Protokoll der Sitzung vom 15.10.2013

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und vom Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Die CDU-Landtagsfraktion und die saarländische Landesregierung wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien. Im dicht besiedelten Saarland würden die höhenbezogenen Mindestabstände, wie sie der Antrag von Bayern fordert, die Errichtung moderner Windkraftanlagen kaum noch möglich machen. Bei einer Gesamthöhe moderner Windkraftanlagen von bis zu 200 Metern wären dies 2.000 Meter Abstand! Ich frage mich, wo das im Saarland noch der Fall

sein soll. Ein Verhältnis Höhe und Abstand mit dem Faktor 10 wäre deshalb bei uns eben nicht angemessen. Eine solche Regelungsmöglichkeit würde dann aber Erwartungen bei den Bürgerinnen und Bürgern wecken, die der Landesgesetzgeber, die Kommunen und auch Investoren kaum einhalten könnten.

Es ist richtig: Die technischen Vorgaben für Windkraftanlagen haben sich seit Einführung des Privilegierungstatbestandes 1997 grundlegend geändert. Moderne Anlagen haben heute Gesamthöhen bis 200 Meter, früher waren es ungefähr 100 Meter. Es ist auch richtig, dass im Hinblick auf die optische Wirkung der Windräder - Herr Lafontaine sprach hier von ästhetischen Gesichtspunkten - Gesamthöhe und Entfernung der Windenergieanlagen entscheidend sind für die Zustimmung und die Akzeptanz durch die Bürgerinnen und Bürger.

Unsere Kommunen haben sich aber längst dieser schwierigen Aufgabe gestellt. In geordneten Verfahren, die eine breite Beteiligung der Bürger und interkommunale Abstimmung gewährleisten, versuchen sie, in oftmals schwierigen Einzelfällen durch umfangreiche Abwägung zu angemessenen Ergebnissen zu kommen. Wo sonst, wenn nicht auf kommunaler Ebene und in geordneten Verfahren der Bauleitplanung erreichen wir eine größere Beteiligung der Bevölkerung und eine bessere ortsspezifische Abwägung?

Dabei müssen wir beim Ringen um Akzeptanz die Entscheidungen auch nachvollziehbar machen und klar und deutlich sagen: Ja, die Errichtung von Windkraftanlagen ist ein Eingriff in Natur und Landschaft. So ehrlich müssen wir gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern sein! Der Gefahr, dass es am Ende heißt „Windkraft ja, aber nicht bei mir", sind dadurch Grenzen gesetzt, dass die Kommunen wegen des Privilegierungstatbestandes des § 35 Baugesetzbuch keine Negativ- oder Verhinderungsplanung machen dürfen. Dem Wildwuchs begegnen wir dadurch, dass die Kommunen eine umfassende Steuerung vornehmen können.

Meine Damen und Herren, die Rahmenbedingungen zur Förderung der erneuerbaren Energien werden sich letztlich ändern. Dr. Hanno Dornseifer, Vorstandsmitglied der VSE, hat in einem Interview gesagt, dass die erneuerbaren Energien marktfähiger gemacht und Subventionen zurückgefahren werden müssen. Im Ergebnis wird dann auch nicht mehr jeder einzelne Standort, der heute im Saarland vielleicht wirtschaftlich attraktiv ist, weiterhin interessant sein können.

Zum Ende meiner Rede möchte ich an den Grundsatz der Energieversorgung erinnern, dem wir verpflichtet sind. Der ergibt sich aus § 1 des Energiewirtschaftsgesetzes. Demnach hat Energieversor

(Abg. Gläser (CDU) )

gung möglichst sicher, preisgünstig, verbraucherfreundlich, effizient und umweltverträglich zu sein und muss zunehmend auf erneuerbaren Energien beruhen. Wenn wir dem Antrag der Linksfraktion zustimmen würden, würden wir uns von diesem Auftrag entfernen.

