Protokoll der Sitzung vom 15.02.2012

branche darlegt, weil es sich um die verdeckte Leiharbeit handelt.

Ich glaube, dass es ganz wichtig und notwendig ist, dass Nachweispflichten bei den einzelnen Werkvertragsunternehmen formuliert werden, und dass eine Finanzkontrolle in einem weitaus größeren Maße stattfindet, damit wir genau diese Missbrauchssituation tatsächlich beheben können. Bei der ganzen Diskussion darf man nie vergessen, dass Leiharbeit durchaus ein sinnvolles Instrument sein kann, um bestimmte Spitzen abzudecken, wenn es um bestimmte Aufträge geht. Gerade kleine und mittlere Unternehmen können auf Derartiges angewiesen sein. Von daher möchte ich das nicht per se verteufeln. Das habe ich hier immer wieder klargemacht.

Es geht darum, dass verhindert wird, dass wir zwischen Leiharbeitern und Stammbelegschaft differenzieren. Es geht darum, dass wir Equal Pay vom ersten Tag an haben. Das muss die Forderung sein. Wenn wir über eine Differenzierung reden, dann müsste das bedeuten, dass die Leiharbeiter mehr bekommen, weil ihnen ein Flexibilitätsbonus zustehen muss im Hinblick auf diese Flexibilität und diese Unsicherheit in ihrem eigenen persönlichen und beruflichen Lebenslauf. Da reicht auch nicht unbedingt, dass wir hier nur eine Lohnuntergrenze festlegen. Das war damals der Grund, warum wir aus den Hartz-4-Verhandlungen ausgestiegen sind und gesagt haben, uns reicht das nicht. Über das Synchronisationsverbot haben wir hier schon öfter debattiert. Von daher brauche ich mich an dieser Stelle nicht zu wiederholen.

Ich denke, in dieser Regulierung von Werkverträgen, in dieser notwendige Regulierung von Leiharbeit, in diesen neuen Kontroll- und Beobachtungsmechanismen muss man dieses Instrument des Mindestlohns berücksichtigen. Ich freue mich, dass so viel Bewegung in dieses Thema gekommen ist, und dass bis auf die FDP das mehr oder weniger überparteilich, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten jeweils, getragen wird. Ich glaube, wenn 80 Prozent der Bevölkerung für einen Mindestlohn sind, dann ist das ein deutliches Zeichen, dass die Bevölkerung es nicht länger hinnehmen möchte, dass hier Menschen nicht mehr von ihrer Arbeit leben können und zu miserablen Bedingungen beschäftigt sind. Es ist umso bedauerlicher, dass, wie der Kollege Bierbaum vorhin berichtet hat, im Bundesrat gerade dieser Initiative zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, einer Initiative, die von Hamburg, Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Bremen und NordrheinWestfalen in den Bundesrat eingebracht worden ist, nicht zugestimmt worden ist.

Es ist aber auch bedauerlich, dass die Große Koalition in Berlin nicht zugestimmt hat. Von daher denke ich, ist es heute durchaus sinnvoll, dass die SPD vielleicht das eine oder andere klärt, wie sie sich im

(Abg. Willger (B 90/GRÜNE) )

Falle einer Großen Koalition verhalten möchte, und ob wir dann im Saarland das gleiche Dilemma haben, wie das jetzt die Berliner haben. Auch hier wäre es ganz nett, wenn vor der Wahl eingepackt wird, was die Bürgerinnen und Bürger nach der Wahl auspacken, und ein paar klare Worte kämen.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Sehr schön!)

Ich denke, im Hinblick darauf, dass hier umfassende Lösungsansätze notwendig sind und nicht mehr einfach die Strategie sein darf „Manager lernen das Lohndumping“, ist es notwendig, dass wir ganz entschlossen gegensteuern. In diesem Sinne darf ich darum bitten, dass unserem Antrag zugestimmt wird. Im Übrigen, ohne der Debatte allzu weit vorzugreifen, werden wir dem SPD-Antrag zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall bei B 90/GRÜNE.)

