Ich eröffne die Aussprache. Für die AfD-Fraktion hat ihr Fraktionsvorsitzender, der Herr Abgeordnete Jörg Nobis, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Heinold, unter normalen Umständen würde ich Ihnen jetzt für Ihren Bericht danken, ein bisschen an Details herummäkeln und über mögliche Einsparungen reden. Aber heute sind keine normalen Umstände.
Wir sind hier Zeugen einer Zäsur. Frau Heinold, ich habe Sie bisher zwar nicht als besonders sparsame, aber insgesamt doch recht seriöse Finanzministerin kennengelernt. Aber was Sie jetzt vorhaben, das ist finanzpolitisches Harakiri. Sie führen unser Land geradewegs in die finanzpolitische Katastrophe.
Seit gestern ist die Katze aus dem Sack: Ihr vorgestellter Plan, zusätzlich zu der bereits beschlossenen 1 Milliarde € erstens die konjunkturbedingten Steuermindereinnahmen von bis zu 1,2 Milliarden € komplett mit Krediten zu finanzieren und zweitens den Schuldenberg des Landes um weitere 4,5 Milliarden € Notkredite zu erhöhen. Das heißt: Sie wol
len jetzt insgesamt bis zu 5,7 Milliarden € zusätzliche Schulden machen. Das schlägt dem Fass den ohnehin schon sehr dünnen Boden aus.
Ihr einziges Credo lautet: Schulden machen. Das sagten Sie uns schon im Mai im Finanzausschuss. Schlimm genug, dass Sie die Einnahmeausfälle in diesem und im nächsten Jahr zu 100 % kreditfinanzieren wollen. Doch jetzt kommt es noch dicker: Nicht nur die Einnahmeausfälle sollen mit neuen Schulden ausgeglichen werden, nein, Sie nutzen die Gunst der Stunde, um sich mit frischem Geld einzudecken. Sie machen nicht nur genauso weiter wie bisher, sondern legen noch eine gute Schippe Verantwortungslosigkeit obendrauf. Neben gebotenen und sinnvollen Maßnahmen wie etwa Hilfen für Kommunen kommen Sie jetzt mit Maßnahmen um die Ecke, die mit der Coronakrise rein gar nichts zu tun haben. Ich sage es klipp und klar: Notkredite für vermeintliche Klimaschutzmaßnahmen zu verwenden, ist eine direkte Umgehung der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse.
Sie missbrauchen die Feststellung der Coronanotlage für Ihre Klientelpolitik. Ihre Ausführungen offenbaren glasklar: Ihre Hoffnung aus dem Frühjahr, dass alles doch nicht so schlimm wird wie prognostiziert, hat sich mit der September-Sondersteuerschätzung zerschlagen.
Die Mai-Steuerschätzung hatte dabei doch schon ganz klar aufgezeigt, wohin die Reise geht. Die September-Steuerschätzung war deshalb keine Überraschung. 3,6 Milliarden € Einnahmeausfälle bis 2024 gegenüber der bisherigen Finanzplanung des Landes sind dramatisch, aber sie sind seit der Mai-Steuerschätzung auch keine Überraschung mehr. Nachdem nun die aktualisierten Zahlen vorliegen, wird klar, dass sich die Prognose vom Mai nicht gravierend verändert hat. Die Einnahmeausfälle verteilen sich lediglich etwas anders auf die Jahre bis 2024.
Nein, danke. - Dieses Jahr wird das Defizit etwas geringer ausfallen, aber mit 1 Milliarde € noch sehr dramatisch sein. Das Defizit des kommenden Jahres fällt mit jetzt prognostizierten 779 Millionen € so
gar noch deutlich höher aus als im Mai erwartet. Und die konjunkturelle Erholung in den Folgejahren wird länger dauern. Das wird daran deutlich, dass die nominellen Einnahmen erst im Jahr 2022 wieder das Niveau von 2019 erreichen werden.
Ihre Lösung, alles auf Pump zu finanzieren, zeugt von beispielloser Ignoranz der Realität sowie von einer Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Steuerzahler und den kommenden Generationen. Frau Heinold, seit gestern steht fest: Am Ende Ihrer Amtszeit werden Sie die unangefochtene Schuldenkönigin Schleswig-Holsteins sein.
Meine Damen und Herren, natürlich darf gerade in diesen Zeiten keine finanzpolitische Vollbremsung hingelegt werden; das ist uns vollkommen klar. Weder bei den Investitionen noch in so wichtigen Bereichen wie Bildung oder innere Sicherheit darf gespart werden.
Aber jeder investierte Euro muss sinnvoll angelegt werden, jede Ausgabe muss einen einfachen Test bestehen: Wird hier zugunsten der Allgemeinheit gehandelt, oder werden irgendwelche Lobbygruppen gepampert? Wird Geld für die Zukunft des Landes ausgegeben, oder werden Steuergelder in Prestigeprojekten versenkt?
Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie hier und heute Einsparpotenziale aufzeigen. Sie müssten den Bürgern schon heute sagen, wo zukünftig gespart werden muss.
Herr Vogt, wir schulden es insbesondere unseren Kindern, die langfristigen Auswirkungen der aktuellen Situation so gering wie möglich zu halten.
(Christopher Vogt [FDP]: Haben Sie außer Einsparungen beim Klimaschutz noch etwas? - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Alle Migrationsmittel und alle Um- weltmittel! - Dennys Bornhöft [FDP]: Das machen Sie aus Ihrer Diätenkürzung! - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Bloß keine Kritik! - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Gern Kritik, aber konstruktive Kritik! Erzählen Sie doch einmal, was Sie machen wollen, anstatt immer nur herumzunöhlen!)