Wir sind den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber nicht nur verpflichtet in Bezug auf eine Angemessenheit beim Ausbau erneuerbarer Energien, sondern vor allem in Bezug auf eine leistungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität unter Einhaltung des beschlossenen Atomausstiegs. Die CDU-Landtagsfraktion ist für das Gelingen der Energiewende, und deshalb lehnen wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE mit seinen beiden konkreten Forderungen ab. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Dr. Magnus Jung.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über die Energiewende, ein ernstes Thema, ein Thema, das uns sicherlich über das gesamte 21. Jahrhundert hinweg beschäftigen wird. Es wäre angebracht gewesen, zu diesem ernsthaften Thema auch einen ernsthaften Antrag vorzulegen. Aber offensichtlich, Herr Lafontaine, hatten Sie in der letzten Woche andere Dinge zu tun, als einen ordentlichen Antrag zum Thema Windenergie auszuarbeiten. Sie haben stattdessen einen zwei Sätze schmalen Antrag vorgelegt, dessen mündliche Begründung sich heute ganz anders anhört als das, was Sie als schriftliche Begründung eingereicht haben.

Was Sie heute zur Begründung Ihres Antrages vorgetragen haben, hat mich doch etwas entsetzt. Sie sind 1998 bundesweit angetreten für den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft. Sie wollten aussteigen aus der Atomenergie, Sie wollten erneuerbare Energien nach vorne bringen. Und heute sagen Sie im Wesentlichen, dass Sie sich beim Spazierengehen gestört fühlen, dass rechts und links des Weges zu viele Windkraftanlagen stehen. Ich finde, das ist zu schlicht, das ist zu dünn, wenn man mit diesem Thema wirklich ernsthaft umgehen will.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und von B 90/GRÜNE.)

Ich gestehe gerne zu, dass man dort, wo ein Kunstwerk steht wie „Steine an der Grenze“, eine Skulpturenstraße, darüber streiten kann, ob in das Landschaftskonzept an dieser Stelle Windenergieanlagen passen oder nicht. Da kann man aus ästhetischen

Gründen unterschiedlicher Auffassung sein, und dann wird man die verschiedenen Aspekte am Ende gegeneinander abwägen. Aber wenn das ästhetische Empfinden des Einzelnen, ob Windenergieanlagen schön sind oder nicht, ob sie in die Landschaft passen oder nicht, das entscheidende Merkmal wird, ob man diese Energieform in Zukunft ausbauen will oder nicht, dann ist das doch deutlich zu kurz gegriffen, vor allem mit Blick auf die vorhandenen Alternativen. Unsere erste Alternative beziehungsweise unser erstes Ziel muss sein, den Ausstieg aus der Atomenergie erfolgreich abzuschließen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und von B 90/GRÜNE.)

Unser zweites Ziel muss sein, den Verbrauch fossiler Brennstoffe im 21. Jahrhundert nach und nach zurückzudrängen. Deshalb müssen wir erstens Energie einsparen und zweitens die erneuerbaren Energien ausbauen. Erneuerbare Energien sind Sonnenenergie, Biomasse und vor allen Dingen die Windenergie, die kostengünstigste erneuerbare Energieform und zudem diejenige, die bei uns im Saarland einen erheblichen Stellenwert einnehmen kann. Wir müssen dies alles tun - das ist eine wichtige Forderung - in einer Art und Weise, die Energie bezahlbar hält für alle Bürgerinnen und Bürger. Energie darf nicht zum Luxusgut werden!

Wenn wir uns die Situation im Saarland anschauen, müssen wir feststellen, dass wir uns gerade im Bereich der Windenergie im bundesweiten Vergleich auf einem sehr niedrigen Niveau befinden. Wir haben deshalb eher einen Rückstand aufzuholen beim Ausbau der Windenergie, als dass wir jetzt eine Entwicklung stoppen müssten.

Deshalb ist der neue Landesentwicklungsplan Umwelt durchaus eine Voraussetzung dafür, dass die Kommunen selbst planen können. Sie sind jetzt schon dazu aufgerufen, sich miteinander abzustimmen, sich interkommunal zu verständigen und sich gegenseitig zu beteiligen. Das hätte man möglicherweise noch ein bisschen besser machen können, indem man dafür Anreize geschaffen hätte.

