Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag, Drucksache 19/2431, durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Gründungsgeist im Land weiter stärken

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2509

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die FDPFraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

(Präsidentenwechsel)

Sehr geehrte Präsidentinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Habe ich im Lockdown gerade die Möglichkeit, meine Geschäftsidee umzusetzen? Bekomme ich mitten in einer Wirtschaftskrise von einer Bank 50.000 € Startkapital? Kann ich via Zoom genauso gut für meine Idee pitchen, wie ich das in einem Vor-Ort-Meeting machen kann?

Die Rahmenbedingungen für Gründer sind durch Corona nicht gerade rosig, aber Probleme können auch dornige Chancen sein, wie ein 18-jähriger Unternehmensgründer Ende der 90er-Jahre zu sagen pflegte.

(Beifall FDP)

Um zu später Stunde einen Ruck durch die Runde hier gehen zu lassen ein kleiner Hinweis: Start-ups können sogar Krisen mildern und bekämpfen, wie uns die innovative Gentechnik für einen Impfstoff von BioNTech aus Deutschland zeigt.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Wo es uns von Jamaika in Schleswig-Holstein möglich ist, wollen wir die Rahmenbedingungen verbessern. Schließlich sind Unternehmensgründungen für eine Volkswirtschaft und für eine Gesellschaft von großem Wert. Hier nehmen Menschen ihre Zukunft in die Hand und schaffen für sich und für andere Perspektiven. Schließlich hat die Mehrheit der Start-ups meist schon im Jahr nach der Gründung mehrere sozialversicherungspflichtige Jobs. Unternehmensgründungen sind Jobmotoren. Hier möchten wir mit unserem vorliegenden Achtpunkteplan gern anknüpfen.

Wir haben diesen unter Einbeziehung der Entrepreneur-Cluster - diese schauen uns auch an den Geräten zu - erarbeitet, und sie haben uns in den letzten Jahren ein paar Wünsche an die Politik mitgegeben. Wer gute Ideen hat, soll nicht nur ermutigt, sondern aktiv dabei unterstützt werden, den Schritt zur Umsetzung auch zu wagen. Denn Deutschland profitiert wie kaum ein zweites Land von Wissen und dem hervorragenden Ausbildungsstand.

(Beifall Kay Richert [FDP] und Joschka Knuth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das gilt es, noch besser zu nutzen. Wenn wir uns die Zahlen der Ausgründungen in Schleswig-Hol

(Volker Schnurrbusch)

stein anschauen, sehen wir, dass wir noch Luft nach oben haben. Wir glauben, dass sich das Biotop Hochschule besonders gut dafür eignet. Wir wollen erreichen, dass die Institutionen der Hochschulen noch besser sowohl mit den Ideen der Studierenden als auch mit dem Know-how der Wirtschaft verknüpft werden.

(Beifall FDP, Tobias Koch [CDU] und Ole- Christopher Plambeck [CDU])

Es ist sinnvoll, gerade in der Anfangsphase zu unterstützen, wenn sowohl die Risiken als auch die Unsicherheit groß sind. Wichtig ist hierbei, die Einstiegshürden zu senken. Grundvoraussetzung ist auch, dass man Zeit und Muße haben kann, auch während der Studi-Zeit zu gründen. Dabei wollen wir den Studierenden aller Studiengänge - wirklich aller Studiengänge - die Möglichkeit eines Gründungssemesters einräumen, das nicht direkt Nachteile für den regulären Studienerfolg bedeutet.

Wer sich weniger Sorgen um Regelstudienzeiten oder BAföG-Zahlungen machen muss, wird sich auch eher auf die Gründung eines Start-ups einlassen und die Risiken auf sich nehmen.

(Beifall FDP)

Wie in einem zweiten Schritt unseres Antrags dargelegt, brauchen wir die Möglichkeit, eine spezielle Unternehmensform, bisher haben wir GmbH, OHG oder AG, zugeschnitten auf gründungswillige Studierende, zu schaffen. Wir brauchen in Deutschland diese Form einer studentischen Gründungsgesellschaft. Diese sollte niedrigere Einstiegshürden haben. Geringere Anforderungen zu Beginn an Haftung und Eigenkapital können hier sehr sinnvoll sein, ebenso wie - ganz wichtig - die Reduktion des Verwaltungsaufwandes und der Bürokratie in diesem Bereich.

