Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben noch keine einzige Schulschließungsentscheidung bei den von Ihnen eben genannten Standorten getroffen. Es ist ein Gesetz, bei dem wir versuchen, im Einvernehmen mit den Schulträgern zu agieren. Mittelfristig - das kann man heute definitiv sagen - hat unser Gesetz, wie es heute Bestand hat, die Folge, dass sehr viel mehr Schulen erhalten werden können, als das der Fall gewesen wäre, wenn der Jamaika-Gesetzentwurf durchgegangen wäre. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Und den muss man zunächst einmal herausstellen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
In der Tat gibt es einen zweiten wesentlichen Unterschied zwischen den Gesetzentwürfen, und es ist nicht etwa so, dass ich das „zugelassen“ hätte, nein, ich habe das ausdrücklich damals mit unterstützt und mit eingefordert. Ein wesentlicher anderer Aspekt ist, dass wir gesagt haben, wir schieben die Entscheidung nicht auf die lange Bank, sondern wir machen sie offen und transparent. Ihr Gesetzentwurf hatte damals vorgesehen, alle Entscheidungen nach dem damals angenommenen Neuwahltermin des Landtages zu treffen. In unserer Koalition war von Anfang an klar: Wir sagen vor der nächsten Landtagswahl,
um welche Standorte es geht. In dieser Diskussion befinden wir uns zurzeit. Und ich finde, das ist ehrliche und glaubwürdige Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Frau Kollegin Spaniol, es schmerzt schon, wenn Sie davon sprechen, ich hätte irgendetwas geheim gehalten - das Gegenteil ist der Fall!
Dann war es jemand anders, tut mir leid. Aber es ist der Ausdruck „geheim gehalten“ gefallen. Von Geheimhaltung kann an dieser Stelle keine Rede sein. Wir halten es eben nicht geheim, wir werden vor der nächsten Landtagswahl sagen, an welchen Standorten wir welche Entscheidungen treffen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist im Übrigen auch das, was die Eltern von uns einfordern. Die haben einen Anspruch darauf, Klarheit in dieser Sache zu bekommen.
Nun komme ich zu den Inhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es geht nicht nur um organisatorische Dinge, sondern es geht in diesem Zusammenhang eben auch ganz massiv um Qualitätsfragen und um pädagogische Fragen. Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist eben bereits genannt worden: Wir müssen an Schulen auch Qualitäten vorhalten können, mit denen Schüler auch Wahlmöglichkeiten haben. Da geht es nicht nur um das Thema Differenzierung, das wissen Sie sehr gut, Herr Kollege Kessler. Da kann man durchaus Möglichkeiten der Binnendifferenzierung finden, auch wenn das nicht unbedingt an allen Standorten funktioniert. Es geht vielmehr darum, dass wir den Wahlbereich und den Wahlpflichtbereich entsprechend ausbauen müssen! Und wenn wir im 7. oder 8. Schuljahr den Schülerinnen und Schülern - und das wissen wir heute schon - keine vernünftigen Angebote machen können, werden diese Schulen auch nicht attraktiver. Und das kann man eben ab einer bestimmten Schülerzahl nicht mehr. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen. Alles andere wäre den Menschen Sand in die Augen gestreut, und das haben die Menschen wirklich nicht verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich nenne Ihnen noch ein weiteres Argument. Wir haben es an manchen Standorten mit 15er- und 16er-Klassen zu tun. Das mag für diese Standorte sehr schön sein. Gleichzeitig gibt es aber - und das ist leider massiv der Fall - auch Standorte mit Klassengrößen, die immer noch deutlich über den von uns angestrebten 25 oder 27 Schülerinnen und
