Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. - Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Coronakrise war plötzlich etwas möglich, was zuvor in unserem Arbeitsalltag eher als Ausnahmefall galt: das Arbeiten von zu Hause aus. Homeoffice statt Büro - inzwischen gehört das für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den verschiedensten Branchen zur neuen Realität.
Dabei musste dieser Tapetenwechsel in den allermeisten Fällen ziemlich kurzfristig organisiert werden. Da die wenigsten in den eigenen vier Wänden ein voll ausgestattetes Arbeitszimmer übrig haben, gibt es die verschiedensten kreativen Improvisationslösungen: Manch ein Arbeitnehmer sitzt am
Schreibtisch im Durchgangszimmer oder in der Wohnzimmerecke, andere haben sich mit ihrem Laptop am Küchentisch eingerichtet. Viele Angestellte haben sich trotz der chaotischen Anfangszeit allergrößte Mühe gegeben, ihr Zuhause so einzurichten, wie sie es in ihrem Berufsalltag benötigen. So telefoniert man mit dem privaten Smartphone statt mit dem Diensttelefon, der Internetzugang funktioniert über den heimischen WLAN-Anschluss, und für die Versorgung über den Tag nutzt man die eigenen Ressourcen in Küche und Badezimmer.
Inzwischen sind einige Monate vergangen, seitdem dieses Arbeitsmodell improvisatorisch läuft. Es ist schon jetzt ersichtlich, dass der Trend anhalten wird. Die Erfahrungen mit dem Homeoffice - so ist es nach Auswertung verschiedener repräsentativer Studien bundesweit in den Medien zu lesen - sind insgesamt positiv.
Eine Frage, die sich daher viele aktuell stellen, lautet: Kann ich die Kosten für meine Aufwendungen im Homeoffice eigentlich von der Steuer absetzen? Die derzeitige Gesetzesgrundlage dazu lautet: Es kommt darauf an. Denn das aktuelle Steuerrecht beharrt auf der strikten Trennung von Privat- und Berufsleben. In der Coronapandemie sind diese Trennlinien im Arbeitsalltag jedoch stark verschwommen. Nach Auffassung des SSW sollte den betroffenen Arbeitnehmern daraus kein Nachteil entstehen, sondern im Gegenteil: Das Steuerrecht gehört an die neu entstehenden Arbeitsmodelle angepasst.
Aus dieser Ausgangssituation heraus haben wir den vorliegenden Antrag eingebracht. Ein Arbeitnehmer, der in seinem Zuhause einen Arbeitsplatz einrichtet, muss diesen finanziert bekommen. In einem „normalen“ Berufsalltag trägt der Arbeitgeber die Kosten für die Ausstattung und die täglichen Betriebskosten, die nun einmal so anfallen, wie die Kosten für die Miete des Bürogebäudes, Strom und Internet oder auch die sanitären Anlagen.
Nutzt ein Arbeitnehmer für seinen Arbeitsplatz nun seine eigenen Ressourcen, so muss er konsequenterweise diese Kosten endlich umfassend steuerlich absetzen können.
Insgesamt ist uns doch allen klar: Homeoffice, mobiles Arbeiten und generell flexiblere Arbeitsmodelle werden aus dem Arbeitsalltag gewisser Branchen und Tätigkeitsfelder nicht wieder verschwinden. Sie werden stetig wichtiger und letztendlich womöglich der präferierte Standard werden, sofern der Corona-Digitalisierungsschub anhält, wie es ja wünschenswert ist.
Die Ansteckungsgefahr ist niedriger, die Arbeitnehmer genießen die wegfallenden Arbeitswege, was nebenbei auch unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes zu begrüßen ist. Viele Familien können gemeinsame Mittagspausen verbringen. Arbeitgeber könnten künftig vielleicht Büroraum und damit verbundene Betriebskosten einsparen, müssten dann aber sicherstellen, dass der Arbeits- und Datenschutz an die neuen Herausforderungen angepasst wird.
