Protokoll der Sitzung vom 19.02.2020

Zweitens. Bei allem notwendigen Wettstreit zwischen den demokratischen Parteien: Es vereint uns mehr, als uns trennt. Was uns eint, ist die entschiedene Ablehnung der Demokratiefeinde von rechts. Ich kann weiten Teilen Ihrer Rede zustimmen, Herr Kollege Koch, und bedanke mich dafür an dieser Stelle.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

(Tobias Koch)

Jetzt, nach Thüringen, ist Panik fehl am Platze, aber eben auch falsche Beschwichtigung. Deshalb gehört dieses Thema heute in die Aktuelle Stunde. Es ist ein gutes, ein starkes Zeichen, dass die demokratischen Parteien gemeinsam diesen Antrag gestellt haben.

Man muss eines sehen: Die AfD hat sich von einer Anti-Euro-Partei hin zum parlamentarischen Arm rechter Demokratiefeinde und Nationalisten - von Reichsbürgern bis PEGIDA, von Rechtsradikalen bis Neonazis - entwickelt. Wenn Herr Höcke heute den Umsturz herbeischreit und behauptet, die Demokratie befinde sich in ihrem letzten Degenerationsstadium, nur ein Führer könne als alleiniger Inhaber der Staatsmacht ein zerrüttetes Gemeinwesen wieder in Ordnung bringen, dann ist das faschistisches Gedankengut in Reinkultur.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wenn Herr Gauland sagt, Herr Höcke sei die Mitte der Partei, dann, fürchte ich, hat er damit einmal mehr recht. Das zeigt, wo wir sind.

Wer heute noch in dieser Partei aktiv ist, erst recht als Mandatsträger, teilt dieses Gedankengut oder billigt es zumindest. Das gilt auch für die Provinzausgabe hier im Landtag und die Ex-Parteivorsitzende. Das ist nicht vereinbar mit der Werteordnung unseres Grundgesetzes.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Was den Wählerwillen angeht, so will ich sagen: Nicht jede Partei, die demokratisch gewählt wird, ist auch demokratisch. Da gibt es einen gravierenden Unterschied.

Man muss sich vor Augen halten, was da in Thüringen passiert ist: Frau Merkel nannte es einen unverzeihlichen Fehler, Dammbruch, Sündenfall. - Man kann es auch ohne Umschreibungen benennen: CDU und FDP haben durch ihr Verhalten im Thüringer Landtag billigend in Kauf genommen, einer faschistischen Bewegung politische Macht zu geben. - Das durfte nicht passieren!

Da wurde übrigens auch niemand übermannt, wie ich gelesen habe. Das war kein Zufall, sondern eiskalte Planung von Rechtsradikalen, bei denen die Konservativen und die Liberalen die Statisten gegeben haben. So etwas darf sich auf keinen Fall wiederholen!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es darf sich nicht wiederholen - nicht in Thüringen, nicht im Bundestag, in keinem anderen Landtag und in keiner Kommunalvertretung. Der Konsens der Demokraten muss stärker sein als der kurzfristige Impuls für Machtgewinn oder Machterwerb.

Das soll nicht der Schwerpunkt dieser Rede sein. Aber ich will schon darauf hinweisen: Ich finde es auch nicht richtig, den sehr populären Demokraten Bodo Ramelow mit dem Faschisten Björn Höcke gleichzusetzen, wie ich es teilweise lesen musste. Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bin selbst Politologe und muss sagen: Die sogenannte Hufeisentheorie spricht eher für Denkfaulheit, als dass da etwas Richtiges dran wäre. Die Linkspartei ist eine Konkurrenzpartei; ich vermisse sie nicht in diesem Landtag. Aber sie ist eine demokratische Partei. Das unterscheidet sie von der AfD, die Demokratiefeinde sind.

Noch älter als unsere Demokratie ist der Irrglaube, man könne Faschisten einbinden oder faschistisches Gedankengut einhegen, indem man Rechte einbindet. Das hat noch niemals funktioniert, und das wird nicht funktionieren. Lassen Sie mich dazu den Propagandachef der Nazis, Joseph Goebbels, zitieren. Man achte auf das Datum der Rede: April 1928. Damals sagte Joseph Goebbels Folgendes ich zitiere Faschisten sonst nicht; aber ich tue das hier, weil ich glaube, dass uns das etwas lehrt -:

„Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. … Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an diesen Worten, fünf Jahre vor der Machtergreifung formuliert, kann man sehen, was die Strategie von Demokratiefeinden ist. Dem dürfen Demokraten niemals auf den Leim gehen!

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Viel besser, als ein Sozialdemokrat es hier tun könnte, hat Ruprecht Polenz, der ehemalige CDU

(Dr. Ralf Stegner)

Generalsekretär, in Richtung der Konservativen gesagt, was das heißt: Die Konservativen haben besondere Verantwortung, die Abgrenzung gegenüber solchen Bewegungen deutlich zu machen. Sie haben einen deutlichen Graben zu ziehen, damit jeder weiß, wo die Grenzen sind zwischen konservativ und rechts außen. Wenn man in Kauf nimmt, dass man eine eigene Mehrheit nur mit Stimmen der AfD bekommt, und den Weg trotzdem geht, dann stürzt die Brandmauer ein, die wir dringend miteinander brauchen. Solche Manöver verwischen die Linien und zeigen, dass Rechtsextreme eben doch Einfluss haben.