Zur Begründung des Antrages der CDU-Landtagsfraktion, Drucksache 14/697, erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Klaus Meiser das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung zu den allgemeinen Rahmenbedingungen, die wir im Saarland haben, um dann deutlich zu machen, warum ich heute gerne auch die ordnungspolitische Debatte führen möchte. Es ist wohl unbestritten - losgelöst von der Frage, wessen Verdienst es ist -, dass wir insgesamt im Saarland derzeit eine vergleichsweise gute Lage am Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft und im Bereich der Finanzen haben. Sie wissen, dass wir uns sogar in diesem Winter unter 35.000 Arbeitslosen bewegen - verbunden mit der großen Hoffnung, dass die Zahl in diesem Jahr auf 30.000 zurückgeht -, dass die Wirtschaftskraft für unsere Verhältnisse nachhaltig geblieben ist und dass sich die Finanzen im Rahmen des Möglichen gerade im Jahr 2011 gut entwickelt haben.

Warum stelle ich das an den Anfang? Ich denke, zu einer Debatte, die sich zu Recht mit Missbräuchen im Bereich des Arbeitsrechts am Arbeitsmarkt befasst, gehört auch die Feststellung, dass wir insgesamt gute und erfolgreiche Unternehmen sowie eine Unternehmensstruktur haben, die größtenteils von einer ordentlichen Sozialpartnerschaft geprägt ist. Und es gehört dazu, dass wir in einer solchen Debatte auch an die Wirtschaft und diejenigen, die Spielregeln einhalten, das Signal senden, dass wir auf eine starke, auf eine gute und auch sozial orientierte Wirtschaft im Saarland setzen.

(Beifall bei der CDU.)

Kollege Bierbaum, ich will die Probleme nicht kleinreden und werde zu den Missbräuchen kommen. Dennoch ist es wichtig, deutlich zu machen, dass bei 330.000 Beschäftigten etwa drei Prozent in Leiharbeit sind, sicherlich in manchen Bereichen zu viel, das steht außer Frage. Wir haben im Saarland mehr als 70 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter fairen Tarifverträgen gebunden. Wenn ich sehe, dass wir weit über 10.000 Handwerksbetriebe haben - alle kleinen Firmen eingerechnet fast 40.000 -, und die gesamte saarländische Landschaft betrachte, dann können wir festhalten: Vom Grundsatz her besteht - das will ich wiederholen - eine Sozialpartnerschaft zwischen Unternehmern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und der staatlichen Seite. Hierzu zähle ich auch die mittlere Verwaltungsebene sowie die Städte und Gemeinden. Diese Erkenntnis sollte durchaus an den Anfang einer solchen Debatte gestellt werden.

Denn wenn wir heute über Mindestlohn, Leiharbeit und Werkverträge reden, dann reden wir auch darüber, wie es sich mit den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft verhält, ob es in der heutigen Wirtschaftsordnung noch fair und gerecht zugeht. Das ist die Frage, die wir uns bei den angesprochenen Themen stellen müssen. Wenn ich mir den Ausgangspunkt der sozialen Marktwirtschaft anschaue, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut worden ist - bekanntester Name Professor Ludwig Erhard -, wenn ich mir anschaue, was gewollt war, nämlich hohe Leistungsfähigkeit, Grundversorgung, Vollbeschäftigung, der Sozialstaat als Korrektiv, der negative Auswirkungen der Marktprozesse verhindern soll, dann wird heute jedem deutlich, dass die Grundgedanken sicherlich gut waren, dass sich aber die Spielregeln zum Teil erheblich verändert haben, weil sich - das ist ein banaler Spruch, aber er trifft zu - die Welt verändert hat.

Damals hatten wir Rahmenbedingungen, in denen die Märkte ein Stück weit abgeschottet waren. Das Ordnen zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern war einfacher. Ich will es nicht negativ als Protektionismus bezeichnen, denn es waren damals die Spielregeln und so war die Welt aufgestellt. Gerade die Wirtschaftswelt war sehr stark geprägt von nationalen Interessen. Inzwischen haben wir die Globalisierung, die Öffnung der Märkte und den Euroraum mit vielen positiven Auswirkungen, aber auch mit Riesenproblemen gerade in den Bereichen, die Sie, Herr Bierbaum, beschrieben haben - wenn es grenzüberschreitend zugeht und wenn die Rahmenbedingungen bei Weitem noch nicht die Gleichen sind. Dann kommt es zu Verwerfungen, über die wir heute auch zu reden haben.

