Ich danke der Landesregierung für ihren Bericht über die Hygiene-Demonstrationen, der im Bildungsausschuss noch vertieft werden kann.
Es sollte aber nach unserer Überzeugung nicht dabei bleiben. Wir haben Ihnen deshalb zu den Verschwörungserzählungen einen Antrag mit drei Forderungen vorgelegt, die der politischen Bildung in den Schulen und außerhalb der klassischen Bildungseinrichtungen zugutekommen und auch dazu aufrufen sollen, die weitere Entwicklung unter die Lupe zu nehmen. Das gilt nicht nur für staatliche Strukturen wie den Verfassungsschutz, sondern auch für die Gesellschaft im Ganzen.
Deshalb freue ich mich auf die weitere Diskussion im Ausschuss. Wenn Teile der Bevölkerung offen sind für menschenfeindliche Verschwörungserzählungen, dann muss uns das wirklich Sorge machen. Wir müssen entschlossen für Wahrheit und Aufklärung eintreten. Deshalb freue ich mich auch, wenn wir heute aus diesem Haus hier ein klares Signal gegen Verschwörungsideologien setzen und den Bericht zusammen mit dem Antrag im Bildungsausschuss weiter diskutieren können. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ende Februar, quasi in der Zeit der ersten Debatten in Deutschland rund um Corona, habe ich an einer Schule einen Vortrag über Rechtsextremismus im Internet gehalten.
In diesem Vortrag habe ich alle Schülerinnen und Schüler gefragt, wer denn schon einmal Kenntnis von Verschwörungstheorien, Verschwörungsideologien, Verschwörungsmythen erlangt hat. Alle haben sich gemeldet und konnten konkrete Beispiele nennen. Dann habe ich gefragt: Wer hat denn schon einmal selbst an eine geglaubt, beispielsweise an die Debatten zu der Frage, was war wirklich an der Mondlandung dran, was war mit Nine-Eleven und so weiter? Eine deutliche Mehrheit hat sich gemeldet und gesagt, sie habe schon einmal an eine geglaubt. - Das ist ein Hinweis darauf, welche Rolle Verschwörungsideologien und Verschwörungsmythen im ersten Zugang zu politischen Themen spielen.
Wenn ich eine politische Frage habe, gebe ich sie bei youtube ein. Das machen viele Menschen. Ich glaube, das machen auch viele von uns, um zu schauen, was es dazu für Dokus gibt. Wenn ich das gemacht habe, dann bin ich lange Zeit auf verschwörungsideologische Inhalte gekommen. Insbesondere, wenn ich zusätzlich noch das Wort „Wahrheit“ eingegeben habe: „Migration Wahrheit“, „Impfen Wahrheit“, dann kam ich immer auf irgendwelche verschwörungsideologischen Inhalte. Das ist tatsächlich heute besser geworden. Ich habe das zu Beginn der Coronapandemie immer mal wieder gemacht und kam vornehmlich auf seriöse Angebote und auf Hinweise bei youtube, dass es auch gute Quellen zum Thema Covid-19 gebe. Bei Facebook ist es mittlerweile ähnlich. Hier hat sich technisch einiges getan.
Das zeigt aber, dass Verschwörungsideologien noch viel länger als die Coronapandemie ein dringendes Thema für uns alle bleiben müssen. Deshalb haben wir das bereits in unserem Hanau-Antrag angesprochen. Darauf will ich gleich noch zu sprechen kommen.
Verschwörungsideologien und Rechtsextremismus sind eng miteinander verwoben. Ich weiß, dass es auch im linksradikalen Milieu einige Verschwö
rungsideologien gibt - überhaupt gar keine Frage. Gerade der Antikapitalismus hat viele Schwachstellen, was antisemitische Erzählungen angeht. Nichtsdestotrotz ist es in der DNA der rechtsextremen Ideologie ganz entscheidend, an diverse Verschwörungsideologien zu glauben, beispielsweise an eine Umvolkung, eine jüdische Weltverschwörung und all so etwas. Das gehört immer wieder zur Erzählung dazu. Dass das nicht ungefährlich ist, zeigt sich, wenn wir die Pamphlete von rechtsextremistischen Terroristen anschauen, beispielsweise das Pamphlet des Täters von Hanau oder des Attentäters von Utøya. All diese haben durch ihre verschwörungsideologische Ausrichtung aufgrund einer vermeintlichen Notwehr gehandelt.
Wir sehen, es besteht eine Gefährdung, und hier müssen wir reagieren. Das haben wir in unserem Hanau-Antrag angesprochen. Der Landesbeauftragte ist hier auch bereits tätig. Es gibt viele gute Materialien, die er den Schulen empfehlen kann. Die Bundeszentrale für politische Bildung, die Amadeu-Antonio-Stiftung und viele andere bieten hier sehr, sehr gute Materialien an.
