Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

Das Wort hat für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Fraktionsvorsitzender Hubert Ulrich.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute über ein für uns als GRÜNE schwieriges Thema. Auf der einen Seite haben wir dem Projekt Vierter Pavillon in unserer Oppositionszeit sehr kritisch gegenübergestanden, auf der anderen Seite sind wir heute Teil einer Regierungskoalition, welche nun die Aufgabe hat, diesen angefangenen Komplex zu einem vernünftigen Ende zu führen, und welche die Verantwortung dafür trägt, dass die Baumaßnahme Vierter Pavillon im Sinne der saarländischen Bevölkerung zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gebracht wird.

Als GRÜNE haben wir bereits mehrfach deutlich gemacht, dass wir aufpassen müssen, dass dieses Projekt nicht weiter ausufert und den Rahmen sprengt. Ich habe mehrfach den Vergleich mit der Elbphilharmonie in Hamburg ins Spiel gebracht. Wir brauchen in Saarbrücken keine zweite Elbphilharmonie. Das ist für uns klar. Die gesamte Debatte um den Vierten Pavillon ist ziemlich verfahren. Mittlerweile sind wir so weit, dass sich jeder von jedem betrogen und getäuscht fühlt, die Opposition von der Regierung, das Kuratorium von den Herren Melcher und Marx, Frau Ries von allen.

(Lachen und Beifall bei den Regierungsfraktio- nen.)

Egal, wie es ist, es gibt zum heutigen Zeitpunkt mehr Fragen als Antworten. Das ist völlig unbefriedigend. Völlig unbefriedigend ist für uns auch, dass bis zum heutigen Tage kein vernünftiges Zahlenwerk auf dem Tisch liegt, das klar aussagt, wohin die Reise finanziell geht. Wir haben nur Zahlen über den Status quo von vor einem halben Jahr vorliegen. Horst Hinschberger hat es eben angesprochen. Natürlich darf man in dieser ganzen Debatte um die Einsetzung des Untersuchungsausschusses nicht vergessen, dass es Ziel der Opposition ist, die Ministerpräsidentin über diese Kiste zu Fall zu bringen. Das ist relativ deutlich geworden. Aus der Oppositionsrolle heraus ist es vielleicht auch verständlich. So ist Opposition nun einmal. Dafür wird unterstellt, behauptet und spekuliert. Wir als GRÜNE in dieser Regierungskoalition können vor dem Hintergrund dessen, was uns heute bekannt und bewusst ist, kein Fehlverhalten seitens der Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer feststellen. Das will ich ganz deutlich sagen. - Im Gegenteil, die Landesregierung hat sehr deutlich gemacht, dass sie lückenlose Aufklärung betreiben will, allen voran Innenminister Toscani. Frau Kramp-Karrenbauer hat sich im Plenum zu diesem Punkt für meine Begriffe sehr deutlich geäußert.

Ich kann nur wiederholen, was eben mit Blick auf die Opposition gesagt wurde. Sie haben sich in dieser Legislaturperiode bereits zweimal bei der Einsetzung und bei den Ergebnissen von Untersuchungsausschüssen lächerlich gemacht.

(Lachen und Sprechen bei der LINKEN.)

Sie haben zwei Untersuchungsausschüsse eingesetzt, bei denen nichts von dem belegt werden konnte, was Sie in diesem Lande immer wieder als Verschwörungstheorie an die Wand malen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Heftige Zurufe von den Oppositionsfraktionen. - Abg. Linsler (DIE LINKE) : Wir setzen einen für Sie ein. Sie sind der Richtige.)

Mit diesem Anliegen sind Sie zweimal gescheitert. Ich kann Sie bei allem Aufklärungsbedarf, den wir haben, nur bitten, schütten Sie bei diesem Untersuchungsausschuss nicht das Kind mit dem Bade aus.

(Abg. Maas (SPD) : Warum fordert Tressel, dass Schreier zurücktreten soll? - Fortgesetzte Zurufe des Abgeordneten Maas (SPD). - Unruhe.)

Herr Maas, stellen Sie doch eine Zwischenfrage, dann brauchen Sie hier nicht herumzuschreien. Das ist doch ganz einfach. - Wichtig ist für uns auch, dass vor dem Hintergrund dieser Debatte die Entwicklung der saarländischen Kulturlandschaft nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Denn bei all den Geschehnissen ist diese Gefahr nicht ganz auszuschließen.

(Abg. Hinschberger (FDP) )

(Abg. Maas (SPD) : Lächerlich! - Anhaltende Unruhe.)