Gerade auch vor diesem Hintergrund ist es wichtig, weiterhin an der sozialen Marktwirtschaft festzuhalten - ich unterstreiche das Wort „sozial“ -, deutlich zu

(Abg. Willger (B 90/GRÜNE) )

machen, dass die Marktgesetze gelten, dass sich aber die Sozialpartnerschaft nicht mehr von alleine ergibt, sondern dass der Staat ordnungspolitisch eingreifen muss. Ich glaube, diese grundsätzliche Übereinstimmung haben wir in diesem Hause.

Wenn ich angesprochen habe, dass sich die Welt verändert hat, so gibt es ein markantes Datum im letzten Jahr. Am 01. Mai 2011 ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union in Kraft getreten. Selbstverständlich hat das die Debatte um den Mindestlohn neu entfacht, weil sich nämlich im Zuge dieser Entwicklung natürlich neue Rahmenbedingungen und Probleme ergeben haben. Eines sollten wir gemeinsam nicht mehr tun, nämlich die Diskussion, wie wir diese Probleme der Sozialpartner lösen, mit ideologischen Gräben versehen. Gefahren, Vor- und Nachteile kann man durchaus objektiv und gemeinsam analysieren. Die Schlussfolgerungen werden je nach Ausrichtung unterschiedlich sein. Aber ich bin entschieden dafür, dass wir eine Zieldebatte führen, wenn wir zum Beispiel über den Mindestlohn reden.

Die Globalisierung hat Anpassungsdruck gebracht, das wird niemand bestreiten. Und die Globalisierung hat ein Ergebnis gebracht, das unter sozialen Gesichtspunkten eigentlich nicht hingenommen werden kann. Es ist Faktum, dass es in den Fällen von „Working poor“, wenn Menschen voll arbeiten und dennoch auf Transferleistungen angewiesen sind, eine Schieflage gibt. Aber auch hier muss man unterscheiden zwischen dem, was Fakt ist, und dem, was empfunden wird. Denn Menschen können einen Lohn nicht für gerecht empfinden, der das Auskommen nicht voll sichert, und schon gar nicht in der emotionalen Lage, wenn sie gleichzeitig zur Kenntnis nehmen, dass es an anderen Stellen exzessive Lohn- und Bonuszahlungen gibt. Diese Unterschiede werden in keiner Weise akzeptiert, sie werden als unfair und ungerecht empfunden. Menschen empfinden einen Lohn dann als gerecht, wenn sie sagen, dass sie von ihrer Arbeit leben können.

Ich will allerdings auf Folgendes hinweisen. Das ist keine holzschnittartige Vereinfachung für Stammtischparolen, sondern eine Betrachtung, die deutlich macht, dass wir zweierlei Verantwortung haben. Wir müssen Verantwortung tragen für die Unternehmen, damit sie leben und überleben. Und wir haben Verantwortung dafür, dass Menschen einen fairen Lohn erhalten. Wenn der Lohn nicht nur das Auskommen bringt, das die Menschen brauchen, sondern auch der Arbeitsproduktivität entspricht, ist das stressfrei sowohl für die Arbeitnehmer- als auch für die Arbeitgeberseite. Im Klartext: Wenn die Erträge der Unternehmen ausreichen - in vielen Fällen tun sie es, Herr Linsler, es gibt auch Missbrauchsfälle, keine Frage -, dann sind das die Fälle, wo unsere Wirtschaftsordnung funktioniert.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Okay.)

Wo funktioniert sie nicht? Sie funktioniert dann nicht, wenn der Lohn über der Arbeitsproduktivität liegt. Das ist ein Problem für die Unternehmen und das ergibt sich oft in Grenznähe, ergibt sich dort, wo internationaler Wettbewerb mit Lohndumping stattfindet. Hierfür haben wir, wenn wir ehrlich sind, kein Patentrezept. Schauen Sie sich die Fleischbranche an! Wodurch entstehen denn die Probleme? Sie entstehen oft dadurch, dass ein Preiswettbewerb stattfindet, der nicht mehr verantwortbar ist. Dieser Preiswettbewerb wird dann auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen, sonst könnte man bei niedriger Arbeitsproduktivität im Wettbewerb nicht mehr mithalten.

