Protokoll der Sitzung vom 25.09.2020

Zwangsläufig stellt sich dann die Frage, ob wir uns weiterhin eine rechtswidrige Migration nach Schleswig-Holstein und eine derart laxe Abschiebepraxis leisten können.

Auch die aktuelle Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria zeigt: Selbst fünf Jahre nach Merkels historischer Fehlentscheidung haben viele in Ihren Reihen nichts dazugelernt, welche gesellschaftlichen, kulturellen und nicht zuletzt auch fiskalischen Auswirkungen immer neue Flüchtlingsströme haben.

Zum Schluss,

(Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schluss ist das Beste!)

eines ist sicher, Herr Petersdotter: Der Welt werden die Flüchtlingsströme niemals ausgehen, Ihnen aber das Steuergeld für Ihre fortgesetzte Wir-habenPlatz- und Wir-schaffen-das-Politik. - Vielen Dank.

(Beifall AfD und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos] - Wolfgang Baasch [SPD]: Ekelhaft und widerlich! - Weitere Zurufe)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete OleChristopher Plambeck das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Schmidt! Zunächst möchte ich mich gegen den Begriff „Clique“ verwahren; wir können alle froh sein, dass wir eine Bundeskanzlerin haben, die

in diesem Land Verantwortung übernimmt, wie auch die 16 Ministerpräsidenten.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Deutschland war, ist gegenwärtig und wird auch in Zukunft immer ein Zuwanderungsland sein.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wenn wir unseren Wohlstand im Land halten wollen, dann sind wir bei einer immer älter werdenden Gesellschaft schlichtweg auf Zuwanderung angewiesen. Das ist nichts Neues, viele Studien belegen das schon lange. Gerade Deutschland ist in seiner Entwicklung nicht nur über die letzten Jahrzehnte, sondern über die letzten Jahrhunderte immer von Zu- und Abwanderung geprägt gewesen.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Diese Realität passt nur nicht in die Wertvorstellung von Ihnen, Herr Nobis, und Ihrer AfD. Ich kann mir richtig gut vorstellen, wie sich die AfD bei ihren länderübergreifenden Treffen ganz fix überlegt hat, diese Große Anfrage in den Landtagen und im Bundestag zu stellen, bei der Sie oft gleiche Zitate verwenden und sich nicht die Mühe machen, das landesspezifisch auszugestalten.

Ich habe nichts gegen das Instrument der Großen Anfrage. Aber eben an Ihrer Rede hat man ganz klar gesehen, dass es Ihnen gar nicht um die inhaltliche Aufarbeitung eines Themas geht, sondern ausschließlich darum, tendenzöse Meinungsmache zu propagieren und zu suggerieren, dass die Zuwanderung eine Last darstellen würde, die wir nicht bewältigen könnten. Herr Nobis, Sie tun hier allen Ernstes so, als wenn Sie tatsächlich an der Findung von Lösungen interessiert wären. In Wirklichkeit versuchen Sie, ein falsches Bild der Tatsachen zu zeichnen, und verunglimpfen Teile unserer Gesellschaft, ohne adäquate Lösungen anzubieten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Obendrein binden Sie dabei auch noch - das hat die Ministerin dargestellt - wertvolle personelle Ressourcen, die viel sinnvoller hätten eingesetzt werden können. Man hätte auch einmal darstellen können, was die AfD die Landtage und den Bundestag kostet.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Beate Raudies [SPD]: In Niedersachsen!)

(Jörg Nobis)

Es fällt auf, dass Sie in Ihrer Großen Anfrage ganz bewusst bestimmte Begriffe zur Meinungsmache benutzen wie „Massenzuwanderung“ oder „Sozialkonkurrenz“, von denen Sie genau wissen, welche Wirkung Sie damit erzielen. Geben Sie einmal „Sozialkonkurrenz“ in Ihre Internetsuchmaschine ein; man findet gar nichts. Hieran sieht man sehr deutlich, mit welcher Skrupellosigkeit die AfD jede Möglichkeit nutzt zu versuchen, die Menschen in diesem Land gegeneinander auszuspielen. Sie haben gar kein Interesse daran, in der Sache vernünftige Lösungen zu finden.

