Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

Obwohl Umweltstaatssekretär Tobias Goldschmidt vor Kurzem noch einmal die Bedeutung von Recycling hervorgehoben hat, hat die Nachfrage nach Recyclingbaustoffen im öffentlichen Straßen- und Wegebau seit 2017 kontinuierlich abgenommen. Auf diese Entwicklung hat die Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein zusammen mit der Entsorgergemeinschaft im März aufmerksam gemacht. In ihrem gemeinsamen Brandbrief hieß es ich zitiere mit Erlaubnis -:

„Die vonseiten des Gesetzgebers beim Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen bei öffentlichen Vergaben verankerte Forderung,

vorrangig Recyclingbaustoffe auszuschreiben und einzusetzen, findet in Norddeutschland bei der öffentlichen Hand fast gar nicht mehr statt.“

Recyclingbaustoffe werden bei öffentlichen Bauvorhaben kaum noch eingesetzt und finden nur noch bei privaten und gewerblichen Bauherren eine gewisse Verwendung. Oft wird - so die IHK - bei aktuellen Ausschreibungen sogar die Verwendung von Recyclingbaustoffen ausgeschlossen. Als Folge dieser Entwicklung bestehen mittlerweile nur noch eingeschränkte Annahmekapazitäten für mineralische Bau- und Abbruchabfälle bei den da zubereiten Unternehmen.

Auf politischer Ebene sind Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung im Bauwesen zwar schon seit Längerem ein Thema, aber die Aktivitäten der Jamaika-Fraktionen hierzu sind sehr überschaubar. Auch der jetzt vorgelegte Antrag, der wie ein reichlich schwacher Alternativantrag zu unserem Original daherkommt, ändert daran nichts, denn hier reihen sich lediglich Allgemeinplätze aneinander. Da heißt es, der Sicherung von Rohstoffen komme eine besondere Bedeutung zu, die Landesregierung möge prüfen und dann dem Ausschuss berichten. Noch weniger Substanz ging wohl nicht, und das bei einem so handfesten Thema!

Im Unterschied dazu haben wir als AfD-Fraktion bereits vor zweieinhalb Jahren gefordert, die Versorgung mit Sand und Kies im Land sicherzustellen. In unserem Antrag vom März 2018 haben wir gefordert, den Abbau in Landschaftsschutzgebieten zu vereinfachen und die geeigneten Lagerstätten auch im Rahmen der Regionalplanung auszuweisen. Unserem aktuellen Antrag, der bereits vor fünf Monaten eingereicht und mehrfach geschoben wurde, bis die CDU dieses Thema für sich entdeckte, war eine Kleine Anfrage zu den Einsatzmöglichkeiten von Recyclingbaustoffen vorausgegangen.

Sie sehen, wir bleiben an diesem Thema dran und springen nicht erst wie andere Fraktionen hier im Haus am letzten Tag drauf.

Mineralische Bau- und Abbruchabfälle stellen die größte Gruppe im gesamten Abfallaufkommen in ganz Deutschland dar. Jährlich entstehen fast 200 t. Das entspricht 52 % und damit über der Hälfte aller in Deutschland anfallenden Abfälle.

Vor diesem Hintergrund ist die Zeit für allgemeine Prüfaufträge an die Landesregierung vorüber. Stattdessen sollte der Einsatz von Recyclingbaustoffen bei öffentlichen Ausschreibungen konkret unter

(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

stützt und dadurch zu einer Schonung von Primärrohstoffen beigetragen werden.

Die ausschreibenden öffentlichen Stellen benötigen detaillierte schriftliche Handlungsempfehlungen, um Ausschreibungen so zu gestalten, dass der Einsatz von Recyclingbaustoffen überall dort konkret ermöglicht wird, wo es zulässig ist. Wir wissen alle aus der Bauwirtschaft, dass das aus technischen Gründen nicht überall geht; aber wo es zulässig ist, sollen sie verwendet werden.

Diese und weitere Optionen zur Verwendung von Recyclingbaustoffen müssen verstärkt gefördert werden. Hierzu können Erfahrungen aus anderen Bundesländern, zum Beispiel Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Brandenburg, genutzt werden.

Neben konkreten Handlungsempfehlungen an öffentliche, gewerbliche und private Auftraggeber benötigen wir aber auch eine zielgerichtete Fortsetzung der Deponiebedarfsplanung. Auch diese Bedarfsplanung ist auf zusätzliche Kapazitäten für Recyclingbaustoffe auszurichten.

