Protokoll der Sitzung vom 26.10.2010

davon aus, dass Sie so etwas in diesem Land wohl doch nicht machen wollen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat der Bildungsminister Klaus Kessler.

(Abg. Schnitzler (DIE LINKE) : Jetzt aber Wahrheit und Klarheit!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte doch noch auf einige Punkte meines Vorredners eingehen. Im Sinne von Wahrheit und Klarheit möchte ich noch einmal klar- und wahrstellen, dass wir uns bei der Umsetzung des Koalitionsvertrages der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet fühlen. Klarstellen möchte ich auch da muss ich Sie korrigieren, Herr Commerçon -, dass diese Konvention in rein rechtlicher Hinsicht das Recht von Kindern auf Regelbeschulung nicht regelt. Sie beinhaltet vielmehr das Recht auf gleiche Teilhabe von Behinderten und nicht Behinderten an Bildung. Das ist in rein rechtlicher Hinsicht ein großer Unterschied.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Zum Zweiten. Sie sind herzlich eingeladen, an der Umsetzung dieses Ziels mitzuarbeiten. Wir haben entsprechende Arbeitsgruppen - einen Beirat und verschiedene Kommissionen - eingerichtet, und an dieser Stelle setzen wir auf eine große Gemeinsamkeit.

(Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

Mitglieder Ihrer Partei sind meines Wissens ebenfalls im Beirat vertreten, oder nicht? - Also. Das kann ja vielleicht auch einmal nützlich sein.

Zum Thema „Ganztagsschulen“ und dem Vergleich mit dem Nachbarland Rheinland-Pfalz. Ich bin der Auffassung, dass unsere Personalausstattung sowohl an den Freiwilligen Ganztagsschulen als auch an den gebundenen Ganztagsschulen, die wir in Zukunft einrichten werden, hervorragend ist, weil wir auf Fachpersonal setzen: einmal auf qualifizierte Lehrkräfte und zum anderen auf qualifiziertes sozialpädagogisches Personal, das wir für diese Schulformen verbindlich vorsehen. Wir arbeiten nicht mit Hausfrauen, wie Sie es als Beispiel gebracht haben.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Commerçon (SPD) : Nein.)

Im Übrigen kann unsere Eckpunktekonzeption zur Einrichtung von gebundenen Ganztagsschulen so schlecht nicht sein, weil ja die Antragsteller - die Kreise respektive der Regionalverband, aber auch die Stadt Saarbrücken - bereits ein großes Interesse

(Abg. Commerçon (SPD) )

daran geäußert haben, Anträge auf Einrichtung gebundener Ganztagsschulen zu stellen. Das heißt also: Die Konzeption und die Ausgestaltung der gebundenen Ganztagsschule mit Lehrpersonal und sozialpädagogischen Fachkräften können so schlecht nicht sein. Sonst wäre das Interesse an Antragstellungen nicht so groß.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Bezogen auf die Pensionslasten, die angeblich in unsere Berechnungen eingeflossen sind, um das 30-Prozent-Ziel zu dokumentieren, ist mir der von Ihnen erwähnte Brief nicht bekannt, Herr Commerçon. Ich bin sehr an diesem Dokument interessiert, bleibe jedoch bei meiner Feststellung, dass wir die Pensionslasten nicht eingerechnet haben. Hätten wir sie nämlich eingerechnet, wären wir längst weit über das 30-Prozent-Ziel hinausgeschossen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich möchte jetzt an dieser Stelle nicht bereits die Diskussion über Stellenverlagerungen beziehungsweise Stellenzuweisungen für die einzelnen Schulformen führen. Das werden wir im Rahmen der Haushaltsdebatte, aber auch der Haushaltsberatungen im zuständigen Ausschuss noch zu tun haben. Aber auf eine Zahl möchte ich Sie doch dezidiert hinweisen; sie betrifft die Entwicklung der Schülerzahlen und der Lehrerstellen in diesem Land. Gehen wir einmal ein bisschen zurück, in die Zeit der Vorvorgängerregierung, wie es heute Morgen korrigiert worden ist. Da betrug in diesem Land die Zahl der Schüler an allgemeinbildenden Schulen 150.426. An beruflichen Schulen waren es 34.294. Bis zum Schuljahr 2010/11 haben wir im Saarland einen Rückgang von exakt 18.459 Schülerinnen und Schülern zu verzeichnen; das sind 12,3 Prozent. Bei diesem Verhältnis müssen wir natürlich einmal sehen, was mit der Entwicklung der Vollzeitlehrerstellen passiert ist - nicht der Lehrerköpfe, sondern der Vollzeitlehrerstellen. Da haben wir bis heute einen Anstieg zu verzeichnen, und zwar von 7.780 Stellen im Jahr 1997 auf 8.054 Stellen. Dies ergibt einen Zuwachs von 274 Stellen und einen prozentualen Zuwachs von 3,5 Prozent. Das heißt: Bei erheblich zurückgehenden Schülerzahlen weiten wir die Planstellenzahl in den Schulen aus. Das ist keine Sparmaßnahme; das sind Investitionen. Wie sich das im kommenden Haushalt auf die einzelnen Schulformen verteilt, werden wir in den Haushaltsberatungen noch zu diskutieren haben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag der SPD-Landtagsfraktion. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache

