Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

Wird das Wort zu einer Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPD hat die Abgeordnete Beate Raudies.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Gesundheitssystem basiert derzeit im Wesentlichen auf zwei Säulen. Die Systeme von privater und gesetzlicher Krankenversicherung arbeiten parallel, die Übergänge sind schwierig und der Wechsel von einem ins andere System oft nur schwer möglich. Zudem haben nicht alle Beschäftigten die Wahl, sich für ein System zu entscheiden, und das gilt vor allem für die Beamtinnen und Beamten.

Meine Damen und Herren, es ist weder zeitgemäß noch sozial gerecht oder verfassungsrechtlich geboten, dass die Krankheitskosten von Beamtinnen und Beamten ausschließlich über Beihilfe und die private Krankenversicherung abgesichert werden. Und nur, weil es immer schon so war, muss es ja nicht so bleiben.

(Beifall SPD)

Mit unserem heutigen Antrag wollen wir die Wahlmöglichkeiten für die Beamtinnen und Beamte in Schleswig-Holstein erweitern. Wir schaffen mit diesem Angebot echte Wahlfreiheit im öffentlichen Dienst und einen Zugang für die Beamtinnen und Beamte in die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Hamburger Senat liefert mit seiner aktuellen Gesetzesinitiative eine Blaupause dafür, wie es gehen kann. Der Hamburger Gesetzentwurf sieht eine alternative Form der Beihilfeleistung vor, und zwar in Form einer pauschalen Zahlung der GKV-Beiträge. Diese Möglichkeit einer pauschalierten Beihilfe besteht als freiwillige - und das ist ganz wichtig: freiwillige - Wahlmöglichkeit, und zwar im Wesentlichen für neue Beamtinnen und Beamte, die bisher schon in der GKV versichert waren, bezie

(Minister Hans-Joachim Grote)

hungsweise für Beamtinnen und Beamte, die sich bisher schon auf freiwilliger Basis in der GKV versichert haben.

Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich der Staat auch an den Krankheitskosten von gesetzlich versicherten Beamtinnen und Beamten beteiligt, was er jetzt nicht tut. Für Beamtinnen und Beamte mit Kindern, Versorgungsempfänger oder Menschen mit Behinderung kann die gesetzliche Krankenversicherung die bessere Alternative sein.

(Beifall SPD)

Denn hier richten sich die Beiträge nach Einkommen und nicht nach Risiko, und nicht erwerbstätige Familienmitglieder sind beitragsfrei mitversichert.

Meine Damen und Herren, eine entsprechende Ergänzung unserer Beihilfevorschriften würde für den Großteil der Beamtinnen und Beamten in Schleswig-Holstein keine Veränderung des Status quo bringen. Eine Einschränkung von Leistungen oder gar Ansprüchen der Beamtinnen und Beamten ist aus unserer Sicht mit dieser Erweiterung auch nicht verbunden.

Der Herr Ministerpräsident hat bei seinem Antrittsbesuch in Hamburg die Wichtigkeit der länderübergreifenden Zusammenarbeit betont. Hier bietet sich jetzt die Möglichkeit für ein konkretes Projekt. Denn täglich fahren Tausende von Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern nach Hamburg, um dort als Hamburger Landesbeamte zu arbeiten: als Lehrkräfte, Polizisten und Finanzbeamte, einige sitzen sogar - beurlaubt - in diesem Hohen Haus. Schaffen wir also für unsere Landesbeamten dieselbe Möglichkeit, zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung zu wählen. Denn solange Hamburg als einziges Bundesland eine entsprechende Regelung eingeführt hat, kann es im Fall eines Länderwechsels zu Problemen kommen, wenn der Wechsel von der gesetzlichen Krankenversicherung in eine private Krankenversicherung plus Beihilfe notwendig wird.

Wir reden immer wieder darüber, wie wir den öffentlichen Dienst attraktiver machen können. Darum sage ich: Der Attraktivität einer Laufbahn im Landesdienst dürfte die Wahlfreiheit bei der Krankenversicherung nicht abträglich sein.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Hamburger Gesetzentwurf hat in der bundesweiten Medienlandschaft viel Beachtung gefunden. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ - ich glaube, sie ist unver

dächtig - kommentierte den Gesetzesentwurf am 9. August 2017 unter der Überschrift „Ein Stück Sozialgeschichte“ wie folgt:

„Hamburg ebnet seinen Beamten den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung. Dass das bislang nicht geht, war noch nie logisch, vernünftig auch nicht.“

Und es ist auch nicht gerecht. Der „Tagesspiegel“ kommentierte am 22. August 2017 unter der Überschrift „Gegen Wahlfreiheit gibt es kein Argument“ mit den folgenden Worten - erneut ein Zitat -:

„In Hamburg können sich Beamte künftig auch gesetzlich krankenversichern, ohne finanziell bestraft zu werden. Das ist vernünftig - und überfällig.“

(Beifall SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was wir heute fordern, ist nicht die Einführung der Bürgerversicherung in Schleswig-Holstein. Es besteht also kein Anlass für aufgeregte Debatten und Kassandrarufe, die sicherlich gleich folgen werden. Unter einer Bürgerversicherung, ich will das noch einmal erwähnen, verstehen wir nämlich deutlich mehr: Bürgerversicherung heißt für uns, alle Bürgerinnen und Bürger auf die gleiche Weise zu versichern. Diese Versicherung soll dann alle erstmalig und bislang gesetzlich Versicherten aufnehmen, dazu zählen wir dann auch Beamtinnen und Beamte. Wir wollen eine paritätische Versicherung, in die Arbeitgeber und Versicherte wieder den gleichen Anteil am Versicherungsbeitrag einzahlen. Davon ist der Hamburger Vorstoß noch weit entfernt, aber er ist ein erster, kleiner Schritt für ein bisschen mehr Gerechtigkeit im Gesundheitssystem.