Schauen Sie sich die großen Ketten an, die beliefert werden. Hier findet ein gnadenloser Wettbewerb statt. Dort ist es ganz schwierig, Lösungen zu finden. Ich sage es mal provokativ: Wenn wir mit staatlichen Regelungen dafür sorgen, dass seriöse Unternehmen - von denen spreche ich jetzt - Löhne zahlen müssen oberhalb ihrer Arbeitsproduktivität, dann haben wir Arbeitnehmer, die letzten Endes Steine statt Brot haben. Denn die Unternehmen werden nicht überleben, und die Arbeitnehmer werden ihre Arbeit verlieren. Deshalb, denke ich, ist es wichtig, eine solche Debatte darauf zu fokussieren, wie wir dieses Problem lösen können, wie wir die Dinge zueinander bringen können. Wir debattieren nicht über die Unternehmen, die genügend Erträge haben und ihre Arbeitnehmer schlecht behandeln. Das ist für mich unstreitig. Und mit Blick auf diese geschilderten Probleme bin ich der Auffassung, dass das, was unsere Ministerpräsidentin mit vorgeschlagen hat - nämlich der Tarifmindestlohn -, am ehesten in der Lage ist, diesen Problemen differenziert Rechnung zu tragen.

(Beifall bei der CDU. - Zuruf des Abgeordneten Linsler (DIE LINKE).)

Ich denke, Sie werden mir zugestehen, dass bis heute das System der Tarifautonomie in großen Teilen - nicht überall - funktioniert hat und dass gerade die Tarifpartner das spezifische Wissen darüber haben, was an Lohn möglich und zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern verträglich ist.

(Zuruf des Abgeordneten Linsler (DIE LINKE).)

Herr Linsler, das ist mindestens zweidimensional. Andererseits wissen wir, dass der Staat Regelungen für den Fall schaffen soll, dass das System nicht funktioniert. Da sind wir uns ja einig. Aber wenn dann beispielsweise auf England hingewiesen wird, dann schauen Sie sich einmal an, wie England das Problem gelöst hat, wie hoch die Mindestlöhne dort sind, und bedenken Sie, dass es dort eine Kommission gibt. Wenn die Hinweise auf Frankreich kommen, dann sehen Sie sich dort die Diskussion an, in

(Abg. Meiser (CDU) )

der auch die Politik zugibt, dass die Verantwortung des Staates für den Mindestlohn zu einem politischen Wettlauf führt, nach dem Motto: Wer bietet mehr vor Wahlen? Insofern, denke ich, besteht der Weg darin, dass sich der Staat zwar mit einschaltet, aber klug einschaltet, indem er die Tarifpartner in ihrer Verantwortung lässt, jedoch dort eingreift, wo es zwischen ihnen nicht funktioniert oder wo die Marktmacht so aussieht, dass zwar Tarifhoheit besteht, aber keine „Tarifmacht“. Deshalb diese Lösung, indem wir sagen: Lasst uns in einer paritätisch besetzten Kommission aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite mit einem Schlichter eine verbindliche Lohnuntergrenze finden und auf dieser Basis Tarifmindestlöhne insgesamt finden! Ich denke, das ist eine Lösung, die beiden Aspekten am ehesten gerecht wird. Der eine Aspekt besteht darin, für gute Arbeit einen fairen Lohn zu zahlen, und der andere darin, dass man trotzdem sehr differenziert prüft, wie man das Unternehmen erhalten und dafür sorgen kann, dass am Ende, wie ich es gesagt habe, nicht Steine statt Brot stehen und Arbeitsplätze verloren gehen.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Sie reden drumherum.)

Von daher bin ich entschieden der Auffassung, dass uns dieser differenzierte Weg am ehesten weiterhelfen kann. Deshalb sage ich auch: Im Konfliktfall sollte man einen Schlichter einschalten, und dort, wo Tarifabschlüsse erzielt worden sind und alte Verträge nachwirken, muss man Regelungen haben, die zur Aufhebung führen. Die Modelle sind ja bekannt.