Tatsache ist aber, dass wir derzeit beispielsweise rund 40 Kommunen im Saarland haben, die entsprechende Änderungen ihrer Flächennutzungspläne vorbereiten. Im Rahmen dieser Vorbereitung sind von ehemals rund 180 Gebieten nur noch 119 übrig geblieben. Weiterhin sind in den Gebieten, in denen entsprechende Planungen fortgeschrieben sind, erst drei Anlagen fertig. Aber wir sagen jetzt schon, dass in jedem Einzelfall, wenn im Flächennutzungsplan Windenergievorrang ausgewiesen ist, für jede Anlage geprüft werden muss, ob sie umwelt- und naturverträglich ist. Die Erfahrung zeigt, dass auch dort ein erheblicher Anteil der geplanten oder theoretisch möglichen Anlagen überhaupt nicht gebaut werden

(Abg. Gläser (CDU) )

kann. Es ist mir deshalb völlig unverständlich, wie Sie unter dem Strich in Ihrem Antrag von einem Wildwuchs bei Windenergieanlagen sprechen können. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben hier Nachholbedarf. Wir sollten uns sputen, dass wir hier nach vorne kommen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich will deshalb sagen, dass ich es für keine gute Idee halte, wenn sich die Linkspartei im Saarland immer wieder als Gegner der Windkraft im Land positionieren will. Sie entdecken an anderer Stelle plötzlich Ihr Herz für den Naturschutz und für die Mopsfledermaus oder irgendwelche anderen Dinge.

(Sprechen.)

Das ist wenig glaubwürdig. Möglicherweise schielen Sie dabei auf gewisse Ressentiments in der Bevölkerung und hoffen, dort entsprechendes Protestpotenzial zu gewinnen, um vielleicht Ihr Stimmenergebnis bei der einen oder anderen Wahl zu maximieren; der Trend läuft im Moment ja nicht sonderlich in Ihrem Sinne. Aber das nützt der Sache nichts und wird auch der Ernsthaftigkeit dieses Themas nicht gerecht.

(Sprechen. - Zuruf des Abgeordneten Lafontaine (DIE LINKE).)

Natürlich. Wir können nachher noch einmal über die Ergebnisse reden. - Insofern wird es Sie nicht überraschen, dass wir Ihrem Antrag überhaupt nicht zustimmen können. Als SPD-Fraktion können wir aber auch dem Antrag der GRÜNEN nicht zustimmen. Zwar ist in der Analyse auf der ersten Seite vieles gesagt, was richtig ist. Das, was an Forderungen an die saarländische Landesregierung aufgestellt wird, wird alles schon umgesetzt. Bei den Forderungen an die Bundesebene gehen Sie aber an der einen oder anderen Stelle deutlich zu weit, insbesondere dort, wo es am Ende dazu kommen würde, dass Arbeitsplätze im Saarland, beispielsweise in der Stahlindustrie, in Gefahr gebracht würden, wenn man Ihren Vorschlägen Folge leisten würde. Deshalb ist es konsequent, dass wir auch diesen Antrag ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Für die Fraktion der PIRATEN hat Herr Abgeordneter Michael Neyses das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es dürfte klar sein, dass ein Antrag, in dem der Bau von Windkraftanlagen als Wildwuchs bezeichnet wird, bei uns auf Ablehnung stößt. Die LINKE möchte, dass sich das Saarland der Bundesratsinitiative von Sachsen

und Bayern anschließt. Die beiden Bundesländer verlangen in ihrer Initiative, dass die Länder die Möglichkeit erhalten, die Windkraftanlagen in ihren Planungsgebieten selbst als privilegierte Vorhaben einzustufen oder nicht.

Falls diese Bundesratsinitiative zum Tragen käme, würde das bundesweit zu einem Flickenteppich beim Ausbau von Windkraftanlagen führen. Dass eine schwarz-gelbe Regierung auf diese Idee kommt, überrascht mich nicht. Im Bund und in Bayern sind die größten Bremser der Energiewende - die FDP gerade rausgeflogen. Jetzt tritt die LINKE an diese Stelle. Das ist schade. Vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Dann besteht ja noch Hoffnung.)

Die durch menschliche Aktivitäten bedingten Klimaveränderungen erfordern konsequente Maßnahmen auf allen Handlungsebenen, um auch nachfolgenden Generationen würdige Lebensbedingungen zu ermöglichen. An diesem Ziel müssen sich die Maßnahmen gegen Klimaveränderungen messen lassen. Die PIRATEN-Partei steht für eine langfristig gesicherte Energieversorgung. Daher wollen wir die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen und Atomkraft so schnell wie möglich durch nachhaltig verfügbare und umweltschonende Ressourcen ersetzen.

(Beifall bei den PIRATEN.)

Die PIRATEN-Partei steht für die Umstellung von endlichen Energieträgern auf generative Energiequellen wie Wind-, Sonnen- und Wasserkraft sowie heimisch erzeugte regenerative Energiequellen wie Biomasse. Wir PIRATEN stehen klar hinter dem Ausbau erneuerbarer Energien im Saarland und explizit hinter dem Ausbau von Windkraftanlagen. Daher werden wir den Antrag der LINKEN selbstverständlich ablehnen.

