Protokoll der Sitzung vom 08.05.2020

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für diese Flächen werden Agrarsubventionen und Fördergelder im sechsstelligen Bereich gezahlt, und genau das gehört auf den Prüfstand. Wir halten den NABU angesichts seines Verstoßes gegen den Tierschutz für ungeeignet, Tiere zu halten.

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Fritzen, Sie wissen es genau, Sie sind ja in dem Verein dabei. - Auch die Gemeinnützigkeit des NABU ist vom zuständigen Finanzamt zu überprüfen, denn eine Verwendung von Fördermitteln, die der Vereinssatzung widerspricht, kann laut Abgabenordnung zum Entzug der Gemeinnützigkeit führen, auch rückwirkend. Der Umwelt- und Agrarausschuss hat bereits die Ladung eines NABU-Vertreters auf der Tagesordnung. Vielen Dank dafür. Auch andere Beteiligte sollten zu diesem Skandal gehört werden, und auch unser Antrag gehört in diese Debatte, in der wir diesen Skandal aufklären und die Konsequenzen daraus beraten müssen. Daher bitten wir um Überweisung des Antrags an den Umwelt- und Agrarausschuss und mitberatend an den Finanzausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Heiner Rickers.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen! Wenn es in den letzten Monaten einen Fall von Tierquälerei oder Vergehen gegen den Tierschutz gegeben hat, dann war die Konikhaltung im Wöhrdener Loch ein klar festzustellender Verstoß in diesem Sinne. Dazu brauchen wir keine Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz, das erkennt jeder. Wer seine Tiere nicht vernünftig hält und vielleicht sogar wissentlich so hält, dass sie am Ende verhungern - das sind in so einer Herde immer die Schwächsten, deshalb wird es über Monate der Fall gewesen sein, dass die Tiere nicht vernünftig versorgt wurden und werden -, dem muss auf jeden Fall die Tierhaltung untersagt werden.

(Beifall CDU, FDP und SSW)

Ich will hier deutliche Worte finden. Wenn einem privaten Tierhalter so etwas passiert wäre oder wenn es im Rahmen einer gewerblichen oder landwirtschaftlichen Tierhaltung geschähe oder geschehen wäre, dann würden die Tiere relativ schnell vom Hof kommen. Es würde zudem ein absolutes Tierhaltungsverbot ausgesprochen werden. Keine Ausreden, keine Entschuldigungen und kein Verdrängen von Verantwortung; so etwas geht nicht. Man hat das Gefühl, dass in der öffentlichen Medienberichterstattung vom NABU durchaus ein solches Verhalten gefahren wurde. Es gibt keine klaren Antworten, immer wieder gibt es ein Ausweichen und den Versuch, die Verantwortung auf andere zu schieben. Wer Eigentümer von Tieren ist, der hat sie vernünftig zu halten, Gesetz hin oder her, und die haben hier etwas falsch gemacht.

(Beifall CDU und FDP)

Ja, wir werden im Umwelt- und Agrarausschuss das Ganze dementsprechend aufarbeiten und die verantwortlichen Stellen, sowohl im Land, im Kreis als auch beim NABU einladen und befragen. Die Fragen sind vielfältig. Sie beginnen vor 15 Jahren mit dem Beginn der Tierhaltung von Koniks dort im Wöhrdener Loch im Rahmen eines Naturschutzprojekts. Die Frage ist: Wer hat damals die Tiere bezahlt? Wie lange sind sie mit welchen Summen gefördert worden? Warum kann eine Herde, die höchstens eine Anzahl von 40 bis 50 Tieren aufweisen soll, mit einem Mal auf über 70 Tiere anwach

(Volker Schnurrbusch)

sen? Warum schafft man es nicht, mindestens alle 24 Stunden in Obhut genommenen Tiere in Augenschein zu nehmen, wenn man nach Tierhaltungsund Nutztierhaltungsverordnung dazu verpflichtet ist? Warum können Tiere dort so vernachlässigt werden und verhungern? - Das sind Fragen, die geklärt werden müssen.

(Beifall CDU, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Sind Steuermittel eingeflossen? Sind die, die beauftragt worden sind, letztlich mit in die Verantwortung zu nehmen? Warum bekommt man für rund 500 ha landwirtschaftliche Nutzfläche Prämien aus EU- und Bundesfördertöpfen? Bei der jährlichen Förderhöhe können Sie sich ausrechnen, wie hoch die jährlichen Prämien sind. Warum bekommt man diese, ohne die Verantwortung für die Tiere, die auf diesen Flächen geweidet werden, zu tragen?

Das Ganze muss Konsequenzen haben. Wir haben die Lehren gezogen. Eine Lehre vorweg ist vielleicht, dass in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft der Versuch, Tiere sich selbst zu überlassen und das gilt sowohl für wilde als auch für Hausund Nutztiere -, garantiert zum Scheitern verurteilt ist. Das ist ein Beispiel dafür, und das kann man durchaus auf andere Bereiche beziehen, denken Sie an die Themen Kormoran oder Wolf.

