Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

legen. Wir bieten bereits heute an, diesen ausführlich zu diskutieren, bevor wir über ihn abstimmen. Heute aber erneut einen solchen Gesetzentwurf, gewissermaßen „für die Galerie“, in den Ausschuss zu verweisen, das halte ich nicht für sinnvoll. Meine Fraktion sieht das genauso. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf heute nicht zustimmen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft sowie Grubensicherheit zu überweisen. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Gesetzentwurf der Oppositionsfraktionen, Drucksache 14/54. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 14/54 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft sowie Grubensicherheit ist, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen?

(Zuruf von der LINKEN: Sieh an, die Grünen!)

Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die SPDFraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Abgelehnt haben die Landtagsfraktionen von CDU, FDP und -

(Amüsiertes Sprechen. - Zurufe von der Oppositi- on: Wie bitte? Und Grüne? Bitte die ablehnende Front noch einmal zeigen!)

Entschuldigung! Zugestimmt haben die SPD-Landtagsfraktion und die LINKE-Landtagsfraktion. Abgelehnt haben die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. - Ich bitte, meinen Versprecher zu entschuldigen. Die Praxis der zurückliegenden Jahre ist noch mal durchgebrochen.

(Heiterkeit. - Erheiterte Zurufe von der LINKEN: Oh weh!)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Koalitionsfraktionen, Drucksache 14/68. Wer für die Annahme des Antrages Drucksache 14/68 ist, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 14/68 mit Stimmenmehrheit angenommen ist. Zugestimmt haben die Fraktionen von CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, abgelehnt haben die SPD und die LINKE-Landtagsfraktion.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Ich unterbreche unsere Sitzung bis um 13.15 Uhr. Ich wünsche allen einen guten Appetit.

(Die Sitzung wird von 12.14 Uhr bis 13.18 Uhr unterbrochen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort und kommen zu den Punkten 5 bis 7 und 12 unserer Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion, der FDP-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Aktionsplan Armutsbekämpfung (Drucksache 14/56)

Beschlussfassung über den von der SPDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Armut im Saarland wirksam bekämpfen - Charta für ein soziales Saarland ausarbeiten (Drucksache 14/58)

Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Mit sozial gerechter Politik der Armut im Saarland entgegenwirken (Drucksache 14/69 - neu)

Aussprache zum Thema Sozialstudie, beantragt von der DIE LINKE-Landtagsfraktion

Zur Begründung des Antrags der Koalitionsparteien, Drucksache 14/56, erteile ich Frau Abgeordneter Claudia Willger-Lambert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Armutsbekämpfung ist ein ganz zentrales und bedeutsames Anliegen für alle drei Regierungsfraktionen. Mitten unter uns leben Menschen in Armut, mitten unter uns sind Menschen von Armut bedroht. Dabei hat Armut viele Fassetten. Armut hat insbesondere oft ein Kindergesicht, Armut trifft überwiegend Frauen. Für Menschen mit Migrationshintergrund ist das Armutsrisiko besonders hoch. Und Armut ist sehr viel mehr als eine materielle Belastung. Es sind benachteiligende Lebenslagen, die nicht rein persönliche Probleme darstellen, sondern unterschiedliche gesellschaftliche Faktoren bilden hier die Ursache. Armut stellt von daher eine besondere Herausforderung gerade für Politik dar. Es geht darum, sich mit Ausgrenzung und belastenden Lebenslagen auseinanderzusetzen. Hier besteht politischer Handlungsbedarf.

Im Koalitionsvertrag haben wir miteinander vereinbart, dass auf der Basis der ersten Sozialstudie Saar und einer weiteren Vertiefung der lebenslagenorientierten Armutsberichterstattung sozialraumorientierte

(Abg. Schmitt (CDU) )

Konzeptionen zur Bewältigung von Armut und insbesondere von Armut von Kindern zu erarbeiten sind. Diese Sozialstudie liegt jetzt vor. Es ist die nächste Aufgabe, den vereinbarten Aktionsplan Armutsbekämpfung zu erarbeiten und umzusetzen.

