Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

(Annabell Krämer)

der Lehrkräfte bei der Erlangung digitaler Kompetenz. Ich möchte nie wieder erleben, dass mein Sohn bereits Anfang Mai faktisch sein Zeugnis überreicht bekommt.

Das Einrichten eines freiwilligen Bildungsangebotes in den Sommerferien wird den Unterrichtsausfall zwar nicht kompensieren können, es kann aber entstandene Lerndefizite zumindest reduzieren. Hierfür wird der Finanzausschuss bis zu 5 Millionen € freigeben, sobald das Bildungsministerium hierfür ein schlüssiges Konzept vorgelegt hat. Die FDP-Fraktion erwartet hierbei ganz klar, dass der Fokus auf die Kernfächer und somit auf die prüfungsrelevanten Fächer gelegt wird.

Manchmal sind es Krisen wie diese, die einen Innovationsschub in rasender Geschwindigkeit für etwas erzwingen, was sonst viele Jahre gebraucht hat - um einmal etwas Gutes in diesem Schlechten zu sehen.

Doch bei allem Geldsegen muss ich als Finanzpolitikerin auch Wasser in den Wein schütten und dem weit verbreiteten Eindruck widersprechen, der Staat könne das wegbrechende Volkseinkommen für alle und jeden vollständig kompensieren. Wir dürfen alle nicht vergessen: Der Staat selbst erwirtschaftet nichts. Er verteilt nur um. Diese Umverteilung ist jetzt natürlich ökonomisch absolut geboten, um den Mittelstand zu retten und eine wirtschaftliche Depression abzuwenden. Wir sind aber zugleich angehalten, an das Morgen und - mein Kollege Lasse Petersdotter und andere haben es schon gesagt - an die notwendige Rückführung der Kredite zu denken.

Wir beschließen heute ebenfalls gemeinsam, dass die Notkredite ab 2023 innerhalb von höchstens 20 Jahren getilgt werden sollen. Das bedeutet eine jährliche Haushaltsbelastung von mindestens 35 Millionen €. Jeder von uns kann einmal in sich gehen und überlegen, was das für jeden Einzelnen bedeutet. Jeder kann sich einmal seine Lieblingsprojekte im Haushalt vor Augen führen.

Noch nicht berücksichtigt sind weitere konjunkturelle Kredite, die aufgrund von Einnahmeausfällen notwendig werden. Die Mai-Steuerschätzung, die wir in der übernächsten Woche erwarten, wird ein erster Fingerzeig sein, wie hoch diese Einnahmeausfälle werden.

Die kommende Rückführung der Kredite, die uns die Schuldenbremse vorschreibt, ist richtig. Nur ein Staat, der ordentlich wirtschaftet und vorsorgt, ist in einer solchen existenziellen Krise, in der wir jetzt gerade sind, überhaupt handlungsfähig.

(Vereinzelter Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade deshalb müssen wir auch in der Krise genau abwägen, welche Ausgaben zur Abwehr und Bewältigung der Notsituation essenziell und gegenüber der Öffentlichkeit vertretbar sind. Ich muss es leider einmal erwähnen: Aus meiner Sicht sind die ausgeweiteten Zuschüsse für die Schausteller ein Stück weit problematisch. Uns allen ist bewusst, dass diese Branche durch langfristige Einnahmeausfälle erheblich von der Krise betroffen ist. Nichtsdestotrotz fällt es mir schwer zu begründen, warum diese eine Branche bis zu neun statt drei Monate Geld aus dem Soforthilfeprogramm bekommen kann. Wie erklären wir das zum Beispiel der ebenfalls schwer betroffenen Reiseverkehrsbranche?

(Zuruf: Mövenpick!)

Warum erhalten Künstler als einzige Gruppe unter den Selbstständigen Mittel zum Lebensunterhalt außerhalb der Grundsicherung?

Frau Abgeordnete Krämer, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Sehr gerne.

Liebe Frau Kollegin Krämer, ich will Ihnen gern helfen. Sie haben eine Frage gestellt, und der Antrag kommt ja von uns. Bei den Schaustellern handelt es sich um diejenigen, die das immaterielle Kulturerbe der Volksfeste in Schleswig-Holstein betreiben. Die sind weg. Das ist nicht ein Betrieb wie jeder andere. Sie haben ja auch ein paar Ihrer liberalen Grundsätze vorgetragen und treten oft für Steuersenkungen für diejenigen ein, die unter den Gesichtspunkten, die Sie gerade genannt haben, auch nicht unbedingt bedürftig wären, und sie manchmal dennoch von Ihnen bekommen.

