Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

Deswegen haben wir als Landesregierung insbesondere die Familien in den Fokus genommen, die unter dieser Situation im Moment besonders zu leiden

(Ministerpräsident Daniel Günther)

haben. Sie sind durch die Betreuungssituation immer mehr gefordert, teilweise auch überfordert. Deswegen ist es wichtig, dass wir sehr präzise beschreiben, wie wir in den Kitas in unserem Land die Betreuung von Kindern deutlich erweitern. Wir haben die Notbetreuung bereits erweitert.

In einem nächsten Schritt fahren wir am 18. Mai 2020 damit fort. Wir konzentrieren uns insbesondere auf Kinder mit Förderbedarf und auf diejenigen, die im vorschulischen Bereich sind. Wir werden die Gruppengrößen von fünf auf zehn erweitern. Das bedeutet, dass die Kitas in unserem Land ab dem 18. Mai zu 30 % ausgelastet sein werden.

Wir haben uns auch entschieden, am 1. Juni 2020 einen weiteren Schritt zu gehen, das heißt, ab diesem Zeitpunkt schon einen eingeschränkten Regelbetrieb möglich zu machen: Die Notbetreuung läuft weiter, erweitert auf weitere Gruppen. Es wird auch Betreuung in Kohorten in den Kitas durchgeführt. Das heißt, wir kommen dann zu einer Auslastung in Höhe von 55 %.

Was aus meiner Sicht am wichtigsten ist: Alle Kinder werden ab dem 1. Juni 2020 - in eingeschränktem Umfang, das muss ich dazusagen - in Schleswig-Holstein wieder die Möglichkeit haben, unsere Kitas zu besuchen. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, den wir gehen. Es ist ein behutsamer Schritt, aber es ist ein Schritt für die Familien in Schleswig-Holstein, den wir zu 100 % gemeinsam durchsetzen wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt SPD)

Das Gleiche gilt für den schulischen Bereich. Auch hier werden wir schrittweise öffnen. Es wird bis zu den Sommerferien nicht möglich sein, in den Schulen einen ganz normalen Regelbetrieb mit Präsenzunterricht aufzunehmen, wie wir ihn gewohnt sind. Aber bis zu den Sommerferien werden alle Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein die Möglichkeit haben, zumindest eingeschränkt Präsenzunterricht zu besuchen.

Wichtig ist, dass wir dies in einem ersten Schritt am 25. Mai 2020 für alle Klassenstufen in den Grundschulen umsetzen werden, sodass - eingeschränkt und nicht regelmäßig, in vielen Bereichen nur tageweise - Präsenzunterricht möglich ist. Er wird insbesondere auf Kinder mit Förderbedarf konzentriert sein, weil es uns wichtig ist, dass wir uns um diejenigen kümmern, die gerade in diesen Zeiten Bildungsperspektiven brauchen und die im Moment besonders darunter leiden, dass kein Präsenzunterricht möglich ist, denen der digitale Unterricht, der

in den vergangenen Wochen stattgefunden hat, vielleicht nicht geholfen hat. Auf diese Kinder konzentrieren wir uns, und deswegen ist der Schritt im Schulbereich, den wir jetzt unternehmen werden, ein wichtiger und richtiger Schritt.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt SPD)

Wir hatten - in weiser Voraussicht auf das, was kommt - viele Entscheidungen, die wir gestern getroffen haben, schon in den Planungen berücksichtigt. Besuchsrechte in unseren Einrichtungen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen haben wir schon erweitert.

Wir haben den Geschäften mit einer Größe von über 800 m² erlaubt zu öffnen. Wir haben den Sportbereich bereits in den Fokus genommen und dort viel an kontaktarmem Sport zugelassen. Wir werden dies weiterführen, indem wir kontaktarmen Sport ab dem 18. Mai 2020 auch indoor zulassen werden. Das heißt, Fitnessstudios haben wieder die Möglichkeit zu öffnen, immer unter der Voraussetzung, dass sie Hygienekonzepte haben und dass Abstand eingehalten werden kann.

