Protokoll der Sitzung vom 21.01.2015

Der Gesetzentwurf dient außerdem der Verbesserung der Situation von Besuchern und Benutzern baulicher Anlagen. Drei Punkte will ich herausgreifen.

Erstens, die Einführung der Rauchwarnmelderpflicht für den Wohnungsbestand mit dem sogenannten gemischten Modell. Das heißt, den Eigentümer trifft die Pflicht, die Wohnung mit Rauchwarnmeldern auszustatten, den Wohnungsbesitzer trifft die Pflicht, die Betriebsbereitschaft zu gewährleisten.

Zweitens, die Reduzierung der Ausnahmen von den Anforderungen an die Barrierefreiheit. Die Notwendigkeit eines sonst nicht erforderlichen Aufzugs rechtfertigt eine Ausnahme künftig nicht mehr. Durch die Umwandlung des bisherigen zulässigen Tatbestandes in einen Zulassungstatbestand wird eine präventive Kontrolle durch die OBA erreicht.

Drittens, die Einführung einer neuen Sonderbaukategorie für neue Formen der Pflege, sogenannte Pflegewohngemeinschaften, die kein Pflegeheim, aber auch keine reine Wohnnutzung darstellen. Deren rechtliche Einordnung nach den geltenden Vorschriften ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Durch die Festlegung von Schwellenwerten wird erreicht, dass kleinere Einheiten zweifelsfrei nicht als Sonderbau zu behandeln sind, und bei größeren Einheiten wird durch Anforderung der Bauaufsichtsbehörde sichergestellt, dass eine Rettung auch bettlägeriger Personen im Brandfall durch die Feuerwehr in kürzester Zeit bewerkstelligt werden kann.

Der Gesetzentwurf dient auch dem Klimaschutz, indem durch die Änderung des § 5 Abs. 2 der Landesbauordnung in Verbindung mit den Änderungen des Saarländischen Nachbarrechtsgesetzes in Artikel 3 des Gesetzentwurfes Hindernisse für die energetische Sanierung grenzständiger Gebäude abgebaut werden.

Der Gesetzentwurf dient schließlich auch den Interessen der im Saarland tätigen Ingenieure. Während nach geltendem Recht Brandschutznachweise nur von bauvorlageberechtigten Personen (Architekten und bauvorlageberechtigte Ingenieure) erstellt werden dürfen, soll dies künftig auch durch andere Fachkundige geschehen können. Voraussetzung ist, dass in einer Ingenieurkammer diese Brandschutzplanerliste geführt und die Personen dort eingetragen sind. Sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte um die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung und die Überweisung in den zuständigen Ausschuss.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

Ich danke dem Herrn Minister und eröffne die Aussprache. - Das Wort hat für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Christian Gläser.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den wir heute in Erster Lesung beraten, beinhaltet neben einigen Änderungen des Saarländischen Architekten- und Ingenieurkammergesetzes, des Saarländischen Nachbarschaftsrechtes sowie anderer Vorschriften insbesondere Änderungen der Landesbauordnung. Es handelt sich größtenteils um ein Gesetz, das den geänderten gesellschaftlichen Anforderungen und Entwicklungen auf dem Gebiet der Bautechnik Rechnung trägt. Es passt unsere Saarländische Landesbauordnung, kurz LBO, weitestgehend an die von der Bauministerkonferenz im September 2012 beschlossenen Änderungen der Musterbauordnung an.

Ich möchte bei der Ersten Lesung drei wichtige Punkte aufgreifen. Erstens die Einführung der Rauchmelderpflicht für den Wohnungsbestand. Die bisherige Regelung des § 46 Abs. 4 LBO bezieht sich lediglich auf die Ausstattung von Neubauten und wesentlichen Umbauten mit Rauchwarnmeldern. Durch den neuen Satz 3 in § 46 Abs. 4 LBO wird die Verpflichtung zur Anbringung und zum Betrieb von Rauchwarnmeldern auch auf bereits bestehende Bauten ausgeweitet. Diese Ausweitung ist notwendig, da gerade im Wohnungsbestand erhöhte Risiken durch bauliche Mängel, unzulässige Nutzung und größere Personenzahl in den Wohnungen besteht. Durch die Neuregelung erzielen wir mittelfristig einen wichtigen breiteren Gefahrenschutz in der Bevölkerung.

