Musik- und Tanzveranstaltungen in geschlossenen Räumen sind schon seit Monaten tabu. Die Betreiber von Hallen und Clubs bleiben ohne Einnahmen und können ihre Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen. Auf Demonstrationen hat die Veranstaltungsbranche in den vergangenen Wochen zu Recht darauf hingewiesen, dass sie in einer wirtschaftlichen Notlage steckt.
Trotzdem ist es auch hier notwendig, eine pragmatische Haltung einzunehmen. Der Staat darf und kann nicht den Eindruck erwecken, sämtliche negative Folgen der Coronakrise durch finanzielle Unterstützung ausgleichen zu können; denn wir werden nicht alle retten können.
Auch das Ansinnen der SPD, wie es im Antrag steht, landeseinheitliche Festlegungen zur Durchführung von Veranstaltungen zu treffen, halten wir für diskutabel. Gerade die aktuelle Entwicklung zeigt doch, dass es notwendig ist, im Einzelfall individuelle Lösungen zu entwickeln, weil Veranstaltungen nun einmal einen sehr unterschiedlichen Charakter haben.
Dass das durchaus gelingen kann, erleben wir in diesen Tagen am Beispiel des Philharmonischen Orchesters Lübeck. Dort wurde den Zuschauern erfolgreich das Gefühl vermittelt, nicht nur einem coronabedingten Kompromiss beizuwohnen. Es gelang, Abstands- und Hygieneregeln so einzuhalten, dass es dem Publikum nicht mehr auffiel, dass dort Einschränkungen herrschten. Vielmehr konnte es fast schon den Eindruck gewinnen, dass die Transparente und Trennwände, die aufgestellt worden waren, zu Teilen der Ausstattung geworden sind.
Beispiele wie diese zeigen, dass es möglich ist, auch in der Veranstaltungsbranche kreative Lösungen zu finden und das Publikum damit erneut anzusprechen.
Das alles ändert nichts daran, dass eine Hilfe für die Branche notwendig ist. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich die Verlängerung der Corona-Überbrückungshilfen, die mit einer Lockerung der Bedingungen einhergeht. Gerade für Unternehmen, die aufgrund behördlicher Einschränkungen ihre Geschäftsmodelle nicht oder nur teilweise umsetzen können, ist diese Hilfe weiter notwendig. Diesem Anliegen tragen auch die Flexibilisierung der Eintrittsschwelle sowie die Erhöhung der Fördersätze angemessen Rechnung.
Wie darüber hinaus weitere Hilfe möglich sein kann, sollten wir gemeinsam im Wirtschaftsausschuss erörtern. Ich bin auch dafür, dass wir beide Anträge überweisen.
An dieser Stelle möchte ich aber abschließend noch auf eine Branche hinweisen, die gern vergessen wird, obwohl sie für unsere Wirtschaft auch sehr wichtig ist.
Das sind die Messebauer. Die Messebauer haben gemeinsam mit den Veranstaltungsunternehmern demonstriert. Sie sind es doch, die unter hohem Zeitdruck und mit großem technischen Geschick und sehr viel Kreativität dafür sorgen, dass Deutschland seit jeher Messeland Nummer eins ist. Auch wenn Schleswig-Holstein nicht mit den ganz großen Messestandorten mithalten kann, so ist es doch auch für unsere Wirtschaft wichtig, dass sie ihre Produkte einem interessierten Fachpublikum in einem attraktiven Rahmen präsentieren kann.