Dem einen zu helfen und nicht gleichzeitig allen helfen zu können, spricht nicht dagegen, an der einen oder anderen Stelle etwas zu tun. Das ist Alltagskultur. Wir müssen auch immer etwas darauf achten, dass wir nicht nur die Hochkultur, sondern auch die Alltagskultur fördern. Deswegen finden wir das ausdrücklich richtig.

(Annabell Krämer)

Bei den Künstlern, die Sie angesprochen haben: Sie wissen es, wir haben mit dem Wirtschaftsminister darüber gesprochen, wie schwierig es ist, das bei Soloselbstständigen mit untypischen Ausgaben zu regeln. Ich finde nicht, dass wir nur für diejenigen Programme machen dürfen, die typische Ausgaben haben, und die anderen fallen durch den Rost. Ich finde es nicht so gut, muss ich sagen, dagegen zu argumentieren, wenn wir auch wenn mit unterschiedlicher Akzentuierung - hier gemeinsam einen Nachtragshaushalt verabschieden. Ich glaube, es gibt immer Gründe für den einen oder anderen, etwas zu tun. Ich finde die Anträge wohlbegründet. Denen eine Chance zu geben, dass es in Schleswig-Holstein weitergehen kann, ist eine gute Sache.

- Herr Dr. Stegner, ich antworte Ihnen gerne darauf. Wenn ich ein Füllhorn hätte, würde ich allen helfen wollen. Mir geht es nur darum, dass wir uns alle bewusst sind, was passiert, wenn wir uns Einzelne herauspicken.

Zu den Künstlern möchte eines sagen: Dass es dort ein Sonderprogramm geben müsse, wird immer damit begründet, dass sie vom Soforthilfeprogramm nicht profitierten. Es ist ein ganz schlimmes Bild, das wir in der Öffentlichkeit zeichnen. Wir begründen es falsch, was ein Soforthilfeprogramm eigentlich bedeutet. Kein Soloselbstständiger erhält aus diesem Programm einen einzigen Euro zum Unterhalt oder zur Deckung seiner Lebenshaltungskosten. Er bekommt nur, damit er überleben kann, bis zu 9.000 € für drei Monate zur Deckung seiner unabwendbaren Aufwendungen. Das heißt, dass man nicht sagen kann, der Soloselbstständige bekomme nichts, weil er keine Leasingautos oder Miete hätte. Zum Glück hat er diese Kosten nicht auch noch!

Der Soloselbstständige, der diese Kosten hat, bekommt maximal nur so viel, bis er bei null angekommen ist. Dann hat er noch keinen einzigen Euro für seinen Lebensunterhalt. Der Soloselbstständige, der vielleicht - nur aus Kostensicht, nicht aus Einnahmesicht - in der besseren Situation ist, dass er erst einmal keine Kosten hat, steht bei null.

Nur zu diesem Punkt bringen wir den Soloselbstständigen, keinen Schritt weiter. Für alles andere haben wir die Grundsicherung. Ich spreche jetzt einmal frei, das hätte ich sonst noch alles vorgetragen: Auch der Soloselbstständige muss die Grundsicherung beantragen. Für viele Menschen ist das ein unglaublich schwerer Punkt.

Das ist eigentlich für jeden Menschen schwer, aber Menschen, die jetzt unverschuldet in Not kommen und denen wir aufoktroyieren, ihre Geschäfte zu schließen, werden gezwungen, zum Amt zu gehen. Warum machen wir das? Wir machen das, weil es eine unbürokratische Form zu helfen ist. Es gibt momentan keinerlei Überprüfung eines Schonvermögens. Bei nicht erheblichem Vermögen erfolgt auch im Nachhinein nichts. Für sechs Monate wird es unbürokratisch gewährt.

Warum tut man immer so, als bekämen Künstler das nicht und als es wäre ein Malus, dieses Geld zu holen? Jeder hat jetzt das Recht, sich dieses Geld zu holen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb bin ich der Meinung: keine Sonderprogramme! Damit suggerieren wir, dass uns eine Branche mehr wert ist als eine andere. Darum geht es doch.

Frau Abgeordnete Krämer, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Aber selbstverständlich.