Nur mit diesen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit werden wir eine konkrete Steigerung der Recyclingquote erreichen, im Sinne der Bauwirtschaft, im Sinne der Ressourcenschonung und damit des Umweltschutzes. Ökonomie und Ökologie ziehen hier an einem Strang. Daher bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Lukas Kilian.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Recyclingbaustoffe ist wichtig, weil es um Ressourcenschonung, die nachhaltige Verwendung von Rohstoffen, die fachgerechte und umweltverträgliche Lagerung und Entsorgung von Abfällen geht. Deswegen haben wir dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt.

Um es gleich vorweg zu sagen: Liebe Abgeordnete von der AfD, für Initiativen in diesem Haus sind Sie nicht zu gebrauchen. Wir können alleine denken, und wir stellen fest, dass alle demokratischen Parteien in diesem Haus auf unseren Antrag gegangen sind und in dieser Sitzung ein Bekenntnis zu Recyclingbaustoffen leisten. Das ist ein deutlich wichtigeres und sinnvolleres Signal für Recycling

baustoffe in Schleswig-Holstein als irgendwelche Schauanträge von Ihnen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Volker Schnurr- busch [AfD]: Das ist ganz schwach!)

Für Schleswig-Holstein mit seiner sensiblen Natur und seinen bedeutenden Ökosystemen sind die Aufgaben der ressourcenschonenden Baustoffpolitik generationenübergreifend wichtig. Nur eine vorausschauende Planung und ein verantwortungsvoller Umgang mit Baustoffen können langfristig zum Erfolg führen.

Wir müssen uns um Themen wie Kies- und Sandabbau kümmern. Wir müssen uns um die Nutzung von Recyclingbaustoffen kümmern, um die fachgerechte Lagerung von Stoffen, die wir dem Kreislauf wieder zuführen können, aber auch um die fachgerechte Entsorgung von Stoffen, die wir aus dem Kreislauf herausgefiltert bekommen wollen, wie zum Beispiel Asbest.

Meine CDU-Fraktion hat sich dieser Themen in der Sommerpause intensiv angenommen und wird einen Baustoffgipfel durchführen, um über die Hürden und Chancen bei den Baustoffthematiken insgesamt zu diskutieren.

Heute beschäftigen wir uns im Landtag mit dem Thema Baustoffrecycling. Ich denke, hier können wir als Land eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Unser Ziel ist dabei klar: Wir wollen so viel wie möglich wiederverwerten. Alle Baustoffe, die noch einen Wert haben, müssen dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt werden.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch hier merkt man, dass Ihr Antrag dann doch nicht ganz durchdacht ist, liebe Kollegen von der AfD-Fraktion; denn Sie beschränken sich tatsächlich nur auf den Straßen- und Wegebau. Da fehlt Ihnen Kreativität. Wir brauchen RC-Baumaterialien überall dort, wo sie einsetzbar sind.

Es geht los mit der Reaktivierung von Bahnstrecken. RC-Schotter ist ein Riesenthema. Bei Hein Schönberg werden 800.000 t Schotter verbaut. Wenn es dort ein Recyclingprodukt gibt, das möglicherweise sogar noch günstiger ist, klassifiziert und nicht belastet, dann sollten wir ein solches Produkt einsetzen und keine Primärmaterialien.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt SPD)

(Volker Schnurrbusch)

Natürlich brauchen wir RC-Baustoffe aber auch für den Straßenbau sowie bei privaten Bauherrn. Überall dort, wo Neumaterialien besorgt werden könnten, sollte man sich zunächst die Frage stellen: Geht das auch nicht mit Recyclingbaustoffen?

Es darf nicht sein, dass sich Städte in unserem Land damit rühmen, Natursteine in den Straßenunterbau einzubauen und keine Recyclingprodukte zu nutzen. Das ist der völlig falsche Ansatz. Er verschwendet nämlich Steuergeld und unendlich viel Ressourcen in unserem Land.