Messen sind Motoren für den Umsatz. Hier werden Aufträge geschrieben, hier werden Innovationen geboren, hier werden Geschäftskontakte geknüpft, die sich oft in langjährige Geschäftsbeziehungen verwandeln. Daher ist es für unser Land wichtig, dass wir wieder Fachmessen veranstalten können. Die NordBau wurde gerade angesprochen. Dafür brauchen wir entsprechende Erleichterungen, die mindestens genauso wichtig sind wie die für Konzerte und Theater.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronapandemie hat Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche unserer Gesellschaft, insbesondere eben auch auf die Wirtschaft. Während hier einige wenige Zweige sogar profitieren, stehen die allermeisten Branchen vor einer der größten Herausforderungen überhaupt. Wir brauchen nicht drum herum zu reden: Umsatzeinbrüche von 90 und mehr Prozent sind schlicht und einfach existenzbedrohend. In einer solchen Ausnahmesituation ist es absolut sinnvoll und geboten, unsere Unternehmen im Land möglichst weitgehend zu unterstützen. Und weil die Veranstaltungsbranche hier zu den wich
Man mag sich fragen, warum wir heute explizit über die Situation der Veranstaltungswirtschaft sprechen, denn Hilfsproramme für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch für Soloselbstständige waren ja schon öfter Thema. Doch der genaue Blick ist tatsächlich alarmierend: Stand jetzt lässt sich ohne Übertreibung festhalten, dass ein riesiger Kahlschlag droht, denn Veranstalter waren nicht nur die ersten, die den Betrieb einstellen mussten, sondern sie gehören auch zu den letzten, die ihn wieder aufnehmen dürfen. Das ist spätestens mit der Einigung zum Verbot von Großveranstaltungen bis Ende des Jahres klar. Noch dazu können sie ihre verlorenen Umsätze im Gegensatz zu anderen Branchen nicht nachholen.
Der SSW hat beim Thema Coronahilfen immer für möglichst flexible Lösungen, aber auch für Augenmaß plädiert. Bundesweit belaufen sich die Verluste allein in der Veranstaltungswirtschaft auf über 50 Milliarden €. Es liegt auf der Hand, dass kein staatliches Hilfspaket die Ausfälle aller Branchen komplett auffangen kann.
Auf der anderen Seite ist aber auch völlig klar, dass wir unseren Beitrag leisten müssen, um die Arbeitsund Ausbildungsplätze in diesem Bereich zu sichern. Bund und Länder sind eindeutig mit in der Verantwortung, wenn es um einen rechtssicheren und nachvollziehbaren Rahmen für Veranstaltungen geht. Wie wir wissen, sind die Arbeits- und Ausbildungsplätze in diesem Wirtschaftszweig zunehmend bedroht. Deshalb macht es aus unserer Sicht Sinn, nach passgenauen Lösungen zu suchen.
Neben dem Dialog fordert die SPD vor allem wirksame Hilfen. Ich denke, hier haben wir den zentralen Punkt: Kredite sind zum Beispiel keine wirksame Hilfe, weil sie die Probleme der Veranstalter nur in die Zukunft verschieben. Auch die bestehenden Programme scheinen nicht ausreichend auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und damit eben auch nicht wirklich wirksam zu sein. Soloselbstständigen ohne laufende Betriebskosten helfen Zuschüsse zu eben diesen Betriebskosten herzlich wenig. Hier brauchen wir dringend flexiblere Hilfen und geringere Hürden für entsprechende Anträge.
Natürlich sollten wir an dieser Stelle nicht zu blauäugig sein, aber die Meldung aus Berlin, nach der die Überbrückungshilfe bis Dezember 2020 fortgesetzt wird, stimmt mich zumindest vorsichtig optimistisch. Laut Bundesfinanzministerium werden gleichzeitig die Zugangsbedingungen abgesenkt
und die Förderung ausgeweitet. Vor allem soll es für Unternehmen wie in der Veranstaltungsbranche, die seit einem halben Jahr nahezu stillstehen, höhere Fördersätze geben. Wir hoffen, dass diese Maßnahmen den drohenden Kollaps dieser Branche verhindern.
Wir werden uns selbstverständlich für flankierende Maßnahmen des Landes einsetzen, damit die Veranstalter im Land diese schweren Zeiten überstehen. Deshalb unterstützen auch wir den Antrag auf Ausschussüberweisung. - Herzlichen Dank.