Schülern liegen. Da muss es doch irgendwann jedem klar werden, dass wir insgesamt zu einer vernünftigeren Verteilung der Schülerströme kommen müssen, dass wir insgesamt auch wegkommen müssen davon, immer nur die Durchschnittszahlen zu betrachten - das haben wir beide immer kritisiert, Herr Kollege Kessler -, sondern dass wir wirklich die realen Zahlen betrachten müssen. Wenn wir an der einen Stelle Ressourcen einsetzen, die nicht mal effektiv genutzt werden können, weil wir die entsprechenden Wahlangebote später nicht machen können, dafür aber an der anderen Stelle immer noch zu große Klassen haben, ist es nur folgerichtig, gemeinsam mit den Schulträgern darauf zu achten, dass es künftig eine sehr viel bessere Qualität in der Unterrichtsversorgung gibt und damit letztlich auch besseren Unterricht. Auch das ist einfach eine Tatsache, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Abschließend werfe ich noch in die Waagschale, dass wir jetzt aktuell nur über fünf Standorte reden ich habe das auch im Ausschuss gesagt -, womöglich über fünf weitere Standorte später in dieser Legislaturperiode. Dabei ist nicht entschieden, ob es am jeweiligen Standort weiter eine Beschulung geben wird oder nicht, was in einzelnen Fällen sicherlich der Fall sein wird. Das ist gegenüber dem, was wir an Horrorzahlen von Ihnen hören, vor allem aber dem gegenüber, was Ihr Gesetzentwurf vorgesehen hatte, und erst recht gegenüber dem alten Gesetz eine deutliche Verbesserung. Deswegen bleibe ich dabei, meine sehr verehrten Damen und Herren: Das ist ein Schulschließungsverhinderungsgesetz, und wir werden alles daransetzen, eine gute und wohnortnahe Versorgung mit Unterricht auch in der Gemeinschaftsschule für unsere Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Herr Minister. Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.
Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Bildung, Kultur und Medien zu überweisen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs Drucksache 15/1058 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den zuständigen Ausschuss ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Oppositionsfraktionen, dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen.
Erste Lesung des von der BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Neuregelung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Saarland (Drucksa- che 15/1054 - neu)
Wir werden abweichend vom Üblichen folgendes Verfahren durchführen: Der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird den Gesetzentwurf einbringen. Danach treten wir in die Mittagspause ein. Ich weise noch mal darauf hin, dass wir Mittagspause machen bis 13.30 Uhr. Ich bitte um pünktliches Erscheinen, weil viele Behindertenverbände für die Inklusionsdebatte erwartet werden.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute ein neues ÖPNV-Gesetz in den saarländischen Landtag eingebracht vor dem Hintergrund einer Tatsache, die uns hier allen bekannt ist: Der ÖPNV im Saarland ist schwach aufgestellt, der Öffentliche Personennahverkehr im Saarland wird schlecht genutzt.
Das ist keine neue Erkenntnis, das ist, das sage ich gleich zu Anfang, auch nicht mit dieser Landesregierung in Verbindung zu bringen, sondern es ist seit langen Jahren so. Das war zu unseren Zeiten so und davor auch. Es ist aber für uns Grund genug, diese Problematik aufzugreifen und den Versuch zu starten, die ganze Diskussion in eine andere Richtung zu lenken.
Ich möchte zwei Beispiele nennen, an denen man sehr gut erkennen kann, wie die ÖPNV-Nutzung im Saarland im Vergleich zu anderen, vergleichbaren Regionen ist. Nehmen wir einmal die Region Karlsruhe, die eine vergleichbare Einwohnerdichte wie das Saarland hat, nämlich 376,3 Einwohner pro Quadratkilometer. Dort gibt es aber 133,2 Fahrten pro Jahr und Einwohner. Das Saarland hat 385,6 Einwohner pro Quadratkilometer, fast die gleiche Einwohnerdichte, aber nur die Hälfte der Fahrten, lediglich 74,7 Fahrten pro Einwohner und Jahr. Ein anderes Beispiel, die Region Nürnberg. Sie hat eine halb so hohe Einwohnerdichte wie das Saarland, hat aber mit 86 Fahrten pro Einwohner und Jahr eine höhere Anzahl an Fahrten als das Saarland. Das macht klar: Hier im Saarland stimmt etwas nicht mit unserer Organisation!
Eine der Ursachen ist das Angebot im Saarland. Wir haben eben bis zum heutigen Tage keinen echten Verkehrsverbund. Wir haben einen Tarifverbund, aber durch die zerklüftete saarländische ÖPNVLandschaft haben wir keinen echten Verkehrsver
bund. Die Anschlüsse stimmen oft nicht, die Preise sind zu hoch, das Angebot ist sehr unübersichtlich.