Das wird ab jetzt die Leitschnur für alles sein: Jeder, der Verantwortung übernimmt, kann seine Einrichtung öffnen, wenn diese Kontaktregeln eingehalten werden können. Ich glaube, das ist ein guter Gleichheitsgrundsatz für alle Bereiche, und das werden wir konsequent fortsetzen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das gilt natürlich auch für alle Dienstleistungen. Das gilt für den Bildungsbereich und für die Fahrschulen, von denen viele von Ihnen angeschrieben worden sind. Für all diese Bereiche gilt: Wenn diese Regeln eingehalten werden können, dann besteht ab dem 18. Mai 2020 die Möglichkeit zu öffnen.

Der 18. Mai 2020 ist das Datum in Schleswig-Holstein, an dem der große zweite Schritt gemacht wird. Wir halten es für verantwortbar, den 18. Mai in den Fokus zu nehmen, weil der letzte Schritt in Schleswig-Holstein am 20. April 2020 stattfand. Das heißt, wir haben uns ausreichend Zeit genommen zu gucken, was die Maßnahmen, die wir getroffen haben, im jeweiligen Bereich für Auswirkungen gehabt haben. Wir wissen jetzt, dass sich das Infektionsgeschehen dadurch kaum verändert hat. Deswegen ist es absolut richtig, am 18. Mai 2020 diesen nächsten großen Schritt zu gehen.

Auch aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden, uns in dem wichtigen Bereich Gastrono

(Ministerpräsident Daniel Günther)

mie, Hotels und Vermietungen auf dieses Datum zu konzentrieren. Ich weiß, dass es manche gibt, die sagen werden: Es gibt Bundesländer, die Gastronomie früher öffnen. - Das ist so. Ich glaube aber, unter dem Grundsatz „Gleiche Chancen für alle“ machen wir keine Diskriminierung; jeder darf zum gleichen Zeitpunkt öffnen. Das ist auch rechtssicher.

Ich sage im Übrigen auch ein bisschen selbstkritisch über die vergangenen Wochen: Es ist vielleicht gut, sich manches Mal etwas mehr Vorbereitungszeit zu nehmen, in der man genaue Verordnungen macht.

Ich sage aber auch ganz ehrlich: Diejenigen, die öffnen, müssen Hygienekonzepte vernünftig umsetzen. Wir haben null Interesse daran, dass wir jetzt im Überschwang Öffnungen möglich machen, die wir nachher wieder einkassieren müssen. Deshalb sage ich sehr deutlich: Sauber und seriös für den 18. Mai 2020 alles vorbereiten - das ist genau der richtige Weg, den wir in dem Bereich gehen werden.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das heißt für uns, dass wir die Gastronomie in die Lage versetzen, ab dem 18. Mai 2020 wieder zu öffnen, und zwar bis 22 Uhr. Es gibt keine Regelungen, was die Kapazitäten angeht, sondern es gilt auch hier lediglich die Regelung: Abstandsregeln müssen ebenso eingehalten werden wie die Hygienekonzepte. Es muss 1,5 m Abstand geben. Wer sich daran hält, hat die Möglichkeit, Gastronomie im Innen- und im Außenbereich zu öffnen.

Das Gleiche gilt für Ferienwohnungen und Ferienhäuser. Die Vermietung ist ab dem 18. Mai 2020 möglich. Die Auslastung ist dann so, wie sie gebucht wird. Aber: Regeln müssen eingehalten werden, ebenso wie die Hygienekonzepte. Auch hier ist der Stichtag der 18. Mai.