Deswegen sage ich: Auch der sogenannten WerteUnion muss klargemacht werden, dass so etwas innerhalb der Christlich Demokratischen Union keine Zukunft haben kann; denn das macht sie kaputt. Das wünschen wir uns - das sage ich auch als Mitglied einer Konkurrenzpartei - ausdrücklich nicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW, Lukas Kilian [CDU] und Katja Rathje-Hoffmann [CDU])

Ich füge hinzu: Die Spielereien, um Neuwahlen, die in Thüringen dringend notwendig sind, zu verschieben, werden das Gegenteil erreichen. Die Klatsche fällt umso größer aus, wenn man jetzt taktische Manöver betreibt. Frau Lieberknecht ist ja keine Sozialdemokratin. Ich muss schon sagen: Was ich dazu heute Morgen lese, ist nicht besonders glücklich. Aber das müssen die in Thüringen selber wissen.

Was bleibt von den letzten zwei Wochen übrig? Bei aller Kritik am Verhalten auch von Liberalen in Thüringen und trotz teilweise schwer erträglicher Äußerungen auch in diesem Land will ich sagen: Die FDP mit der AfD gleichzusetzen, ist falsch. Das erweist unserer Demokratie einen Bärendienst. Wir unterscheiden Demokraten grundsätzlich von rechten Hetzern. Dabei sollten wir bitte schön bleiben!

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Uns eint noch etwas, was uns von den rechten Hetzrednern drastisch unterscheidet - das habe ich schon häufiger gesagt; ich sage es nach der letzten Woche ausdrücklich noch einmal -: Wir demokratische Parteien wissen, dass wir Gewalt ablehnen, egal, von wem sie ausgeht, egal, wie sie begründet wird, und egal, gegen wen sie sich richtet. In einer Woche, in der rechte Terrornetzwerke offengelegt worden sind - ich erinnere auch an den Mord an Herrn Lübcke, den NSU, das Attentat in Halle und all die anderen Dinge -, erkennen wir, dass die Gefahr in Deutsch

land wieder von rechts kommt. Dagegen müssen wir uns gemeinsam zur Wehr setzen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Es ist gut, dass der Verfassungsschutz die jetzt beobachtet; er sollte das, finde ich, auch in SchleswigHolstein tun.

Der beste Umgang mit Rechtsextremisten ist, sie wieder aus den Parlamenten herauszuwählen und dafür zu sorgen, dass sie keine Zukunft haben. Kollege Koch hat es zu Recht gesagt: Ich finde, wir sollten stolz darauf sein, dass es kein anderes Land gibt, in dem die Umfragewerte für diese Leute schlechter sind als hier. Das hat auch etwas mit uns zu tun. In Hamburg haben die Bürgerinnen und Bürger Gelegenheit, das erste Parlament zu wählen, in das die nicht mehr hineinkommen. Das sollten wir uns wünschen!

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Sie wissen, ich bin engagierter Anhänger von Wettstreit zwischen demokratischen Parteien. Das bin ich wirklich. Es tut übrigens der Demokratie auch gut, wenn wir über den richtigen Weg streiten. Aber eines muss man klipp und klar sagen: Wir sind Konkurrenten. Manchmal sind wir auch Gegner anderer demokratischer Parteien. Aber der Feind sitzt rechts. - Vielen herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deren Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Koch, lieber Herr Stegner, ich danke Ihnen schon einmal für die Beiträge, die Sie vor mir zu diesem Thema geliefert haben. Was wir von Ihnen dazu gehört haben, war sehr ermutigend und klar. Dafür von mir erst einmal ein ganz herzlicher Dank!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Was in Thüringen abgeht, wird ja von einigen, insbesondere von einigen Journalistinnen und Journalisten, als Krise der Demokratie bezeichnet. Ich fin

(Dr. Ralf Stegner)

de das falsch. Ich glaube, dass zurzeit nicht die Demokratie in der Krise steckt, sondern die verantwortlichen Personen in Thüringen. Was ich über die Beratungen dort gestern Nacht und insbesondere heute Morgen gelesen habe, macht mich auch nicht glücklicher. Dass sie überhaupt Gespräche aufgenommen haben, ist gut. Das hätte schon nach der Landtagswahl passieren können.

Herr Koch, ich bin allerdings nicht Ihrer Meinung, dass das sozusagen nur dem einen Lager zuzuordnen ist. Es hatte sehr wohl Gesprächsangebote gegeben. Jetzt sitzen Demokratinnen und Demokraten am Tisch; ob sie aktuell noch dort sitzen, kann ich nach den neuesten Twitter-Meldungen nicht erkennen. Das wäre bedauerlich.

In Thüringen ist etwas wirklich Dramatisches passiert: Demokratische Parteien haben sich mit Hilfe einer nationalsozialistischen oder faschistischen Partei, einer undemokratischen Partei, wählen lassen.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Nationalsozia- listischen?)

- Ich nehme den Begriff zurück. - Sie haben sich von der AfD an die Macht wählen lassen. Sie haben in Kauf genommen, dass die Wahl des Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD stattfand.

Das war kein Versehen, und die Reaktionen mancher Politiker, auch in Schleswig-Holstein, waren es auch nicht. Das hat uns Grüne im ersten Moment schon verstört, aber die sehr klaren Worte des Ministerpräsidenten und kurz danach auch des FDPLandesverbandes machen deutlich, dass unsere Koalitionspartner hier anders ticken als in Thüringen zum Glück. Es ist gut, dass wir uns in der Koalition, im Landtag mit der SPD und dem SSW und wie man es an den vielen spontanen Demonstrationen gesehen hat - auch in der Gesellschaft einig sind: Eine Regierung darf nicht mit den Stimmen der AfD zustande kommen.

Einig sind wir uns auch darin, dass Gewalt kein Mittel der Politik sein darf, und dazu gehören auch Entgleisungen in der Sprache und Bedrohungen von Menschen, egal aus welcher Richtung die Gewalt kommt.

Diese Einigkeit zur Demokratie und diese klare Abgrenzung nach rechts sind gut und geben Hoffnung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)