Protokoll der Sitzung vom 28.08.2020

(Beifall FDP)

Wenn es so ist, dass Wirtschaftsprüfer, Steuerberater mit der Förderplattform des Bundeswirtschaftsministers nicht zurechtkommen, also Menschen, die sich durchaus damit auskennen, Förderanträge für

(Christian Dirschauer)

ihre Mandanten vorzubereiten und zu stellen, und dadurch Fristen versäumt werden und jetzt verlängert werden müssen, ist das ein Punkt, auf den hier auch hingewiesen werden darf. Es ist nicht das Versäumnis des Bundesfinanzministers. Lassen Sie mich auch sagen: Der Bundesfinanzminister kommt in Kabinettsdiskussionen, wenn ein Förderprogramm aufgelegt wird - das wird unsere Landesfinanzministerin vielleicht bestätigen -, ein um das andere Mal so ein bisschen als Spaßbremse daher.

Das ist überhaupt nichts, weshalb wir nach Berlin fahren müssten. Das ist überhaupt nicht erforderlich. Wir führen die entsprechenden Gespräche. Olaf Scholz macht da einen sehr guten Job.

Wenn wir beim Druckaufbauen sind, sollten wir das gemeinsam in Richtung des Bundesfin- -

(Heiterkeit)

- jetzt verspreche ich mich schon -, in Richtung des Bundeswirtschaftsministers Altmaier tun. Wir brauchen Programme, die handhabbar sind, damit die bereitgestellten Mittel abgerufen werden können. Vielen Dank.

(Beifall SPD, FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich das zweiteilen. Lassen Sie mich zuerst etwas zum Thema Tourismus und Hotel- und Gaststättengewerbe im Lande und deren Situation und in einem zweiten Teil etwas zum Thema Überbrückungshilfen und zu den Förderprogrammen, die zurzeit noch aufgelegt sind, sagen.

Der Steuerungskreis Tourismus, der am vergangenen Freitag als Videokonferenz getagt hat und der sich einen Überblick darüber verschafft hat, was zurzeit im Lande los ist, hat ein Bild gezeichnet, von dem man zurzeit sagen muss: Na ja, im Großen und Ganzen könnten wir mit einem blauen Auge davonkommen. - Das ist super. Aber „im Großen und Ganzen“ heißt halt auch, dass es sehr unterschiedlich ist.

(Annabell Krämer [FDP]: Genau!)

„Sehr unterschiedlich“ heißt eben auch, dass Beherbergungsbetriebe an den Küsten zurzeit mit Belegungszahlen operieren können, die sogar über dem Vorjahr liegen. Camping boomt in diesem Land ganz unglaublich. Ferienwohnungen sind in einer unglaublichen Art und Weise ausgelastet, und das auch in die Nachsaison hinein. In bestimmten Bereichen, wo insbesondere die Veranstaltungen in den gastronomischen Betrieben fehlen, und das insbesondere in den Städten und im Binnenland, ist die Not nach wie vor groß.

Wie gesagt, das Gesamtbild wird durchaus so sein, dass man aus meiner Sicht hoffentlich sagen kann: Wir kommen mit einem blauen Auge davon. - Ich warne aber davor, jetzt schon zu sagen: Leute, es ist ganz gut gegangen.

Eine Regelung speziell macht mir Sorge. Das will ich ganz deutlich sagen. Nicht nur im Hotel- und Gaststättenbereich, sondern vor allem in der Veranstaltungsbranche und bei einigen Reiseunternehmungen, in Reisebüros entstehen Situationen, auf die wir zurzeit mit den Themen, die aus Berlin angeschoben sind, noch nicht richtig aufgestellt sind. Wir haben eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Tatbestand der Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020. Das hat der Koalitionsausschuss am Montag beschlossen. Dabei wissen die wenigsten, dass die Insolvenzen, die aus dem Grund Überschuldung beantragt werden, die geringsten sind.

(Annabell Krämer [FDP]: Ja!)