Das gilt auch für Hotels in unserem Land. Auch sie haben die Möglichkeit, am 18. Mai 2020 zu öffnen - mit gastronomischen Angeboten -, aber die Regeln müssen auch dort eingehalten und durchgesetzt werden. Das gilt für Campingplätze und Wohnmobilstellplätze. Wichtig ist, dass das auch für die Inseln und Halligen in Schleswig-Holstein gilt. Wir werden das Betretungsverbot aufheben, um auch in diesen Bereichen klare und verlässliche Regeln zu haben.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt SPD)

Ich will diesen sensiblen Punkt ansprechen: Touristische Verkehre nach Schleswig-Holstein werden wieder möglich sein. Wir setzen uns im Übrigen auch dafür ein, dass dies auch in Richtung Dänemark gilt. Ich weiß, dass der Kollege Lars Harms noch früher öffnen wollte. Ich glaube, uns allen geht das so. Ich muss dazu sagen, dass es uns die Entscheidung der dänischen Regierung, die Beschränkung noch einmal um vier Wochen zu verlängern, nicht unbedingt leichter gemacht hat. Ich will hier um Verständnis werben: Eine einseitige Grenzöffnung ist ein bisschen schwieriger umzusetzen, denn die Leute wollen irgendwann ja auch wieder zurückfahren. Das heißt, die Lockerungen, die wir haben wollen, müssen wir jetzt vernünftig mit der dänischen Regierung besprechen. Ich sage aber hier in diesem Parlament: Ich wünsche mir die Grenzöffnung und die Möglichkeit, wieder das zu leben, was für uns selbstverständlich ist, und dies so früh wie möglich. Wir als Landesregierung werden uns dafür einsetzen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das heißt, touristischer Verkehr ist möglich. Ich spreche dies deswegen an, weil dies ein großer Schritt ist, den wir gehen. Jeder von uns weiß: Das Thema Tagestourismus ist sensibel. Wir alle miteinander haben null Interesse daran, dass ein vermeintlicher Konflikt mit unseren Nachbarländern fortgesetzt wird. Daran hat niemand ein Interesse. Wir wollen das Zusammenleben mit Hamburg, mit den Nordländern. Keiner hat ein Interesse daran, dass hier etwas eingeschränkt wird.

Aber ich sage sehr deutlich: Das Thema Tagestourismus ist aus Infektionsschutzgründen ein extrem sensibles Thema. Deswegen müssen wir, wenn durch die Lockerungen Tagestourismus möglich wird, mit den Kreisen - gerade in den Hotspots sehr sorgsam überlegen, wie wir dafür sorgen, dass an dieser Stelle keine Überforderung entsteht. Es gibt viele Regionen, die keine Sorgen davor haben, was passiert. Aber seien wir ehrlich miteinander: In Ostholstein in den Bäderorten und auch an der Nordseeküste gibt es natürlich die Sorge, dass dort, wenn jeder dort hinkommen kann, weil das Wetter schön ist, eine Situation entstehen kann, die nicht mehr kontrollierbar ist.

Deswegen müssen wir uns vorbehalten, gemeinsam mit den zuständigen Kreisen in diesen Hotspots gegebenenfalls Kapazitätsbeschränkungen durchzusetzen. Das wird nicht anders möglich sein. Ich halte das für verantwortbar, aber ich glaube, das Zei

(Ministerpräsident Daniel Günther)

chen zu setzen, wir diskriminieren niemanden - wie es andere Bundesländer machen -, ist gut.

Es gilt in Schleswig-Holstein ab jetzt: Alle Menschen dürfen hierherkommen. Sie dürfen Angebote nutzen, aber wir müssen dafür sorgen, dass einzelne Orte nicht überfordert werden. Dafür müssen wir mit den Kreisen ein gutes Konzept erarbeiten, und das werden wir auch machen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich komme zum Ende. Ich stelle gerade fest, dass ich meine Redezeit ein wenig überschritten habe. Herr Landtagspräsident, ich bitte um Entschuldigung, aber gestern Abend waren die Beratungen um halb eins zu Ende. Ich habe meine Rede daher nicht so sorgfältig vorbereitet, wie ich das sonst tue. Deswegen passt die Redezeit nicht ganz. Aber mir ist wichtig, dass das Parlament umfassend informiert wird. Deswegen gilt das, was ich eben zu Hygieneregeln gesagt habe, in allen Bereichen.

