Vielen Dank, Herr Berichterstatter. - Ich eröffne dann die Aussprache. Das Wort für den SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Anträge lassen sich gut vergleichen. Der erste Punkt: Die auskömmliche
Gestaltung des Bildungs- und Teilhabepakets. Die Landesregierung wird gebeten, sich für eine Weiterentwicklung und Dynamisierung des Bildungs- und Teilhabepakets auf Bundesebene einzusetzen. Da sind wir uns einig.
Der zweite Punkt: Die Bereitstellung von digitalen Endgeräten, die kostenfrei an Schülerinnen und Schüler verliehen werden sollen. Die Mittel sind längst beschlossen. Das ist also erst einmal keine Neuerung.
Dritter Punkt: Die Koalition stellt fest, dass bei Klassenfahrten und Ausflügen die Kosten niedrig gehalten werden sollten. Für die Schulen könne es unverbindliche Richtwerte geben, der Bildungsausschuss solle jedenfalls über eventuelle Leitfäden informiert werden. Was unsere Schulen aber brauchen, sind klare Richtwerte und ein neues Kostenbewusstsein.
Der vierte Punkt enthält einen Satz, der die Haltung von Jamaika festschreibt und die politischen Unterschiede wirklich sichtbar macht:
„Eltern werden auch weiterhin einen Beitrag für die Teilnahme ihrer Kinder an Schulveranstaltungen und am Unterricht leisten müssen.“
Nein, das sollte so nicht sein. Für den SSW gilt: Unser ganz klares bildungspolitisches Ziel bleibt die kostenfreie Bildung für unsere Kinder und Jugendlichen.
Fünfter Punkt. Jamaika stellt fest: Die Fördermaßnahmen für Kinder, die einen zusätzlichen Unterstützungsbedarf haben, reichen so, wie sie jetzt sind, aus. Da muss man scheinbar nichts weiter tun. Stattdessen sollen sich die Kinder lieber in adaptiven Lernsystemen beim E-Learning eigenverantwortlich dem Stoff widmen.
Sechster Punkt: Die Finanzierung der Ganztagsoffensive. Auch da gibt es einen Fingerzeig auf den Bund, der sich erheblich an den Kosten beteiligen soll. Das verstehe ich ja.
Aber wissen Sie, was mir in dem Ganzen wirklich fehlt? Wann kommt der Teil, in dem sich die Regierung aktiv einbringt? Was tut das Land tatsächlich, um Familien bei schulischen Lernmitteln zu unterstützen? Wenn wir einmal ehrlich sind: Angesichts der ganzen Prüfaufträge und Verschiebungen von Verantwortung, die Sie hier betreiben, hätten Sie auch einfach meinem Antrag zur Fortschreibung
Wenn man sich schon an den Bund richtet, dann doch bitte mit einem klaren politischen Ziel, und das bleibt für den SSW ganz klar die Chancengleichheit für alle. Dem Zugang zu Bildung dürfen keine finanziellen Hindernisse entgegenstehen. Deswegen fordern wir gemeinsam mit der SPD die Landesregierung zu Bundesratsinitiativen auf, die wirklich etwas bewegen würden, nämlich erstens die eigenständige Kindergrundsicherung, zweitens die auskömmliche Ausgestaltung und Dynamisierung des Bildungs- und Teilhabepakets und drittens eine ausfinanzierte Ganztagsoffensive, die auch das Mittagessen beinhaltet.
Zusätzlich fordern wir die Landesregierung auf, den Einstieg in die kostenfreie Grundschule ernsthaft zu verfolgen. Außerdem brauchen wir Strukturen in den Schulen, die so auf die Bedarfe der Schülerinnen und Schüler eingehen können, dass Eltern nicht mehr für den Nachhilfeunterricht ihrer Kinder zahlen müssen. Darüber hinaus fordern wir vom Land, die beruflichen Schulen fortan bei der Datenerhebung zur Lernmittelfreiheit mit zu berücksichtigen und schließlich die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II in die Bezuschussung der Schülerbeförderung einzubeziehen.
Wir geben uns nicht damit zufrieden, dass SchwarzGrün-Gelb meint, es sei historisch festgeschrieben, dass Eltern für Schulveranstaltungen und Materialien ihrer Kinder bis in alle Ewigkeit weiterzahlen müssen. Wir wissen aus nächster Nähe, dass das auch anders geht. In Dänemark zahlen die Eltern für die Grundbildung der Kinder nicht eine Krone. Das ist im Vergleich zum Jamaika-Antrag natürlich der große Wurf. Aber wir haben eben noch Ambitionen für Verbesserungen in der Bildung. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
gen! Schon in der vergangenen Legislaturperiode hat sich der Bildungsausschuss intensiv mit der Finanzierung von Lernmitteln auseinandergesetzt. Ausgangspunkt - das werden die Kollegen, die dabei gewesen sind, wahrscheinlich noch wissen - war eine Erhebung des IPN zu den Anteilen der Eltern an den schulischen Bildungskosten ihrer Kinder. Das Ergebnis zeigte, dass Eltern im Durchschnitt knapp 1.000 € pro Kind und Schuljahr ausgeben.
