeit unterbindet, sondern das Gegenteil davon.

Zunächst vielen Dank für Ihren Beitrag, Herr Dr. Stegner. Natürlich gehört Herr de Maizière der CDU an. Aber wir haben hier in Schleswig-Holstein vereinbart, wie wir uns im Bund einsetzen wollen, und das werden wir tun.

Demokratie heißt auch, dass auch in einer Partei unterschiedliche Meinungen vertreten werden können. Das haben Sie ja heute hier schon häufiger gehört. Vielleicht ist das bei Ihnen nicht so; das mag ja sein.

(Beifall CDU)

Aber bei uns ist das so.

Sie können auch versichert sein: Wenn auf Bundesebene ein Einwanderungsgesetz diskutiert wird, dann wird es nicht das gleiche sein, das 2015 einmal vorgelegen hatte. Jedenfalls werden wir uns nicht für das gleiche einsetzen, sondern wir werden uns gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern für gesteuerte Zuwanderung einsetzen und die Ziele gemeinsam bestimmen.

Das ist das, was ich gemeint habe: dass wir in einer dynamischen Entwicklung sind. Auch wir entwickeln uns, und wir werden uns mit unseren Koalitionspartnern abstimmen. Das ist doch gar keine Frage.

(Beifall CDU)

Es ist im Übrigen auch gar nicht schlimm, wenn man seinen Standpunkt auch einmal ändert oder anpasst. Ich erwarte das von mir, und ich stehe auch dafür ein, wenn ich einmal Dinge anders beurteilt habe, als ich sie heute beurteile. Das Recht nehme ich mir heraus, das Recht nehmen sich alle heraus. Ich hoffe, es gilt auch für Sie und Ihre Parteigenossen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass man Überlegungen, die man aus den unterschiedlichsten Konstellationen heraus angestellt hat, im Sinne der Sache und im Sinne der Menschen überdenkt. Ich hätte nicht gedacht, dass heute eine solch knackige Wahlkampfrede kommen würde.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Dr. Stegner?

Okay.

Liebe Frau Kollegin Ostmeier, ich finde es sehr sympathisch, wenn Sie sagen, dass man seine Meinung überdenken und etwas lernen kann. Ich möchte gern darauf aufmerksam machen, dass die Einigung zum Familiennachzug im Paket II darauf beruhte, dass die SPD gern wollte, dass Jugendliche, die hier sind und eine Ausbildung machen, ein Aufenthaltsrecht bekommen; drei plus zwei. Die Union war nur bereit, dem unter der Bedingung zuzustimmen, dass der Familiennachzug eingeschränkt wird. Die Bedingung der Union war: Wenn wir etwas Gutes tun, dann muss es auf der anderen Seite auch eine Schikane geben.

Sie haben ja nun gesagt, dass man klüger wird, wenn man darüber nachdenkt. Dieses Überdenken hat nun im Wahlkampf dazu geführt, dass Herr de Maizière öffentlich gefordert hat, die Beschränkung beim Familiennachzug deutlich zu verlängern und zu verschärfen.

Leider muss ich sagen: Auch Herr Lindner von der FDP hat Interviews gegeben, in denen er gesagt hat, dass Menschen, die hier geboren seien und integriert seien, zurück müssten, wenn die Verhältnisse in ihren Heimatländern wieder andere seien.

Dieses möchte ich Ihnen zum Thema „Überdenken“ sagen, weil Sie hier sagen, wir würden Wahlkampfreden halten. Das waren die Beiträge, die just in diesen Tagen vor der Bundestagswahl gegeben worden sind, offenkundig deshalb, um Wählerinnen und Wäh

(Vizepräsident Rasmus Andresen)

ler, die das mit dem Zuzug nicht so gerne sehen, davon zu überzeugen, ihr Kreuz bei der Union und bei der FDP zu machen.

Das ändert aber nichts daran, Herr Dr. Stegner, dass unser Koalitionsvertrag schon im Juni geschlossen wurde, also noch relativ weit weg von der Bundestagswahl. Ich würde uns allen auch nicht unterstellen, dass wir das nur im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf gemacht haben.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Egal, was Herr de Maizière dazu auf Bundesebene sagt, es ändert sich überhaupt nichts daran, dass wir uns dafür einsetzen und in Berlin für das kämpfen, was wir vereinbart haben. So bin ich gestrickt, und so kenne ich Sie eigentlich auch, dass Sie für Ihre Ideen so lange kämpfen, bis das irgendwann demokratisch anders entschieden wird. Dann ist das so; dann muss ich das auch akzeptieren. So funktioniert Demokratie eben auch, wenn Entscheidungen fallen. Beim Asylpaket II waren Ihre Kolleginnen und Kollegen ja auch anwesend. Es macht doch überhaupt keinen Sinn, dass wir in dieser Debatte immer nur zurückschauen, um zu sehen, wer woran schuld war. Vielmehr sind wir heute da, wo wir heute sind.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir starten doch in die Zukunft. Ich möchte, dass Sie zu unserem Antrag auch einmal Stellung nehmen. Was ist an unserem Antrag so schlimm, dass Sie ihm heute nicht zustimmen können? Das ist eine Frage, die Sie vielleicht auch einmal beantworten könnten.