Rund 4.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland bei den rund 200.000 gemeldeten Bränden, die meisten davon in den eigenen vier Wänden. Beinahe jedes dritte Brandopfer ist ein Kind. Rund 4.000 Menschen erleiden pro Jahr schwere Brandverletzungen, die oftmals zu schweren Körperschäden führen. Ursache für die jährlich rund 200.000 Brände ist dabei nicht nur Fahrlässigkeit.Oftmals sind es technische Defekte, die Brände auslösen und die ohne Vorsorgemaßnahmen wie Rauchwarnmelder zu einer Katastrophe führen können. Vor allem nachts werden Brände in Privathaushalten zu einer tödlichen Gefahr, denn im Schlaf riecht der Mensch nichts. Die Mehrheit der Brandtoten fällt nicht den Flammen zum Opfer, sondern stirbt an Rauchvergiftung. Bereits wenige Atemzüge hochgiftigen Brandrauchs können tödlich sein. Die Opfer werden im Schlaf bewusstlos und ersticken. Statistisch werden zwei Drittel der Brandopfer zwischen 23.00 Uhr abends und 7.00 Uhr morgens im Schlaf überrascht.

Nach Feuerwehrstatistiken verbleiben nach Ausbruch eines Brandes im Durchschnitt rund 4 Minuten zur Flucht. Rauchmelder warnen rechtzeitig, noch bevor sich die tödliche Rauchkonzentration gebildet hat. Im Brandfall schafft der Alarm des Rauchmelders so einen Vorsprung, damit man sich und seine Familie in Sicherheit bringen kann. Auch unsere Feuerwehren gewinnen durch ein schnelleres Entdecken der Brände und einen früheren Notruf wertvolle Minuten zur Brandbekämpfung. Rauchwarnmelder haben sich daher als Lebensretter und als wesentlicher Bestandteil des vorbeugenden Brandschutzes bewährt. Für unsere Feuerwehren ist die Brandentdeckungszeit eine von mehreren Planungsgrößen. Solche von der jeweiligen Feuerwehr nicht beeinflussbaren Zeiträume sind neben der Entdeckungszeit die Meldezeit, die Gesprächszeit und die Alarmierungszeit. Zusammengenommen sind das ungefähr 5 Minuten. Diese für die Feuerwehr nicht beeinflussbaren Zeiten können durch die baurechtliche Verpflichtung zur Installation von Rauchwarnmeldern in Neu- und Altbauten für die Brandfrüherkennung positiv verändert werden.

Mit einem verhältnismäßig geringen finanziellen Aufwand - gewöhnliche Brandmelder kosten nur ein paar Euro - kann ein vergleichsweise hohes Maß an Sicherheit im Brandfall bewirkt werden. Die Zeitspanne für die Verpflichtung zur Nachrüstung bis zum 31. Dezember 2016 ist angemessen. Die Pflicht zur Ausstattung der Wohnungen mit Rauchwarnmeldern - der Herr Minister hat es dargestellt - betrifft den Eigentümer, die Pflicht zur Sicherstellung der Betriebsbereitschaft nach einem neuen Satz 4 in § 46 Abs. 4 den Mieter. Durch diese Regelung werden umlagefähige Nebenkosten zugunsten der Mieter eingespart und es entfällt auch die Verpflichtung für den Mieter, Dritten Zugang zur Wohnung zu gewähren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der tragische Tod von vier Kindern bei einem Wohnungsbrand in Saarbrücken-Burbach am 24. August 2012 hat zum einen eine Debatte über Stromsperren für Haushalte ausgelöst, in denen Kinder und Bedürftige leben. Unabhängig davon wurde damals auch angekündigt, dass wir eine Rauchmelderpflicht für Altbauten einführen wollten. Man wollte damals aber kein Änderungsgesetz für einen einzigen Regelungstatbestand machen, sondern die Einführung der Rauchmelderpflicht in die große LBO-Novelle, die wir heute vorlegen, einbauen. Seit dieser Zeit sind zweieinhalb Jahre vergangen. Künftig sollte man vielleicht darüber nachdenken, solche Einzelfallregelungen vorzuziehen.

