diese Menschen etwas tun will, muss man auch für die Eltern etwas tun. Denn oft entsteht Armut dadurch, dass die Eltern nicht in der Lage sind, mit einem Einkommen oder gar durch Sozialtransferleistungen Familien so zu ernähren, dass sie im Saarland eine Perspektive haben, aus der Armut herauszukommen.
Wenn wir über Armut reden, sind auch die Frauen das wurde eben von Frau Willger-Lambert angesprochen - immer mitten in der Diskussion. So ist es auch bei dieser Sozialstudie. Alleinerziehende sind im Saarland mit über 43 Prozent einem Armutsrisiko ausgesetzt. Alleinerziehende sind meistens Frauen.
Wir haben im Saarland in der Tat mit der Frauenerwerbsquote ein Problem, und damit auch mit dem Verdiensteinkommen von Alleinerziehenden. Wir haben aber auch bei kinderreichen Familien ein Armutsrisiko, das erhöht ist. Jetzt muss ich sagen, wir stehen ja immer hier und fordern die Leute auf: Setzt mehr Kinder in die Welt, wir brauchen eine Entwicklung, die in die andere demografische Richtung geht. Aber wenn man sieht, dass dieser Kinderreichtum für viele ein Armutsrisiko bedeutet, dann ist das, muss ich sagen, natürlich nur zur Hälfte gedacht. Wenn wir solche Forderungen aufstellen, müssen wir den Familien auch unter die Arme greifen. Deshalb steht - das ist nicht nur ein saarländisches Problem - der komplette Familienlastenausgleich in Deutschland auf dem Prüfstand. Das, was bisher dort getan wird, hat bisher jedenfalls nicht dazu geführt, dass Familien mit vielen Kindern geholfen wurde, sondern sie sind mehr oder weniger in die Armut gedrängt worden. Und das kann kein familienpolitisches Konzept sein, das wir - so, wie es momentan läuft - weiter tragen können. Auch hier möchte ich keine Verantwortlichkeiten zuweisen, sondern es geht darum, dass man endlich erkennt, dass etwas in die falsche Richtung geht und dass man hier eine Kehrtwende machen muss.
Armut ist aber nicht nur ein Thema für junge Menschen, es gibt auch Armut im Alter. Auch das ist eine Zahl, die immer weiter steigen wird, weil wir ja die Rentenanwartschaften der Menschen kennen und uns ausrechnen können, dass wir in diesem Bereich mehr Armut zu erwarten haben. Und auch dort sind es wieder vor allem die Frauen.
Migrantinnen und Migranten sind oft ein Thema, wenn es um die Schulen geht. Aber auch diese Studie hat gezeigt, dass es in der Tat so ist, dass diese Menschen es noch schwerer in unserer Gesellschaft haben als viele andere. Deshalb: Wenn wir ein Gesamtpaket machen, müssen wir auch an unsere Migranten und Migrantinnen denken. Da geht es auch um die Frage, wie offen eine Gesellschaft ist, ob sie es erlaubt, dass diese Menschen bei uns in Deutschland ihren Weg gehen können.
Aber ich habe mich mit Sicherheit nicht zu Wort gemeldet, um Ihnen zu sagen, wie schlecht es hier im Saarland ist, das können Sie ja in der Studie selbst nachlesen. Es geht vor allem auch darum zu diskutieren: Was können wir tun? Und wenn ich von „wir“ rede, dann meine ich nicht nur die Politik, wie es im Antrag der CDU etwas deutlich wurde. Wenn ich von „wir“ rede, dann sage ich: Alle sozialen gesellschaftlichen Gruppen in diesem Land, die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer, die Gewerkschaften, die Kirchen, die Sozialverbände, alle fordere ich auf, gemeinsam zu überlegen, wie wir dieses Thema Armut im Saarland verbessern können.
Unser Vorschlag - ich muss jetzt ehrlicherweise sagen, es ist nicht originär der Vorschlag der SPDFraktion, wir haben einen Vorschlag des VdK aufgegriffen, die haben das schon hier in die Politik eingebracht -: Eine Charta für ein soziales Saarland erarbeiten, gemeinsam Politik Hand in Hand mit den gesellschaftlichen Kräften in unserem Land, damit aus dieser Frage eine positive soziale Bürgerbewegung wird und alle das Bewusstsein haben, dass sie einen Beitrag leisten können, vor allem, dass sie einen Beitrag leisten wollen, damit Armut im Saarland immer weniger wird. Wir müssen tun, was wir tun können, um Menschen in diesem Land eine Hand zu reichen und ihnen helfen, aus ihrer Situation herauszukommen, wieder zurück in eine Teilhabegesellschaft und nicht in eine Finanzierungsgesellschaft. Und wenn heute manche Punkte besonders angesprochen werden, dann heißt das nicht, würde man alleine diese Punkte berücksichtigen, wäre das Thema Armut damit erledigt. Es ist in der Tat ein ganzheitlicher Ansatz gefragt, an dem alle Fachbereiche mitarbeiten sollten.
