Wir kennen diese Zustände, meine Partei erst recht. Aber eigentlich sollte man denken, sie wären in Deutschland seit 100 Jahren Geschichte und nicht Realität 2020. Das ist ein Skandal, der beendet werden muss, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Fragt man die Fleischlobbyisten, dann ist vieles dieser Darstellung übertrieben und der Rest eben alternativlos. Denn nur wenn es solche Bedingungen gebe, könne die Produktion in Deutschland überhaupt stattfinden. Eine Vertreterin der Fleischindustrie bestritt im Deutschlandfunk gar nicht die Zustände, behauptete aber, dass jede Änderung dazu führe, dass deutsche Unternehmen nicht mehr konkurrenzfähig seien. So argumentierten früher übrigens die Kapitalisten auch gegen die Abschaffung der Kinderarbeit, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Im Übrigen sei es auch eine Frage des Tierwohls, um Deutschland konkurrenzfähig zu halten. Schlachtungen im eigenen Land vermeide Tiertransporte. So ist es nur nicht. Nicht um die Zweibeiner, nein, um die Vierbeiner ist die Fleischindustrie bei uns ehrlich besorgt, wie man hören kann.
Überall sonst in der EU reibt man sich bei solchen Aussagen verwundert die Augen; denn Deutschland ist nicht von Dumping bedroht, Deutschland ist das Dumpingparadies oder vielmehr die Dumpinghölle, wenn man das aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrachtet.
Dumping ist das System der deutschen Werkverträge, da es die Nachbarländer unter Druck setzt, und es hat Folgen. Beim Schweinefleisch ist die Zahl der Schlachtungen in Deutschland in den letzten Jahren um die Hälfte gestiegen. Tiertransporte, vor denen die Fleischindustrie warnt, sind Realität, aber
nicht aus Deutschland, sondern nach Deutschland. Halb Europa bringt seine Rinder und Schweine nach Deutschland - den miesen Arbeitsbedingungen sei Dank.
Im Umkehrschluss exportieren wir billiges Fleisch, das besser zahlende Betriebe in den europäischen Nachbarländern ruiniert. Das ist die reale Folge des Dumpings. Qualitätsfördernd ist das nicht. Das ist eine Sauerei, um das ganz deutlich auszudrücken.
Darum ist es genau richtig, dass Hubertus Heil in Berlin ein Arbeitsschutzprogramm für die Fleischindustrie auf den Weg bringt. Es mag vielen nicht passen, aber mit der Billigmentalität muss endlich Schluss sein. Dafür kommt ab 2021 ein Ende der Werkverträge im Kernbereich von Schlachthöfen und Fleischverarbeitung. Bußgelder für Arbeitszeitverstöße werden verdoppelt, damit sich Betrug nicht mehr lohnt. Die Arbeitszeit muss endlich digital erfasst werden, damit Achtstundenschichten künftig von 8 bis 16 Uhr und nicht länger von 7 bis 20 Uhr dauern. So weit reichen die Grundrechenarten jedenfalls bei den meisten.
Man kann kritisieren, dass das alles schon früher hätte passieren müssen. Das ist wahr. Man sollte aber immer genau prüfen, ob die eigenen Leute in Berlin eigentlich zu denjenigen gehören, die bis zum Frühjahr die Selbstverpflichtung der Fleischindustrie für vollkommen ausreichend hielten, Selbstverpflichtungen übrigens, nach denen es viele der jetzigen Zustände gar nicht mehr geben dürfte. Von ehrbaren Kaufleuten ist hier gar keine Rede, auch nicht von schwarzen Schafen, sondern wir reden von einer ganzen schwarzen Schafherde in den großen Betrieben.
Wer tatsächlich jenseits von Sonntagsreden etwas ändern möchte, sollte froh sein, dass sich jetzt ein Zeitfenster bietet, in dem es öffentlicher Druck ermöglicht, die Zustände zu verbessern. Es ist unsere Verantwortung, das hier zu tun und nicht nur nach dem Bund zu rufen.
Genau diese Zustände waren auch hier im Landtag in den vergangenen Jahren mehrmals Thema; Kollegin Eickhoff-Weber hat sie Ihnen oft genug eindrucksvoll vorgehalten.
Wir kennen die Probleme. Jetzt ist es an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Dazu hat meine Fraktion drei Anträge vorgelegt, mit denen wir die Probleme konsequent angehen wollen. Wir müssen
gute Arbeitsbedingungen, konsequente Kontrollen, die besondere Lage von EU-Arbeitnehmerinnen und -Arbeitnehmern und die Wohnsituation in den Gemeinschaftsunterkünften zusammendenken, weil die Missstände Ausdruck eines gemeinsamen Problems sind. Das Mindeste sollte sein, aus Schleswig-Holstein klare Unterstützung für das Arbeitsschutzprogramm von Hubertus Heil zu signalisieren.
Außerdem brauchen wir eine Vor-Ort-Arbeitsinspektion an den großen Standorten im Land, einen Runden Tisch zur Fleischwirtschaft, den brancheneinheitlichen Tarifvertrag und eine Bündelung der Zuständigkeiten in der Landesregierung, um die Situation der Fleischindustrie in Schleswig-Holstein rückhaltlos zu analysieren und zu verbessern. Wir brauchen bessere Beratung und besseren Arbeitsschutz für EU-Arbeitnehmerinnen und -Arbeitnehmer. Es ist nicht einzusehen, dass Rumänen schlechter behandelt werden als die eigenen Arbeitskräfte hier in unserem Land.
