Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

(Präsident Ley übernimmt den Vorsitz.)

Das Deutsche Institut für Wirtschaft, das bereits mehrfach zitiert wurde, hat vorgerechnet, dass bei einer Vermögenssteuer von einem Prozent ab 500.000 Euro etwa 20 Milliarden bundesweit zusammenkämen. Davon würden etwa 240 Millionen Euro im Jahr für das Saarland übrig bleiben.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Ja, lesen Sie es doch nach.

(Abg. Willger-Lambert (B 90/GRÜNE) )

(Abg. Schmitt (CDU) : Ich habe es Ihnen vorgerechnet. Dabei habe ich das DIW zitiert. - Abg. Prof. Dr. Bierbaum (LINKE): Das stimmt doch so nicht. - Zuruf des Abgeordneten Wegner (CDU).)

Herr Wegner hat etwas gesagt. Ich komme auch zu Ihnen. - Die OECD hat festgestellt, hören Sie bitte zu, dass seit dem Jahr 2000 in der Bundesrepublik Deutschland Einkommensungleichheit und Armut stärker zugenommen haben als in jedem anderen OECD-Land. Das steht fest. Da brauchen wir nicht lange zu diskutieren. Deshalb empfiehlt die OECD, dass in der Bundesrepublik Deutschland eine Vermögenssteuer eingeführt werden soll. Das ist nachzulesen.

(Zuruf des Abgeordneten Wegner (CDU).)

Das wissen Sie genauso gut wie ich. - Nun zur Landesregierung und zu Ministerpräsident Müller. Herr Ministerpräsident, Sie müssen sich bei Jamaika schon ordentlich verbiegen. Das hat Sie wahrscheinlich die 2,5 Prozent bei der letzten Umfrage gekostet.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Sie aber auch! - Lachen und Beifall bei den Regierungsfraktionen. Zuruf von den Regierungsfraktionen: Dumm gelaufen.)

Nein, nicht dumm gelaufen. Der Unterschied ist, dass wir immer heruntergerechnet worden sind. Beim letzten Mal unter sechs Prozent. Jetzt muss man uns erst mal hochrechnen und dann werden Sie sehen, was dabei herauskommt.

(Beifall bei der LINKEN.)

Ich muss zum Schluss kommen. Meine Redezeit ist zu Ende. Herr Ministerpräsident, seien Sie für die Vermögensteuer, dann brauchen Sie sich nicht zu verbiegen, und die Saarländerinnen und Saarländer sind Ihnen dankbar. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Thomas Schmitt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Linsler, man kann doch nicht zum hundertsten Mal sagen, wir machen eine Vermögenssteuer, die nur die Reichen und Wohlhabenden trifft, am Schluss kommen 20 Milliarden rein und für das Saarland 200 Millionen. Gleichzeitig beruft man sich auf die Rechnung des DIW, von der ich Ihnen eben dargelegt habe, wie sie zustande kommt. Die kommt nämlich nur dann zustande, wenn man Vermögen in der Breite besteuert, wenn man die Grundsteuer erhöht und wenn man die Erbschaftssteuer für Immobilien erhöht. Dann trifft es eben

nicht nur die Reichen, sondern dann trifft es alle; dann hat man nicht nur die Wohlhabenden.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Sie haben uns einen Antrag zur Beschlussfassung vorgelegt, der da lautet: Die Landesregierung soll eine Bundesratsinitiative ergreifen, um die Vermögenssteuer wiedereinzuführen. Dabei soll das Modell des DIW eingebracht werden. - Das Modell habe ich Ihnen eben vorgetragen, das betrifft nicht nur die Vermögenssteuer, sondern die vermögensbezogenen Steuern. Da geht es um eine Ausbreitung auf den Mittelstand - das hat das DIW selbst vorgetragen -, nur so kommen die 20 Milliarden zustande. Dann trifft es aber nicht nur die Reichen. So langsam müssen Sie sich also überlegen, was Sie uns tatsächlich vorlegen wollen, ob Ihr Modell, das LINKE-Modell mit dem Freibetrag 1 Million und 5 Prozent drüber oder das Modell des DIW. Zur Abstimmung steht das Modell DIW.