14/305 - neu - ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich kann feststellen, dass der Antrag Drucksache 13/305 - neu - mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Oppositionsfraktionen bei Ablehnung der Koalitionsfraktionen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der LINKE-Landtagsfraktion. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache 14/307 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 14/307 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die Fraktion DIE LINKE bei Ablehnung der Mitglieder der Koalitionsfraktionen und bei Enthaltung der SPD-Landtagsfraktion.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir treten in die Mittagspause ein. Ich unterbreche unsere Sitzung bis 13.45 Uhr und wünsche allen einen guten Appetit.

(Die Sitzung wird von 12.45 Uhr bis 13.46 Uhr unterbrochen.)

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Zu Punkt 13 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Für eine menschenwürdige soziale Grundsicherung - Transparente Berechnung von Regelbedarfen - soziale, politische und kulturelle Teilhabe sicherstellen (Drucksache 14/306 - neu)

Zur Begründung des Antrags erteile ich Frau Abgeordneter Heike Kugler das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 09. Februar dieses Jahres verkündete das Bundesverfassungsgericht das Urteil, dass die Berechnungen der Hartz-4-Sätze verfassungswidrig seien. Die Berechnungen müssen in einem „transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher und schlüssiger Berechnungsverfahren erfolgen“. Konkret ändert sich an diesen Regelungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht viel. Erwachsene erhalten lediglich 5 Euro mehr. Das ist eigentlich blanker Hohn angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten. Für Kinder und Jugendliche gibt es erst einmal gar nichts, stattdessen wird ein Bildungs- und Teilhabepaket aufgelegt, das noch nicht einmal diesen Namen verdient. Mit 10 Euro im Monat mehr

(Minister Kessler)

lassen sich weder Sportverein noch Musikschule und schon gar nicht irgendwelcher Förderunterricht, der vielleicht notwendig wäre, bezahlen, ebensowenig wie der Bus zu einer Institution, die diesen Unterricht durchführt. Die geplanten Gutscheine stigmatisieren zusätzlich die Betroffenen und überfordern auf der anderen Seite auch die Jobcenter.

Betrachten wir uns nun die Berechnung der Regelsätze. Früher hatte man das Problem mit dem Warenkorb, heute geht man von statistischen Größen aus. Wir haben zurzeit 364 Euro Regelleistung, die von Peer Steinbrück vom Finanzministerium vor zwei Jahren vorgebracht wurden. Dieser Betrag scheint in der Vorlage der Bundesregierung übernommen worden zu sein. Es kann aber doch nicht ernsthaft die Frage aufgeworfen werden, ob auf Bundesebene durchgepeitscht werden soll, was vor zwei Jahren einmal so war. Was damals vom Finanzministerium berechnet worden war, wird heute nach zwei Jahren inklusive Preissteigerung und allem, was dazugehört, wirklich ernsthaft vorgeschlagen?

Das Gericht forderte seinerzeit, dass diejenigen Haushalte aus der Betrachtung genommen werden, deren Standard unterhalb des Hartz-4-Niveaus liegen. Nichts merken wir im Moment bei der Berechnung davon. Die Berechnung ist absolut undurchsichtig. Wenn Menschen ohne Einkommen für die Berechnung der Regelsätze herangezogen werden, dann ist das nicht redlich. Ich kann nicht sagen, der verdient nichts, den nehme ich bei der Berechnung der Regeleinkommen mit hinzu. Die sogenannten verdeckten Armen sind so weiter Bestandteil der Referenzgruppe. Die Regelsatzberechnung wird durch diese Vorgaben weiter künstlich abgesenkt, unter anderem werden Abgaben für Mobilität massiv kleingerechnet. Das ist eine Katastrophe gerade für unsere ländliche Region. Wie sollen Kinder im ländlichen nördlichen Saarland in eine größere Ansiedlung fahren, um dort zum Beispiel Förderunterricht in Anspruch zu nehmen, Kurse zu besuchen oder sich weiterzubilden? Ganz zu schweigen davon, dass sie Bibliotheken benutzen können. Wir haben hier eine Auslese, die verheerend für eine ländliche Region wie das Saarland ist.

