Protokoll der Sitzung vom 22.09.2017

(Vereinzelter Beifall SPD)

Aber der SSW ist nicht für die Aufhebung des Bildungsföderalismus. Das wird von manch einem oder manch einer in diesem Zusammenhang ja gerne gefordert. Doch die Länderzuständigkeit bei Bildung und Kultur macht nicht nur vor dem Hintergrund der gewaltsamen Zentralisierung durch die Nationalsozialisten Sinn. Der Bildungsföderalismus sichert auch den nötigen Spielraum, um auf regio

(Dr. Frank Brodehl)

nale Bedürfnisse und Besonderheiten Rücksicht nehmen zu können. Und er ermöglicht eigene Schwerpunkte im Schulwesen. Das ist für den SSW ein ganz wichtiger Punkt.

Natürlich brauchen wir noch mehr Mobilität, und die Systeme der Länder müssen kompatibler werden. Es kann nicht sein, dass angehende Lehrkräfte Abschlussprüfungen ein zweites Mal ablegen müssen, wenn sie in einem anderen Bundesland in den Beruf starten wollen. Auch die immer wieder ins Feld geführten Probleme für Schülerinnen und Schüler, die länderübergreifend die Schule wechseln müssen, sind bis heute ein Problem. Aber aus unserer Sicht ist und bleibt es Aufgabe der Kultusministerkonferenz, genau diese Hürden abzubauen und auf gemeinsame Standards hinzuarbeiten.

Bildung muss grundsätzlich gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen sein. Heute sind wir noch immer weit von wirklich gleichen Bildungschancen entfernt. Machen wir uns nichts vor: Uns gelingt es längst nicht immer, das soziale Erbe auszugleichen. Die wesentliche Voraussetzung für gleiche Chancen ist nun mal die Kostenfreiheit, und zwar von der Krippe bis zum Hochschulabschluss oder zum Abschluss einer Ausbildung. Noch dazu liegen hier enorme Modernisierungsaufgaben vor uns. Wenn aber alle Ebenen zusammenarbeiten und sich eben auch entsprechend finanziell beteiligen, wird uns das sicher gelingen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Das Wort für die Landesregierung hat nun die Frau Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien.

Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist ein gutes Signal, dass trotz des bevorstehenden Termins der Bundestagswahl hier doch offensichtlich Einigkeit in der Diagnose besteht, dass die Zeit über das Kooperationsverbot hinweggegangen ist. Es ist erwähnt worden: Es ist inzwischen mehr als zehn Jahre her, dass im Rahmen der zweiten Föderalismusreform die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern quasi unterbunden wurde, dass quasi eine Brandmauer einge

zogen wurde und dem scharfen Wettbewerbsföderalismus im Schulbereich und zunächst ja auch im Hochschulbereich der Weg bereitet wurde.

Worum ging es ursprünglich? Ursprünglich ging es um die Entflechtung von Kompetenzen. Frau Strehlau hat es gesagt: Insoweit haben sich die Länder offensichtlich ziemlich stark verrechnet. Vielleicht war es von Anfang an eine Fehleinschätzung; das mag dahinstehen. Aber es ist - und darüber sind wir uns erfreulicherweise einig - im Hinblick auf das Verfassungsgebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse eben keine brauchbare Ordnung der Bund-Länder-Beziehungen gewesen.

Ich teile auch die hier schon mehrfach geäußerte Einschätzung, dass die Bürgerinnen und Bürger, dass Eltern, Lehrer und Schüler zunehmend weniger Interesse daran haben, dass eine solche Regelung nach wie vor gilt.

„Die Länder haben die Kompetenz, der Bund hat das Geld“ - so hat es der Verfassungsrechtler Jochen Wieland einmal zum Ausdruck gebracht. Das Dilemma des Kooperationsverbots ist damit, wie ich finde, hinreichend beschrieben.

Dass das so ist, ist inzwischen Einsicht quer durch die Parteien und unabhängig davon, ob es sich um ein A-Land oder um ein B-Land handelt; es gibt sehr viele, die diese Auffassung inzwischen teilen. Es ist gute Tradition in diesem Parlament. Ich habe gelernt: 2014, aber auch schon 2010, also sehr weitsichtig, hat man diese Auffassung vertreten.

Die Problematik hat sich aber nach meiner Einschätzung in den letzten Jahren deutlich verschärft. Ich will dafür vier Faktoren nennen, warum ich das so sehe.

Wir haben schon gehört - das ist auch meine feste Überzeugung -: Die Digitalisierung stellt uns vor Herausforderungen, die nicht erst in fünf Jahren und nicht erst langsam, sondern jetzt wirklich angegangen werden müssen. Ja, erste zarte Pflänzchen hat es in der letzten Legislatur gegeben. Aber das reicht eben hinten und vorne nicht. Und das könnten wir auch als Land Schleswig-Holstein nicht alleine stemmen. Deshalb bin ich froh, dass über den Digitalpakt trotz des Wahlkampfs weiter verhandelt wird.

Ich bin guter Dinge - ganz unabhängig davon, wer die Koalition bilden wird -, dass wir am Ende Milliardensummen sehen werden, die dafür vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Aber es geht auch um das Thema „Integration“. Wir haben gestern das Thema „Familiennachzug“ diskutiert. Ich teile mit

(Jette Waldinger-Thiering)

Nachdruck die Position, die die Jamaika-Koalition vertritt, aber wir brauchen dafür auch zusätzliche Mittel vonseiten des Bundes, um die wichtige Integrationsaufgabe an den Schulen und übrigens auch am Arbeitsmarkt weiterhin gut leisten zu können.