Das macht etwa 10 % bis 15 % der Insolvenzen aus. 85 % der Insolvenzen werden wegen Zahlungsunfähigkeit eingeleitet.

Ich hoffe, dass wir im Oktober/November nicht eine Novelle erleben, die den Hintergrund haben könnte, dass wir mit zurzeit sehr engen Voraussetzungen in der Überbrückungshilfe, mit hohen Einstiegshürden - im April und Mai müssen mehr als 60 % Umsatzverlust da gewesen sein und in den Monaten ab Juli, August und jedem weiteren Monat mehr als 50 % Umsatzverlust vorliegen - denjenigen, denen es ganz schlecht geht, helfen und diejenigen, die 49 % Umsatzeinbruch und trotzdem hohe Fixkosten haben, nichts anderes machen können, als zum Insolvenzrichter zu gehen.

Wir haben in diesem Lande mehr als im Rest der Republik mit zwei Instrumentarien dafür etwas vorgebaut. Das eine ist der Mittelstandssicherungsfonds für Hotel- und Gaststättenbereiche, und das Zweite ist der Härtefallfonds, mit dem wir dieses Programm auf alle anderen übertragen, um uns mit

(Regina Poersch)

Darlehenspaketen mit sehr langen Laufzeiten etwas abzusichern. Trotzdem besteht die Gefahr - das will ich ganz deutlich sagen -, dass im Herbst des Jahres durchaus eine Welle von Insolvenzen auf uns zukommen kann.

Machen wir uns auch da nichts vor: Natürlich gibt es Mitnahmeeffekte. Natürlich gibt es auch Effekte für Unternehmen, die eigentlich nicht lebensfähig waren und derzeit mit den entsprechenden staatlichen Hilfen durch eine Zeit gebracht werden, obwohl sie eigentlich schon längst das Zeitliche gesegnet hätten. Wir haben zurzeit in Deutschland etwa 10 % weniger Insolvenzen als im Vorjahr, und das in Zeiten der größten Krise. Also, meine Damen und Herren, das ist wirklich ein heterogenes Bild, das uns zeigt: Noch ist Vorsicht geboten.

Ich nehme das Lob von allen Seiten sehr gern entgegen, ich glaube, es ist gerechtfertigt.

(Beifall FDP)

Die Landesregierung hat sehr frühzeitig mit einem Programm einer bestimmten Größenordnung gesagt: Wir stellen insgesamt 300 Millionen € zur Verfügung. Wir sind bisher auch mit dem Umschichten innerhalb dieses Pakets klargekommen. Wir haben den Härtefallfonds bedienen können, weil wir den Mittelstandsicherungsfonds und auch das, was wir für die Unternehmen mit fünf bis zehn Mitarbeitern vorgesehen haben, nicht im vollen Umfang gebraucht haben und deshalb in diesem Bereich umschichten konnten.

Eines will ich an dieser Stelle sagen, und dafür haben einige andere Bundesländer schwer Verständnis: Es geht nicht darum, so viel Steuergeld auf Pump wie möglich in die Wirtschaft zu schütten. Darauf kann es nicht ankommen.

Ich habe am Mittwoch an einer Wirtschaftsministerkonferenz teilgenommen. Da hatte man bei dem einen oder anderen Kollegen den Eindruck: Na ja, wenn die 25 Milliarden € noch nicht ausgeschöpft sind, dann müssen wir jetzt noch etwas machen, damit das Geld auch ausgeteilt werden kann.

(Christopher Vogt [FDP]: Wir wollen Namen hören!)

- Ich will das jetzt nicht sagen, denn das würde dem einen Koalitionspartner nicht gefallen. Aber das gibt es in allen Bereichen. Auch in meinem eigenen Parteiapparat gibt es da Leute.