Ich möchte aber den Arbeitsmarkt herausgreifen, weil in der Tat zu sagen ist, wenn die Eltern eine dauerhafte Beschäftigung hätten und von dieser Beschäftigung ihre Familie ernähren könnten, könnte Kinderarmut zurückgedrängt werden. Die Frage ist, inwieweit man das auf dem ersten Arbeitsmarkt machen kann, wie wir auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Vollbeschäftigung erreichen. Diese Frage wird in politischen Diskussionen hin und her gewendet. Wir brauchen einen dauerhaft geförderten öffentlichen Beschäftigungssektor im Land, der vom Land und von den Kommunen gemeinsam getragen werden muss, damit Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Perspektive haben, hier eine Beschäftigung finden. Wenn Sie weniger als die Hälfte von dem, was Sie in Gondwana investiert haben, in einen dauerhaft öffentlich geförderten Beschäftigungssektor investieren würden, könnten Sie über 1.000 Menschen helfen und nicht nur 50. Wählen Sie einen Ansatz für das Saarland, bei dem wir etwas Eigenes machen und Menschen, die langzeitarbeitslos sind, wirklich helfen können - unabhängig
Wenn wir über dieses Thema reden, muss ich auch ansprechen, dass wir, entgegen Ihren Aussagen im Koalitionsvertrag und den Andeutungen in Ihrem Antrag, in der Realität leider eine vollkommen andere Entwicklung sehen: Die Gelder bei den Agenturen für Langzeitarbeitslose, für bestimmte Beschäftigungsprogramme, sind gekürzt worden. Gerade jetzt im Dezember sind viele Menschen, die in Projekten waren, entlassen worden, weil die Gelder aus Berlin gekürzt wurden. Zeitgleich wird über dieses Thema diskutiert, in den Kommunalparlamenten oder bei den Trägern, die sagen, damit fällt ein wichtiger Teil weg. Man steht betroffen da und sagt, es tut uns echt leid, dass hier momentan keine Lösung gefunden werden kann! Und auf der anderen Seite diskutiert Roland Koch darüber, dass „die Faulenzer in Deutschland endlich mal arbeiten sollten“! Wenn die Bundesregierung und die Politik selbst auf der einen Seite die Beschäftigungsmöglichkeit für Langzeitarbeitslose kürzt, ist es wohl eine unverschämte Polemik auf der anderen Seite, die Menschen, die immer weniger Möglichkeiten haben, eine Beschäftigung zu finden, als Faulenzer zu bezeichnen.
Wir müssen die Frauenerwerbsquote steigern; wir haben da im Saarland in der Tat ein historisches Problem. Wir haben auch ein anderes Problem bei der Frauenbeschäftigung, denn 75 Prozent der Frauen arbeiten in geringfügiger Beschäftigung. Wenn man sich die Schulabschlüsse anschaut, muss man feststellen, dass nach dem Schulabschluss ein Bruch in unserer Gesellschaft stattfindet: Vor allem Frauen haben es im Saarland schwerer, eine wirkliche Beschäftigung zu finden, mit der sie eine Familie ernähren können. Deshalb ist Betreuung - es geht dabei vor allem um die Alleinerziehenden - ein ganz wichtiges Thema. Es ist aber auch eine Aufgabe, in der Wirtschaft solche Beschäftigungen für Frauen zu akquirieren und zu unterstützen. Deshalb fordern wir - das haben wir bereits im Regierungsprogramm getan - eine Stabsstelle „Frauen“ in der Staatskanzlei, die überall in der Wirtschaft aber auch in anderen Teilen der Gesellschaft dafür sorgt, dass Frauen mehr Chancen bekommen, eine Arbeit zu finden, von der sie alleine eine Familie ernähren können.
