Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Du weißt genau, dass es um das Geld geht, nicht um die Bürgschaft!)

Insofern ist das, denke ich, eine etwas inkompetente Frage, die aber jetzt klar beantwortet ist. - Ich habe die herzliche Bitte, dass wir uns bei aller Unterschiedlichkeit und bei allem Streit über den richtigen Weg zumindest nicht den guten Willen absprechen, dass jeder für SaarGummi das tun will, was SaarGummi rettet und was den Arbeitnehmern dort eine Zukunft gibt.

Aber es besteht auch Anlass, ein paar Dinge klarzustellen. Herr Lafontaine, Sie haben „Lüge“ dazwischengerufen. Ich darf wiederholen, was ich gesagt habe. Selbstverständlich sind staatliche Beteiligungen an Unternehmen möglich. Ich habe gesagt, staatliche Beteiligungen an Unternehmen sind nach EU-Recht möglich nach den Regeln, wie sie für Private gelten. Das ist eine Einschränkung, die eben im letzten Jahrzehnt im EU-Recht gekommen ist und die den großen Unterschied beispielsweise zu Zeiten darstellt, als wir 74 Prozent der Anteile von Saarstahl übernommen haben. Das ist die Wahrheit, die müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Deshalb will ich auch deutlich sagen, es geht nicht darum, ob das sein darf oder nicht, sondern es geht darum, welche Möglichkeiten wir haben. Ich denke, die allgemeinen Ausführungen zu dem Thema Geschäftsführung, zu dem Thema Heuschrecken, auch Ihre Ausführungen zu der Frage, wer strategischer Partner sein kann, teilen wir ja. Es ist heute auch bei allen Fraktionen durchgeklungen, dass die Aussage, der Staat müsse übernehmen, in dem Maße hier nicht mehr vertreten wird. Herr Lafontaine, auch wenn es schmerzt, komme ich noch mal auf die Historie zurück. SaarGummi war unternehmerisch in schweren Wassern, auch als Saarberg verkauft wur

de. Das ist die Wahrheit. Damals haben Sie kein Wort davon gesagt, Arbeitnehmer sollten übernehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Lafontaine (DIE LIN- KE).)

Sie haben kein Wort dazu gesagt, wie die Dinge konditioniert werden sollen. Damals hätte man vieles konditionieren können. Ich habe damals, als Sie mich immer noch als kleinen Bürgermeister von Quierschied bezeichnet haben, öffentlich gesagt -

(Heiterkeit bei der LINKEN und Zurufe.)

Frau Spaniol, ich war damals schon 1,85 Meter groß. Ich habe damals schon darauf hingewiesen, dass die SPD-geführte Landesregierung, an der auch Heiko Maas beteiligt war, bei dem Verkauf viele Dinge hätte regeln und konditionieren können. Das ist nicht geschehen. Das ist die Wahrheit und mit der müssen Sie leben.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Es ist immer leicht, für gestern klug zu sein. Aber die Wahrheit muss heute auch auf den Tisch.

Ein Zweites will ich Herrn Maas noch ins Stammbuch schreiben. Wer hier sagt, der Gesundheitsminister würde über eine Staatsbeteiligung an der SHG verhandeln, der sollte dazusagen, dass alle Beteiligten unter Einschluss der SPD sich auch auf kommunaler Ebene darum bemühen, gesellschaftsrechtliche Probleme zu lösen. Es geht überhaupt nicht darum, dass der Staat sich dort auf Dauer beteiligen will, sondern es geht darum, die Probleme der Deutschen Rentenversicherung, der Knappschaft und anderer Beteiligter zu lösen. Wir haben angeboten, hier zu helfen, auch auf Bitten anderer Parteien. Daher ist es unredlich, hier heute so zu tun, als wäre das vergleichbar damit, dass der Staat oder eine Kommune ein Unternehmen gründet. Das ist unredlich.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Lassen Sie mich deshalb abschließend auf Folgendes hinweisen. Mit den Möglichkeiten, die das Land hat, und den Möglichkeiten, die das Parlament hat, werden wir den Prozess bei SaarGummi selbstverständlich begleiten, um dafür zu sorgen, dass möglichst am Standort die Arbeitsplätze gesichert werden und das Unternehmen eine gute Zukunft hat. Ich denke, diesen gemeinsamen Willen sollten wir uns gegenseitig nicht absprechen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat Ministerpräsident Peter Müller.

(Abg. Ensch-Engel (DIE LINKE) )

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat deutlich gemacht, dass alle Parteien in diesem Hause, dass die Landesregierung und der Landtag in seiner Gesamtheit sich zu SaarGummi bekennen und das Ziel haben, die Arbeitsplätze dort sicher zu machen und in die Zukunft zu führen. Das ist positiv.