Wir sehen heute, dass auch vielen Prominenten die Kerzen durchbrennen. Wenn wir Attila Hildmann, einen veganen Koch, sehen, der mit Waffe posiert und sagt, „Wir müssen in den Widerstand gehen!“, dass 5-G-Masten die Zellen in uns erhitzen würden und all so etwas, dann ist das ein Mensch, der sehr viel Reichweite hat. Wenn wir Xavier Naidoo sehen, der schon lange auf diesem Weg unterwegs ist - auch wenn das ein steiniger sein mag -, worauf immer wieder auch schon hingewiesen wurde, der jetzt aber in seinen Telegrammgruppen diesem Prinzip des Kaninchenbaus folgt - wie viele Telegrammgruppen eben funktionieren -, dann sehen wir, dass es hier Rädelsführer gibt, die auch für die Demonstrationen eine große Rolle spielen.
Wenn Demonstranten der Hygienedemos sagen, sie seien total unideologisch und hätten nichts mit Rechtsextremismus oder Verschwörungsideologien zu tun, wie in Stuttgart, dann aber Ken Jebsen redet, kann denen das keiner abnehmen. Da gibt es einen Unterschied zwischen Ansage und Durchführung der Demo.
Ich habe nur noch wenig Zeit. - Wir sehen auch bei Demonstrationen in Schleswig-Holstein, wer angemeldet und wer daneben demonstriert hat. Wenn da jemand mit einem Judenstern auftaucht und sagt: „Ich werde genauso verfolgt, nur weil ich gegen Impfen bin“, dann ist das eine Relativierung der
Nazis nutzen diese Demonstrationen. Wir haben das in Neumünster gesehen, wir sehen das bei Ansagen der Identitären Bewegung, in ihren Telegram-Chats, in denen sie sagen: „Sagt auf den Demos nicht, dass ihr bei der Identitären Bewegung seid; demonstriert erst einmal mit, und kommt mit den Leuten ins Gespräch!“ Hier gibt es eine offensichtliche Instrumentalisierung.
Frau Kollegin von Sayn-Wittgenstein, Sie sind in Leverkusen mit Poggenburg auf die Straße gegangen, der mittlerweile genauso wie Sie offenbar zu rechts für die AfD eingeschätzt wird, und haben dort, ein Transparent haltend, skandiert: „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.“ Haben Sie, als Sie dieses Transparent gehalten haben, einmal hinter sich geguckt? Da waren ja nicht so viele Leute in Leverkusen, da waren 50 Menschen; da hätten Sie den einen oder anderen Neonazikader durchaus erkennen können, der da mitmarschiert ist.
Wie instrumentalisierend man auftritt und wie instrumentalisierend diese Demonstrationen sind, sehen wir an der Tatsache, dass es in den Reden die ganze Zeit um Grundrechte und Corona ging; angemeldet war die Demonstration aber als „Grundgesetz statt Scharia“.
Es geht immer wieder um das gleiche Narrativ, es geht immer wieder um die gleiche Sache, um die rechte Sache. Deswegen muss man sehr skeptisch hingucken, was sich da zusammenbraut.
Die Szene, die dort demonstriert, ist unterschiedlich. Es gibt Menschen, die berechtigt gegen Maßnahmen demonstrieren, die ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen. - Das ist völlig okay. Es gibt Menschen, die sagen, Corona sei eine Biowaffe, gezielt - von wem auch immer - initiiert. Und es gibt Menschen, die sagen, Corona existiere gar nicht, das sei alles ein großer Schwindel. Alle sind sich darin einig, dass sie gegen den Staat sind. Genauso schwimmt die AfD die ganze Zeit zwischen den Positionen „Wir brauchen schneller einen Lockdown“ und „Wir müssen schneller aus dem Lockdown wieder heraus“, Hauptsache, man ist gegen die Maßnahmen der aktuellen Regierung.
Da meine Redezeit leider vorbei ist, nur noch ein Satz: Verschwörungsideologien sind immer auch eine Reaktion auf persönliche oder kollektive Kontrollverluste. Wir müssen genau hingucken und die Probleme lösen, damit Menschen nicht mehr auf diese einfachen Antworten auf komplexe Fragen hereinfallen. Deswegen freue ich mich, das im Ausschuss länger zu diskutieren.
Vielen Dank. Herr Kollege, habe ich Sie gerade richtig verstanden: Wenn ich für schnellere LockdownMaßnahmen bin, bin ich ein Verschwörungstheoretiker?