Zu Ihrer Aussage, Herr Lafontaine, dass jeder Abgeordnete bei den PIRATEN selbst abstimmen kann. Das machen wir PIRATEN sowieso. Ich glaube allerdings nicht, dass es am Abstimmungsverhalten viel ändern wird. Im Übrigen sehe ich selbstverständlich bei Ihnen einen parteipolitischen Hintergrund. Sie wollen eine Bundesratsinitiative unterstützen. Vom Gustav-Regler-Weg steht überhaupt nichts im Antrag.

Ich möchte noch kurz auf den Klimaschutz eingehen. Im Juni haben wir hier einen Gesetzentwurf der GRÜNEN zur Förderung des Klimaschutzes im Saarland beraten. Damals hat sich die LINKE klar dafür ausgesprochen. Aber mit diesem Antrag legen Sie den Rückwärtsgang ein. Herr Gläser hat es eben schon gesagt: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Sie wollen es den Befürwortern von

(Abg. Dr. Jung (SPD) )

Windkraft recht machen, aber den Gegnern auch. Sie versuchen, jedem nach dem Mund zu reden. Dieses Spiel ist aber von den Bürgern leicht zu durchschauen. Vielleicht sollten Sie dies überdenken.

Eine einzige Windkraftanlage kann mehrere Tausend Menschen versorgen - je nach Größe der Anlage. Herr Lafontaine, Sie haben ja auch von der Größe gesprochen. Kohlekraftwerke sind aber nicht wirklich kleiner.

(Beifall bei den PIRATEN. - Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Welches Kohlekraftwerk hat 200 Meter Höhe?)

Mit dem Schweif kommen wir weit über 200 Meter, Herr Lafontaine. - Sie sprechen auch von den Subventionen. Kohle- und Atomkraft wurden aber über Jahrzehnte subventioniert. Daher können die Energieversorger mit diesen Kraftwerken billigen Strom auf den Markt werfen. Das führt schon lange genug zu einer Marktverzerrung. Auch wenn die Betreiber von Kohlekraftwerken jammern, müssen wir hier ehrlich sein: Eine Verdrängung von Kohlekraftwerken auf lange Sicht hin ist bei der Energiewende gewünscht.

Die Kosten für Windenergie sinken ständig; die Kosten für fossile Energie steigen jedoch ständig. Wenn man die Subventionen für Kohle- und Atomkraft einrechnet, dann ist die Windkraft schon heute konkurrenzfähig. Es ist aber auch wichtig, dass wir unsere Abhängigkeit von Energieimporten reduzieren.

Wir alle wollen die Energiewende - dann dürfen wir auch nicht sagen, die Windräder sollen woanders aufgestellt werden. Bereits jetzt sind an vielen Orten Windkraftwerke ausgeschlossen oder eingeschränkt. So haben Naturschutzgebiete und Vogelschutzgebiete Vorrang. Auch Arten- und Biotopschutz führt oft dazu, dass Windkraftanlagen nicht gebaut werden. Selbstverständlich stehen wir PIRATEN auch zum Naturschutz. Herr Lafontaine, auch wir nehmen Rücksicht auf die Hufeisennase. Um unsere Umwelt zu schützen, gibt es aber auch die Umweltverträglichkeitsprüfung. Alleine dadurch wird der von den LINKEN befürchtete Wildwuchs schon ausgeschlossen.

Ich möchte noch etwas zu den Vorurteilen über Windkraft sagen. Diese Vorurteile führen oft zu Bürgerinitiativen. Ein Vorurteil ist die Lautstärke. Die gemessenen Emissionen moderner Anlagen bewegen sich tatsächlich im Bereich um 50 dB(A). Die akustische Planung ist auf die Einhaltung des Nachtrichtwertes von 45 dB(A) ausgelegt. Daher müssen die Anlagen auch eine Entfernung zu Wohngebieten einhalten, die die Einhaltung des Nachtrichtwertes von 45 dB(A) ermöglicht. In reinen Wohngebieten sind es sogar 35 dB(A). Zum Vergleich: Eine Bibliothek hat eine Lautstärke von 40 dB(A). Dabei weisen

die Geräuschbelastungen auch eine starke Abhängigkeit von der Windstärke und auch von der Windrichtung auf.