Die Geschehnisse um den Bau und den Baufortschritt beim Vierten Pavillon müssen lückenlos aufgeklärt werden. Die Struktur der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz muss deutlich reformiert werden. Aber auch das ist von dieser Landesregierung bereits angekündigt worden. Es wird zeitnah umgesetzt. Natürlich hat die Öffentlichkeit ein Recht auf lückenlose Aufklärung. Dieses Parlament - Opposition wie auch Regierungsparteien - haben die Pflicht, die Öffentlichkeit lückenlos aufzuklären. Vor diesem Hintergrund sind wir als GRÜNE der Meinung, dass die Einsetzung des Untersuchungsausschusses sinnvoll ist. Deshalb werden wir ihr zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Reinhold Jost das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige wenige Vorbemerkungen zu einigen der Vorredner machen. Ich sage, irgendwo ist Schluss mit lustig.

(Heiterkeit bei den Oppositionsfraktionen.)

Kollege Ulrich, was denken Sie sich eigentlich dabei, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, es darf keine Vorverurteilung geben?

(Abg. Maas (SPD) : Genau! - Lachen bei den Oppositionsfraktionen.)

Was denken Sie sich eigentlich dabei oder denken Sie überhaupt,

(Erneut Lachen bei den Oppositionsfraktionen)

wenn Sie uns vorwerfen, wir würden Vorverurteilungen betreiben? - Ich zitiere Ihren Kollegen Tressel. Der fordert den Rücktritt von Herrn Schreier in der Affäre um den Vierten Pavillon.

(Zurufe von den Oppositionsfraktionen. - Gegen- rufe von den Regierungsfraktionen.)

Wenn Sie dazu den Mund halten würden, könnte ich es verstehen, aber in der Saarbrücker Zeitung vom 15.11. ist nachzulesen, dass der GRÜNEN-Chef Hubert Ulrich diese Position in der ganzen Sache stützt.

(Zuruf von der SPD: Pfui! - Weitere Zurufe von den Oppositionsfraktionen. - Erneute Gegenrufe von den Regierungsfraktionen. - Unruhe.)

Für wie doof halten Sie die Leute? Halten Sie zukünftig lieber den Mund, wenn Sie den Leuten ein X für ein U vormachen wollen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen. - Abg. Maas (SPD) : So ein Heuchler! - Starke Unruhe.)

So viel zum Thema Vorverurteilung. Meine zweite Bemerkung geht an den Kollegen Theis. Herr Kollege Theis, wenn Sie hier sagen, nachdem die Landesregierung bereits mit der Aufarbeitung, Aufklärung und Transparenz angefangen hat, sei nun endlich auch das Parlament gefordert, dann ist das lächerlich. Wir sind Ihnen über ein Jahr lang hinterhergelaufen. Wir sind hinters Licht geführt worden, weil uns Informationen nicht gegeben wurden. So sieht es aus, Kollege Theis. Ich bin gespannt, wie groß die Transparenz, Öffentlichkeit und Gemeinsamkeit in diesem Ausschuss sein werden. Darauf bin ich wirklich gespannt.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Kollege Hinschberger, nach Ihrem Beitrag weiß ich nicht, was tatsächlich im Raume steht. Sie haben gesagt, es gehe in keinem Fall um Vorverurteilung. Ich habe Ihrem Koalitionspartner von den GRÜNEN schon vorgelesen, wie die GRÜNEN das mit dem Thema Vorverurteilung sehen. Bei Ihrem Beitrag hatte ich allerdings den Eindruck, es geht um bedingungslose Reinwaschung und um das Verhindern der Aufklärung der zugrunde liegenden Sachverhalte. Weder das eine noch das andere wäre hilfreich. Ich sage ganz bewusst: Dieser Miststall gehört ausgeleuchtet und ausgemistet. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass die Leute das Gefühl haben, was hier gelaufen ist, war schäbig, schlimm und skandalös, aber man hat die richtigen Schlüsse gezogen. Es geht einerseits um die strafrechtliche Verantwortung. Diese haben die Staatsanwaltschaft und die Gerichte zu klären. Es geht aber andererseits auch um die politische Verantwortung, Kollege Hinschberger. Ich sage Ihnen, es kann keine Denkweise geben, die lautet: Diejenigen, die früher als Minister in der Verantwortung waren, aber jetzt nicht mehr in dieser Funktion sind, da sie nun Abgeordneter, TotoChef oder Ministerpräsidentin sind und eben nicht mehr Minister und damit auch nicht mehr Kurator, haben mit diesem neuen Amt ihre Verantwortung abgegeben. Wer so denkt, deckt diesen Skandal. Jeder hat seiner Verantwortung gerecht zu werden. Das ist Grund dieses Ausschusses.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das hat auch nichts mit Vorverurteilung zu tun. Da geht es darum, dass die Regierungschefin selber Selbstkritik übt und zugibt, dass sie Fehler gemacht hat. Es ist über mehrere Rechnungshofberichte festzustellen, dass hier bewusst der Versuch unternommen wurde - das steht in dem Bericht drin, die Kolle

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

gin Ries hat es vorgelesen -, das Parlament und die Öffentlichkeit mit falschen Zahlen zu informieren.

(Zuruf von der LINKEN: Hört, hört!)