Und um das klarzustellen: Es gibt keine Konkurrenz um Sozialleistungen. Entweder erfüllt man als Antragsteller die Tatbestandsvoraussetzungen oder nicht. Ein Wenn und Aber gibt es hier nicht. Wir haben hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen, die die Tatbestände prüfen. Dann kommt es zu einer Entscheidung, in einem staatlichen Verfahren.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Es wird abgewogen, und am Ende werden Entscheidungen gerichtlich geprüft. Ich weiß nicht, ob Ihnen das klar ist, das nennt man Rechtsstaat, und ich bin froh, dass wir in einem Rechtsstaat leben.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Dieser Rechtsstaat basiert auf tief verankerten Grundwerten, die Sie nicht genannt haben. Diese Grundwerte stellen klar: Zuwanderung ist nicht nur eine fiskalische Last, sondern mit Zuwanderung sind staatliche Aufgaben verbunden, für die wir als Gesellschaft bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Wie jede andere staatliche Aufgabe muss natürlich auch diese Aufgabe finanziert werden, und seit Jahrzehnten ist das Thema Zuwanderung und Asyl in seinen diversen Ausgestaltungen in unterschiedlichen Haushalten der Ministerien auf Bundesebene, auf Landesebene und auf kommunaler Ebene verankert. Die Haushaltstitel steigen je nach Bedarf; das ist keine Neuigkeit.

Herr Nobis, Sie haben eben die Zahlen genannt. Ich frage mich jetzt: Welche Schlüsse wollen Sie jetzt daraus ziehen? Welche Schlüsse ziehen Sie, und welche Handlungsempfehlungen leiten Sie aus Ihrer Großen Anfrage ab? Was wollen Sie streichen? Sprachförderung? Erstorientierung? Migrationsberatung? - In diesem Bereich hat die Landesregierung seit 2015 große Anstrengungen unternommen, um mithilfe von Kurs- und Beratungsangeboten die Integration ins Berufsleben, die unserer Gesellschaft ja so wichtig ist, zu unterstützen. Lassen Sie

mich sagen: mit Erfolg. Viele der Menschen, die Sie in Ihrer Großen Anfrage auch angesprochen haben, sind schon in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen - sicherlich nicht alle, und der eine braucht länger als der andere, aber der Weg geht in diese Richtung.

Selbst wenn sie nicht hierbleiben, wenn sie entweder freiwillig oder, weil sie keine Bleibeperspektive haben, zurückkehren müssen, ist es gut angelegtes Geld, wenn sie hier entsprechende Qualifikationen erworben haben, weil ihnen das in ihrer Heimat hilft, ihre Heimat voranzubringen, und das ist schlichtweg in unserem Interesse.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Zuruf Claus Schaffer [AfD])

Ich stelle also insgesamt fest, dass wir bei dem Thema auf einem guten Weg sind. Die Landesregierung hat in den letzten Jahren viele Strukturen geschaffen, um bei dem Thema immer besser zu werden. Wir sind bei dem Thema gut. In diesem Sinne bedanke ich mich insbesondere bei der Landesregierung einmal für die Beantwortung der Fragen und insgesamt für die geleistete Arbeit in Asylfragen. Vor allem stehen wir fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Das leitet uns.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Anfragen, bei denen die Antworten nicht das Entscheidende sind. Das ist ausdrücklich keine Kritik an der Fleißarbeit, die die Landesregierung hier vorgelegt hat. Das wirklich Interessante in diesem Fall sind die Fragen und das Kalkül, das hinter der Großen Anfrage der AfD steckt, über die wir heute sprechen.

Dieses Kalkül muss man offenlegen, bevor man über das eigentliche Thema spricht. Die perfide Idee der Rechten ist es, an Menschen ein Preisschild zu heften - „lohnt“ oder „lohnt nicht“ -, gern unterlegt auch durch eine Vergleichsrechnung: Was hätte man nicht alles mit dem Geld anderes anstellen können, als diesen Menschen zu finanzieren? Das ist ekelhaft, das ist aber genau der Tenor der

(Ole-Christopher Plambeck)

Öffentlichkeitsarbeit, mit der die AfD diese Große Anfrage begleitet hat.