- Absolut nicht. Ich kann sehr gut nachvollziehen, sowohl dass man für schnellere Lockdown-Maßnahmen als auch für einen schnelleren Ausstieg aus dem Lockdown ist. Das sind alles politische Prozesse. Es macht die AfD aber unglaubwürdig, dass sie versucht, beides gleichzeitig zu fordern. Alice Weidel zum Beispiel hat in ihren ersten Reden im Bundestag gefordert, man müsse schneller reagieren, man müsse schneller handeln, und jetzt sagt sie, das sei alles Unsinn gewesen, man habe zu viel eingeschränkt. Das kann keiner mehr ernst nehmen, und das zeigt, dass es der AfD nur darum geht, Politik zu delegitimieren und von Krisen zu profitieren. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über die sogenannten Hygienedemonstrationen erfordert außerordentliches Fingerspitzengefühl. Das ist auch schon von meinem Kollegen Brockmann deutlich gemacht worden. Im Kern geht es um die Grundrechte der Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit.
die Behauptung, Hygienedemonstrationen würden missbraucht, um eine grundsätzliche Ablehnung demokratischer Institutionen, die Verbreitung von Verschwörungserzählungen, die Abqualifizierung medizinischer Fachkompetenz, rechtspopulistische Stimmungsmache und Aufruf zu Widerstand und Gewalt zu propagieren, ist bei näherer Betrachtung nicht unproblematisch. Wir sollten als Vertreter des Staates peinlichst genau darauf achten, dass wir nicht den Eindruck vermitteln, der Staat entscheide, ob eine Demonstration missbraucht wird oder nicht.
Darüber entscheidet nicht der Staat, sondern allein der Veranstalter. Erst wenn dieser sich missbraucht fühlt, ist der Staat gefordert und muss dafür sorgen, dass eine Versammlung im Sinne des Veranstalters ungestört durchgeführt werden kann und vor Unterwanderung und Missbrauch konsequent geschützt wird.
Wir müssen aufpassen, dass sich der Staat nicht zur Meinungspolizei aufschwingt und bestimmt, was billigenswerte Meinungen sind und was zu missbilligen ist.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Sie haben gerade gesagt, der Staat bewerte nicht, was auf Demonstrationen formuliert werde. Sie sind vielleicht doch mit mir einig, dass wir als Fraktionen nicht nur Verwaltungseinheit sind, sondern dass wir auch politische Bewertungen vornehmen. Unser Antrag ist ein politischer Antrag. Wir sind politisch der Meinung, dass, wenn auf diesen Demonstrationen Rechtsextremismus, Rassismus und so weiter propagiert werden, das falsch ist und ein Landtag das feststellen kann.
- Wir müssen berücksichtigen, dass wir Meinungen nicht vorzugeben haben. Wir können unsere Meinung so kundtun wie jeder Bürger, wir können Demonstrationen anmelden, wir können an Demonstrationen teilnehmen. Wir kennen die inhaltliche Zielrichtung von Demonstrationen und können ent
Das Problem Ihres Antrags sehe ich darin, dass wir uns von außen anmaßen, entscheiden zu dürfen, wann eine Demonstration missbraucht oder unterwandert wird. Ich bin der Auffassung, dass das die Aufgabe des Veranstalters ist. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied, und das ist auch eine Frage, inwieweit staatliche Organe durch Interpretationen in die Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit eingreifen dürfen.
Sie möchten Verschwörungstheorien stoppen; ich komme gleich etwas detaillierter darauf. Verschwörungstheorien sind in Deutschland erlaubt, sie sind von der Meinungsfreiheit selbstverständlich gedeckt, es sei denn, sie überschreiten rechtliche Grenzen, die die Zulässigkeit solcher Verschwörungstheorien beseitigen. Wenn sie genutzt werden, um unseren Staat zu unterminieren und anzugreifen, dann sind Verschwörungstheorien selbstverständlich genau zu überprüfen und unter Umständen zu verbieten.
Es fallen in meinen Augen aber viel mehr Erzählungen unter den Begriff der Verschwörungstheorie als strafrechtlich relevante Theorien, die verbreitet werden. Verschwörungserzählungen sind durch die Freiheitsrechte geschützt, und sie dürfen geäußert werden. Wir können nicht Meinungspolizei spielen. Das hielte ich für einen völlig falschen Weg, um mit der Problematik, mit der wir es zu tun haben, klarzukommen. Der begegnen wir dadurch, dass wir die Veranstalter ermutigen, sich zu ihren Zielen zu bekennen und gern mit Ordnungsbehörden zusammenzuarbeiten, um ihre eigenen Veranstaltungen vor Missbrauch und Unterwanderung zu schützen. Um mehr geht es nicht.
Wir haben uns gar nicht missverstanden, ich stimme Ihnen in allen Punkten zu, bis auf einen Punkt. Unsere Fraktion geht über Ihre Bewertung hinaus. Ich bin der Meinung, dass man eine politische Bewertung treffen kann als politische Fraktion, als politisch denkender Mensch. Wir sind nicht nur Menschen, die Verwaltung