Die höchsten Kosten beliefen sich auf gut 300 € für die Versorgung und Betreuung. Das sind zum Beispiel Fahrtkosten, Schulessen und Nachmittagsbetreuung. Die geringsten Kosten betrugen durchschnittlich knapp 50 € für Bücher. Für Verbrauchsmaterial wurden im Durchschnitt 89 € ausgegeben. Diese wenigen Zahlen zeigen schon, dass das Thema nicht einfach zu bewältigen ist. Es gibt ganz unterschiedliche Ursachen für Kosten und vor allem zwischen Bund, Ländern und Kommunen sehr unterschiedliche Verantwortlichkeiten. Da verwundert es auch nicht, dass die Zeit in der vergangenen Legislaturperiode nicht gereicht hat, um das Thema zum Abschluss zu bringen. Deshalb haben wir dessen Behandlung auch intensiv fortgesetzt - die Kollegen vom Bildungsausschuss wissen das -, indem wir in verschiedenen Gesprächsrunden Aspekte beleuchtet haben.
Jette Waldinger-Thiering hat gerade gesagt, der SSW-Antrag würde doch auch helfen, das Thema voranzubringen. Ich sehe das überhaupt nicht so; ich habe gerade schon Zahlen genannt. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern wir wissen ganz genau, wie sich Bildungskosten am Ende verteilen. Jetzt noch einmal eine Analyse zu machen, das lehnen wir ab. Wir glauben, wir sind in dieser langen Diskussion an einem Zeitpunkt angekommen, an dem wir einen Strich ziehen können, und das tun wir mit unserem Antrag anhand von sechs Punkten.
Erstens. Auskömmliche Gestaltung des Bildungsund Teilhabepakets: Liebe Frau Waldinger-Thiering, da hätte ich mir mehr Enthusiasmus gewünscht. Denn gerade auf Initiative Schleswig-Holsteins ist da viel passiert. Mit dem Starke-FamilienGesetz wurden die Leistungen aus dem Bildungsund Teilhabepaket zum 1. August 2019 erheblich verbessert. Das hilft gerade Familien mit geringem oder gar keinem Einkommen. Dabei ist der pauschale Schulbedarfsbetrag - das war lange eine Diskussion - auf 150 € erhöht worden. Es gibt jetzt Unterstützung für Nachhilfe, auch wenn man keine schlechten Leistungen hat. Kosten für Klassenfahrten werden für diesen Kreis komplett übernommen. Besonders freuen wir uns darüber, dass der Eigen
anteil für gemeinschaftliches Mittagessen sowie die Schülerbeförderung wegfällt. Gerade das haben wir als CDU erreicht. Das möchte ich an dieser Stelle sagen. Denn wir haben mit Kein-Kind-ohne-Mahlzeit Veränderungsdruck gemacht. Wir haben diese Leistung erst als Land aufgebracht, inzwischen ist es eine Bundesleistung geworden und basiert auf viel ehrenamtlichem Engagement. Das ist etwas, was aus Schleswig-Holstein gekommen ist. Darauf können wir sehr, sehr stolz sein.
- Ja, das ist so. Wichtig ist - das wurde hier auch schon gesagt -, dass wir am Ende dieses Teilhabepaket auch dynamisieren.
Zweitens. Bereitstellung von digitalen Endgeräten: Darüber haben wir gestern schon diskutiert. Dabei habe ich von Dataport berichtet, dass digitale Endgeräte ausgeliehen werden. Wir wollen, dass am Ende Leihmöglichkeiten entstehen, dass die Schüler Zugang zu diesen Endgeräten haben, diese ihnen kostenfrei zur Verfügung stehen und von zu Hause aus genutzt werden können. Das sichert Chancengerechtigkeit in der Bildung. Auch in diesem Bereich sind wir viel, viel weiter, als wir das noch vor einigen Jahren waren.
Drittens. Klassenfahrten und Ausflüge: Für viele Eltern sind hohe Kosten für Klassenfahrten und Ausflüge ein Problem. Ja, das haben auch wir erkannt. Darüber haben wir intensiv diskutiert, insbesondere darüber, ob es einen Höchstbetrag von Klassenfahrten geben soll. Wir bleiben aber dabei, dass wir sagen: Die Schulen sollen dafür zuständig sein, sie sollen am Ende darüber entscheiden. Ich glaube, das ist der richtige Weg, dass die Schulen über diese Kosten für Klassenfahrten und Ausflüge entscheiden. Wir wollen aber das Ministerium dazu bringen, Handlungsempfehlungen dafür zur Verfügung zu stellen.