Das ist sehr freundlich. - Wenn man das gleiche Argument nimmt, dass der eine nicht mehr wert ist als der andere, erinnere ich Sie daran, dass wir zu Beginn der Hilfezeit über die Frage gesprochen haben, ob nur Unternehmen mit unter 10 Beschäftigten oder auch solche mit über 10 Beschäftigten beteiligt werden sollten. Wir haben gesagt: „Diesen Unterschied finden wir eigentlich nicht richtig“, und vorgeschlagen, es so zu machen.

In Ihrem Beitrag vorhin haben Sie gelobt, wie es abgefordert wird, und gesagt, dass Sie es sogar erhöhen wollen.

(Zuruf FDP: Quatsch!)

Das ist ein Beispiel dafür, dass sich Vorschläge als segensreich entwickeln können, auch wenn Sie etwas skeptisch sind - wie Sie es bei diesem Punkt am Anfang waren. Das ist der eine Punkt.

(Annabell Krämer)

Ich möchte Ihnen noch ein Zweites sagen: Selbst, wenn Sie recht hätten, dass man gesondert begründen müsste, solche Hilfsprogramme zu machen, scheint mir, wenn ich mir die Gesamtsituation von Künstlern oder Schaustellern anschaue, bei den Summen, die wir im Moment investieren, um Menschen zu helfen, eine gewisse Großzügigkeit an dieser Stelle nicht verkehrt. Wir sollten das nicht rein nach betriebswirtschaftlichen oder sonstigen Überlegungen betrachten, sondern in der Ausgewogenheit dessen, was wir tun.

Wir haben uns bemüht, das auch so zu begründen. Vielleicht liegen wir doch nicht so falsch. Ich setze Hoffnung darauf, dass Sie feststellen: Die Programme, die wir machen, sind gar nicht so schlecht.

Wenn Sie am Ende die Dankesschreiben kriegen - auch von den Schaustellern -, dann können Sie - auch wenn die Idee nicht von Ihnen war - so tun, als hätten Sie sie gehabt.

- Herr Dr. Stegner, Sie können sich vorstellen, dass ich mir Gedanken gemacht habe, ob ich diesen Punkt heute anspreche. Es wäre wirklich einfacher zu sagen: Wir helfen denen und denen.

Es muss aber auch unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass wir die Gesellschaft nicht dividieren. Wir dürfen nicht ein Ungerechtigkeitsempfinden bei einer Branche zulassen, die dann sagt: Warum werden die besser behandelt als wir? Wir standen doch auch hier vor dem Landeshaus, als die Reisebranche demonstriert hat. Sie fragt dann auch: Warum habt ihr das nicht für uns gemacht?

Ich sagte es vorhin: Wenn wir ein Füllhorn hätten, würde ich am liebsten allen Menschen helfen.

(Beifall FDP und CDU)

Jetzt aber geht es ums Überleben, die wirtschaftliche Existenz. Aus meiner Sicht hat diese 1 Milliarde €, die wir hier in den Haushalt gestellt haben, nur zwei Aufgaben.

Erstens: Leben retten und im Kern wirtschaftlich gesunde Unternehmen, damit die ihre Fachkräfte weiter beschäftigen können, also Existenzen und Leben retten. Das ist der Zweck, den wir mit dieser Milliarde angreifen sollten. Alles andere hat hintanzustehen. Wir wissen noch gar nicht, wie weit es noch kommt. Wir wissen gar nicht, wie weit es noch kommt. Die Milliarde ist weg, meine Damen und Herren.

Mit den begründeten Forderungen des UKSH haben wir - Stand heute - mit unseren sämtlichen Anträgen das Geld verplant. Das heißt, der Finanzausschuss hat keinen Rahmen mehr, über den er beschließen kann. Das gilt für unsere sämtlichen Anträge, so gut sie alle gemeint und wichtig sind wichtig sind sie alle, aber nicht erforderlich. Ich differenziere zwischen „wichtig“ und „erforderlich“. Vielleicht sind Ihre Anträge wichtig, aber es gibt andere, die erforderlich sind. Ich möchte einfach, dass Sie sich heute alle hier bewusst sind: Die Milliarde ist verplant.

(Zuruf SPD)

Frau Abgeordnete Krämer, es drängt den Herrn Abgeordneten Dr. Stegner, nun noch eine vierte Bemerkung zu machen. Es gibt keine Regelung in der Geschäftsordnung dazu, aber -

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Die dritte!)

- Die dritte?

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ja!)

- Na gut.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Es ist auch nur ein Satz, wenn ich darf!)

Ich würde es gern zulassen, weil ich das einmal nicht zugelassen habe.