Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In einem Zeitalter, in dem immer mehr Daten in die Netze gelangen und viele Geschäfte mit sensiblen Daten über das Internet abgewickelt werden, fehlen wirksame Kontrollmechanismen, um den Datenmissbrauch zu verhindern. Wir können die Angst und Bedenken der Menschen vor Datenmissbrauch nachvollziehen und nehmen sie auch ernst. Manche meinen, dass der Rechtsstaat untergeht, wenn es eine Vorratsdatenspeicherung gibt. Andere meinen, die Strafverfolgung liegt brach, wenn es sie nicht gibt. Beide Extreme sind Unfug.
Es geht um eine vernünftige Abwägung aller Umstände. Es geht anders als in Polizeistaaten gerade nicht um totale Überwachung rund um die Uhr. Der Staat hat die Daten nicht. Es gibt auch Straftaten, bei denen die Verbindungsdaten im Internet den einzigen Ermittlungsansatz bieten. Es gilt abzuwägen, wie sehr jeder Einzelne belastet ist, wenn Verbindungsdaten für einige Monate bei den Telekommunikationsanbietern gespeichert bleiben. Wie hoch ist das legitime Interesse des Staates zu bewerten, besonders gefährliche Straftäter vor Gericht zu bringen? Diese Wertentscheidung muss getroffen werden.
Die alleine auf die Vorratsdatenspeicherung verengte Debatte verstellt den Blick auf die gravierenden Bedrohungen der Privatheit - siehe Facebook -, die von der Privatwirtschaft ausgehen. Dort ist die massenhafte Erstellung von Persönlichkeitsprofilen eine Gefahr, und wir selbst liefern freizügig unsere Daten. Wir können in unseren Handys Funktionen freischalten, die es einem von uns bestimmten Personenkreis ermöglichen, unsere Bewegungsprofile einzusehen. Die Bewegungsprofile des GPS helfen aber auch der Polizei, um zum Beispiel vermisste oder in Not geratene Personen zu finden. Unser Ziel ist es, die Freiheitsrechte zu achten und unsere Bürgerinnen und Bürger wirksam zu schützen. Wir wollen einen maßvollen Staat, der nicht zu viel darf, aber auch nicht zu wenig kann.
Wir legen auf ein strenges, mit zahlreichen Auflagen gestaltetes Gesetz Wert, das Missbrauch verhindert und Rechtssicherheit schafft. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2010 ist festgestellt worden, dass die Erhebung von nach der aktuellen Regelung gespeicherten Daten verfassungswidrig und damit nichtig ist. Die Kollegin Ruth Meyer ist darauf ja ausführlich eingegangen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umfasste 70 Seiten. Daran sieht man, dass dieses Thema nicht so einfach wie in Ihrem Antrag in fünf Sätzen abzuhandeln ist. Eine differenziertere Betrachtungsweise ist angebracht.
Unter Punkt 1 des Antrags fordern Sie, die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland strikt abzulehnen ohne die Überprüfung des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten. Unter Punkt 2 Ihres Antrags fordern Sie, durch Beschluss dann doch die laufende Überprüfung zur Vorratsdatenspeicherung durch den Europäischen Gerichtshof zu begrüßen und an den Bund zu appellieren, den Ausgang der Prüfung abzuwarten. Im Frühjahr 2014 wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung erwartet. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Piratenfraktion, wie Sie in Ihrem Antrag richtig erklärt haben, ist es unabdingbar, die Prüfung des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten. Es ist also
ein völlig überflüssiger Appell. Die Bundesregierung wartet die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ab. - Oder haben Sie da andere Informationen?
Die Bundesregierung kann erst nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes tätig werden, da die auf Bundesebene beschlossenen Regelungen mit dem europäischen Recht vereinbar sein müssen. Um die laufende Überprüfung des Europäischen Gerichtshofes zu begrüßen, bedarf es keines Landtagsbeschlusses. Wir begrüßen es nicht nur, sondern halten die Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof für eine grundlegende Voraussetzung der Rechtsstaatlichkeit, weil die Vorratsdatenspeicherung elementare Bereiche des gesellschaftlichen und politischen Lebens in grundrechtsrelevanter Art und Weise betrifft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest, wir sind in Saarbrücken und nicht in Berlin oder Brüssel. Wir erwarten daher die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes und die anschließende Gesetzgebung des Bundes, welche sich innerhalb der Grenzen der Verfassung bewegen wird. Als Beschlussvorlage ist Ihr Antrag für uns völlig ungeeignet, da kein klares Ziel erkennbar ist. Wir lehnen den Antrag ab.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehr als drei Jahre ist es nun her, dass das Bundesverfassungsgericht im März 2010 die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt hat. Ich räume ein, dies war bezogen auf einzelne Paragrafen. Dennoch ist das Gesetz dann verfassungswidrig. Noch nicht einmal ein halbes Jahr ist vergangen, seit Edward Snowden die Überwachungs- und Spionagepraktiken der NSA enthüllte. Die öffentliche Diskussion zu Themen wie Abhören von Handys, Überwachung der Telefon- und Internetverbindungen, Ausspionieren der Privatsphäre und die damit einhergehende Angst der Menschen vor Durchleuchtung und Kontrolle sind allenthalben vorhanden. Das kann man doch nicht bestreiten.