Das Angebot im Saarland ist leider unattraktiv, die Landschaft ist zerklüftet, wir müssen vor allen Dingen die heutige Gesetzgebung überarbeiten, die aus den Neunzigerjahren stammt. Andere Bundesländer sind wesentlich weiter als wir, sie haben deutlich modernere Angebote. Es gibt im Saarland leider Gottes keine übergeordnete Planung, jeder Landkreis plant im Prinzip munter vor sich hin. Eine effiziente Bereitstellung von ÖPNV-Leistungen gibt es hier im Saarland eben nicht. Der Verkehrsentwicklungsplan, auch so ein Beispiel, stammt aus dem Jahre 1997 und wurde bis zum heutigen Tage nicht wirklich fortgeschrieben.
Das Hauptproblem liegt an den zerklüfteten Zuständigkeiten, Kompetenzen und Finanzmitteln, die im Saarland nämlich auf komplett unterschiedlichen Ebenen liegen. Das ist eines der Kernprobleme. Die, die das Geld haben, nämlich das Land, haben keine Zuständigkeiten und keine Kompetenzen. Die, die die Zuständigkeiten haben, nämlich die Landkreise, haben kein Geld und keine Kompetenzen. Diejenigen, die die Kompetenzen haben, nämlich die VGS, haben kein Geld und keine Zuständigkeiten. So etwas nennt man am Ende einen echten Kompetenzdschungel.
Das nächste Problem im Saarland ist die Finanzierung des ÖPNV. Sie ist nicht wettbewerbskonform, das werde ich gleich an ein paar Beispielen verdeutlichen. Es liegt nicht am Geld - das sagen alle Fachleute -, das Geld, was zurzeit zur Verfügung steht, reicht aus, um einen vernünftigen ÖPNV im Saarland zu gestalten. Wir schöpfen aber unsere Effizienzpotenziale schlichtweg nicht aus. Ein Beispiel: Bei der Finanzierung des saarVV stehen keine klaren Vereinbarungen in Gegenleistung gegenüber. Das ist ein unmöglicher Zustand. Die Gelder zur Finanzierung des Semestertickets, zur Fahrzeugförderung und auch die Ausgleichsleistungen für Ausbildungsförderung, das sind die sogenannten 45a-Mittel, werden nach Gutsherrenart verteilt, nach Schlüsseln aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Dieser Satz kommt nicht von uns, sondern von vielen Fachleuten, er wird hinter vorgehaltener Hand immer wieder gesagt. Ich betone noch einmal: Ich versuche, keine Schärfe in diese Debatte hineinzubringen. Das ist kein Vorwurf an die aktuelle Landesregierung, das ist seit den Neunzigerjahren so. Während unserer Regierungszeit hatten wir leider nicht mehr die Zeit, diese Probleme anzupacken, obwohl wir es wollten.
Noch ein Beispiel, das Semesterticket im Saarland. Die Gelder werden nach einem Schlüssel aus den Neunzigerjahren verteilt. Neue Unternehmen, die in den Wettbewerb hinein wollen, haben Probleme, Aufträge zu kriegen, weil die alten Unternehmen
schlichtweg Vorteile haben. Das heißt, einen echten Wettbewerb gibt es nicht, dadurch wird der ÖPNV unnötig teuer. Ich nenne auch die eben erwähnten Mittel nach § 45a, die Ausbildungsmittel, die nach einer Absprache aus den Jahren 2005 unter den damals bestehenden Unternehmen verteilt werden. Will heute ein neues Unternehmen in diesen Markt hinein, dann hat es das Problem, dass es in diesem Schlüssel überhaupt nicht drin ist. Eine schriftliche Regelung zu dieser Problematik gibt es nicht. Das neue Unternehmen muss sich also mit den alten Unternehmen ins Benehmen setzen und fragen: Kriege ich von euch etwas ab? Sagen die ja, dann ist es gut, sagen die nein, dann ist es eben nein. Das ist ÖPNV im Saarland, das, meine Damen und Herren, sollten wir ändern.