Gleichzeitig ist aber auch klar: Homeoffice ist nicht für jeden und nicht immer das Richtige. Homeoffice darf auch nicht zu einer Entgrenzung der Arbeit führen. Auf Dauer wird Homeoffice nur dann funktionieren, wenn die Menschen einen richtigen Arbeitsplatz nach arbeitsrechtlichen Vorschriften haben. Diesbezüglich stehen wir aber noch am Anfang und sollten erst einmal abwarten, wie sich das Arbeitsleben entwickelt.
Auch den Alternativantrag der SPD unterstützen wir deshalb vom Grundsatz her. Dieser beinhaltet ja einen ganzen Regelungskatalog. Daher können wir diesen gern im Ausschuss diskutieren.
Uns geht es nun aber darum, dass diejenigen, die während der letzten Monate kurzfristig eigenverantwortlich und auf eigene Kosten ihren Arbeitsalltag komplett neu organisiert haben, die finanzielle Anerkennung erhalten, die sie verdienen. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag, damit den Leuten möglichst schnell ihr Recht zukommen kann. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Coronakrise oder -pandemie hat Deutschland noch immer fest im Griff. Gravierend sind dabei auch die Auswirkungen auf das Arbeitsleben. Die meisten Arbeitgeber sind nach wie vor bemüht, Ansteckungsrisiken zu vermeiden und möglichst auszuschließen. In diesem Zusammenhang hat das Homeoffice eine bislang nicht bekannte Bedeutung erfahren - Herr Harms hat es eben schon gesagt. Seit Beginn der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie wurden Millionen
Zumeist waren die Mitarbeiter dabei gezwungen, sich innerhalb weniger Tage in ihrem privaten Umfeld provisorische Arbeitsplätze einzurichten. Bislang existieren zu diesem Thema aber kaum verbindliche Regelungen. Bereits der Begriff „Homeoffice“ ist ausschließlich umgangssprachlich geprägt.
Sicherlich ist es positiv, wenn Vertragsparteien die Möglichkeit haben, die Tätigkeit von Mitarbeitern im Homeoffice weitgehend flexibel auszugestalten. Dies ändert aber nichts daran, dass der derzeitige rechtliche Rahmen aus einer Zeit vor Corona stammt.
Dies gilt auch für den Arbeitsschutz. Das sage ich als ausgebildete Fachkraft für Arbeitssicherheit. Auf die zunehmende Flexibilisierung der Büroarbeit ist die derzeit geltende Arbeitsstättenverordnung, die dem Gesundheitsschutz beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten dient, nicht ausgerichtet. § 2 Absatz 7 dieser Verordnung benennt als konkrete Form des mobilen Arbeitens lediglich Telearbeitsplätze und definiert diese als Bildschirmarbeitsplätze im privaten Bereich der Beschäftigten, die aber vom Arbeitgeber fest eingerichtet werden. Telearbeitsplätze setzen dabei nicht nur eine Ausstattung mit Mobiliar, Arbeitsmitteln und Telekommunikationseinrichtungen voraus, sondern es sind zusätzlich auch die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder in gesonderten Vereinbarungen zu regeln und festzulegen.
Diesen Anforderungen werden die derzeit oft im Homeoffice nur provisorisch eingerichteten Arbeitsplätze - Herr Harms hat es gesagt: Küche, Wohnzimmer - nicht gerecht. Zwar ist eine Arbeit im Homeoffice auch ohne die aktuellen Voraussetzungen für Telearbeitsplätze möglich, doch hat dies eine weitere Rechtsunsicherheit für Arbeitgeber und Beschäftigte zur Folge. Das Homeoffice in seiner derzeitigen Umsetzung hat unverändert nur provisorischen Charakter.
Deshalb sollten auch diejenigen Unternehmen in die Bewertung eingezogen werden, die den finanziellen Aufwand für die Einrichtung von Telearbeitsplätzen in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Rezession nicht erbringen können. Es ist daher notwendig, in einer Neufassung der Arbeitsstättenverordnung auch diejenigen Formen des mobilen Arbeitens zu regeln, die dort bisher nicht definiert sind.