Diese Strategie der Rechten ist sicherlich vieles, aber neu ist sie nicht. Wir kennen sie seit weit über 80 Jahren. Damals haben die geistigen Vordenker sogar dafür gesorgt, dass solches Gedankengut in Schulbüchern Niederschlag fand. Ich kann Ihnen nur sagen: Meine Partei weiß damit umzugehen. Was Herr Nobis - ich will ihn nicht „Kollege“ nennen - hier vorgetragen hat, ist ekelhaft, wird abgelehnt, und niemand in diesem Haus teilt das.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Es sind nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund, die von der AfD ins Visier genommen werden. 2018 erfragte die AfD-Bundestagsfraktion die Zahl der Menschen mit Behinderung sowie die Gründe für Behinderung und suggerierte einen Zusammenhang zwischen Zuwanderung, vermeintlichem Inzest und Behinderung. Es gab einen Proteststurm der Sozialverbände und Interessenvertretungen gegen dieses perfide Vorgehen, aber auch das kann man nur ekelhaft nennen, von Anfang bis Ende. Wir wissen, wo so etwas hinführt, und das darf man niemals zulassen! Keinerlei Gemeinsamkeit mit solchen Ansätzen!

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Der AfD geht es immer um „Wir gegen die“: die Deutschen gegen die Ausländer, die Gesunden gegen die Behinderten. Dieses Ausspielen von Bevölkerungsgruppen lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Das findet den entschiedenen Widerstand der Demokratinnen und Demokraten in diesem Haus.

Es ist Aufgabe der Opposition, der Regierung auf die Finger zu schauen. Ich bin der Letzte, der sagt, dass Oppositionsarbeit kostenneutral passieren muss. Im Gegenteil: Nötig ist, was Kontrolle schafft. Aber in Anbetracht dessen, dass die AfD dieselbe Copy-and-paste-Anfrage zum Thema Zuwanderung nicht nur im Bundestag, sondern auch in Brandenburg, in NRW und in Hamburg stellt, teilweise mit wortgleichen Vorbemerkungen des Fragestellers,

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD] - Weitere Zuru- fe)

kommt man schon ins Nachdenken, ob es sich nicht beizeiten lohnen würde, die Kosten von verschwendeten Verwaltungsstunden pro AfD-Abgeordneten auszurechen. Das wäre mal eine interessante Rech

nung, meine sehr verehrten Damen und Herren, zumal das bei Ihnen System hat.

Wir alle erinnern uns noch, dass Sie die Verwendung von Containern zur Flüchtlingsunterbringung skandalisieren wollten. Auf Ihren Antrag sammelte die Landesregierung über Wochen Akten zusammen, investierte 400 Arbeitsstunden und rund 35.000 € - danke an Lars Harms übrigens für die Nachfrage. Aber es gab ein Problem: Sie kamen nicht einmal vorbei, um sich das anzuschauen, weil es Sie überhaupt nicht interessiert hat, weil Hetze Ihr Punkt in diesem Haus ist und sonst überhaupt nichts.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Steuergeldverschwendung interessiert die AfD nur dann, wenn man versuchen kann, einen Zusammenhang mit Ausländern zu konstruieren. Fakten interessieren die AfD nur dann, wenn sie sich so verdrehen lassen, dass sie in ihr verqueres Weltbild passen.

Ich bin mir sicher: Die Landesregierung hätte auch in der Antwort auf die Anfrage, über die wir heute sprechen, mehrere Seiten Blindtext unterbringen können, ohne dass Sie das gemerkt hätten. Denn um die Antwort ging es der AfD natürlich nicht. Sie wollten am Ende eine große plakative Zahl haben, um die dann mit einer längst feststehenden Schlagzeile zusammenzubringen: Erst auf Anfrage der AfD macht die Landesregierung Kosten transparent. - So arbeiten Populisten. Da lohnt sich keine inhaltliche Debatte. Intellektuell ist das mit Ihnen ohnehin nicht möglich, weil Sie unterhalb der Grasnarbe argumentieren.

Wenn wir uns weigern, an die Menschen ein Preisschild zu heften, dann machen wir das aus derselben Grundhaltung heraus, die hinter Artikel 1 unseres Grundgesetzes steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. - Die Würde aller Menschen ist unantastbar!