Ich beantrage Überweisung an den Finanzausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Werner Kalinka das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sich nach dem Hamburger Senat zu richten, ist noch längst keine Erfolgsstory.

(Beifall CDU, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

(Beate Raudies)

Das gilt gerade hier. Die Kombination aus Beihilfe und ergänzender Privatversicherung ist ein Attraktivitätsmerkmal für Beamtinnen und Beamte und damit auch für den öffentlichen Dienst. Ich warne davor, daran zu rütteln. Man kann leicht etwas umwerfen, und es ist meist schwer, dies wieder in vernünftige Bahnen zu lenken.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, wir brauchen nicht weniger Attraktivität des öffentlichen Dienstes, sondern mehr. Wir stellen gerade fest, dass es uns in verschiedenen Bereichen bereits an genügend Bewerberinnen und Bewerbern mangelt. Ich empfehle Ihnen, sich einmal mit den Verbänden zu unterhalten. Das tun Sie sonst doch auch gelegentlich. Sie würden ein eindeutiges Urteil hören, nämlich das, hieran nicht zu rütteln, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt der besonderen Fürsorgepflicht für Beamtinnen und Beamte.

(Beate Raudies [SPD]: Es soll ja auch nie- mand gezwungen werden!)

Meine Damen und Herren, ich sehe hinter mir einen Kommunikationsversuch.

Ja, ich auch. Ich frage Sie an dieser Stelle, ob Sie diesen Kommunikationsversuch annehmen wollen und die Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner akzeptieren würden.

Bitte, Herr Dr. Dolgner.

Herr Kollege Kalinka, ich komme bei Ihren interessanten Ausführungen aus zwei Gründen nicht ganz mit.

Ich bin auch noch nicht am Ende.

Sie haben aber schon etwas vorausgesetzt, bei dem ich nicht mitkomme. Deshalb würde ich das gern erläutern: Wieso soll es die Attraktivität schmälern, wenn ich optional statt der Beihilfe und der Privatversicherung eine Beihilfe bei der gesetzlichen Versicherung zum halben Beitrag wählen kann? Das kann

ich nämlich jetzt auch, nur ohne Beihilfe und zum vollen gesetzlichen Beitrag. Das ist eine Schlechterstellung, die wir damit beenden.

Ich komme aus dem universitären Bereich. Wie soll das Menschen in einem Bereich davon abschrecken, in dem viele Menschen die Möglichkeit einer Privatversicherung schlicht und ergreifend nicht mehr hatten und jetzt den vollen Beitrag zahlen müssen und keinen Beihilfeanspruch haben? Der Gründungsdekan an der Technischen Fakultät war dafür ein Beispiel. Er empfand es als extrem unattraktiv und unfair, dass er quasi die doppelten Finanzen aufwenden musste. Es hätte ihn bestimmt nicht abgeschreckt, wenn wir die Hälfte davon übernommen hätten.

- Herr Kollege Dr. Dolgner, lauschen Sie meinen weiteren Ausführungen.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Da bin ich ge- spannt!)

Der erste Punkt, den ich Ihnen entgegnen kann und den ich auch genauso vortragen wollte, lautet, dass eine Entscheidung, die man zwangsläufig im jungen Alter treffen muss, was im Übrigen Teil Ihres Antrags ist, dann eine Entscheidung fürs ganze Leben ist. Das ist eine Entscheidung, die folgende Konsequenz hat: Später rein und raus geht nicht mehr. Deswegen ist das unter dem Strich keine positive Entwicklung, sondern eher eine kritische.

Den attraktiven Angeboten im jüngeren Alter folgen die Probleme mit den finanziellen Auswirkungen später. Deswegen ist es nur folgerichtig, dass die Beamtinnen und Beamten jedenfalls in der großen Mehrzahl sagen: Mit dem jetzigen System, das wir im Bereich der Gesundheitsversorgung haben, sind wir sehr zufrieden. Es bietet vielleicht sogar ein bisschen mehr, als wir woanders erhalten würden. Das möchten wir für unser gesamtes Leben sichergestellt haben. Das ist der entscheidende Punkt in der ganzen Fragestellung. Daher meine ich, dass dies sehr wohl eine begründbare Sichtweise ist.

Hamburg hat im Übrigen einen weiteren erheblichen Fehler gemacht. Wollte man in eine Veränderung eintreten, für die wir nicht sind, dann diskutiert man so etwas zunächst einmal zwischen den verschiedenen Ländern, um möglichst zu einer einheitlichen Lösung zu kommen. Zu sagen, Hamburg macht es, und alle anderen drum herum müssen mitmachen, das erschwert durchaus weiter den Wechsel von Land zu Land.

(Werner Kalinka)

Den Befürwortern eines sogenannten einheitlichen Gesundheitsmarktes, der in der Begründung ausgeführt wird, möchte ich einige Gesichtspunkte entgegenhalten:

Würden Sie vor dem Entgegenhalten eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kai Dolgner zulassen?

Wenn er es nicht zum System macht, immer bei bestimmten Punkten zu unterbrechen, dann noch einmal ja.