Meine Damen und Herren, das heißt: Gezielt fördern und gezielt damit umgehen. Liebe Frau Poersch, etwas finde ich schade, aber Sie als Tou

ristikerin müssen das natürlich auf das Hotel- und Gaststättengewerbe beziehen. In Wahrheit geht es jetzt gar nicht mehr so sehr um eine branchenmäßige Verengung auf das Hotel- und Gaststättengewerbe. Jetzt geht es darum, dass die Überbrückungshilfen, die ja für alle Branchen gelten und breit aufgestellt sind, dazu führen, dass das, was am Anfang tatsächlich gesund war, jetzt auch existierend aus der Krise kommt und durch die Krise geführt wird. Das ist unsere Aufgabe, und das wissen wir.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir wissen auch: Das geht nur zeitlich befristet. Von dieser Stelle aus will ich deutlich sagen: Bei einigen Entscheidungen aus Berlin hat man den Eindruck: Na ja, nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Eine Insolvenzwelle darf es jedenfalls vor der Bundestagswahl nicht geben. - Das darf kein Entscheidungskriterium sein, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Ich glaube, wir sind zurzeit noch gut aufgestellt. Ich glaube, gerade im Tourismus- und Gastronomiegewerbe können wir uns nicht beklagen. Klaus Jensen hat es auch gerade gesagt. In die Richtung der Verantwortlichen sage ich, das eine oder andere geht ja wieder. Die gestrige Ministerpräsidentenkonferenz war für die Gastronomen nicht ganz unwichtig. In der ursprünglichen Beschlussvorlage stand nämlich, dass private Veranstaltungen auf 25 Menschen zu begrenzen seien. Das ist für alle Gastronomen, die Catering betreiben, tödlich. Wenn wir das wieder machen müssen, dann wissen wir auch, welche Auswirkungen das hat. Das ist nämlich eines der Standbeine der Gastronomie.

Deshalb ist mir sehr wichtig, dass wir - auch durch den Kollegen Garg - das Pandemiegeschehen sehr genau weiter im Blick behalten und dass die Verantwortlichen bitte auch im Interesse der eigenen Kundschaft dafür sorgen, dass die Hygiene- und Abstandsregeln gerade im Hotel- und Gaststättengewerbe eingehalten werden. Ich erlebe auch persönlich so manches Mal, dass Rücken an Rücken gesessen wird. Das trägt übrigens nicht zur Akzeptanz der Kundschaft bei. Es trägt nicht dazu bei, dass diejenigen, die im Sommer jetzt ganz oft auf den Terrassen draußen gesessen haben, zukünftig auch gern drinnen im Restaurant essen, wenn sie das Gefühl haben: Oh, hier wird eher etwas passieren, als dass ich sicher das Restaurant verlasse, ohne mich infiziert zu haben.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

Es ist im eigenen Interesse aller Beteiligten, die Abstands- und Hygieneregeln wirklich einzuhalten. Es ist auch im Interesse einer funktionierenden Gastronomie und eines funktionierenden Hotel- und Gaststättengewerbes. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um dreieinhalb Minuten verlängert. Davon können jetzt auch alle Fraktionen Gebrauch machen. - Ich sehe aber nicht, dass das der Fall ist. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, in der Sache abzustimmen. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/2366, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist einstimmig so angenommen.

Ich lasse abstimmen über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/2318, in der soeben geänderten Fassung. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist auch einstimmig angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 39 und 47 auf: Gemeinsame Beratung, a) Teilhabe während der Coronapandemie sicherstellen, Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/2323 (neu) -

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Mir wurde nicht mitgeteilt, dass der Tagesordnungspunkt abgesetzt wird. Deshalb mache ich so lange weiter, bis die Parlamentarischen Geschäftsführer etwas sagen.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Frau Vizepräsiden- tin! Aufgrund der Uhrzeit, die wir haben - - Wir haben noch eine Abstimmung und einen Tagesordnungspunkt! Den können wir nach dem ersten gesetzten Tagesordnungspunkt heute Nachmittag gegen 14:30 Uhr aufru- fen!)

- Okay, super. Wir haben aber das Problem, dass der Antrag noch nicht ausgedruckt und auch noch nicht verteilt ist.

(Zurufe)

- Dann machen wir das heute Nachmittag. Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr.

(Unterbrechung: 13:06 bis 14:02 Uhr)