Zu diesem positiven Befund passt es nicht, wenn gleichzeitig versucht wird, mit der Münze des kleinkarierten parteipolitischen Vorteils zu agieren. Dazu passt es auch nicht, wenn dann in persönlich ehrverletzender Weise Vorwürfe gemacht werden, wie dies eben der Fall war. Ich will ein Beispiel nennen. Liebe Frau Ensch-Engel, hier der Frau Kollegin KuhnTheis zu unterstellen, sie sei nur gekommen, als die Fernsehkameras da waren, ist deshalb eine Unverschämtheit, weil der Betriebsrat hier ist und Ihnen bestätigen kann, wann Frau Kuhn-Theis mit ihm geredet hat, wann sie beim Betriebsrat war, wann sie vor Ort war, wann sie im Unternehmen war. Sich dann hierhin zu stellen und in einer Sache, in der es um existenzielle Nöte von Menschen geht, eine Kollegin, die das gleiche Ziel verfolgt, derart ehrabschneidend zu attackieren, ist völlig unangemessen. Ich fordere Sie auf, sich zu entschuldigen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Zurufe von der LINKEN.)

Das wäre der Situation angemessen. Andernfalls bleibt der Befund: Es könnte sein, dass es Ihnen nicht in erster Linie um die Sache geht.

(Teilweise Lachen bei der LINKEN.)

In dem Zusammenhang ist es auch unangemessen, lieber Herr Kollege Maas, sich hierhin zu stellen und abstrakt zu räsonieren über die Handlungsfähigkeit der Landesregierung beziehungsweise einzelner Teile der Landesregierung. Auch die heutige Debatte hat bestätigt, dass in der Sache SaarGummi die Landesregierung von Anfang an engagiert war, immer vor Ort war, alles gemacht hat, was ihr möglich war. Die Landesregierung war und ist in dieser Sache voll handlungsfähig. Deshalb weiß ich nicht, was das soll. Das ist Brunnenvergiftung und die ist überflüssig.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Natürlich ist die Frage nicht nur mit Blick auf SaarGummi - dazu hat der Wirtschaftsminister das Notwendige gesagt -, sondern auch darüber hinaus die, welche Instrumente denn zur Verfügung stehen. Da will ich gerne zwei Stichworte von Ihnen, Herr Lafontaine, aufgreifen. Sie haben gesagt, ein mit Sicherheit richtiger strategischer Investor ist die Belegschaft. Das ist richtig. Es ist vollkommen klar, dass die Belegschaft ein besonderes Interesse daran hat, den Bestand der Arbeitsplätze in dem Unternehmen

zu sichern. Deshalb sage ich Ihnen, das Einfordern einer stärkeren unternehmerischen Beteiligung der Belegschaft ist zwischen uns überhaupt nicht strittig, und füge hinzu: Nicht nur in der Krise, nicht nur in der Insolvenz, sondern weit darüber hinaus. Belegschaften, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Unternehmen zu beteiligen, ist eine sinnvolle Sache, die für uns sicherlich positiv ist und von uns positiv begleitet wird.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die kritischen Einwände in diesem Zusammenhang, lieber Kollege Linsler, sind ja eher von anderer Seite gekommen. Die kritischen Einwände sind ja, wenn ich mir das politische Spektrum anschaue, eher von der linken Seite gekommen, nämlich unter dem Gesichtspunkt, ob es eigentlich zumutbar ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich an einem Unternehmen beteiligen, weil sie dann auch das Konkursrisiko übernehmen. Dann kann es sein, dass sie auf Lohn verzichten. Dann geht das Unternehmen in die Insolvenz und dann ist auch die Unternehmensbeteiligung weg. Das ist eines der großen Probleme.

Das zweite große Problem ist die Frage, wie es sich mit der Übertragbarkeit der Anteile verhält, wenn jemand als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer an einem Unternehmen beteiligt ist. Da gibt es viele Fragen, auch berechtigte Fragen. Deshalb gibt es auch viele Modelle, sehr unterschiedliche Modelle der Mitarbeiterbeteiligung. Wenn das Thema schon angesprochen wird, sollte man dazusagen, dass es diesbezüglich auch Vorbilder im Saarland gibt. Das Mitarbeiterbeteiligungsmodell von Globus beispielsweise ist ein vorbildhaftes Modell. Es ist richtig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Unternehmen zu beteiligen, wir unterstützen das.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Der zweite Punkt - strategischer Investor Staat. Da unterscheiden wir uns, da haben wir eine deutliche Differenz. Zunächst einmal ist in dem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es nicht nur europarechtliche Vorgaben für unternehmerische Beteiligungen gibt. Es gibt auch bundesrechtliche und landesrechtliche Vorgaben. In der Landeshaushaltsordnung ist unter anderem bestimmt, dass das Land sich an einem bestehenden Unternehmen nur beteiligen soll, wenn ein wichtiges Interesse des Landes vorliegt und sich der vom Land angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt. Also ist die Beteiligung Ultima Ratio.