Trotzdem - da bin ich anderer Auffassung als meine Vorredner - verhandeln CDU und SPD im Rahmen der Verhandlungen der Großen Koalition in Berlin über die Wiedereinführung der anlasslosen Speiche
rung aller Kommunikationsdaten. Betroffen sind die Daten auf Handys, Telefon, im Internet und der EMail-Verbindungen. Das ist gesagt worden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, letztendlich sind 82 Millionen Deutsche in diesem Land betroffen.
Nicht nur, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen das Grundgesetz verstößt, wenn anlasslos alle Kommunikationsdaten gespeichert werden, auch die Sicherheit dieser Daten muss hinterfragt werden. Auch das hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Durch die Kontrolle der Verbindungsdaten sind inhaltliche Rückschlüsse bis in die Intimsphäre hinein möglich. Es können ohne Weiteres Persönlichkeits- und Bewegungsprofile angelegt werden, ebenso können Geschäftsdaten, Freundschaftsverbindungen und so weiter rekonstruiert werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es stellt sich die Frage, ob durch eine solche anlasslose Datenerfassung, bei der auch Missbrauch nicht ausgeschlossen werden kann, in unserem Land nicht ein Klima der Angst vor heimlicher Beobachtung oder letztendlich totaler staatlicher Kontrolle entsteht. Das ist eine Situation, die wir eigentlich gar nicht wollen. Niemand in diesem Haus kann das wollen.
Bislang konnten sich CDU und SPD in der Arbeitsgruppe in Berlin nicht einigen und verständigen. Es geht so weit - das stand in der Presse -, dass sie es zur Chefsache machen wollen. Bei der SPD gibt es unterschiedliche Meinungen. Einige sagen, wir brauchen es überhaupt nicht. Andere sprechen von einem Datenspeicherzeitraum von drei bis vier Monaten. Die CDU will sechs Monate haben. Im Ergebnis muss ich feststellen, dass sich bei den Gesprächen in Berlin beide großen Parteien derzeit darüber einig sind, dass vom Grundsatz her alle Bürgerinnen und Bürger anlasslos überwacht werden dürfen.
Es ist viel über den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung gesagt worden. Dieser Nutzen ist ohnehin äußerst umstritten. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages im Hinblick auf die sogenannte Aufklärungsquote. Davon war ebenfalls die Rede: „Die somit durch die Vorratsdatenspeicherung bislang nur marginal um 0,006 Prozent verbesserte Aufklärungsquote könnte daran zweifeln lassen, ob die Regelung in ihrer konkreten Ausgestaltung einer Prüfung auf ihre Angemessenheit hin standhalten kann. Zweck und Mittel
Am Ende meiner Ausführungen möchte ich auf die Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit der Europäischen Grundrechtscharta zu sprechen kommen. Auch hier bestehen erhebliche Zweifel. Dies geht ebenfalls aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages hervor, welches ich dringend zu lesen empfehle. Deshalb sind wir gemeinsam mit PIRATEN und LINKEN der Auffassung, dass die laufende Überprüfung der Vereinbarkeit der EU-Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung mit den Grund- und Menschenrechten durch den Europäischen Gerichtshof abgewartet werden soll, ehe eine Festlegung durch die Große Koalition erfolgt. Denn das ist beabsichtigt. Auch in diese Richtung sollte dieser Landtag dringend an den Bund appellieren. Ich bitte Sie eindringlich darum, uns zu unterstützen. Verweigern Sie unserem Antrag bitte nicht die Zustimmung. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Haben Sie heute schon telefoniert? Waren Sie heute schon im Internet? Frau Kollegin Berg, wenn Sie telefonieren, würde im Falle einer Vorratsdatenspeicherung die Nummer festgelegt werden.