Auch die Landkreise haben durch diese Zerklüftung große Probleme bei der Ausschreibung. Die schreiben nämlich Verkehrsleistungen aus, können aber nur bei den alten Unternehmen überblicken, was die an Zuschüsse für die Fahrzeuge, für die 45a-Leistungen und so weiter erhalten. Bewirbt sich ein neues Unternehmen, agiert es im luftleeren Raum. Das heißt, auch an dieser Stelle ist der Wettbewerb de facto eingeschränkt. Die Folge ist, dass der ÖPNV im Saarland teurer und nicht unbedingt besser wird.
Was wollen wir mit unserem Gesetzentwurf? Wir wollen im Saarland einen ÖPNV aus einem Guss. Wir müssen weg von dieser Struktur der Neunzigerjahre, und dafür ist ein neues Gesetz notwendig, mit allen Problemen und Schwierigkeiten, die es dann natürlich gibt. Die betroffenen Verkehrsunternehmen, die vorhandenen Strukturen werden sich zunächst wehren, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das war in den anderen Bundesländern nicht anders. Ich denke insbesondere an NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen, die moderne Gesetze eingeführt haben. Man muss es einfach anpacken. Wir wollen die Finanzmittel, die Zuständigkeiten und die Kompetenzen in einer Gesellschaft zusammenfassen, die wir in unserem Gesetzentwurf Zweckverband Personennahverkehr Saarland (ZPS neu) nennen. Einen ZPS gibt es schon, er hat aber nur sehr eingeschränkte Kompetenzen. Wir wollen einen ZPS neu, wo alles konzentriert und gesammelt ist. Wir wollen aber auch, das sage ich dazu, dass der ÖPNV weiterhin staatlich organisiert bleibt. Der Staat gibt den Rahmen vor, aber die Leistungen müssen nicht unbedingt vom Staat erbracht werden. Das ist auch heute nicht so. Wenn die Leistungen jedoch ausgeschrieben werden, an öffentliche oder private Träger, sind sie zumindest in Zukunft wettbewerbskonform. Das Land erhält dann möglichst viel ÖPNV für das Geld, das real da ist.
Ich sage allerdings auch dazu, dieses Gesetz haben nicht die GRÜNEN im Saarland erfunden, wir haben uns natürlich an den drei Ländern orientiert, die ich
eben genannt habe, Rheinland-Pfalz, NordrheinWestfalen und Hessen, die machen es uns vor. Wir sollten einfach dieser Gesetzgebung zumindest tendenziell folgen. Wir hätten dadurch zufriedenere Nutzer, eine bessere Transparenz und vor allen Dingen mehr Entlastung für die Umwelt im Saarland. Deshalb appellieren wir an die Große Koalition, dem Gesetzentwurf hier in Erster Lesung zuzustimmen, damit wir ihn zunächst einmal im Ausschuss beraten können und es eine Anhörung gibt. Dann kann man darüber diskutieren, was man für sinnvoll hält und was nicht. Deshalb bitten wir um Zustimmung. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Die Aussprache zu diesem Gesetzentwurf führen wir heute Nachmittag nach Tagesordnungspunkt 9 weiter, nach der Inklusionsdebatte.
Ich unterbreche jetzt die Sitzung bis 13.30 Uhr und bitte um pünktliches Erscheinen, da wir dann die Inklusionsdebatte beginnen wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort und kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion, der SPD-Landtagsfraktion, der DIE LINKE-Landtagsfraktion, der PIRATEN-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Saarland - Inklusionsland (Drucksache 15/1061 - neu 2)
Ich freue mich über die große Resonanz, die diese Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt heute gefunden hat. Ganz besonders begrüße ich stellvertretend für die Vielen, die hier anwesend sind, Herrn Joachim Deckarm. Seien Sie uns herzlich willkommen!
Ich begrüße auch die Vertreter des Bildungs- und Freizeitzentrums für Hörgeschädigte in Jägersfreude, der reha GmbH, der Lebenshilfe und Vertreterinnen und Vertreter der Arbeiterwohlfahrt. Seien Sie uns alle herzlich willkommen!
Zur Begründung des Antrags erteile ich Herrn Abgeordneten Hermann Scharf von der CDU-Landtagsfraktion das Wort.