Positiv an der Vorgehensweise dieser Studie ist insbesondere, dass sie im Dialog und in enger Abstimmung mit dem Beirat erarbeitet worden ist. Es ist wichtig, dass dieser Austausch und die Verständigung der unterschiedlichen Akteure fortgesetzt wird. Auch das ist uns ein gemeinsames Anliegen.

Die Sozialstudie ist dabei ein sehr sinnvoller und sehr wichtiger Anknüpfungspunkt. Es trifft nicht zu, dass Kinderarmut in dieser Studie keine Rolle spielt und Frauenarmut kaum. Die Kritik der LINKEN kann ich hier in keiner Weise nachvollziehen. Man hat sich gerade bezogen auf Kinderarmut sehr genau damit auseinandergesetzt, welches die unterschiedlichen Faktoren sind und wie Hilfeleistungen in Anspruch genommen werden. Auch bezogen auf das Thema Frauenarmut gibt es eine sehr hohe Differenzierung in dieser Sozialstudie. Es ist auch kein "Armutszeugnis", wenn eine derartige Sozialstudie vorgelegt wird; sie ist vielmehr wichtige Handlungsgrundlage. Denn es geht nicht darum, etwas schönzureden, sondern darum, aufzuzeigen, wo weitere Anstrengungen notwendig sind.

Wir werden den Menschen nur dann gerecht, wenn wir hieraus Handlungsempfehlungen konkretisieren und diese umsetzen. Dabei ist es uns wichtig, dass Strukturen verändert werden. Wir sind weiteren Transferleistungen gegenüber skeptisch.

Die Grundlagen und Kernpunkte unserer Handlungskonzepte liegen darin, dass wir sagen, wir möchten möglichst passgenau und orientiert an den jeweiligen Problemlagen Konzepte erarbeiten. Wir wollen auch die vorhandenen Ressourcen und Stärken der Betroffenen nutzen und zur Grundlage unserer Arbeit machen. Es hilft nichts, wenn die betroffenen Menschen nur Zielgruppe verschiedener Projekte werden. Wir müssen vielmehr kontinuierlich und verlässlich etwas erarbeiten, um Menschen in die Lage zu versetzen, selbst ihre Potenziale zu nutzen.

Derartige Konzepte bedeuten einen sehr hohen Anspruch. Sie sind nur möglich, wenn sie in Kooperation mit möglichst allen Akteuren erarbeitet werden. Dazu braucht man entsprechend Bereitschaft und einen Dialog, in dem gemeinsame Ziele und Schwerpunkte festgelegt werden. Es darf nicht mehr im Vordergrund stehen, dass zunächst einmal geprüft wird, wer zuständig ist. Es muss vielmehr eine abgestimmte Konzeption geben.

Es ist aber auch nicht sinnvoll, die Forderung aufzustellen, das Land solle alles machen. Das ist vollkommen illusorisch und wird mit Sicherheit auch lan

desweit von den anderen Akteuren, den Kommunen und Landkreisen, nicht akzeptiert werden. Auch hier muss ein breiter gesellschaftlicher Konsens her. Wir dürfen nicht erlauben, dass sich hier Teile aus der Verantwortung zurückziehen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Armutsbekämpfung ist eine ganz wichtige Querschnittsaufgabe, die unterschiedliche Projekte miteinander vernetzen muss. Das hat auch etwas mit Arbeitsmarktpolitik zu tun, mit Sozialpolitik, mit Wirtschaftsförderung, aber auch mit Klima- und Umweltpolitik. Die Konzeption muss sozialraumorientiert sein. Von daher gilt es, Netzwerke, die bereits jetzt funktionieren und die bereits jetzt zu Erfolgen geführt haben, auszubauen, neue Netzwerke zu knüpfen und entsprechend passende Angebote auszuweiten. Präventiv hat die Bildungspolitik eine Schlüsselfunktion, aber das wird uns auch im Rahmen der Debatte über den nächsten Tagesordnungspunkt und auch morgen im Ausschuss mit Sicherheit weiter begleiten.