Das ist die erste Lehre. Die zweite Lehre ist - und das ist eher die Lehre für die CDU, da sind wir uns nicht alle einig -: Man muss darüber nachdenken, ob die Leute, die Flächenprämien bekommen, im Rahmen der guten fachlichen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung dieser Flächen zukünftig nicht auch mit in eine Verantwortung genommen werden müssen und dementsprechend sanktioniert werden können, wenn sie Tiere auf ihren Flächen halten oder versorgen. Das würde dazu führen, dass die Verantwortung geteilt würde und dass garantiert besser nach diesen Tieren geschaut würde.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach Anzeigen, die vorliegen. Auch das ist in Ordnung. Insofern werden wir diesen Skandal nicht nur politisch im Umwelt- und Agrarausschuss aufarbeiten, sondern das wird auch juristische Konsequenzen haben. Wir sind uns einig: So etwas darf nicht wieder passieren. Deswegen müssen wir auch alles in unserer Macht Stehende tun, um das zu verhindern. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt AfD)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Stefan Weber.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es gehört: Im Naturschutzgebiet Wöhrdener Loch hielt der Naturschutzbund NABU Schleswig-Holstein seit Herbst 2004 eine Herde Koniks. Das Konik ist eine Ponyrasse aus dem mittel- und osteuropäischen Raum, die sowohl in der Landwirtschaft als auch bei der Erhaltung von zahlreichen Naturschutzgebieten eingesetzt wird. Ende Februar hatten Spaziergänger beim Kreis Dithmarschen die schlechte Verfassung der Koniks gemeldet. Mehrere Tiere mussten von der Weide geholt werden. Inzwischen sollen laut Zählstand am 1. April 2020 elf Koniks - fünf Stuten und sechs Fohlen verendet beziehungsweise vom Tierarzt eingeschläfert worden sein.

Ein größerer Teil der Pferde ist mittlerweile entnommen und anderweitig untergebracht. Wer ist aber nun für den Tod mehrerer verwahrloster Konik-Wildpferde im Meldorfer Speicherkoog verantwortlich? - Hier beginnt ein Kompetenzwirrwarr, ein Hin- und Hergeschiebe der Verantwortlichkeit. Aus der Lektüre von Presseartikeln erschließt sich mir kein eindeutiges Bild und keine eindeutige Zuordnung der Verantwortlichkeit.

Der NABU soll als Halter zunächst die Kosten für das Management der Herde, also für Tierärzte, Zusatzfutter et cetera, übernommen und diese dann mit dem Kreis Dithmarschen und dem Land abgerechnet haben. Der NABU selbst ist nicht Bewirtschafter der Flächen. Hier schon einmal zwischendurch als Hinweis an die AfD-Fraktion: Der NABU erhielt daher für seine Aufgabe auch keine Zahlungen aus Agrar-Mitteln der EU.

Nach Darstellung des NABU wurden professionelle Tierhalter verpflichtet, die Tiere zu beaufsichtigen, wenn nötig tiermedizinisch zu versorgen und bei Bedarf zuzufüttern. Zu meinem Kollegen Vorredner: So steht es in einem Vertrag vom 29. März 2010 zwischen dem NABU und den vom NABU beauftragten Landwirten, also Fachleuten, die für diese Tiere zuständig waren.

Jetzt werfen sich der NABU und das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume gegenseitig eine Teilschuld vor. Dabei geht es um eine defekte Fanganlage, um deren Funktionieren sich laut Umweltminister Jan Philipp Albrecht der NABU hätte kümmern müssen. Der NABU wies das

(Heiner Rickers)

wiederum zurück und erklärte, dass er immer wieder vom zuständigen Landesamt vertröstet worden sei. Ja, was stimmt denn nun, Herr Minister Albrecht? Vielleicht können Sie uns hierzu heute noch aufklären?

Fest steht bisher, dass im Fall der vernachlässigten und verendeten Konik-Pferde Polizei und Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz aufgenommen haben. Zum jetzigen Zeitpunkt eine finanzielle Förderung des NABU auf den Prüfstand zu stellen, erschließt sich mir dabei nicht. Auch hier gilt die Unschuldsvermutung.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Der NABU ist ein föderal aufgebauter Verband mit demokratischen Strukturen. Nach einer umfassenden Prüfung des Jahresabschlusses durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer wird das Ergebnis in einem schriftlichen Bericht dem Präsidium vorgelegt. Für den NABU ist Transparenz eine zentrale Leitlinie, und ich bin mir nicht sicher, ob das bei der AfD genauso aussieht. Der Verband hat die Selbstverpflichtungserklärung der Initiative „Transparente Zivilgesellschaft“ unterzeichnet und stellt grundlegende Informationen zur Satzung, zu wesentlichen Entscheidungen, zur Herkunft und Verwendung der Mittel sowie zur Personalstruktur auf Anfrage öffentlich zur Verfügung. Und der NABU positioniert sich deutlich gegen Diskriminierung, Rassismus und Fremdenhass. Bereits 2015 stellte sich der NABU mit einer Resolution jedweder Diskriminierung sowie jedwedem Rassismus und Fremdenhass entschieden entgegen. Liegt hier vielleicht der Grund für den Antrag? Möchte die AfDFraktion vielleicht nur einen Kämpfer für eine gesunde Umwelt und gegen die Klimakrise diskreditieren? Wer weiß das?