Wenn wir über das Thema Armut reden, sind wir ganz schnell bei der Bildung. Ich möchte jetzt nicht alle Gründe aufzählen, die hier schon zigfach genannt worden sind, warum das im Saarland nicht so klappt und die Selektion immer noch sehr hoch ist. Die soziale Studie sagt auch, dass es im Saarland einen Zusammenhang zwischen der Herkunft und den Bildungsabschlüssen gibt. Ich möchte das jetzt auch nicht vertiefen, sondern weise nur darauf hin,
in der Studie ist gesagt worden, dass die Chancengerechtigkeit noch nicht verwirklicht ist. Es ist eine ganz große Aufgabe, den Kindern Möglichkeiten zu geben, damit sie durch Bildung selbst aus dem Bereich herauskommen und nicht mehr in Armut leben müssen.
Aber auch die Sprachförderung ist wieder ein ganz großes Thema, weil es nicht so ist, dass in den Familien immer mehr Deutsch geredet wird. Es wird vielmehr festgestellt, dass in den Migranten-Familien immer weniger Deutsch gesprochen wird. Deshalb müssen wir den Bereich der Sprachförderung ausbauen. Die Kinderarmut wurde angesprochen, das ist auch ein großes Thema der SPD, nicht nur seit heute, sondern seit langen Jahren. Wir setzen uns für eine Kindergrundsicherung in Höhe von 500 Euro ein - das ist auch bekannt. Wir fordern die Landesregierung wieder auf, eine Bundesratsinitiative zu dem Thema zu initiieren, damit wir auf Bundesebene ein Stück weiterkommen.
Ich halte die Armut in unserem Land für bedenklich, aber es ist eine Situation, in der wir alle zusammen etwas erreichen können. Deshalb bitte ich auch alle gesellschaftlichen Gruppen, aber auch die Wirtschaft, gemeinsam mit der Politik eine Charta für ein soziales Saarland zu erarbeiten. Wir sind im Saarland eine sehr bürgerschaftlich engagierte Gesellschaft, und ich glaube, genau darin liegt die Chance, dass wir es besser machen als andere Länder in Deutschland. - Vielen Dank.
Zur Begründung des Antrages der LINKE-Landtagsfraktion Drucksache 14/69 - neu - erteile ich Frau Abgeordneter Barbara Spaniol das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Begriffen macht man bekanntlich Politik. Deshalb hat die Landesregierung eine Sozialstudie in Auftrag gegeben, aber leider keinen Armuts- und Reichtumsbericht. Aber nur mit echten Daten über Arm und Reich wäre eine ungeschminkte Bestandsaufnahme und damit auch ein wirksames Maßnahmenpaket möglich. Gerade deshalb wäre in dieser Phase eine Aussprache über die vorgelegte Studie unserer Meinung nach zum heutigen Zeitpunkt sinnvoller gewesen als schon Beschlussanträge, die bei der Vielseitigkeit und dem Fassettenreichtum dieses Themas wie wir alle feststellen - wohl kaum den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Nichtsdestotrotz haben wir uns diesem Diktat untergeordnet und einen eigenen Antrag eingebracht als Initiatoren dieser Debatte, wenngleich mit deutlich anderen Akzenten als die Koalitionsfraktionen.
Die Neukoalitionäre behaupten nämlich plötzlich einmütig, das Saarland habe in den letzten Jahren einen beachtlichen Aufholprozess gestartet. Das bedeutet sinngemäß, die Lebensbedingungen an der Saar seien zum Beispiel hinsichtlich der geringeren Armut trotz Erwerbstätigkeit hervorzuheben, diese Erfolge wollten Sie jetzt fortsetzen und so weiter.
Den Antrag hat eindeutig die CDU geschrieben, meine Damen und Herren, denn die letzten Debatten über Armut in diesem Hause klangen bei FDP und GRÜNEN doch noch völlig anders!
Die Bekämpfung von prekärer Beschäftigung, Hartz 4 und Bildungsarmut findet in Ihrem Aktionsplan, den Sie heute vorgelegt haben, ja gar nicht statt.
Das sind vielfach gerade die Ursachen für Armut im Saarland, und darüber kann die vorliegende sogenannte Sozialstudie nicht hinwegtäuschen. Das Armutsrisiko in unserem Land ist hoch, es sind für dieses Jahr bis zu 47.000 Menschen ohne Arbeit prognostiziert, es werden sicher noch mehr. Was Sie völlig ausblenden - und das aus gutem Grund -, ist, dass Sie als CDU seit 10 Jahren mit dafür verantwortlich sind, dass das Saarland zum Niedriglohnland geworden ist.
Sie haben damit einen Grundstein für Armut gelegt - Ich finde es eigentlich schlimm, dass Sie hier rumkichern, wenn es genau darum geht!
