Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

Unserer Meinung nach kann eine einseitige Schwächung der PKV kein Ziel der Landesregierung sein, da hierüber direkt auch die Versorgungssicherheit im Land geschwächt wird. Das möchte ich gern kurz ausführen: Auf einer Veranstaltung der Zahnärztekammer am 12. September 2017

(Wolfgang Baasch [SPD]: Das glaube ich!)

- ja, das glauben Sie Frau Abgeordnete Birte Pauls war ebenfalls anwesend - hat der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, Dr. Diercks, darum gebeten, dass wir uns alle dafür starkmachen, dass das duale System erhalten bleibt. Ansonsten ständen allein in Schleswig-Holstein fast ein Drittel der niedergelassenen Zahnärzte wirtschaftlich direkt im Feuer und müssten ihre Praxen schließen. Wohlgemerkt: Die Bitte stammt vom demjenigen, der für die Belange der Kassenärzte sowie der gesetzlich versicherten Patienten zuständig ist. Das kann man hier durchaus wiedergeben.

Das zeigt aber auch, wie wichtig eine starke PKV für unsere Gesundheitsversorgung im Land ist, auch für die gesetzlich Versicherten. Das Thema der vorliegenden Drucksache wurde innerhalb der Landesregierung bereits in der Sommerpause besprochen und hierbei festgelegt, dass diese einseitige Öffnung zulasten der PKV kein Thema für diese Legislatur ist. Dies ist aufgrund des schwächenden

Effekts für die Versorgung der Fläche auch zu begrüßen.

Dass der Antrag jetzt ein paar Tage vor der Bundestagswahl diskutiert wird, passt. Vielen Dank noch einmal, dass wir die Möglichkeit hatten, hier klarzustellen, dass wir hier anderer Meinung sind. Ich freue mich ansonsten schon auf weitere Gespräche und Diskussionen zu diesem Modell oder zur Bürgerversicherung, falls der Schulz-Zug doch noch Richtung Kanzleramt fährt. Ich bitte um Abstimmung in der Sache. - Vielen Dank.

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Frank Brodehl das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist kurz vor Feierabend, wir können das jetzt relativ schnell machen. Eine Wahl zu haben, ist erst einmal uneingeschränkt zu begrüßen. In diesem Fall zeigt sich aber deutlich - und Sie schreiben das auch selbst in Ihren Antrag -, dass es um einen Einstieg in die von Ihnen so geliebte solidarische Bürgerversicherung geht. Die Haltung der AfD zur Bürgerversicherung habe ich auch schon vor dem Sommer hier klargemacht. Das Für und Wider muss ich natürlich jetzt nicht noch einmal erklären. Der Kern der Sache ist aber eben nicht nur etwas mehr Wahlfreiheit, sondern es geht um die Bürgerversicherung. In Ihrem Antrag schreiben Sie, dass eine Wahlfreiheit anfänglich mit Mehrkosten für das Land verbunden ist, aber langfristig Einspareffekte erzielt werden können.

Als Treuhänder des uns anvertrauten Steuergeldes der Bürger in Schleswig-Holstein wollen wir es etwas genauer wissen, bevor wir uns da entscheiden. Nur dann kann eine glaubwürdige Entscheidung vorgenommen werden, wenn man Zahlen auf dem Tisch hat. Mich würde interessieren, ob Sie sich bei Ihrem Antrag lediglich auf die Bertelsmann-Studie zur Krankenversicherung beziehen oder ob es weitere Berechnungsmodelle gibt und - wenn ja - welche.

Außerdem möchten wir den Kollegen des Hohen Hauses und den Gästen der Vollständigkeit halber mitteilen, dass der Bundesrat bereits in seiner Sitzung am 2. Juni 2017 beschlossen hat, sich mit einer gleichgerichteten Initiative der Länder Thüringen, Bremen und Berlin nicht zu befassen. Auch die Hamburger taugen nicht wirklich als Beispiels eines Vorreiters. Denn wirkliche Praxiserfahrung

mit der Umsetzung dieses Vorhabens gibt es auch dort nicht.

(Zuruf)

- Genau, das ist noch gar nicht verabschiedet. Deswegen ist es Augenwischerei, wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben:

„Nun ist es auch für Schleswig-Holstein Zeit, Gerechtigkeit … herzustellen.“

Deswegen nochmals die Frage: Wo gibt es denn einen Staat mit Einheitsversicherung, in dem sich dann nicht doch ein Zweiklassensystem gebildet hat? - Das ist keine rhetorische Frage.