Mein Dank gilt insbesondere den Feuerwehren, die immer auf die Einführung einer Rauchmelderpflicht gedrängt haben. Unsere Feuerwehren, die den Brandschutz im Lande gewährleisten, sind außer

halb der Landeshauptstadt ehrenamtlich tätig. Für diesen ehrenamtlichen und gefahrgeneigten Dienst an der Allgemeinheit möchte ich ihnen im Namen der CDU-Landtagsfraktion herzlich danken.

(Beifall von der CDU.)

Eine Frage, die wir in Bezug auf die Rauchmelder bereits kennen, können wir mit der Landesbauordnung nicht regeln. Es ist der Umstand, dass herkömmliche Rauchmelder von gehörlosen Menschen nicht genutzt werden können. Sie können die Pieptöne nicht hören. Rauchmelder, die gehörlosen Menschen helfen, sind aber für viele Gehörlose zu teuer. Normale Rauchmelder Kosten ein paar Euro, diejenigen für gehörlose Menschen ein Vielfaches mehr. Mit diesem Thema werden wir uns sicherlich auch in der Anhörung auseinandersetzen müssen.

Der zweite Punkt, den ich heute ansprechen möchte, ist das Verfahren der Landesbauordnung, das nun flexibler gestaltet wird. Die Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen von CDU und SPD setzen hierbei wiederum einen Teil ihres Koalitionsvertrages um. Dort heißt es: „Die Landesregierung wird die Landesbauordnung so ändern, dass Bauherren die Wahlfreiheit haben, ihr Bauvorhaben im Rahmen des bisherigen Freistellungsverfahren oder alternativ nach einem förmlichen Genehmigungsverfahren zu realisieren.“ Meine Damen und Herren, der Grund für diese Änderung liegt darin, dass wir erkannt haben, dass es ein Bedürfnis der Bauherren nach Rechtssicherheit gibt. Demnach soll der Bauherr künftig für nach § 63 LBO genehmigungsfrei gestellte Vorhaben, aber auch für verfahrensfreie Vorhaben nach § 61 LBO ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren verlangen können. Bei an sich dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren unterliegenden Vorhaben soll er das normale Baugenehmigungsverfahren wählen können. Diese Flexibilität des Bauherren, die auch mit einer größeren Sicherheit für die Architekten einhergeht, dass das Vorhaben auch passt, wird je nachdem, wie die Wahlmöglichkeit in der Praxis Anwendung findet, natürlich auch zu einer gewissen Mehrbelastung der Unteren Baubehörden führen können. Allerdings steht dem auch entgegen, dass es weniger Verfahren geben wird, bei denen es überhaupt erst zu Problemen kommen kann, sodass man sich die schwierige Nacharbeit spart.

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist, dass man den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderung deutlich stärker Rechnung trägt. Damit werden wichtige Schritte zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention unternommen. Der Begriff der Barrierefreiheit wird zum einen gesetzlich klar definiert. Demnach sind barrierefrei nach Maßgabe des neuen § 2 Abs. 11 LBO „bauliche Anlagen, soweit sie für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwer

nis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind“. Begrifflich ist auch künftig von Menschen mit Behinderung die Rede. Ich finde, das ist eine wichtige sprachliche Feinheit, die zum Ausdruck bringt, dass eine Behinderung nicht den ganzen Menschen ausmacht.