Der Ganztagsausbau ist genannt worden. Bei diesem Thema sind wir tatsächlich noch nicht dort, Frau Waldinger-Thiering, wohin wir eigentlich müssten. Ich halte die Festlegung auf den gebundenen Ganztag für falsch.

(Beifall Claus Schaffer [AfD])

Aber wir brauchen dringend mehr und bessere Ganztagsangebote, und dazu gehört auch der gebundene Ganztag - aber eben nicht nur.

Auch die Inklusion ist genannt worden. Sie war vor zehn Jahren noch kein so großes Thema, wie sie es heute ist. In den letzten Jahren hat sich dabei viel getan. Auch hierbei können die Länder und insbesondere die ärmeren Länder es nicht schaffen, ein vernünftiges qualitatives Angebot herzustellen, ohne dass der Bund einspringt.

Allerdings, Herr Kubicki, muss man eines sagen: Die 34 Milliarden €, die Sie genannt haben, sind richtig. Aber man kann das Geld nur ein einziges Mal ausgeben. Mit der Aufhebung des Kooperationsverbots ist die Frage der Prioritätensetzung natürlich noch nicht abschließend beantwortet. Auch das wird Gegenstand von Koalitionsverhandlungen sein. Ich bin gespannt, ob sich die FDP dann auch für die 34 Millionen € in den Koalitionsverhandlungen einsetzen wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Milliarden!)

- Milliarden, Entschuldigung. - Die unflexible Abkopplung der Finanzierung im Rahmen von Artikel 104 b Grundgesetz ist nicht mehr zeitgemäß. Das wurde im Hochschulbereich längst erkannt. Ohne die derzeitige Hochschulfinanzierung des Bundes wären viele unserer Hochschulen gar nicht mehr in der Lage, ihrem Auftrag gerecht zu werden.

Im Kita-Bereich ist viel passiert. Das ist gut. Bei der Schulsanierung hat sich der Bund bereits zweimal auf den Weg gemacht, ein 3,5-Milliarden-€Programm zur Verfügung zu stellen. Das gehört auch zur Wahrheit dazu. Der Bund hat das längst auch erkannt, und erste Schritte sind gegangen worden. Aber das reicht uns nicht aus. Deshalb haben wir uns als Landesregierung vorgenommen, dieses dicke Brett anzugehen und nicht nur für die Aufhebung des Kooperationsverbots, sondern darüber hinaus auch für mehr Vergleichbarkeit und für eine

Angleichung der Schulsysteme in Deutschland allerdings unter Respektierung des Bildungsföderalismus einzutreten. Das will ich hier ganz deutlich sagen.

Dabei darf man die Dinge nicht durcheinanderwerfen. Kooperationsverbot ist das eine, Bildungsföderalismus ist das andere. Das Dritte ist eine stärkere Vergleichbarkeit der Abschlüsse der Bildungsgänge. Auch hierbei machen wir uns auf den Weg, gemeinsam mit den anderen Ländern und gemeinsam mit dem Bund zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. Denn machen wir uns nichts vor: Wir können hier darüber diskutieren, und wir können das auch beschließen, aber am Ende brauchen wir Verbündete im Bund, mit denen zusammen wir das voranbringen.

Das haben wir uns vorgenommen. Daran werden wir in den nächsten Jahren arbeiten. Ich freue mich darüber, dass Sie alle der Landesregierung heute den Rücken gestärkt haben, um bei diesem schwierigen Vorhaben tatsächlich weiterzukommen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

Beantragt wurde, den Antrag Drucksache 19/170 sowie die Alternativanträge Drucksachen 19/209 und 19/214 in den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist dies mit den Stimmen der CDUFraktion, der SPD-Fraktion, der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der AfD-Fraktion abgelehnt.

Wir kommen somit zur Abstimmung in der Sache. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/170 abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der CDU-Fraktion, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDPFraktion und der AfD-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Abgeordneten des SSW abgelehnt.

Ich lasse nun abstimmen über den Alternativantrag der AfD-Fraktion Drucksache 19/214. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Hand

(Ministerin Karin Prien)

zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 19/214 mit den Stimmen der CDU-Fraktion, der SPD-Fraktion, der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der AfD-Fraktion abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/209 abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer den Antrag ablehnen will, zeigt bitte jetzt auf: Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der CDU-Fraktion, der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion und der AfD-Fraktion gegen die Stimmen der Abgeordneten des SSW bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion -

(Lars Harms [SSW]: Dagegen gestimmt!)

- Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CDUFraktion, der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion, der AfD-Fraktion bei der Gegenstimme des Kollegen -

(Lars Harms [SSW]: Des SSW!)

- Des gesamten SSW. Das war genau meine Zusammenfassung des Abstimmungsverhaltens von eben. Bei Gegenstimmen des SSW und bei Stimmenthaltung der SPD so beschlossen.

(Beifall Barbara Ostmeier [CDU])

Die Abgeordneten des SSW wissen wahrscheinlich selbst am besten, wie sie abgestimmt haben.

Dann kommen wir jetzt zu Tagesordnungspunkt 3:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hinterlegungsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 19/140

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 19/194

Ich erteile das Wort der Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Frau Abgeordneten Barbara Ostmeier.

Mit Erlaubnis verweise ich auf die Vorlage.