Das muss aufgeklärt werden! Wenn das so ist, will ich wissen, warum das passiert ist. Es kann doch nicht sein, dass ein solcher Vorwurf im Raume stehen bleibt, dass er unkommentiert bleibt! Der gehört aufgeklärt, denn hier geht es an die Grundfesten des Parlamentarismus und an unser Selbstverständnis, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wenn die Ministerpräsidentin selbst sagt, sie räumt Fehler beim Pavillon ein, wenn sie sagt, sie würde die auf Anraten von Ex-Kulturminister Schreier vorgelegte Vertragsverlängerung des damaligen Stiftungsvorstandes Melcher heute nicht mehr unterschreiben, will ich wissen: Warum hat man sie damals unterschrieben und warum ist man heute der Auffassung, dass das ein Fehler war? Das muss man auch gegenüber der Öffentlichkeit begründen. Wir sagen überall, wir haben kein Geld, für nix und neischt, für Menschen, die dringend auf Hilfe angewiesen sind, steht kein Geld zur Verfügung. Aber dem Kollegen Melcher hat man damals das Geld quasi verdoppelt und damit dafür Sorge getragen, dass mit dem Geld, das man ihm anvertraut hat, Schindluder getrieben wurde. Wo sind wir denn, wenn man das als Vorverurteilung darzustellen versucht?! Das sind Fakten und die gehören aufgeklärt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Diese Vorgänge sind zum Sinnbild für Korruption, Missmanagement und Kontrollversagen geworden, und deshalb muss es in unserem Selbstverständnis liegen, dieses Thema anzugehen. Kollege Hinschberger, wir waren doch drüben, in dem Museum und haben uns angesehen, was das für ein Murks ist, der dort abgeliefert wurde.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Großbunker!)

Ich will wissen: Wer hat wann was gewusst? Warum gab es diesen Brandbrief des Finanzministers an die Kulturministerin? Was stand dort drin? Wer hat danach mit wem geredet? Warum ist dann immer noch nicht gehandelt worden? Wenn man wusste, dass sich unter dem Stiftungsvorstand Melcher die Kosten schon 2009 verdoppelt hatten, warum hat man ihn dann noch zwei Jahre lang im Amt gelassen? Ich will wissen: Was waren die Beziehungsgeflechte? Hat dieses dauernde Mit-irgendjemand-essen-gehen tatsächlich den Straftatbestand der Korruption und der Untreue erfüllt? War das ein klassisches „Anfüttern“, wie man so schön sagt?

(Teilweise Heiterkeit bei der LINKEN.)

Ich will wissen: Wer hat wen in dieser Angelegenheit wohin gebracht? Es kann doch nicht sein, dass man alles, was im Rechnungshofbericht festgestellt wurde, als Vorverurteilung ansieht! Das erinnert mich frappierend an die Diskussion, die wir noch bis vor einem Jahr geführt hatten, unter einem anderen Kulturminister, als dann derjenige, der den Skandal aufgedeckt hat, nämlich der Rechnungshof, der Schuldige war, nicht der, der das Geld verschweinzt hat. Das kann und darf in diesem Land nicht zur Mode werden!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es geht um die Frage: Wer hat den Projektsteuerer eingebracht, trotz nicht vorhandener Qualifikation? Wer hat trotz dieser Kostenexplosion den Projektsteuerer und den Vorstand der Stiftung weitermachen lassen? Wer hat wann was gewusst, geduldet oder gedeckt? Wer wusste von der Kostenexplosion der Falsch- und Fehlplanungen? Wer hat die Beziehungspflege ein- und weitergeführt? Ich sage ganz bewusst: Die Transparenz und Aufklärung, die wir in den vergangenen Monaten Gott sei Dank erlebt haben, ist hier dringend nötig. Es gilt das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen, aus den gemachten Fehlern zu lernen und ein Kontrollsystem zu installieren, das ein solches Desaster, wie wir es hier erlebt haben, in Zukunft verhindert.

Ich darf Ihnen nur einen einzigen Punkt aus der Saarbrücker Zeitung zitieren, von Bernard Bernarding, am 05. November 2011. Überschrift, wohl wahr: „Ein wahres Fiasko“. Er schreibt: „Das Dokument (des Rechnungshofes) beschreibt Selbstüberschätzung, Überforderung, Kungelei und Chuzpe in einem Maße, das sprachlos macht. (...) Es gehört zur Tragik der Verantwortlichen, dass ihnen dabei die Kontrolle des Millionenprojekts vollkommen entglitten ist.“ - Dann kommt der entscheidende Satz: „Die Übernahme der politischen Verantwortung für das Finanzfiasko steht aus.“

Um diese Frage der politischen Verantwortung geht es in diesem Untersuchungsausschuss. Ich hoffe, dass alle diejenigen, die in den vergangenen Jahren dieses Projekt kritisch gesehen haben, sich nicht aufgrund ihrer jetzigen Regierungsbeteiligung kleinmachen, sondern sich in der Aufklärung beimachen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)