Herr Pauluhn, ich nehme das zur Kenntnis. Sie müssen ein bisschen Rücksicht nehmen. Ich bin noch nicht so lange da. Ich werde mich bemühen, das in Zukunft richtig zu machen. Aber es darf schon einmal passieren, denn ich habe heute meine erste Rede. - Es werden also die Telefonnummern derjenigen notiert, die anrufen. Es werden genauso die Telefonnummern derjenigen registriert, die angerufen wurden. Es wird auch registriert, wie lange man gesprochen hat. Wenn Sie mit dem Handy telefonieren, dann ist es so, dass der Standort des Handys bei Beginn des Gespräches gespeichert wird. Die Kollegen haben es bereits gesagt: Im Internet wird die IP-Adresse desjenigen gespeichert, der sich im Internet bewegt. Es werden auch die IP-Adressen der Webseiten, die man besucht hat, gespeichert. Das Gleiche gilt für E-Mails. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich gehe davon aus, dass Sie das nicht wollen. Ich will es auch nicht.
Viele sagen, sie haben nichts zu verbergen. - Das ist richtig. Der Selbstversuch eines SPIEGEL-Redakteurs hat im bundesdeutschen Blätterwald für Furore gesorgt. Ich weiß nicht, ob Sie das gelesen haben. Der Redakteur hat sich vorsätzlich in die Hände von Hackern begeben. Dieser Versuch hat gezeigt, wie schnell es möglich ist, Daten aus dem privaten und beruflichen Bereich herauszufinden. Es wurde deutlich, wann er das Haus verlassen hat, welche Familienmitglieder er hat, in welche Kindergärten und Schulen die Kinder gehen. Zugangsdaten zu Amazon, E-Mail-Konto bei Google - es war alles offen.
Wollen Sie das? Wer will das? Ich nicht, Sie nicht. Ich gehe davon aus, niemand hier. Spätestens seit den Enthüllungen von Snowdon - an dieser Stelle möchte ich ausdrücklich meinen Respekt gegenüber einem Parlamentarier, nämlich Hans-Christian Ströbele, aussprechen - wissen wir, welche Ausmaße das Ausspionieren haben kann. Mit der Vorratsdatenspeicherung erhält der Staat unvorstellbar viele Infos über seine Bürger.
nein, sie lassen auch Rückschlüsse zu. Nehmen Sie das einfach mal zur Kenntnis: Es werden auch Rückschlüsse gezogen!
Wer lange Telefonate mit Strafverteidigern führt oder wer ständig bei der Aids-Beratung anruft, kann das nicht mehr verheimlichen. Damit höhlt eine Vorratsdatenspeicherung Anwalts-, Arzt-, Seelsorge-, Beratungs- und andere Berufsgeheimnisse aus. Herr Prassel und Herr Hofmann, ich begrüße Sie als Vertreter der Kirchen recht herzlich hier und freue mich, dass Sie an dieser Diskussion teilnehmen können.
Die Vorratsdatenspeicherung wird abgelehnt, insbesondere von Ärzten, Juristen, Gewerkschaften, Kirchen und Bürgerrechtsorganisationen, die sich mehrfach gegen die anlasslose Protokollierung aller Verbindungsdaten ausgesprochen haben. Ich spreche jetzt ausdrücklich meine Kollegen Journalisten an: Die Vorratsdatenspeicherung ist meiner Ansicht nach ein Frontalangriff auf die Pressefreiheit. Sie können den Informantenschutz dann nicht mehr vollständig garantieren.
Die LINKE hat aus diesem Grund mehrfach im Bundestag konsequent die Vorratsdatenspeicherung abgelehnt. Sie ist ein Eingriff in die Bürgerrechte, sie
ist unverhältnismäßig und durch nichts zu rechtfertigen. Auch Ermittler der Polizei zweifeln mittlerweile den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung an. Zu Recht! Auch ein 292-seitiges wissenschaftliches Gutachten der kriminologischen Abteilung des MaxPlanck-Institutes für ausländisches und internationales Strafrecht kommt zu keinem anderen Ergebnis. Die Notwendigkeit der Speicherung von 300 bis 500 Millionen Datensätzen pro Tag kann durch nichts gerechtfertigt werden, kann auch durch kriminalistische Statistiken nicht belegt werden. Die Vorratsdatenspeicherung sei zur Aufklärung von schweren Straftaten nicht notwendig, weil es genug andere Mittel gibt, zum Beispiel die Telekommunikationsüberwachungsverordnung.
Menschen sind zu Recht empört über die Enthüllungen der ausländischen Geheimdienste, die unsere Kommunikation flächendeckend und ohne jeden Anlass abfangen und erfassen. Das ist eine permanente Menschenrechtsverletzung, und Deutschland sollte auf keinen Fall selbst anfangen, eine ungezielte verdachts- und unterschiedslose Speicherung sämtlicher telefonischer und elektronischer Kontakte und Bewegungsdaten sozusagen ins Blaue hinein auf Vorrat vorzunehmen, wie es derzeit im Rahmen der Koalitionsverhandlungen - der Kollege Hilberer hat es gesagt - zwischen CDU/CSU und SPD auf Bundesebene diskutiert wird.