In dem Zusammenhang möchte ich, einfach um die Dinge in den richtigen Rahmen zu stellen, einen Hinweis geben. Natürlich ist die Bürgschaft damit vorrangig gegenüber der Beteiligung am Unternehmen. Die saarländische Landesregierung hat sich in den vergangenen Jahren über Bürgschaften massiv en

gagiert. Die Gesamtsumme der ausgegebenen Bürgschaften ist von 429 Millionen im Jahr 2001 auf 776 Millionen im Jahr 2009 gestiegen. Dass diese Bürgschaften ein hoch effizientes Instrument zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Unternehmen sind, zeigt die Quote der Inanspruchnahme. Wenn die Bürgschaft funktioniert und dem Unternehmen hilft, dann wird sie ja nicht fällig, dann wird sie nicht in Anspruch genommen. Das ist etwas, worüber Sie noch einmal nachdenken müssen, Frau Ensch-Engel.

Wir haben in diesem Zeitraum eine Quote der Inanspruchnahme gehabt, die zwischen 0,05 Prozent und 1,48 Prozent geschwankt hat. Durchschnittlich hatten wir eine Inanspruchnahme der gegebenen Bürgschaften in einer Größenordnung von weniger als 3 Millionen. Also gerade einmal in 0,5 Prozent der Fälle musste das Geld - Herr Lafontaine, Sie haben ja eben gesagt, es geht um Geld -, das verbürgt worden ist, gezahlt werden. Bei SaarGummi ist eine Inanspruchnahme nicht erfolgt. Da ist bisher noch kein Geld geflossen. In gerade einmal 0,5 Prozent der Fälle - mit weniger als 3 Millionen im Jahr - musste gezahlt werden bei einer Bürgschaftssumme von durchschnittlich fast 600 Millionen. Das ist hoch effiziente Sicherung von Arbeitsplätzen für die saarländische Wirtschaft und für die Menschen im Saarland. Deshalb gehen wir diesen Weg auch weiter.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Neben diesen Vorgaben, was staatliche Beteiligungen angeht, haben wir die Vorgaben des EURechts. Das hat der Kollege Meiser richtig gesagt und daran kommen wir nicht vorbei. Auch die Bürgschaften, aber insbesondere die Beteiligungen überprüft die EU unter dem Gesichtspunkt, ob es sich um eine verdeckte Subvention handelt. Das ist das Thema.

(Sprechen bei der LINKEN.)

Dieser Gesichtspunkt, verehrter Herr Kollege Lafontaine, wird an der Frage festgemacht, ob die Beteiligung in einer Art und Weise erfolgt, wie sich auch ein privater Dritter an dem Unternehmen beteiligt hätte, also der sogenannte Drittinvestor-Test. Genau vor diesem Hintergrund ergeben sich Restriktionen. Sie haben zunächst einmal die Anzeigepflicht. Es ergeben sich auch Restriktionen, was diese Beteiligungen anbetrifft. Ich will Ihnen in dem Zusammenhang aber ein Weiteres sagen. Völlig losgelöst von dieser Frage, in welchem Umfang wir Beteiligungen übernehmen können - wir schließen sie ja nicht grundsätzlich aus; wir sind ja bereit, im Einzelfall das zu überprüfen -, sind wir gleichwohl grundsätzlich der Meinung, dass staatliche Beteiligungen an privaten Unternehmen im privatwirtschaftlichen Bereich am Ende kein sinnvoller Weg sind. Das haben ja

viele Redner heute auch von anderer Stelle aus betont.

Am Ende ist es so: Der Staat schafft nicht die Arbeitsplätze. Der Staat schafft die Rahmenbedingungen, unter denen Arbeitsplätze entstehen können. Aber Wirtschaft ist Sache der Wirtschaft. Deshalb ist ein Weg, der das Heil darin sieht, dass möglichst viele staatliche Beteiligungen eingegangen werden, aus unserer Sicht ein Irrweg.

(Sprechen.)

Den Weg der Staatswirtschaft sind wir in einem Teil Europas gegangen. Am Ende ist das ganze System zusammengebrochen.

(Oh-Rufe bei der LINKEN.)

Das ist kein gutes Beispiel. Deshalb gehen wir diesen Weg auch nicht. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsfraktio- nen. - Fortdauerndes Sprechen.)

Damit sind wir am Ende der Aktuellen Aussprache angelangt. Ich schließe die Aktuelle Aussprache. Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Ich unterbreche unsere Sitzung bis um 13.30 Uhr und wünsche allen einen guten Appetit.

(Die Sitzung wird von 12.28 Uhr bis 13.31 Uhr unterbrochen.)

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, wir fahren in der Tagesordnung fort.

Wir kommen nun zu Punkt 1 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung bundesrechtlicher Justizgesetze (Drucksache 14/313)

Zur Begründung erteile ich Herrn Justizminister Peter Müller das Wort.