Ich mache es kurz: Es ist Wahlkampf, und in diesen Kontext ordne ich diesen Antrag ein. Die AfD steht zum dualen System. - Ich bedanke mich und wünsche Ihnen nachher einen schönen Feierabend. Danke sehr.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Beihilferegelungen für Beamtinnen und Beamte sind fast so kompliziert und umfangreich wie die deutschen Steuergesetze, und das soll schon etwas heißen. Die Bundesregierung antwortet auf eine Kleine Anfrage zu dem Thema, dass es sich um ein ,,fein austariertes, effizientes und effektives System zwischen Besoldung, Versorgung und Beihilfe“ handele.

In so einem System stellt man in der Regel keine Systemfrage, sondern versucht sich an den Stellschrauben. Genau das versucht auch der vorliegende Antrag. Das ist berechtigt, und das ist auch gut so, aber ich hoffe, dass dies dann auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit mehrmals die Verfassungsgemäßheit entsprechender Beihilfereformen gründlich prüfen müssen. Die beamteten Richter stehen dabei felsenfest zur Beihilfe. Die Beihilfe ist aber nicht nur kompliziert und schwerfällig, sondern auch teurer als die gesetzliche Krankenversicherung. Die Ausgaben steigen kontinuierlich.

(Unruhe)

(Dennys Bornhöft)

Die Hamburger Gesundheitssenatorin, an deren Vorstoß sich der vorliegende Antrag anlehnt, will zunächst eine Art Waffengleichheit zwischen der gesetzlichen und privaten Versicherung erreichen, also eine Gerechtigkeitslücke schließen. Sie kündigte an, dass die Stadt Hamburg als Arbeitgeberin den entsprechenden Finanzierungsanteil bei der Krankenversicherung auch für Landesbeamtinnen und -beamte übernehmen will. Bislang ist das nicht der Fall, sodass faktisch gar keine Wahlfreiheit besteht. Eine Versicherungsneutralität besteht faktisch nicht, da die gesetzliche Kassenmitgliedschaft viel teurer ist als die private Versicherungspolice.

Das, was bereits für die Arbeiter und Angestellten gilt, sofern sie gesetzlich versichert sind, soll also jetzt auch auf die Beihilfe ausgeweitet werden. Das ist meiner Meinung nach längst überfällig, und das war bei der Einführung der Versicherungspflicht für Beamte ein Geburtsfehler.

Hessen hat bereits eine Ausnahmeregelung, die den Versicherten gesetzlicher Krankenkassen Beihilfe gewährt. Jetzt soll die Gleichstellung auch für Schleswig-Holstein kommen. Diese Maßnahme ist gleichzeitig auch eine Kostenbremse. Würden nämlich tatsächlich 80 % der Beamtinnen und Beamten in eine gesetzliche Kasse wechseln, wie das ein Gutachten der Bertelsmann Stiftung annimmt, würde das auf die Beitragshöhe aller Versicherten durchschlagen. In dem Gutachten geht es um Nettomehreinnahmen von bis zu 4,4 Milliarden €. Damit könnte der Beitragssatz für alle Versicherten um bis zu 0,4 Prozentpunkte gesenkt werden. Ein klares Argument für die gesetzliche Krankenversicherung.

Der Beamtenbund hat - wenig überraschend - dieser Prognose vehement widersprochen. Das ist sein gutes Recht, zeigt aber auch, wie verbissen die Beamtenverbände den Status quo verteidigen.

Apropos Lobby: Die Ärzte haben sich noch nicht so richtig zu Wort gemeldet, weil ihre Verbandsvertreter einer Umstellung auf die gesetzliche Krankenversicherung wohl keine großen Chancen einräumen. Sie würden allerdings beim Umstieg auf die gesetzlichen Kassen mit spürbaren Umsatzeinbußen rechnen müssen. Damit rückt das eigentliche Ziel wieder vor Augen. Ein System, das den gleichen Handschlag unterschiedlich vergütet, ist ungerecht.

Auch wenn dieser Antrag noch weit entfernt von einer Bürgerversicherung ist, will ich darauf aufmerksam machen, dass sich der SSW schon seit Langem für eine Bürgerversicherung starkmacht. Das ist eine Absicherung für alle, finanziert von allen. Mit einer Bürgerversicherung gibt es keine

Ausnahmen mehr, weder zum Beispiel für Immobilieneinkommen noch für Beamte, und sie gewährt gleiche Leistungen für alle. Das ist dann wirklich gerecht. - Jo tak.