Muss man Ihnen noch mal erklären, was prekäre Beschäftigung heißt? Leiharbeit, unsichere Minijobs, befristete Beschäftigungen - dabei liegt unser Land im Bundesvergleich im oberen Bereich, wir sind oftmals sogar trauriger Spitzenreiter. Wozu das führt, zeigt der Fall Schlecker, und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das dokumentiert natürlich eine von der bisherigen CDU-Landesregierung in Auftrag gegebene Studie nur ungern, das ist aber eine Tatsache. Damit sind nämlich schlechte Rahmenbedingungen verbunden, und zwar für ein Leben in Würde. Deshalb muss dringend umgesteuert werden, damit Armut trotz Arbeit verhindert werden kann, meine Damen und Herren. Hier muss ein politischer Wille deutlich werden. Dazu gehören existenzsichernde Löhne, ein gesetzlicher Mindestlohn, den Sie nicht wollen, mehr öffentlich geförderte Beschäf
tigungen und ein Tariftreuegesetz, das Sie heute Morgen abgelehnt haben! Nur so viel zu Ihrem politischen Willen, die Armut im Saarland wirksam zu bekämpfen!
Ein weiterer Punkt ist die Überwindung von Hartz 4. Die Hartz-Gesetze haben zu einer massiven Verschlechterung der sozialen Lage der Erwerbslosen geführt. Von daher begrüßen wir es, dass Sie wenigstens für eine Erhöhung der Regelsätze für Kinder und Jugendliche plädieren. Dazu gehört eben aber auch, Mehrheiten dafür im Bundesrat zu organisieren, sonst sind diese Vorschläge nicht mehr wert als heiße Luft, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn mittlerweile ist das schon ein Basar.
Es gibt fast jeden Tag neue Vorschläge, um Hartz 4 zu verändern. Wir betonen ausdrücklich, es freut uns natürlich, dass die Politik der LINKEN immer mehr in vielen Köpfen quer durch alle Parteien ankommt. Nur bei einem offenbar nicht. Frau Hoffmann-Bethscheider hat das eben schon erwähnt. Der ewiggestrige CDU-Koch aus Hessen fordert neuerdings eine Arbeitspflicht für Arbeitslose, zur Not in Billigjobs.
Meine Damen und Herren, wer so und hier auf Abschreckung setzt, der nimmt billigend in Kauf, dass Menschen auf der Strecke bleiben. Das wird es mit der LINKEN nicht geben. Das ist charakterlos. Hier könnte der Aufschrei innerhalb der CDU ruhig etwas lauter sein.
Ja eben, welcher Aufschrei? Da hast du recht. Leidtragende einer solchen Politik sind vor allem Kinder und Alleinerziehende. Die Armut von Kindern und Jugendlichen tut am meisten weh. Sie haben keine Chance, der Hartz-4-Falle zu entgehen. Sie haben andere Bedarfe als Erwachsene. Hier ist dringend Handeln angesagt. Diese Bedarfe müssen altersspezifisch ermittelt werden und danach konkret die Regelsätze erhöht werden.
Ich komme zu einem weiteren Punkt in unserem Antrag: die ungleichen Bildungschancen und die daraus resultierende Bildungsarmut. Wir haben - auch das ist ein Ergebnis dieser Studie - zu viele Hauptschulabsolventen und zu wenige Absolventen mit höherem Abschluss. Armut hat auch hier ein bestimmtes Gesicht, Frau Rink, nämlich jung, männlich und Migrant. Das sind nur einige Beispiele, die ich jetzt herausgreife, um immer wieder zu sagen, wie groß die Schieflage in unserem Bildungssystem ist. Gerade, um an dieser Stelle die Armut von Kindern zu bekämpfen - auch das hebe ich hier noch einmal heraus -, muss es ein kostenloses Mittagessen geben. Hier geht es um eine große Mehrheit, die sich
Ebenso - auch ein wichtiger Punkt - muss ein gleichberechtigter Schulstart künftig möglich sein, damit wirklich alle mit einem Ranzen in die Schule gehen können und nicht wie so oft - gerade im Regionalverband bei Kindern aus einkommensschwierigen Familien - mit der Plastiktüte in die Schule kommen. Hier ist mühsam auf Bundesebene nachgebessert worden mit einer Schulbedarfsregelung von 100 Euro. Aber das reicht überhaupt nicht aus. Auch hier muss es Lösungen geben.
Sie müssten einmal auf die Idee kommen, Ihr Gewicht hier in die Waagschale zu werfen und im Bundesrat Mehrheiten zu sammeln, damit sich etwas ändert. Wir merken nichts.