Herr Kollege Jost, wir können gerne über die Finanzlage des Saarlandes diskutieren; die ist uns allen bekannt. Wir wissen auch, dass wir im Moment Schulden machen, mehr als je zuvor wegen der Wirtschaftskrise; das ist aber nichts Saarlandspezifisches, auch nichts Parteispezifisches. Wir können auch darüber reden, wie wir an der einen oder anderen Stelle die Einnahmesituation des Landes verbessern können. Sie haben uns aber einen konkreten Antrag mit einem konkreten Modell vorgelegt, und da muss ich sagen dürfen, dass dieses Modell nicht trägt und was es für Konsequenzen hat. Die Konsequenz ist, dass es in die Breite geht, dass es die breite Mittelschicht in unserem Land, dass es die Immobilienbesitzer trifft.

(Zuruf.)

Dann legen Sie bitte nichts vor, bei dem Sie sich auf das DIW beziehen, wenn es diese Konsequenzen hat! Es geht hier nicht darum allgemein zu palavern. Sie haben einen Antrag eingebracht, und da muss es auch möglich sein, auf die Konsequenzen dieses Antrages hinzuweisen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir können ja darüber diskutieren, was ist reich, was ist superreich, was ist wohlhabend, was können die beitragen. Dann können wir über Freibeträge von 1 Million Euro reden und über die entsprechenden Steuersätze. Aber ich sage Ihnen eines: Wenn wir die Freibeträge so hoch ansetzen, kommt nichts mehr zusammen. Dann reden wir nicht von 20 Milliarden, dann reden wir vielleicht bundesweit von 1 bis 2 Milliarden. Wenn ich das vergleiche mit dem, was wir früher an Einnahmen durch die Vermögenssteuer hatten, kommen für das Saarland nicht mehr 200 Millionen raus, sondern 1 bis 2 Millionen.

(Abg. Linsler (LINKE) )

Aber dann sagt uns die Deutsche Steuer-Gewerkschaft, die Sie heute auch schon zitiert haben - Sie haben ja gesagt, die müssen Ahnung davon haben , „Wir sind dagegen, dass die Vermögenssteuer wiedereingeführt wird. Der Ertrag lohnt nicht den Verwaltungsaufwand, den das bedeutet.“

(Abg. Linsler (LINKE) : Das stimmt nicht.)

Ich kann es Ihnen doch zitieren! Die Unterlagen liegen mir vor! Gut, Sie kennen Herrn Ondracek nicht persönlich, aber rufen Sie ihn doch einfach mal an. Als ehemaliger Gewerkschaftskollege wird er Ihnen bestimmt Auskunft geben.

Im Übrigen: Das sogenannte DIW-Modell, das Sie hier vorgetragen haben, ist - die Kollegin WillgerLambert hat es gesagt - kein echtes Modell. Es haben in dem Fall Verdi, IG Metall und Hans-BöcklerStiftung das DIW beauftragt, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Vermögensbesteuerung wieder eingeführt werden kann. Daraufhin hat das DIW Möglichkeiten aufgezeigt, hat auf die Grundsteuer, die verbreiterte Vermögenssteuer und die Erbschaftssteuer verwiesen. Mit diesen ganzen Maßnahmen kommt es auf 20 Milliarden, und ich sage Ihnen: Es trifft nicht nur die Wohlhabenden.