- Können wir uns darauf verständigen, dass wir die Diskussion jetzt von hier vorn weiterführen? - Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ole Plambeck.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorrede war von so vielen Widersprüchen geprägt - das muss erst einmal ein Zweiter nachmachen! Unglaublich!
Meine Damen und Herren, Unvorhersehbares kommt schneller, als man denkt. Wer hätte Anfang des Jahres gedacht, dass wir eine Pandemie bewältigen müssen, in deren Folge es schlichtweg darum geht, Gesundheit zu schützen, Leben und Existenzen zu retten? Für die Eindämmung der Coronapandemie war das schnelle und konsequente Handeln der Bundes- und Landesregierung seit März essenziell, alternativlos und vor allem richtig.
Die zwingend notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor Covid-19 haben jedoch auch ihre Schattenseiten. Das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens hat für ein Brachliegen ganzer Wirtschaftszweige gesorgt. Umsatz- und Gewinnrückgänge, Kurzarbeit und zum Teil Arbeitslosigkeit sind die Folgen.
Trotz der schnellen Unterstützung von Bund und Land mit der Soforthilfe und den Darlehensprogrammen, die sehr geholfen haben, ist zu erwarten gewesen, dass uns das Ergebnis der Mai- und jetzt auch der außerordentlichen September-Steuerschätzung vor eine große Herausforderung stellt. Konkret haben wir es mit einem Rückgang der Steuer
einnahmen um rund 1 Milliarde € für das laufende Haushaltsjahr und rund 3,6 Milliarden € bis 2024 und damit mit dem stärksten Einnahmerückgang in der Geschichte des Landes - zu tun.
Jetzt zahlt es sich aus, dass wir in der Vergangenheit verschiedene Sondervermögen für Infrastruktur, Breitband oder auch Künstliche Intelligenz mit Überschüssen aufgebaut haben, mit deren Hilfe wir weiter investieren wollen. Aber ohne weitere Kredite wird es nicht gehen. Die Schuldenbremse lässt sie krisenbedingt zu.
Es ist kein Geheimnis, dass wir als CDU die Schuldenbremse für absolut wichtig und notwendig halten. Herr Nobis, Artikel 61 der Verfassung des Landes gewährt eine Ausnahmegenehmigung; in einer außerordentlichen Notsituation dürfen wir Kredite aufnehmen.
Die Finanzministerin schlägt uns einen Kreditrahmen von 4,5 Milliarden € vor, welcher über maximal 40 Jahre getilgt werden muss. Gerade als junger Abgeordneter ist das keine leichte Entscheidung. Aber was ist die Alternative? Massive Einsparungen, auch bei den Investitionen? Von Ihnen haben wir dazu nichts gehört. Oder vielleicht sogar Steuererhöhungen? - Nein, das wäre gerade in dieser Zeit das komplett falsche Signal. Gerade in der Krise braucht es einen starken und vor allem verlässlichen Staat.
Die richtige Politik ist es, jetzt massiv in die Infrastruktur zu investieren. Das können wir nur, wenn wir unser IMPULS-Programm finanziell absichern und die bestehenden Lücken ausfinanzieren. Es geht um Investitionen in Infrastruktur, in Bildung und auch ganz deutlich in Krankenhäuser. Hier haben wir einen Sanierungsstau, den es aufzulösen gilt.
Und es geht vor allem um Investitionen in die Digitalisierung. Die Investitionen müssen nicht nur trotz, sondern gerade wegen der Krise unbedingt weiter vorangetrieben werden. Die Coronapandemie hat gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung in unserem Land ist und dass wir weiter vorhandene Potenziale heben müssen.
Genau diese Themen müssen wir lösen, und das ist dann auch trotz Kreditaufnahme eine generationengerechte Politik, weil wir den Sanierungsstau weiter abbauen und dadurch den Standort Schleswig-Holstein zum Leben und Arbeiten stärken.
(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Jörg Nobis [AfD]: Was hat das mit der Coronanotlage zu tun?)
Natürlich leidet nicht nur das Land unter den Folgen der Coronapandemie, auch unsere Gemeinden, Städte und Kreise sind erheblich von den Einnahmerückgängen betroffen. So erhalten die Kommunen in diesem Jahr 559 Millionen € weniger und bis 2024 sogar über 1,6 Milliarden € weniger an Steuereinnahmen. Die Ausfälle bei der Gewerbe- und der Einkommensteuer fallen dabei besonders ins Gewicht, und auch die Soziallasten bei den Kreisen steigen erheblich.
Gerade jetzt muss die Daseinsvorsorge vor Ort aufrechterhalten und gestärkt werden. Auch hier reden wir über Infrastruktur, Ganztag, Radwege, Digitalisierung, Krankenhäuser und die Stärkung der Gesundheitsämter.
Wir müssen den Standort Schleswig-Holstein so attraktiv wie möglich gestalten. Das ist das, was wir im Investitionsplan vorhaben, den wir absichern. Wenn wir es wegen der Krise nicht machen würden, würde das nicht funktionieren. Deswegen ist es coronabedingt - der richtige Weg. Nur so können wir nämlich Wachstum generieren und mit dessen Hilfe die künftig zu leistenden Tilgungen auch schultern. Ein Großteil der genannten Investitionen wird im Land vor allem durch die Kommunen durchgeführt. Darum ist es richtig, dass die Landesregierung, die das Paket von über 500 Millionen € zusammen mit den kommunalen Landesverbänden geschnürt hat, um der kommunalen Familie zu helfen, diese Investitionen auch mit uns gemeinsam gestaltet. Das ist ein gewaltiges Pfund und große Klasse. Die Kommunen können sich in dieser Zeit auf uns verlassen.
(Beifall CDU, Joschka Knuth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anna- bell Krämer [FDP])