Viertens. Verbrauchskosten und Lernmittel mit Bedeutung für den persönlichen Gebrauch: Dazu ist mir im Grundsatz sehr wichtig zu sagen: Eltern werden auch weiterhin einen Beitrag für die Teilnahme ihrer Kinder an Schulveranstaltungen und am Unterricht leisten müssen. Aber wir müssen genauer die Praxis unter die Lupe nehmen und sicherstellen, dass bestehende Regelungen eingehalten werden. Ein sehr, sehr gutes Beispiel ist das Kopiergeld. Es ist nicht gestattet, pauschal in den Klassen Kopiergeld einzusammeln. Die Kosten sind eindeutig durch den Schulträger zu übernehmen. Das Thema werden wir uns übrigens auch noch ein
mal mithilfe des Bildungsministeriums im Bildungsausschuss anschauen. Das ist ein sehr konkretes Beispiel, wo man beim Thema Verbrauchsmittel heute etwas machen kann.
Fünftens. Individuelles Lernen durch Fördermaßnahmen: Da weise ich darauf hin, dass wir gerade durch Differenzierungsstunden heute schon sehr, sehr viele Maßnahmen in der Schule haben. Das ist eine Form von Nachhilfe.
Sechstens. Gestaltung der kommenden Ganztagsoffensive: Da sind wir ganz am Anfang, das diskutieren wir jetzt mit dem Bund. Wer sagt, dass es am Ende einen gesetzlichen Anspruch auf Ganztag für Klasse eins bis vier geben muss und das im Bundesrecht festlegt, der muss dann schon auch in Richtung Berlin sagen, dass von dort auch ein Teil zu zahlen ist, zumal wir über mehrere 100 Millionen € reden, wenn man das anständig macht. Deshalb glaube ich, dass wir hier noch am Anfang der Diskussion stehen. Klar wird es am Ende darum gehen, ob man für Betreuung bezahlt. Das halte ich am Ende - genauso wie bei der Kita-Diskussion nicht für verkehrt. Man muss es aber unter verschiedenen Aspekten teilen. Derjenige, der wenig Geld hat, soll es sich am Ende auch leisten können - im Sinne einer Sozialstaffel. Dafür stehen wir als CDU.
Mit diesem Antrag bringen wir richtige Themen in Sachen Lernmittel auf den Weg. Man kann immer sagen, dass das zu wenig ist.
Ich glaube aber schon, dass sich der intensive Austausch im Bildungsausschuss zu diesem Thema gelohnt hat. Das sind Ergebnisse, die wir vorweisen können. - Danke sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werter Gast! Vielfach sind es Momentaufnahmen, die mich in meinen Entscheidungen sehr prägen. Die Blicke der Eltern, die vor drei
Wochen die Materialliste der Schule abarbeiteten, sprachen Bände, als ich in Schenefeld in meinem Wahlkreis in einem Drogeriemarkt einkaufen war. Leuchtende Kinderaugen zum einen, die sich über den Schulstart freuten, und auf der anderen Seite durchaus kritisch blickende Eltern, die sich preisvergleichend durch das Sortiment arbeiteten, weil sie genau wussten, das stellt für sie eine große finanzielle Herausforderung dar.
Ich spürte genau, wie schlecht sich meine Frau fühlte, als sie wiederholt mit einzelnen Eltern aus der Klasse wegen der letzten ausstehenden Rate für die Klassenfahrt, die im September hier nach Schleswig-Holstein ansteht, Rücksprache halten musste, weil das Geld immer noch fehlte und die Unterkunft Druck machte.
Wenn ich dann den Antrag der Koalition zu den Schulkosten lese, muss man allerdings den Eindruck gewinnen, vieles sei schon geschafft und das Ziel fast greifbar. Das stimmt aber nicht. Seien Sie bitte ehrlich: Hinweise, dass das Bildungsministerium bitte den Kostenrahmen für Klassenfahrten überprüfen und entscheiden möge, ob überhaupt eine punktuelle Anpassung möglich wäre, helfen den Eltern doch nun wirklich nicht weiter.
Unsere Gesellschaft ist von großer Ungleichheit geprägt. Das ist nichts Neues, denn bereits PISA 2000 hat nachgewiesen, dass diese Ungleichheit der Herkunft bei uns einen größeren Einfluss als in anderen Ländern der Welt darauf hat, welche Bildungschancen ein junger Mensch verwirklichen kann.
Bereits vor Jahren ist der Betrag, den die Familie pro Kind und Jahr für Kosten aufwenden muss, die mit dem Schulbesuch direkt zusammenhängen, auf rund 1.000 € angestiegen. Für viele Familien in Deutschland und in Schleswig-Holstein ist ein solcher Betrag kein Problem, für andere Familien ist er ein riesiges Problem - und die dürfen wie nie vergessen.