Wenn Sie heute einen ganz konkreten Vorschlag vorlegen, müssen Sie auch mit der Konsequenz leben, dass man Ihnen sagt, was er in der Umsetzung bedeutet, dass er nämlich auch die Kleinen trifft. Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat der Finanzminister Peter Jacoby.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns in der zurückliegenden Zeit in der Finanzministerkonferenz das eine oder andere Mal über das Stichwort Vermögenssteuer unterhalten. Ich glaube, man sollte zwei Dinge schlicht und ergreifend zur Kenntnis nehmen, die vielleicht dazu angetan sind, den einen oder anderen Beitrag etwas zu relativieren. Eine Vermögenssteuer, die sich in ihrer Konzeption - das Ganze soll ja ein Modell sein, da hat die Kollegin Willger-Lambert recht ausschließlich auf individuelles Privatvermögen bezieht unter Außerachtlassung von Betriebsvermögen, eine solche Vermögenssteuer ist in Deutschland nicht vereinbar mit der Verfassung, mit dem Grundgesetz. Erste Bemerkung.

Wenn das so ist, haben Sie zwangsläufig in der jetzigen wirtschaftlichen Situation ausschließlich eine Bezugnahme auf Private. Sie vergessen die Bezugnahme auf Betriebsvermögen, wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen, die dazu geeignet sein

könnten, gerade in der Zeit der Wirtschafts- und Finanzkrise gegenzuhalten, stabilisierend zu wirken. Sie verdrängen also aus gutem Grund den zweiten Gesichtspunkt.

Weitere Bemerkung. Eine in Deutschland eingeführte Vermögenssteuer kann nicht den Halbteilungsgrundsatz außer Acht lassen, der nach wie vor für die Vermögenssteuer gilt - er ist relativiert worden in Zusammenhang mit der Einkommensteuer, gilt aber nach wie vor für die Vermögensteuer -, dergestalt nämlich, dass Vermögensteuer nicht mehr betragen darf als 50 Prozent der Erträge aus dem Vermögen. Wenn das so ist, ist das eine Deckelung, eine Plafondierung. Die Beträge, von denen Sie in Ihrem Antrag behaupten, sie mobilisieren zu können, können nur unter einer Maßgabe erreicht werden - auf die der Kollege Schmitt in der Debatte sehr deutlich hingewiesen hat, auf die auch das Deutsche Institut für Wirtschaft hinweist -, unter der Maßgabe nämlich, dass Sie das Thema Grundsteuer bezogen auf das Grundvermögen in die Bemessungsgrundlage mit einbeziehen. Dann können Sie aber hier nicht sagen, ich schöpfe eine Freigrenze von 1 Million, wenn Sie zu den Beträgen kommen wollen, von denen Sie behaupten, dass sie dann haushaltswirksam werden. Sie haben dann Wirkungen in breite Bereiche des Mittelstandes hinein, dann liegt die Freigrenze nicht mehr bei 500.000, sondern bei 200.000 oder 150.000. Dann haben Sie das typische saarländische Einfamilienhaus in der Bemessungsgrundlage mit drin. Dann können Sie, Herr Kollege Linsler, nach dem Motto „Im Himmel ist Jahrmarkt“ hier sagen, was Sie wollen,

(Abg. Linsler (LINKE) : Der Spruch ist gut)

Sie können das auch noch mit einer sympathischen Unbedarftheit hier einbringen, es ist trotzdem völlig daneben und muss zurückgewiesen werden.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Deshalb gebe ich all denen recht, die hier gesagt haben, wir brauchen mehr Einnahmen für unseren Haushalt. Wer bräuchte das nicht? Das sagt der Kollege Finanzminister in Rheinland-Pfalz, das sagt der Kollege Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, das sagen alle Finanzminister, im Bund nicht anders. Aber sich hierhin zu stellen und den Eindruck zu erwecken, Kollege Bierbaum, man habe tatsächlich ein Konzept, das man nur morgen beschließen müsste, dann würde es funktionieren und sei überdies mit unserer Verfassung vereinbar, das ist eine Täuschung der Öffentlichkeit. Darüber müssen Sie sich im Klaren sein. Deshalb habe ich etwas dagegen, wenn hier der Eindruck erweckt wird: Es soll schließlich etwas Gutes getan werden, die Welt ist doch so ungerecht, wir brauchen Einnahmen. - Da werden zwei, drei Überschriften in den Raum gestellt, und das soll es dann sein. Damit finden wir uns nicht ab!