(Beifall FDP und Joschka Knuth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Besonders beim Patent- und Lizenzverfahren erhalten wir aus den Hochschulen wiederkehrend die Rückmeldungen, dass die bisherigen Prozesse eher gründungshemmend als -fördernd sind. Hierbei haben wir es als Land qua Kompetenz einfacher, selbst Verbesserungen zu schaffen. Patentscouts an den Hochschulen können den Studierenden bei der Identifizierung und Anmeldung einer Idee beratend zur Seite stehen. Über Standard-Lizenzverträge sollen einheitliche, verlässliche Regelungen über die weitere Verwendung der Idee bereitgestellt werden.

Auch die Infrastruktur unserer Gründungszonen an den Hochschulen wollen wir finanziell ausbauen, unter anderem durch das IMPULS-Programm.

Klischees in Gesellschaft und Medien sind eine weitere Herausforderung für Gründerinnen und Gründer. Schließlich ist es so, dass beim sonntäglichen Tatort der Unternehmer entweder der Täter oder, wenn er nicht der Täter oder die Täterin ist, das Mordopfer ist. Letzteres ist er oft aber zu Recht im Sinne der Regisseure. Das ist ein Bild, das sich ein bisschen durch die Gesellschaft zieht.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

- Ja, Herr Habersaat, ich weiß, dass Sie diesem Klischee auch frönen. Vielen Dank, dass Sie das gerade bestätigt haben. Wir brauchen aber insgesamt eine positivere Wahrnehmung, die auch nicht erst zu Hochschulzeiten oder dann, wenn man im Plenarsaal sitzen darf, beginnen sollte, sondern bereits schon in Kita und Schule sollten diese Mentalität zu mehr Mut zum Risiko und das Zutrauen zum Verfolgen eigener Ideen vermittelt werden. Dann landet das auch komplett in der SPD-Landtagsfraktion, das wäre schön.

(Beifall FDP)

Deutschland weist viele Ausgründungen im Hochtechnologiebereich aus. Wir werden weiter und noch stärker als bislang auf gute Schulbildung in den Bereichen Mathe, Physik und Informatik angewiesen sein, wenn wir den Kern der Wertschöpfung dieses Landes erhalten wollen. Den wollen wir erhalten, schließlich finanzieren wir hieraus auch den Sozialstaat.

(Beifall FDP und Joschka Knuth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Viele Gründungen entstehen von Leuten in meinem Alter, viele jedoch auch von Leuten um die 50 oder noch älter. Den Gedanken, dass die Umsetzung von eigenen Ideen in jeder Lebensphase möglich sein sollte, wollen wir stärken.

Herr Abgeordneter!

Hierzu brauchen wir die Gründungsberatung auch für Berufstätige und Rentner, denn gute Ideen müssen immer Konjunktur haben, nicht nur in Coronazeiten. Es sollte egal sein, wie alt der Vater oder die Mutter der Idee ist. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Dennys Bornhöft)

(Beifall FDP und Joschka Knuth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Professor Heiner Dunckel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Regierungserklärung 2017 haben Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, formuliert, und ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:

„Ja, wir sind eine Koalition der Möglichmacher. Wer gute Ideen hat, dem werden wir helfen, damit er sie in Schleswig-Holstein verwirklichen kann, etwa dadurch, dass wir unnötige bürokratische Hürden abbauen. Schleswig-Holstein soll richtig sexy sein für Unternehmensgründer …“

Das betone ich, nicht der Ministerpräsident. - So richtig ist das nicht gelungen. So stellten schon vor gut einem Jahr die „Kieler Nachrichten“ fest, dass aus dem Versprechen nichts geworden ist. Die FDP wollte das dann ändern, das hat aber auch nicht funktioniert, denn schon vor einem Jahr sprachen die Zahlen eine andere Sprache, und sie tun es immer noch. Deutschland und Europa hinken immer noch im Vergleich zu den USA, Israel oder asiatischen Ländern bei den erfolgreichen Unternehmensgründungen und Start-ups hinterher, die Zahlen sind sogar rückläufig.