(Beifall von der LINKEN.)

Das Problem ist, dass die Berechnung der Bundesregierung nicht nachprüfbar ist. Die Rohdaten der Einkommensund Verbrauchsstichprobe stehen nicht zur Verfügung. Die Regierung verweigert auch weiterhin die Herausgabe. Heiner Geißler, den ich nicht mehr vorstellen muss, hat, als man ihn fragte, ob diese Hartz-4-Regelsätze ausreichen, geäußert, dies sei nicht der Fall. Nach seiner Auffassung lasse sich davon nicht menschenwürdig leben. Deswegen seien die 5 Euro extra viel zu wenig. Wir fordern die Landesregierung auf, ziehen Sie im Bundesrat die

Notbremse und ersparen Sie uns den erneuten Gang vor das Bundesverfassungsgericht. - Vielen Dank.

Vielen Dank Frau Abgeordnete Kugler. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat nun Hermann Scharf von der CDU-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ende September dieses Jahres hat die Bundesregierung den Entwurf für ein Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des 2. und 12. Gesetzes des Sozialgesetzbuches im Deutschen Bundestag eingebracht. Mit den drei neuen Bausteinen zur Ausgestaltung des SGB II, dem Bildungspaket, den neu berechneten Regelleistungen für Erwachsene und Kinder sowie dem neuen Fortschreibungsmechanismus, erfüllt dieser Entwurf zunächst alle Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes.

(Abg. Kugler (DIE LINKE) : Lächerlich.)

In den kommenden Wochen durchläuft dieser Entwurf die vorgeschriebenen Instanzen, bevor er in Kraft tritt. Seit Wochen wird dieser Gesetzentwurf, wie wir soeben auch hier noch einmal erfahren durften, heftig und leider auch sehr opportunistisch und polemisch diskutiert. Es wird von mauscheln, tricksen und klüngeln gesprochen.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Das stimmt doch.)

Man versucht, den Eindruck zu erwecken, als ginge es an die Grundfesten unseres Sozialstaates. Ich halte diese Art der öffentlich geführten Diskussion für wenig produktiv, für nicht an der Sache orientiert und für bewusst irreführend. Ich halte es auch für wichtig, dass wir bei dieser Diskussion nochmals den Kausalzusammenhang beachten. Notwendig ist diese Gesetzesänderung, weil das Bundesverfassungsgericht die unter der Regierung Gerhard Schröder in Kraft getretene Regelung als nicht verfassungskonform beanstandet hat. Dabei will ich deutlich hervorheben, dass die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, also der Gedanke, Menschen zu mobilisieren und sie nicht in staatlicher Hilfe abzuschreiben, damals absolut richtig war und dies auch heute noch ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat das Verfahren bei der Ermittlung der Regelsätze gerügt, jedoch nicht deren Höhe. Die Bundesregierung hat nun auf der Basis eines transparenten und für jeden nachvollziehbaren Verfahrens die Bedarfssätze für Erwachsene und Kinder neu ermittelt. Dabei musste der Gesetzgeber auch Wertentscheidungen treffen und sachgerecht und schlüssig begründen, welche Positionen existenzsichernd sind und welche nicht.

(Abg. Kugler (DIE LINKE) )

Diese Entscheidung muss beiden Seiten erklärt werden, nämlich denen, die das Geld beziehen, aber auch denjenigen, die es erarbeiten und dabei unter dem Strich oftmals nicht viel mehr haben als die Empfänger der Leistungen.

Zu den Wunschvorstellungen zum Beispiel der LINKEN, die 500 Euro im Monat plus Warmmiete fordern, kann nur gesagt werden, dass dies zum einen nicht finanzierbar ist,

(Abg. Kugler (DIE LINKE) : Das war von der Liga der freien Wohlfahrtspflege)

zweitens würde das den sozialen Frieden in unserem Land erheblich stören.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Wie bitte? - Abg. Roth (SPD) : Warum?)

Wenn man sich an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes hält, kommt man nämlich nicht annähernd auf diesen Betrag, noch nicht einmal, wenn man Alkohol, Zigaretten, illegale Drogen, Pauschalurlaube oder Flugreisen einrechnet.

(Unmutsbekundungen bei den Oppositionsfrak- tionen.)