(Abg. Schmitt (CDU) )

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich habe keine Lust, um diese Uhrzeit und mit Blick auf die nächste Woche und die Atmosphäre, die ansonsten um diese Zeit im saarländischen Landtag herrscht, diese Diskussion auf die Spitze zu treiben. Ich will aber mit aller Zurückhaltung noch auf Folgendes hinweisen. Sie erwecken in Ihren Debattenbeiträgen den Eindruck, als gäbe es in Deutschland nicht so etwas wie eine Steuerprogression. Sie erwecken den Eindruck, als sei bei der Einkommenssteuer, bei der Erbschaftssteuer und anderen Besteuerungsarten das soziale Element völlig außen vor. Das Gegenteil ist doch der Fall!

(Zurufe von der LINKEN.)

Ich will Ihnen das verdeutlichen. 1999, vor zehn Jahren, hatten wir in Deutschland die Situation, dass der Spitzensteuersatz beim 2,3fachen des Durchschnittsverdienstes angefangen hat. Mittlerweile beginnt der Spitzensteuersatz bereits beim 1,8fachen des Durchschnittsverdienstes und kommt entsprechend zur Anwendung.

(Zurufe der Abgeordneten Ensch-Engel (LINKE).)

Deshalb muss man sagen, dass sich der Spitzensteuersatz in Deutschland unter Progressionsgesichtspunkten tendenziell immer in die Richtung bewegt hat, dass - im Gegensatz zu der Schieflage, von der Sie ständig reden - weniger Einkommen mehr belastet worden sind. Unter diesem Gesichtspunkt will ich darauf hinweisen, dass die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in Übereinstimmung zu bringen ist mit dem Prinzip starke Schultern, starke Lasten. Das ist über weite Strecken und das war Konsens in der Großen Koalition Maßgabe der Steuerpolitik gewesen. Und dazu habe ich zugegebenermaßen eine rhetorische Frage: Warum hat nach 1998 die rot-grüne Bundesregierung die Finger weggelassen von einer Revision dessen, was durch das Verfassungsgerichtsurteil vorgegeben war? Und zweitens habe ich die Frage, warum ist das in der Großen Koalition nie auf die Tagesordnung gekommen? Drittens habe ich die Frage: Warum ist kein Minister - und wir haben doch alle ein Interesse an stabilen Einnahmen - aus der Runde der Finanzminister der Auffassung, dass die von Ihnen angedachte - konzipiert will ich es gar nicht nennen - Einführung einer Vermögenssteuer sinnvoll, vernünftig und zielführend wäre? Niemand ist dieser Auffassung!

Und wenn Sie sagen, wir müssen Bündnispartner suchen, dann ist man geneigt zu sagen, der erste Ansprechpartner wäre ja - siehe Antrag - Rot-Rot in Berlin. Was erklärt der Finanzsenator des rot-roten Senats? Diese Steuer ist nur schwer zu erheben. Ich rate dazu, die Finger davon zu lassen. Im Übrigen ist die Existenz einer Vermögenssteuer auch ein Argument in der jetzigen Krise, ob Unternehmer wei

terhin an den Wirtschaftsstandort Deutschland glauben oder sich an den Rand gedrängt fühlen. - So der rot-rote Finanzsenator von Berlin! Machen Sie sich auf die Suche nach Bündnispartnern und reden Sie nicht so, wie Sie es eben in dieser Debatte von dieser Stelle aus getan haben.

(Beifall bei CDU und FDP.)

Und weil das, was ich gesagt habe, unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten richtig ist, weil das nicht durch irgendeine Beschlussfassung in irgendeiner Hinterzimmerfraktion ausgehebelt werden kann und darf, erklärt der Bundesvorsitzende der SPD, Steinmeier, im Wahlkampf und danach -