Kontaktbestimmungen und Abstandsregelungen einhalten, das bedeutet für uns in Schleswig-Holstein, dass wir ab dem 18. Mai Veranstaltungen mit Sitzcharakter bis 50 Personen wieder ermöglichen. Dieser Grundsatz gilt für alle Bereiche, in denen das gemacht werden kann. Wir halten das für verantwortbar. Das heißt, dass klar sein muss, wer da ist, wer auf seinem Platz sitzt, ob die Abstandsregelungen eingehalten werden. Es gibt Veranstaltungsformen, bei denen das absolut möglich sein wird.

Wir halten die Zahl 50 für eine angemessene Zahl, um dies in einem ersten Schritt möglich zu machen. Das heißt, dass wir ab dem 18. Mai auch in den Bereichen, in denen wir bisher andere Regelungen hatten, vieles verändern werden. Auch bei den Kirchen gilt jetzt nicht mehr die Regel pro Quadratmeter, sondern wir werden dafür festlegen, dass der Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden muss und Abstand- und Hygienekonzepte eingehalten werden müssen und hier genauso wie in den anderen Bereichen die Möglichkeit besteht, sich daran zu halten. Das gilt für alle Bildungseinrichtungen, die mitmachen wollen, alle, die da Verantwortung übernehmen.

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich will für uns zusammenfassen, was die nächste Zeit bedeutet. Sie steht unter den Schlagwörtern Verantwortung und Freiheit. Wir als Landesregierung übernehmen Verantwortung für all das, was wir jetzt an Lockerungen vornehmen, aber das be

deutet auch eine Menge mehr Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Das alles wird nur funktionieren, wenn diejenigen, die die Freiheiten bekommen, sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Das heißt, die Regeln müssen von allen eingehalten werden.

(Beifall)

Das ist mein dringender Appell an alle, die jetzt sagen: Am 18. Mai geht es endlich wieder los. - Es geht nicht so los, wie wir es in der Vergangenheit gewohnt waren, sondern wir werden uns an gewisse Einschränkungen, an die Abstandsregelungen auch bei den Öffnungen gewöhnen müssen. Ich bitte alle Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, diesen nächsten schwierigen Weg gemeinsam mitzugehen, in großer Verantwortung, auch im Interesse der Gesundheit gerade derjenigen Menschen, die im höheren Alter sind, die Vorerkrankungen haben. Das ist eine enorme Herausforderung. Aber so wie wir unsere Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner in den vergangenen Wochen noch besser als vorher - kennengelernt haben, bin ich mir sehr sicher, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen können.

Ich bitte Sie herzlich um Unterstützung, den Weg, den wir als Landesregierung vorschlagen, mitzugehen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident hat für seinen wichtigen Bericht das Doppelte der vereinbarten Redezeit in Anspruch genommen. Ich glaube, dafür haben wir Verständnis. Diese Zeit steht jetzt natürlich auch allen anderen Rednerinnen und Rednern zur Verfügung.

Das Wort hat der Oppositionsführer, der Fraktionsvorsitzende der SPD, der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei den meisten hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Bewältigung der Coronapandemie kein Sprint, sondern ein Marathon ist. Der Schutz der Gesundheit eines großen Teils unserer Gesellschaft muss noch über viele Monate Priorität behalten. Die Bewältigung der Folgen wird uns über Jahre beschäftigen, die Lehren aus der Pandemie noch viel länger.

(Ministerpräsident Daniel Günther)

Der Umgang mit der Coronakrise beginnt, zum neuen Alltag zu werden. Nicht nur hier im Plenum sehen wir, wie Anpassungen stattfinden, um trotz aller Vorsicht ein Stück weit Normalität zu ermöglichen. Überall im Land werden die Menschen kreativ und finden Lösungen zur Überbrückung dieser schwierigen Zeit: Musikschulen, die Videounterricht anbieten, das Restaurant um die Ecke mit dem neuen Lieferdienst, Sportvereine, die innerhalb kürzester Zeit auf neue Vorgaben reagieren und unter Einhaltung strenger Sicherheitsvorgaben die Plätze öffnen können. All dies macht Mut, all dies zeigt übrigens auch, dass die Bürgerinnen und Bürger deutlich klüger sind, als ihnen gelegentlich zugetraut wird.