In diesem Zusammenhang ist auch festzulegen, welche Vorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für die verschiedenen Varianten des mobilen Arbeitens notwendig sind. Der weiter fortschreitenden Flexibilisierung des Arbeitslebens ist Rechnung zu tragen, weshalb die Arbeitsstättenverordnung auch grundsätzlich überarbeitet werden sollte.
Es ist fraglich, ob die aktuellen Vorgaben zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen noch notwendig sind. Auf diesen Aspekt hat auch der Zentrale Immobilien Ausschuss in Berlin bereits hingewiesen und deshalb für eine Novellierung der Arbeitsstättenverordnung plädiert.
Vor diesem Hintergrund kann eine zusätzliche Abzugsfähigkeit von Werbungskosten des häuslichen Arbeitszimmers, wie hier vom SSW gefordert, erst der zweite Schritt sein, Herr Harms. Die derzeit geltende Rechtslage der eingeschränkten Abzugsfähigkeit wurde damals vom Gesetzgeber eingeführt, um eine ausufernde Inanspruchnahme bei gleichzeitig begrenzten Möglichkeiten zur Nachprüfung entgegenzuwirken.
In Zeiten der Coronapandemie spricht zwar einiges dafür, die restriktive Rechtslage des Einkommensteuerrechts zu häuslichen Arbeitszimmern auf den Prüfstand zu stellen, aber erst, nachdem die unterschiedlichen Formen des mobilen Arbeitens den notwendigen Rechtsrahmen erhalten haben. Der erste Schritt muss vor dem zweiten gemacht werden, Herr Harms! Das ist unser Antrag.
Die Landesregierung sollte sich daher im Bundesrat für eine Novellierung der Arbeitsstättenverordnung einsetzen: In Ergänzung zu den bisherigen Regelungen für Telearbeitsplätze sind die Rahmenbedingungen für unterschiedliche Formen des mobilen Arbeitens neu festzulegen, um die Arbeitsfähigkeit von Unternehmen umfassend zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren, das Homeoffice braucht einen verbindlichen rechtlichen Rahmen, auch im Bereich des Arbeitsschutzes. Was es nicht braucht, sind Bürokratisierungsphantasien von Herrn Heil und der SPD. Ein Recht auf Heimarbeit greift unzulässig und unnötig in die Vertragsfreiheit ein und geht an betrieblichen Realitäten vorbei. Ihre Vorstellungen zu Schulungen vor Beginn einer Tätigkeit im Homeoffice sind ebenso pauschal wie dirigistisch.
Ja, letzter Satz: Statt dieser Regelungswut der Staatsgläubigen braucht es Regelungen mit Augenmaß. Die erste Gelegenheit hierzu bietet unser Antrag. Da haben wir wieder einmal genau ins Schwarze getroffen, das zeigt -
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der Trend zur multilokalen Arbeitswelt - also zum flexiblen Arbeiten, ob Homeoffice, mobiles Arbeiten oder Co-WorkingSpaces - ist in vollem Gang, Das war auch vor Corona schon so, aber die Coronapandemie hat diese Entwicklung enorm beschleunigt.
Um Infektionsketten zu unterbrechen und den Betrieb sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, haben viele Arbeitgeber ihre Angestellten von zu Hause aus arbeiten lassen, wobei es - das sei an dieser Stelle gesagt - weder ein Recht noch einen Zwang zum Arbeiten im eigenen privaten Zuhause gibt. Das ist auch gut so, denn dies ist ein Thema, das Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihrer Autonomie lösen müssen. Das unterscheidet uns von der teilweise einseitigen Regelungswut der SPD in diesen Fragen.
Aufgrund der Pandemie erfolgt der Wechsel zum Homeoffice und ins mobile Arbeiten nun früher, vielfach in sehr kurzer Zeit, sodass Arbeitsplätze im Privatbereich des Angestellten nicht immer der aktuellen Arbeitsstättenverordnung oder auch anderen Rechtsvorschriften entsprechen konnten und es sehr viel Unsicherheit gibt.
Arbeitszimmer waren beispielsweise oft nicht vorhanden. So wurde von Küchen- und Wohnzimmertischen oder auch von unterwegs gearbeitet, an Orten, an denen Arbeits- und Datenschutz nicht immer gewährleistet werde konnte.