Ich will noch etwas zur Leiharbeit sagen. Wir sind uns sicherlich völlig einig, dass die Leiharbeit vom Grundansatz her nur dazu dienen sollte, Produktionsspitzen abzudecken. Wir könnten jetzt bis in die Nacht hinein trefflich darüber diskutieren, inwiefern die Systeme international vergleichbar sind oder nicht. Man muss nämlich die Gesamtheit betrachten. Dazu gehört das gesamte Arbeitsrecht, dazu gehört der Kündigungsschutz und so weiter. Deshalb weiß jeder von uns: Wenn man die Diskussion ehrlich führt, dann trifft es selbstverständlich zu, dass Arbeitgeber Lösungen gesucht haben, die den starren Kündigungsschutz umgehen und mit denen sie Spitzen abdecken können. Das ist die Leiharbeit. Wenn sie nur eingesetzt wird, um Spitzen abzudecken, dann wird, denke ich, niemand hier im Haus sagen, dass Leiharbeit nicht sein darf.

(Zuruf des Abgeordneten Linsler (DIE LINKE).)

Und ich denke, dass es dann richtig ist, zu sagen: Leiharbeit muss so organisiert sein, dass es auch bei ihr faire Löhne gibt. In Branchen, in denen überhaupt nicht angelernt werden muss, muss von Anfang an gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden, und in Branchen, in denen angeleitet werden muss, muss dies nach dem Zeitraum geschehen,

der zum Anleiten benötigt wird. Ich denke, auch dort sind wir beieinander. Deshalb sage ich noch ein Drittes: Man sollte Firmen dazu anhalten und motivieren, Leiharbeit möglichst auf die Fälle zu beschränken, in denen sie erforderlich ist, und sie nicht zu missbrauchen. Dann heißt das auch, dass wir unsere Förderpolitik damit verbinden. Über die sinnvollen Quoten kann man in diesem Zusammenhang noch diskutieren. Ich denke, das sollte man gemeinsam mit den Unternehmen tun. Ich war in den letzten Wochen in mehreren großen saarländischen Unternehmen, die mir dargelegt haben - ich will das Beispiel Hydac anführen -, dass sie in den letzten zehn Jahren weit über 50 Prozent der Arbeitskräfte in Leiharbeit übernommen haben. Leider gibt es andere Branchen, die niemanden übernehmen und dieses Instrumentarium missbrauchen. Ich denke, wir sind beieinander, wenn wir sagen, dass es eine festgelegte Lohnuntergrenze geben muss, um Missbrauch vorzubeugen.

(Beifall bei der CDU.)

Ich will noch ein Letztes zum Tariftreuegesetz sagen. Ich denke, wir haben in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass wir bereit sind, unter Weiterentwicklung des bestehenden Tariftreuegesetzes EU- und wettbewerbsrechtliche Bedingungen zu überprüfen, um anschließend zu sehen, wie wir weiterkommen. Die entsprechenden Initiativen sind bekannt. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich abschließend und zusammenfassend, dass für mich in dieser Diskussion Folgendes klar zusammengehört: Wir müssen im Rahmen unserer Möglichkeiten dafür sorgen, dass gute und erfolgreiche Unternehmen im Saarland erhalten bleiben, denn gute und erfolgreiche Unternehmen können und müssen Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, die genügend Arbeitsproduktivität und damit auskömmlichen Lohn bringen können. Entscheidende Basis sind also gute und erfolgreiche Unternehmen, die faire Löhne zahlen. Der Staat sollte meiner Meinung nach dort eingreifen - ich habe dargelegt, wie -, wo es Missbrauch gibt. Das Ganze sollte sich auf der Basis der sozialen Marktwirtschaft abspielen. Dann sind wir, wie ich meine, auf gutem Wege zu guten Lösungen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meiser. - Zur Begründung des Antrags der SPD-Landtagsfraktion, Drucksache 14/699, erteile ich Herrn Abgeordneten Eugen Roth das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns seitens der SPD-Fraktion entschlossen, das Thema etwas brei

(Abg. Meiser (CDU) )

ter aufzumachen und in den saarländischen Gesamtkontext zu stellen. Wir sind nämlich der Auffassung, dass die Frage, die heute behandelt wird, weit über einzelne Problemfälle hinausgeht und dass eine sehr grundsätzliche Frage berührt wird, die Frage, wie das Saarland im Standortwettbewerb bestehen und Zukunft gewinnen will oder aber auch verspielen kann. Vor diesem Hintergrund meinen wir, dass gute Arbeit - ein Thema, das vor einigen Jahren vom Deutschen Gewerkschaftsbund und seinen Einzelgewerkschaften eingebracht wurde - für uns als Standortfrage zu behandeln ist und nicht nur im Zusammenhang mit Beispielen wie Höll oder Betrieben, die vorher existiert haben.