Innenminister Bouillon hat dargestellt, dass die Ausnahmen von den Anforderungen an die Barrierefreiheit auf wenige Sonderfälle reduziert werden. Abweichungen von barrierefreien Maßnahmen können in spezifischen Sonderfällen nur zugelassen werden, wenn sie mit einem „unverhältnismäßigen Mehraufwand“ verbunden sind. Die bisherigen Ausnahmetatbestände der „Nutzungsänderung“ und des „sonst nicht erforderlichen Aufzugs“ entfallen dabei künftig. Durch die Umwandlung des Zulässigkeitstatbestandes für Abweichungen in einen Zulassungstatbestand erreichen wir, dass der neue § 50 Abs. 5 LBO einer präventiven Kontrolle durch die UBA unterliegt.

Meine Damen und Herren, an der externen Anhörung zum Gesetzentwurf waren nach meiner Zählung 82 Stellen beteiligt. Sie haben alle zu diesem Gesetz beigetragen und wollen dies weiter tun. Dafür meinen herzlichen Dank. Das verspricht auch eine umfangreiche parlamentarische Anhörung. Insofern sind wir darauf gespannt, wie das Gesetz den Landtag nach Anhörung, Beratung und Zweiter Lesung wieder verlässt. Ich kann mir vorstellen, dass bei der Vielzahl an Anzuhörenden das Gesetz den Landtag nicht so verlässt, wie es heute hineingekommen ist. Es wird eine Menge Arbeit. Es zeichnet diesen Landtag aber auch aus, dass wir dieselbe gesetzgeberische Leistung vollbringen, wie das große Landtage tun. Auch das ist ein Stück dieser Eigenständigkeit, die für das Land wichtig ist, denn hier können wir über unsere Belange selbst entscheiden. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir den an anderer Stelle von der Landespolitik eingeschlagenen Weg fortsetzen. Meine Damen und Herren, wir stimmen dem Gesetzentwurf zu. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete Gisela Kolb.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ein Tagesordnungspunkt die sperrige Überschrift „Erste Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Änderung der Landesbauordnung, des Saarländischen Architekten- und Ingenieurkammergesetzes, des Saarländischen Nachbarschaftsgesetzes und anderer Rechtsvorschriften“ trägt, kann man sich als Rednerin nicht sicher sein, dass einem die ungeteilte Aufmerksamkeit der Zuhörerinnen und

(Abg. Gläser (CDU) )

Zuhörer - ja nicht einmal der Kolleginnen und Kollegen - zufliegt.

(Zuruf von der Opposition: Wir sind hellwach!)

Aber ich gebe zu bedenken: Änderungen der Vorschriften der Landesbauordnung haben nicht nur Auswirkungen auf alle an einem konkreten Bauprojekt Beteiligten, es gilt auch Nachbarrechte zu schützen und mit Blick vor allem auf die öffentlich zugänglichen Gebäude zu sichern, dass sie für alle Menschen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

Im Baurecht bewegen wir uns in einem Rechtsbereich, der sehr stark von EU-Recht, Bundesrecht und höchstrichterlichen Entscheidungen geprägt ist. Auf der einen Seite haben sich unter dem Schlagwort Harmonisierung die Bundesländer eng an die Musterbauordnung angepasst, was für Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger auch Vorteile bringt, weil die Bauvorschriften sich in den Ländern nicht wesentlich unterscheiden. Auf der anderen Seite sollten wir als Landesgesetzgeber auch den Mut haben, in Bereichen, wo wir die Vorschriften dieser Musterbauordnung für falsch halten, sie nicht zu übernehmen beziehungsweise eine erfolgte Übernahme zu korrigieren. Auch das geschieht mit diesem Gesetzentwurf.

(Vizepräsidentin Ries übernimmt den Vorsitz.)