Da aber die Gewährleistung der Sicherheit und der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten das oberste Ziel sein muss, besteht derzeit sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Arbeitnehmern, Berufsgenossenschaften oder auch Arbeitsschutzbehörden schon eine gewisse Unsicherheit, wobei ich an dieser Stelle auch festhalten möchte, dass diese Akteure sehr gewissenhaft mit dem Thema umgehen. Denn wenn es darum geht, die Verhältnisse vor Ort rechtssicher beurteilen zu können, müssen die Arbeitsstättenverordnung, aber auch andere, weitere Rechtsvorschriften an die sich immer weiter entwickelnden multilokalen Arbeitswelten angepasst werden.
Diese Fragen gibt es allerdings nicht erst seit der Coronapandemie, sondern Corona hat sie lediglich präsenter gemacht. Darum bitten wir die Landesregierung, die schon dabei ist, sich um dieses Thema zu kümmern, sich auf Bundesebene weiterhin und intensiv für eine Weiterentwicklung weiterer Rechtsvorschriften in diesem Sinne einzusetzen.
Im Ergebnis dürfen die gesetzlichen Regelungen die unterschiedlichen Formen des Arbeitens nicht verhindern, sondern sollen sie unterstützen und fördern.
In den Fällen, in denen bereits ein Homeoffice vorhanden ist, stellt sich schon jetzt die Frage, ob die Kosten des Heimarbeitsplatzes - also anteilige Miete, eventuell Abschreibungen, Nebenkosten wie Gas, Wasser, Strom, Grundsteuer - steuerlich abzugsfähig sind. Die derzeitige Regelung sieht einen Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten oder Betriebsausgaben grundsätzlich nicht vor. Eine Ausnahme gilt, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung abbildet. Steht für die betriebliche oder die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, sind die Aufwendungen bis zu 1.250 € pro Jahr abziehbar.
Diese allgemeine Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit sieht das Bundesverfassungsgericht aus Gründen der Missbrauchsabwehr als sachlich gerechtfertigte Regelung an, denn es gilt das objektive Nettoprinzip. Das ist also höchstrichterlich entschieden: Ein häusliches Arbeitszimmer wird in der Rechtsprechung als Raum definiert, der fast ausschließlich für die Erzielung von Einkünften genutzt wird. Damit setzt der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich beziehungsweise nahezu ausschließ
lich für berufliche Zwecke genutzt wird, und es gilt ein Aufteilungsverbot, denn die Schreibtischecken in der Küche oder im Schlafzimmer sind hiervon bewusst ausgeschlossen.
Laut Bundesfinanzhof - darauf bezieht sich auch der SSW-Antrag - dient diese Auslegung einer sachgerechten Abgrenzung von beruflichem und privatem Bereich. Die Unterbindung von Gestaltungsmöglichkeit und vor allem - ich schaue einmal Richtung Finanzministerin - die Erleichterung des Verwaltungsvollzuges sind hier ganz wichtige Dinge, die wir beachten müssen. In der Tat: Eine sachgerechte Abgrenzung des beruflichen Bereichs und der privaten Lebensführung werden in solchen Mischfällen, die es gerade sind, mangels sachgerechtem Aufteilungsmaßstabes kaum gewährleistet. Denn was ist eigentlich sachgerecht? - Der Steuerpflichtige und das Finanzamt werden sich in dieser Frage ziemlich doll streiten. Lieber SSW, wenn man Ihre Forderung eins zu eins umsetzen würde, würde es einen riesigen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen, sowohl beim Steuerpflichtigen als auch bei der Steuerverwaltung und zwangsläufig auch bei den Gerichten.
Ich erkenne dennoch das Ziel der steuerlichen Berücksichtigung beruflich bedingter Aufwendungen im Homeoffice an. Wir brauchen eine Lösung, aber ganz so einfach ist es nicht. Ich könnte mir zum Beispiel die Einführung von festen Pauschalen vorstellen, um wenigstens Rechts- und Auslegungsstreitigkeiten zu verhindern. Ich könnte mir in der Praxis schon vorstellen -