Wir wollen Kinder in den Mittelpunkt stellen, wir wollen dabei auch die demografischen Veränderungen nutzen, um möglichst alle Potenziale innerhalb der Gesellschaft zu erfassen. Dabei spielen auch Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund eine besondere Rolle.

Das sind die Prioritäten, die wir gesetzt haben. Es gilt jetzt, vertiefende Nachfolgeuntersuchungen -

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende. Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. - Es gilt jetzt, vertiefende Nachfolgeberichte zu erarbeiten und kontinuierlich die Sozialberichterstattung als ein wirkungsvolles Mittel der Evaluierung zu nutzen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Zur Begründung des Antrages der SPD-Landtagsfraktion, Drucksache 14/58, erteile ich Frau Abgeordneter Cornelia Hoffmann-Bethscheider das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Armut in Deutschland, in einem der reichsten Länder der Welt, kann man sich kaum vorstellen. Und leider war Armut auch lange ein Tabuthema in Deutschland. Die Schere zwischen Arm und Reich ist immer weiter auseinandergegangen, und man kann schon fast sagen: Egal, welche Re

(Abg. Willger-Lambert (B 90/GRÜNE) )

gierung in Berlin dran war, es hat sich nicht wirklich etwas geändert.

Armut ist in Deutschland aber auch unterschiedlich verteilt. Wenn man sich den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung und die anderen Statistiken ansieht, so kann man schon sagen, dass in Ostdeutschland in der Tat das Armutsproblem noch größer ist als in den westdeutschen Ländern. Aber auch hier im Saarland gibt es Armut; das Armutsrisiko liegt in einer Größenordnung von 16,8 Prozent. Und daher gehören wir bei den westdeutschen Bundesländern zu denjenigen, die am meisten Probleme mit diesem Thema haben. Was am Erschreckendsten ist: Dass diese Zahl in den letzten Jahren kontinuierlich steigt. Wir haben ja darauf gedrängt, dass man einen Armuts- und Reichtumsbericht auch hier für das Saarland erstellt. Diese Forderung wurde von vielen im Saarland auch mit unterstützt - von den Armutsverbänden, von den Kirchen. Alle haben gesagt, wenn wir etwas gegen Armut tun wollen, müssen wir zunächst einmal wissen, wie sieht es im Saarland wirklich aus? Wir haben eine Anfrage gemacht, die wurde auch beantwortet, und ich sage mal, diese Sozialstudie ist quasi die Fortsetzung auch dieser Beantwortung der Frage. Deshalb kann man ganz deutlich sehen - ich gehe mal davon aus, das war auch der Untersuchungsgegenstand der Anfrage von uns -: In den letzten Jahren gibt es eine kontinuierliche Steigerung, die von niemandem infrage gestellt wird. Ich möchte auch sagen, mein Eindruck ist, dass keiner Armut will. Aber es gibt politische Forderungen, die dazu führen, dass die Armutsbekämpfung nicht stattfindet, sondern dass die Armut in Deutschland sich noch weiter ausbreiten wird. Denn wenn wir weiter Steuerentlastungen fordern und dem Staat den Handlungsspielraum entziehen, damit er etwas gegen Armut und für Bildung tun kann, dann werden wir Armut befördern und nicht verhindern. Deshalb kann ich hier sagen: Eine klare Absage an die Koalitionspläne schwarz-gelb zur Steuerentlastung und zu den Forderungen der FDP hier im Saarland. Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten und das will die SPD mit Sicherheit nicht.

(Beifall bei der SPD.)