Für die Landesregierung erteile ich das Wort dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die schleswig-holsteinische Wirtschaft ist, das haben wir gestern zur Kenntnis nehmen dürfen, vergleichsweise robust durch das erste Halbjahr der Pandemie gekommen. Mit einem Einbruch des Bruttoinlandprodukts um 3,8 % stehen wir deutlich besser da als andere Bundesländer. Das hat seine Gründe sicherlich darin, dass wir in diesem Land weniger Industrie haben und deshalb in diesem Bereich nicht so stark einbrechen können. Das hat auch ein bisschen mit Glück zu tun, weil wir in bestimmten Branchen unterwegs sind, nämlich in den Bereichen der Gesundheitswirtschaft und der Ernährungswirtschaft, in denen es während der Pandemie tatsächlich nach oben gegangen ist. Einige Gründe liegen sicherlich auch darin, dass ein paar Entscheidungen nicht so falsch waren, wie etwa im Bereich der Tourismuswirtschaft dafür zu sorgen, dass die Hotel- und Beherbergungsbetriebe gleich mit voller Kapazität öffnen dürfen. Das hat die Wirtschaftlichkeit sicherlich deutlich erhöht.
Trotz dieser relativ robusten Situation kann überhaupt nicht geleugnet werden, dass es einige Branchen und einige Bereiche in der Wirtschaft gibt, in denen nach wie vor große Not herrscht. Dazu gehört die Veranstaltungsbranche aufgrund der Tatsache, dass sie durch staatliche Ansage und durch staatlichen Eingriff quasi an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert ist. Dazu gehört auch verstärkt die
Reisebranche. Daher bitte ich darum, dass wir differenziert darauf achten, dass wir - der Kollege Joschka Knuth hat es eben gesagt - nicht immer zwischen einer Branche und der anderen hin und her springen.
Aktuelle Reisewarnungen in ganz Europa bewirken, dass die Reisebranche auch noch in den nächsten Monaten erheblich leiden wird. Wir müssen gucken, wie wir angesichts dieser Situation dafür sorgen, dass nicht zu viele Unternehmen in die Insolvenz geraten.
Im Bereich der Veranstaltungswirtschaft war von Anfang an relativ klar, dass es für diese Branche schwer werden wird. Deshalb haben wir in der Landesregierung, der Ministerpräsident und ich, frühzeitig gemeinsam Telefonkonferenzen mit den Schaustellerverbänden und Gespräche mit der Branche gehabt. Mein Staatssekretär war in Gesprächen mit dem Lübecker Bürgermeister und der dortigen Veranstaltungsszene. Wir waren in Tangstedt bei einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrates mit der Veranstaltungsbranche. Dies ging hin bis zu dem Gipfel, den wir am 8. September 2020 auf Einladung des Ministerpräsidenten zur Veranstaltungsbranche durchgeführt haben. Wir haben mit der Branche selbst in engem Kontakt gestanden.
Ich glaube, es ist auch gut, wichtig und selbstverständlich, dass man sich hier eng abspricht, auch wenn man das größte Anliegen der Branche leider nicht unbedingt vollständig erfüllen kann, denn das größte Anliegen der Branche ist, einfach tätig werden zu dürfen, einfach den Job machen zu dürfen und so frei wie möglich unterwegs zu sein.
Meine Damen und Herren, es ist nun einmal so, dass uns der Kollege Gesundheitsminister und unsere Expertenkommission der Landesregierung aktuell sehr intensiv darauf hinweisen, dass die Ausbruchszenarien auf Feiern stattfinden - diese eher auf privaten Feiern als auf öffentlichen Veranstaltungen. Wir haben nicht so sehr im Handel oder an den Schulen das Problem, sondern unser größtes Problem liegt in solchen Feiersituationen. Veranstaltungen sind Feiern. Ich möchte auch wieder feiern dürfen.
mehr Leine! Das haben wir in Teilen versucht, wie wohl ich jetzt auch sagen muss - und Vorredner haben das auch gesagt -: Mit kleineren Veranstaltungen ist keine rasende Wirtschaftlichkeit herzustellen.