Es ist richtig, dass es auch bei uns in SchleswigHolstein attraktive Gründungsaktivitäten durch verschiedene Maßnahmen wie dem Seed- und StartUpFonds, Start-up-Wettbewerbe, Crossover-Labs an der Fachhochschule in Kiel oder auch Bundesprogramme zur Gründungsförderung gibt. Das reicht aber anscheinend nicht. Im KfW-Gründungsmonitor von 2019/2020 steht Schleswig-Holstein trotzdem nur an zehnter beziehungsweise elfter Stelle der Bundesländer. Vergleichbare Zahlen finden Sie auch in anderen Veröffentlichungen. Platz zehn ist nicht wirklich sexy, und er beschreibt sicherlich nicht ein Land der Selbstständigkeit.

Für uns stellt sich zudem das Problem, dass Hamburg als Ballungsraum deutlich attraktiver für Gründerinnen und Gründer ist, ohne dass dieses Gründungsklima auf Schleswig-Holstein übergeht wie etwa in Berlin und Brandenburg.

Jetzt haben wir wieder einen Antrag vorliegen nach dem Motto: „Alle Jahre wieder“, der es nun wohl richten soll.

(Unruhe - Glocke Präsidentin)

Es soll der Gründergeist weiter gestärkt werden, und es werden Maßnahmen genannt, die nicht falsch und in anderen Ländern, an anderen Hochschulstandorten schon seit vielen Jahren Realität sind, aber meistens konkreter und finanziell unterfüttert. Wie so häufig soll wieder geprüft, erleichtert, unterstützt, ermöglicht werden. Den Gründergeist mag man damit vielleicht noch stärken, aber erfolgreich wird damit nicht gegründet, da muss es schon etwas konkreter werden.

Die FDP hat durch Herrn Kollegen Vogt, dem ich von hier aus gute Besserung wünsche, ja schon im März 2017 den Gründergeist stärken wollen. Das scheint nicht gelungen zu sein, wenn wir im November 2020 noch einmal den Gründergeist stärken sollen. Wie wäre es denn jetzt einmal mit konkreten Maßnahmen und Beschlüssen? Es ist in der Tat an der Zeit, dass mehr und erfolgreich gegründet wird und nicht, dass der Gründergeist beschworen wird.

(Beifall SPD und SSW)

So könnten Sie zum Beispiel zusätzliche Stipendienprogramme für studentische Gründer auflegen, zusätzliches Wagnis-Kapitel bereitstellen und Stellen für Gründungsberaterinnen und -berater und Projekte an den Hochschulen verstetigen und finanzieren und dann auch noch die Patentverwertungsagentur stärken. Als Flensburger erlaube ich mir, hier auch an das erfolgreiche Jackstädt-Zentrum und die VentureWærft zu erinnern.

(Beifall SPD)

Nur eine kurze Bemerkung zum Gründungssemester: Vermutlich haben Sie übersehen, dass die Senate der Hochschulen schon jetzt die Gründung eines Unternehmens als Beurlaubungsgrund aufnehmen können, gegebenenfalls auch schon aufgenommen haben. Das machen die Hochschulen, nicht die Landesregierung. Damit ist das Gründungssemester aber nicht finanziert. Wir können sicherlich feststellen, dass finanzielle Rahmenbedingungen und die physische Infrastruktur - denken Sie nur an die Breitbandversorgung in den ländlichen Räumen eine wesentliche Rolle für Start-ups spielen. Hier muss mehr getan werden.

Wir sind uns vor dem Hintergrund verschiedener Studien sicherlich auch einig, dass wir eine bessere Gründungskultur mit einer Can-Do-Einstellung, Risikobereitschaft und einer Kultur einer zweiten