Wir müssen die Betriebsräte in den betroffenen Unternehmen stärken; eine diesbezügliche Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes im Bund scheitert nun wirklich nicht an der SPD. Wir müssen die Beratungsstelle zu Fragen der Arbeitnehmerfreizügigkeit stärken. Wir müssen aufsuchende Sozialarbeit und Sprachkurse anbieten. Wir müssen die Staatliche Arbeitsschutzbehörde so aufstellen, dass Kontrollen möglich sind, wie es nötig ist. Ein guter Anfang, liebe Landesregierung, wäre es, endlich die offenen Stellen, die wir dort haben, zu besetzen.
Gerade nach den Erfahrungen der letzten Wochen muss der Fokus auch auf die Unterbringungssituation gerichtet werden. Es kann doch nicht sein, dass mitten unter uns Menschen so leben - man könnte auch sagen: hausen, wenn auch nicht in Erdhöhlen, wie sie im Münsterland noch vorhanden sind -, wie man es seinem ärgsten Feind nicht wünschen möchte.
Die Behörden benötigen lückenlose Kontrollmöglichkeiten. Wir sind überzeugt, dass die von uns vorgeschlagene Anpassung des Bauordnungsrechts genau der richtige Weg ist, weil die Kommunen
Wir leben in einer Zeit, in der die meisten von uns weit weg von dem sind, wie Fleisch, das wir in Supermärkten und Discountern kaufen, produziert wird. Viele Diskussionen werden dadurch abstrakt. Wir sollten uns vor einer Selbstbedienungsmentalität hüten nach dem Motto: Hauptsache, die Dinge liegen billig im Regal.
Es braucht Wertschätzung für diejenigen, die Lebensmittel produzieren, zum Beispiel in der Landwirtschaft. Dort hat man wirklich Probleme, über die man reden muss - allerdings nicht in der Form, wie es in der letzten Woche in Nordfriesland geschehen ist. Jegliche Versuche, in dieser Weise antidemokratische Tendenzen zu fördern, schaden dem Anliegen der Landwirte und müssen zurückgewiesen werden.
Es gilt, wie gesagt, auch denjenigen, die in der Fleischindustrie tätig sind, Wertschätzung entgegenzubringen. Wir freuen uns, dass die Koalitionsfraktionen kurz vor der Sommerpause einen Antrag zusammengebracht haben. Wir sehen aber, was dem vorausgegangen ist und wie er interpretiert wird: Den Grünen gehen die Vorschläge nicht weit genug, der FDP gehen sie viel zu weit, und die CDU schweigt dazu. Das ist Ihre Form, sich mit der Bundesregierung auseinanderzusetzen.
Sie folgen dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. - Mit Ihren Anträgen fordern Sie nur die Bundesregierung auf, weiter nichts.
Herr Kollege Richert - ich zitiere ihn ungern, weil es sich meistens nicht lohnt - sagte, das, was Hubertus Heil mache, sei Tamtam mit wenig Wirkung. Wer so argumentiert, sagt, was er davon hält, wenn wirklich vorangegangen werden soll in Sachen Arbeitsschutz, meine sehr verehrten Damen und Herren.
teressen anlegen. Ich sage es in aller Deutlichkeit: Wer für solche Zustände die Verantwortung hat, gehört nicht in ein Chefbüro, sondern hinter Gittern. Das ist meine feste Überzeugung und auch die meiner Fraktion.
Vielleicht muss man dann auf den einen oder anderen illustren Gast bei der einen oder anderen Geburtstagsfeier verzichten. Aber Gelsenkirchen soll ja auch seine Reize haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist ein kleiner Preis für den Fortschritt, den wir dringend brauchen. Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion werden das nachher noch im Einzelnen darlegen. Wer jetzt nicht handelt, kann sich nicht darauf herausreden, er wisse nicht, was zu tun ist.
Ja, wir waren zu langsam - wir auch. Aber es reicht nicht aus, den Bund aufzufordern. Wir müssen das unterstützen, was im Bund geschieht. Im Land ist das auf den Weg zu bringen, was wir tun können. Deshalb bitten wir um Unterstützung für unsere Anträge. - Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mietund Arbeitsverhältnisse, die den guten Sitten zuwider sind und den Willen des Gesetzgebers unterlaufen, werden von uns nicht geduldet. Eine ganz klare Position!
Wer Menschen schamlos ausnutzt, um sich zu bereichern und Gesetze de facto zu umgehen, muss von uns in die Schranken verwiesen und sanktioniert werden.
In der Fleischindustrie gab und gibt es Probleme. Allein Nordrhein-Westfalen hat 3.200 Arbeitszeitverstöße registriert; 30 Schlachthöfe sind dort kontrolliert worden. Auch bei uns in Schleswig-Holstein gab und gibt es Mängel, vor allem im Wohnbereich. Wir haben dies im Zuge der Coronasituation besonders deutlich beim Schlachthof Bad Bramstedt beziehungsweise der Unterbringung in