(Beifall SSW und SPD)

Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. Zuerst hat sich die Abgeordnete Beate Raudies gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kalinka, niemand will das bestehende Modell umwerfen. Das habe ich deutlich gesagt. Es geht lediglich um eine zusätzliche Möglichkeit der Beihilfegewährung für Beamtinnen und Beamte, die neu in den Landesdienst eintreten oder die jetzt schon in der GKV versichert sind. In Hamburg sind das ungefähr 2.400 Personen. Wir wissen leider nicht, wieviel es in Schleswig-Holstein sind. Das hätten wir gern im Rahmen einer Anhörung von der Finanzministerin oder wem auch immer erfahren. Dann hätten wir ernsthaft über Zahlen reden können, wieviel uns das kostet.

Ich kann nicht verstehen, dass das Gerechtigkeitsargument bei Ihnen nicht durchdringt. Wieso muss ein Beamter, der in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, den kompletten Beitrag allein zahlen, ohne Zuschuss seines Dienstherrn? Wo ist denn da unsere Fürsorgepflicht, auf die wir hier alle immer abstellen?

(Beifall SPD)

Ich finde, das ist ein Punkt, den wir ganz schnell ändern könnten.

Noch einmal: Es ist eine freiwillige Entscheidung, die dann allerdings bindend ist - genauso wie mich die Entscheidung bindet, die ich vor fast 30 Jahren treffen musste, als ich in Hamburg in den Landesdienst gegangen bin. Da hatte ich keine Wahl, da musste ich in die private Krankenversicherung. Das gefällt mir auch nicht immer, aber ich komme jetzt auch da nicht mehr raus. So geht es auch vielen anderen.

Dass man nicht mehr wechseln kann - da bin ich ganz bei den Kollegen der FDP, auch wenn ich dafür eintrete, dass wir eine Versicherung haben -, ist nicht gut; da müssen wir ran. Wir haben ein klares Modell, wohin wir wollen, Sie haben ein anderes; darüber streiten wir dann gern.

(Flemming Meyer)

Hamburg macht es uns vor; auch andere Bundesländer machen es vor. Ich nenne Hessen; das ist zwar ein bisschen weiter weg, aber es stört uns auch sonst nicht, Initiativen anderer Länder zu übernehmen.

Wie gesagt, so kurz, wie von Ihnen gedacht, Wahltaktik und so, war der Antrag von uns nicht gedacht. Sie haben von mir ausdrücklich gehört, dass ich eine Anhörung im Finanzausschuss beantrage. Ich hätte da gern sachlich über dieses Thema diskutiert. Das verhindern Sie heute.

(Beifall SPD und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Das schaffen wir bis Sonntag nicht mehr!)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Werner Kalinka.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Bemerkungen!

(Unruhe)

Erstens. Frau Kollegin Raudies. Sie haben gesagt, niemand wolle das bestehende System umwerfen. Da möchte ich einmal aus Ihrem Antrag zitieren, in dem es heißt:

„Dies ist auch ein wichtiger erster Schritt hin zu einer gerechten und solidarischen Bürgerversicherung.“

Lesen Sie Ihren eigenen Antrag, und dann wissen Sie, was Sie wollen! Wenn Sie hier so tun, als ginge es Ihnen um eine Anhörung und darum, Zahlen zu bekommen, frage ich mich, warum Sie das Ergebnis schon haben, bevor Sie die Anhörung durchgeführt haben. Das überzeugt nicht. Sie wollen etwas anderes - das ist Ihr gutes Recht -, aber dann stehen Sie auch dazu, und tun Sie nicht so, als ob es hier um eine Anhörung über die Sache ginge!

(Beifall CDU und Dennys Bornhöft [FDP])

Zweitens. Unsere Wahrnehmung und Sichtweise ist die, dass es für unsere Beamtinnen und Beamten möglicherweise ein kleiner Vorteil ist, in diesem System zu sein. Wie es auch von den Verbänden gesehen wird, gehört dies zu den besonderen Fürsorgepflichten, die der Dienstherr hat.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Dafür muss man sich doch nicht verstecken, nur weil Sie von der Sache her ein anderes System haben wollen.