Wir jedenfalls lehnen Ihren Antrag selbstverständlich ab. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Joschka Knuth das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wehrte Kolleginnen und Kollegen! Allen Beteiligten ist klar, dass die Art und Weise, wie die Koniks im Naturschutzgebiet Wöhrdener Loch im Speicherkoog gehalten

wurden, und das Leid, das die Tiere dort erfahren haben, in keiner Weise akzeptabel sind - in keiner Weise! Es darf nicht sein, dass Tiere dermaßen verwahrlosen. Es ist offensichtlich, dass die Tiere nicht ausreichend betreut wurden. Es darf nicht sein, dass sie verhungern, weil nicht zugefüttert wird. Es darf nicht sein, dass nicht zumindest behelfsweise eine mobile Fanganlage kurzfristig herangeschafft wird; das ist absolut klar.

Auch dem NABU dürfte das mittlerweile klar sein, dem NABU übrigens, dessen Kommunikation am Anfang überhaupt nicht in Ordnung war, aber auch dem NABU, der überhaupt keine Flächenprämie für seine Tierhaltung vor Ort bekommen hat.

Als Tierhalter trägt man Verantwortung dafür, wie es den eigenen Tieren geht.

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP] und Lars Harms [SSW])

Für den Naturschutzbund gelten die gleichen tierschutzrechtlichen Vorschriften wie für alle anderen Tierhalterinnen und Tierhalter in Schleswig-Holstein. Richtigerweise wird im Zuge eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens jetzt aufgeklärt, welche Versäumnisse dazu geführt haben, dass die Tiere so verwahrlost und einige sogar gestorben sind.

Es muss selbstverständlich kritisch geprüft werden, ob das Kontrollsystem und die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden, beispielsweise der Veterinärbehörde und der UNB und dem LLUR, funktioniert haben.

Richtig Diskussionsbedarf hätten wir heute, wenn wir kein vernünftiges Tierschutzgesetz hätten, wenn wir keine funktionierenden Strukturen hätten, um derlei Verstöße zu verfolgen. Das ist allerdings nicht der Fall. Die haben wir.

Jetzt muss sichergestellt werden, dass sich Ähnliches vor Ort nicht wiederholt. Es ist richtig, dass das Entwicklungskonzept für das Naturschutzgebiet Wöhrdener Loch überprüft und angepasst wird. An dieser Stelle möchte ich vor allem denjenigen danken, die kurzfristig bereit und in der Lage waren, die Tiere zu entnehmen und auf ihren Flächen aufzunehmen.

(Beifall)

Das zeigt, dass die naturnahe Weidehaltung im Gesamten und der Einsatz beispielsweise von KonikPferden als Landschaftspfleger in Schleswig-Holstein im Grundsatz ein Erfolgsmodell sein können.

(Stefan Weber)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das zeigt, dass wir im Land sehr gut funktionierende Strukturen haben. Es entbehrt jeder Logik und jeder fachlichen Grundlage, jetzt eine Einstellung der Förderung von Naturschutzarbeit zu fordern, wenn gegen Tierschutzstandards verstoßen wurde. Die Tierhaltung im Wöhrdener Loch war für den NABU kein Erfolgsprojekt. Die naturschutzfachliche Arbeit hingegen ist unverzichtbar und wertvoll für unser Land.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt SPD und SSW)

Der Naturschutzbund hat in der Vergangenheit zahlreiche Projekte in den Bereichen Artenschutz, Ökosystemschutz, Landschaftsschutz, Moorschutz und Schutz der schleswig-holsteinischen Meere erfolgreich durchgeführt. Eine weitere Zusammenarbeit und die zukünftige finanzielle Förderung der Institution ist daher richtig und wichtig.

Ihren Antrag haben Sie doch nur gestellt, um pauschal den Naturschutz und seiner Organisationen zu bashen. Da Ihre Kernthemen in Zeiten der Coronapandemie keinen Anklang in den Debatten finden, versuchen Sie so, politisch Aufmerksamkeit zu erhalten. Im Kern zeigen Sie mit diesem Antrag nur, dass Sie dem funktionierenden Rechtsstaat nicht trauen, dass Ihnen Tiere ein gern genommenes Vehikel sind, um gegen Ihre Feindbilder zu hetzen, und dass Naturschutz für Sie keinen Wert hat - außer vielleicht, wenn Sie ihn für Heimatschutzdebatten missbrauchen können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)