Ich kann auch nicht sagen, dass das Thema hier im Saarland nicht schon Gegenstand gewesen sei. Ich habe mir die Anträge rausgesucht, die in den letzten Jahren zu diesem Thema hier gestellt wurden. Das ist schon beträchtlich. In den Anträgen steht, egal von welcher Partei, ziemlich viel Gutes drin. Aber wirklich geändert hat sich in diesem Land nichts.

Und was mich in dieser Diskussion auch immer etwas gestört hat: Jeder, der es gewagt hat, dieses Thema hier auf die Tagesordnung zu setzen oder überhaupt im Land über Armut geredet hat, der war wieder Miesmacher, der war der Miesepeter. Es hat

irgendwie nicht so ganz in das Konzept des Aufsteigerlandes gepasst. Arme Menschen passen nicht zum Aufsteigerland. Ich glaube, diese Regierung passt nicht in unser Land.

Es reicht auch nicht mehr, von der Regierung her einen Glauben an das Aufsteigerland zu haben, wenn die Realität etwas anderes im Saarland sagt. Deshalb kann ich hier an dieser Stelle sagen: Es geht nicht um das Schönreden und darum, immer die Zahlen herauszusuchen, die einem gerade passen, es geht darum, im Saarland etwas besser und schöner zu machen. Das ist unsere Aufgabe hier, wir müssen anpacken, um wirklich etwas zu verändern. Denn es nutzt nichts, eine Studie zu haben, die keine Handlungen nach sich zieht. Wir müssen auch im Saarland etwas grundlegend ändern. Ich sage, nicht nur im Saarland ändern, aber auch hier grundlegend! Und da sind alle angesprochen mitzuarbeiten und die Sache nicht kleinzureden. Die Menschen in diesem Land haben das auch verdient. Sie haben eine Landesregierung verdient, die Arbeitsplätze schafft. Und ich muss an dieser Stelle auch sagen, weil es mir etwas merkwürdig vorkommt: Sie haben keinen Wirtschaftsminister verdient, der in Luxemburg eine Firma gründet, um dann in Belgien und den Niederlanden Arbeitsplätze zu schaffen, ob bei Hooters oder sonstwo.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn man wirklich etwas für dieses Land tun will, ist nicht nur die Sozialministerin gefragt, sondern auch der Wirtschaftsminister, weil er eine zentrale Aufgabe bei der Armutsbekämpfung hat. Wenn Christoph Hartmann sich wirtschaftlich betätigen will, dann soll er es als Wirtschaftsminister hier im Saarland tun. Dann hat nicht nur er etwas davon, sondern die Menschen in diesem Land.

Es gibt natürlich Gruppen, die besonders von Armut betroffen sind, und deshalb möchte ich diese auch besonders hier herausstellen. Es sind unsere Kinder, es sind unsere Jugendlichen und unsere jungen Erwachsenen. Eigentlich, wenn man es so zusammenfasst, leidet die Zukunft unseres Landes unter Armut. Das ist eine Sache, die kann von uns nicht einfach so weggewischt werden. Diese Perspektivlosigkeit junger Menschen sehen wir ja nicht nur in der Debatte, wenn es um Armut oder um Quoten geht, die dann festgestellt werden. Die liegt in dem Bereich bei 25 bis 30 Prozent. Nein, das stellen wir auch tagtäglich im Saarland fest, wenn es um Gewalt geht, wenn es um Ohnmacht geht, wenn es um junge Menschen geht, die keine Perspektive in diesem Land sehen. Deshalb ist es ein ganz großes Querschnittsthema in unserer Gesellschaft, für Jugendliche und junge Erwachsene und für die Kinder in unserem Land etwas zu tun. Und da geht es nicht nur um schöne Projekte, auch nicht nur um Modellprojekte, die in drei Jahren auslaufen. Wenn man für

(Abg. Hoffmann-Bethscheider (SPD) )