Trotzdem ist es richtig, solche Signale zu setzen. Wir haben versucht, in Eutin eine Haus- und Gartenmesse im Outdoor-Bereich durchzuführen. Das ist auch gelungen. Es war sogar eine anständige Anzahl an Leuten da. Die war aber natürlich viel kleiner als in den letzten Jahren. Wir haben versucht, die NordBau zu organisieren. Ich bin dort gewesen und wurde von internationaler Presse überrascht, die sagte: Ihr macht die einzige Baumesse in ganz Europa in diesem Jahr, auch wenn sie ganz klein ist und mit einer überschaubaren Anzahl an Personen stattfindet.
Wir haben alles versucht, auch in diesem Bereich Veranstaltungen hinzubekommen. Aber wir müssen zugeben, dass das angesichts der Pandemiesituation und der Tatsache, dass der Gesundheitsschutz eben doch einen sehr hohen Stellenwert hat, sehr schwer hinzukriegen ist.
Deshalb liegt ein Schwergewicht unserer Bemühungen auf der Beantwortung der Frage, wie man den Unternehmen der Veranstaltungsbranche intensiv helfen kann oder - besser formuliert - wie man ihnen so gezielt helfen kann, dass sie diese Krise überleben - wenn sie bei Eintritt der Krise gesund waren. Ich sage sehr deutlich: Darauf muss der Schwerpunkt liegen. Es kann uns nicht darum gehen, alle Unternehmen unabhängig von den Ausgangsbedingungen langfristig mitzunehmen. Die Anzahl der Insolvenzen in unserem Land hat sich im Vergleich zum Vorjahr auf die Hälfte reduziert. Das zeigt, dass wir in einer nicht ganz ungefährlichen Situation sind, wenn wir durch die Gewährung staatlicher Hilfen Unternehmen mitnehmen, die schon in normalen Zeiten Schwierigkeiten gehabt hätten.
Gleichwohl muss es darum gehen, den gesunden Unternehmen zu zeigen, dass wir alles versuchen, sie mitzunehmen. Es war mir ein sehr wichtiges Anliegen - das sage ich jetzt auch in Richtung Berlin, auch in Richtung von SPD und CDU dort -, bei den Überbrückungshilfen, die im Juni 2020 gestartet sind und deren Voraussetzungen aus meiner Sicht viel zu eng waren, sodass das Programm die eigentlich Betroffenen gar nicht erreichen konnte, Verbesserungen zu erreichen. Dem Kreis der Wirtschaftsminister der Länder ist es gelungen, Berlin
dazu zu motivieren, die Überbrückungshilfen nicht nur bis Ende dieses Jahres zu verlängern, sondern auch die Rahmenbedingungen für den Zugang deutlich zu erweitern. Davon wird die Veranstaltungsbranche wirklich massiv profitieren.
Ursprünglich musste für die Monate April und Mai 2020 ein durch die Corona-Krise bedingter Umsatzeinbruch um 60 % nachgewiesen werden. Das war ein schwieriges Thema für diejenigen, die nachlaufend Rechnungen geschrieben beziehungsweise das Geld nachlaufend eingenommen haben und deshalb diese Voraussetzung nicht erfüllen konnten. Auch die Einhaltung der Umsatzgrenzen für die Folgemonate als Voraussetzung dafür, Hilfe zu erhalten, war oft nur schwer nachzuweisen.
Nunmehr ist die Voraussetzung, dass von April bis August 2020 entweder in zwei zusammenhängenden Monaten 50 % Umsatzeinbruch oder ein durchschnittlicher Umsatzeinbruch von 30 % pro Monat zu verzeichnen war. Damit haben wir die Hürde deutlich abgesenkt. Es besteht die Chance, dass diesen Unternehmen bis zu 90 % der Fixkosten durch staatliche Zuschüsse ersetzt werden. Das ist das Ergebnis einer großen Kraftanstrengung.
Großer Dank geht auch in Richtung der Großen Koalition in Berlin, dass sie die entsprechenden Vorschläge so umgesetzt hat. Ich danke dafür herzlich. Das wird vielen Unternehmen helfen und sie retten, das heißt, es wird sie hoffentlich durch die Krise bringen.