Mir hat gut gefallen, was Klaus Meiser vorhin gesagt hat. Er hat auf die Wirtschaft und die guten Betriebe hingewiesen, wie ich sie einmal nenne. Das steht auch anhand der Erfahrungen mit Tarif- und Sozialpartnerschaft - völlig außerhalb der Diskussion. Und wenn wir bestimmte Vorkehrungen treffen, schützen wir ja gerade auch diese guten Betriebe. Wir halten sie zum Teil davon ab, Unsinn zu machen, und schützen sie. Man darf das nicht zu laut sagen, denn im Grunde handelt es sich bei dem, was wir da andenken und entwickeln wollen, um Schutzgesetze für gute saarländische Betriebe. Ich drücke es einmal so aus: Da gibt es diesen Interessengegensatz gar nicht. Deshalb sollte man ihn auch nicht konstruieren. Statt dessen sollte man sich fragen, was „gute Arbeit“ heißt. Im Zusammenhang mit meinen Ausführungen zur Wirtschaftsförderung werde ich mich schwerpunktmäßig an die Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN wenden, denn dort haben wir einen Hebel.

Ich möchte mehrere Themen nennen, die sich hinter dem Begriff „gute Arbeit“ verbergen. „Gute Arbeit“ ist kein Begriff wie „Guten Morgen“ oder „Guten Abend“, sondern „gute Arbeit“ beinhaltet 15 Dimensionen von Arbeit. Dazu gehören zum Beispiel das Betriebsklima, der psychische Arbeitsdruck, der Arbeitsschutz und natürlich auch auskömmliche und sichere Arbeitsstellen und so weiter. Dies verbirgt sich hinter dem Thema „gute Arbeit“. Wir sind der Auffassung, dass wir als Teil von „guter Arbeit“ einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen werden, um eine Untergrenze einzuziehen. Das verstößt mitnichten gegen irgendwelche tariflichen Aspekte. Denn es geht um Sektoren, in denen keine, kaum oder eine nicht wirksame gewerkschaftliche Vertretung existiert.

Als Gewerkschafter sage ich, dass dies früher umgekehrt diskutiert wurde. Die Gewerkschaften wollten ursprünglich den gesetzlichen Mindestlohn nicht, weil sie gesagt haben, man würde ihnen etwas von ihrer Tarifhoheit wegnehmen. Wir haben aber einen Denkprozess durchlaufen. Wir mussten erleben, wie in Sektoren, aus denen wir zum Teil mit brutaler Ge

walt herausgehalten wurden, plötzlich die Menschen ausgeliefert waren und mit Hungerlöhnen oder sittenwidrigen Löhnen abgespeist wurden. Teilweise wurden Tarifverträge abgeschlossen, die weit unter dem von uns genannten Level waren, aber ansonsten hätten die Leute überhaupt keinen Tarifvertrag bekommen. All dies sind Dinge, die man nicht hinnehmen darf. Denn das Modell der sozialen Marktwirtschaft, nennen Sie es nach Ludwig Erhard oder Willy Brandt oder anderen, fußt nicht darauf, dass wir unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinter’s Licht führen, dass wir sie ausbeuten, sondern dass wir sie gerecht behandeln. Das muss das Zukunftsmodell des Wirtschaftsstandortes sein. Deshalb der gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto. Das ist nichts Weltbewegendes. Damit ist man immer noch unter der Armutsschwelle und unter den Durchschnittslöhnen in Deutschland. Aber selbst das haben wir noch nicht. Deshalb ist die Position der Gewerkschaften, die Forderungen nicht ständig höher zu schrauben, solange wir diese Stufe nicht erreicht haben.

Es gehört für uns natürlich auch ein echter Tarifvertrag dazu, ein echtes Tariftreuegesetz mit eingezogener Untergrenze. Diese kann gerne überschritten werden, aber es soll eine Untergrenze sein. Wo Steuergelder eingesetzt werden, lieber Kollege Bernd Wegner, haben wir eine besondere, eine ethische Verpflichtung, mit diesem Geld sorgsam umzugehen. Wir können nicht diejenigen, die falsche Geschäftsmodelle auf der Basis von Dumpinglöhnen ausarbeiten, mit Steuergeldern unterstützen. Das versteht in der Bevölkerung niemand.

(Beifall von der SPD.)