Uns ist klar, dass wir bei manchem Akteur Recyclingbaustoffe gedanklich aus der Schmuddelecke holen müssen. Das hat zugegebenermaßen gar nichts mit Ihrem Antrag von der AfD zu tun, obwohl man das denken könnte, sondern es hat etwas damit zu tun, dass einem Recyclingprodukt gerade im Bauwesen das eine oder andere Mal ein wenig der Gedanke anheftet, dass das Recyclingprodukt möglicherweise gar nicht so gut sein könnte wie ein Primärprodukt. Das ist völliger Unsinn. RC-Baumaterialien sind nämlich aufwendig aufbereitet und klassifiziert. Zum Teil weiß man bei RC-Materialien genauer, was drin ist, als bei den Primärrohstoffen, weil diese gar nicht so genau klassifiziert werden müssen. Deswegen ist auch das ein Scheinargument, RC-Produkte nicht einzusetzen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir müssen bei dem gesamten Klassifizierungsverfahren aber auch aufpassen, dass wir mit deutscher Gründlichkeit das Recyclingprodukt durch eine diverse Prüfungsmaschinerie nicht teurer machen als das Primärprodukt, weil das Recyclingprodukt so aufwendig überprüft wird, wie das beim Primärprodukt nicht der Fall ist. RC-Materialien müssen von Anfang an wettbewerbsfähig gehalten werden.

Mit unserem Antrag bitten wir nun die Landesregierung, bei landeseigenen Bauvorhaben so viel wie möglich wiederzuverwerten. Schon bei Ausschreibungen soll an den Ressourcenschutz gedacht werden.

Recyclingbaustoffe sind eine adäquate und umweltfreundliche Alternative zu den natürlichen Baustoffen. Ihr Einsatz ist nachhaltig und hilft, vorhandene natürliche Rohstoffressourcen zu schonen. Doch nicht nur das; nicht nur die Rohstoffressourcen werden geschont, auch die Deponieressourcen werden geschont. Das ist wichtig, weil wir die Deponien für die Stoffe brauchen, wie zum Beispiel Asbest, die wir definitiv nicht wiederverwerten können und wollen, die herausgefiltert werden müssen.

Wenn wir es also schaffen, Baustoffrecycling so sinnvoll zu betreiben, dass auch unsere Deponien von wiederverwertbaren Stoffen befreit werden, dann können wir diesen nutzen, um die auszusortierenden Stoffe auf den Deponien entsprechend zu lagern.

Es ist daher festzuhalten: Wir müssen den Weg freimachen. Lassen Sie uns gemeinsam einen Weg gehen, um Ressourcen zu schonen, nachhaltig zu bauen und Kosten zu senken. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt SPD)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Thomas Hölck das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einen herzlichen Dank an die Servicekraft dafür, dass wir hier immer so sicher reden können.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Es muss unser Ziel sein, ressourcenschonend, DINgerecht und bezahlbar zu bauen. Nach Angaben des Umweltbundesamts gehört der Bausektor zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren überhaupt. Der Bestand an Gebäuden und Infrastrukturen sei mengenmäßig das bedeutendste menschengemachte Rohstofflager, das nach Nutzungsende wieder dem Recycling zugeführt werden muss.

Die Reduzierung und die Verwertung von Bauabfällen sind daher wichtige Ziele einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Der umsichtige Umgang mit Baustoffen ist daher eine wichtige Säule erfolgreicher Klimapolitik und gehört zur Nachhaltigkeit.

Um natürliche Ressourcen und Deponieraum einzusparen, wurden das Kreislaufwirtschaftsgesetz, die europäische Abfallrahmenrichtlinie und das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm eingerichtet.

Schauen wir uns die Lage in Schleswig-Holstein an. Im Jahre 2015 fielen 1,8 Millionen t mineralische Bau- und Abbruchabfälle an sowie etwa 200.000 t Straßenaufbruch. Je nach Vergabe von Aufträgen schwanken diese Werte von Jahr zu Jahr.

Nach Angaben der Landesregierung werden in Schleswig- Holstein derzeit bis zu 90 % der anfallenden Bau- und Abbruchabfälle verwertet. Zu der

(Lukas Kilian)

Verwertung gehört allerdings auch die Verfüllung von Deponieraum. Es geht also nicht nur um eine Verwertung in Richtung Recycling und Wiedereinbau in Bauwerken, sondern auch um eine Verfüllung von Deponieräumen, was auch richtig und wichtig ist, weil damit wichtige Kiesvorräte geschont werden.

Die Diskussion um den Einsatz von Recyclingbaustoffen darf aber eines nicht ausblenden: Wir benötigen auch in Zukunft Sand und Kies; denn hochwertige Betonsorten, Ziegel und Kalksandsteine benötigen verlässliche Sand- und Kiesgewinnung. Dafür müssen wir entsprechend sorgen.