Zwei wesentliche Punkte möchte ich herausstellen. Erstens. Die Novelle führt die Wahlfreiheit der Bauherrinnen und Bauherren wieder ein und beendet die alternativlose Zwangsfreistellung, die mit der Novelle 2004 eingeführt wurde und die ich für einen Grundfehler der Novelle 2004 halte. Aber im vergangenen Jahrzehnt wurden auch unter dem Schlagwort „Entbürokratisierung und Deregulierung“ die baurechtlichen Vorschriften vorgeblich entrümpelt. Nun gibt es mit Sicherheit im materiellen Baurecht Vorschriften, die man überprüfen kann und muss. Dabei im Bauverfahrensrecht anzusetzen, ist allerdings nach meiner Auffassung grundfalsch. Eine sogenannte Deregulierung und Entbürokratisierung im Bauverfahrensrecht verlagert nur die Verantwortung für die Einhaltung dieser Vorschriften von der öffentlichen Hand, vom Staat hin zum Bauherrn.

(Beifall bei der SPD-Fraktion). Diese Verantwortung sollte aber nur der tragen müssen, der es für sich selbst so entscheidet. Wir zwingen auch mit der heutigen Novelle niemanden ins Bauverfahren. Wer für sich selbst feststellt, ich bin bereit, die Verantwortung für mein Bauprojekt zu tragen, wird weiterhin auf den grünen Stempel der Bauordnungsbehörden verzichten können. Aber alle anderen, die mit ihren zum Teil erheblichen Investitionen auf der sicheren Seite sein wollen, werden in Zukunft wieder die Möglichkeit haben, einen Bauantrag zu stellen und mit dessen Genehmigung Rechtssicherheit zu haben. Wir als SPD-Fraktion haben für dieses Wahlrecht der Bauherrinnen und Bauherren immer gekämpft. Auf unsere Initiative wurde es im Koalitionsvertrag mit der CDU vereinbart, jetzt steht es im Gesetzentwurf der Landesregierung und das ist auch gut so. (Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

In meinen Augen gibt es kein Argument, das den Zwang zur Freistellung im Bauverfahren rechtfertigt.

Kommen wir zu einem weiteren Punkt, der auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, zum Thema Barrierefreiheit. Im Koalitionsvertrag wurde unter dem Punkt „Inklusion“ vereinbart - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „Die Vorschriften für ‚barrierefreies‘ Bauen werden enger gefasst. Ausnahmeregelungen werden auf das notwendige Maß reduziert. Die Landesregierung setzt sich weiterhin für möglichst weitgehende Barrierefreiheit in allen Bereichen ein.“ - Mit der vorliegenden Novelle wird auch dieser Passus des Koalitionsvertrages umgesetzt. Zur Verbesserung der Umsetzung der Anforderungen an die Barrierefreiheit wird der Zulässigkeitstatbestand für Abweichungen in einen Zulassungstatbestand umgewandelt. Das klingt etwas sperrig, ist aber eine qualitative Verbesserung und ein Schritt in die richtige Richtung, weil sich aus dem Verweis auf § 68 Abs. 2 LBO das Erfordernis eines schriftlich zu begründenden Antrages ergibt.

Es wird auch keinen Ausnahmetatbestand des „sonst nicht erforderlichen Aufzugs“ mehr geben, für gehbehinderte Mitbürgerinnen und Mitbürger sicherlich eine wichtige Neuregelung.

Meine Damen und Herren, Selbsthilfeorganisationen behinderter Menschen weisen oft auf die nach ihrer Auffassung mangelnde Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften zum barrierefreien Bauen hin und fordern - auch aufgrund ihrer Erfahrungen - die präventive bauaufsichtliche Prüfung oder die Überwachung bei der Bauausführung. Dem könnte man entgegenhalten - und da möchte ich § 57 Abs. 2 LBO zitieren, jetzt schon geltendes Recht -: „Die Bauaufsichtsbehörden haben bei der Errichtung, der Änderung, der Nutzungsänderung, der Beseitigung sowie der Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben die nach pflichtgemäßen Ermessen erforderlichen Maßnahmen zu treffen.“

Ich stelle fest: Den gesetzlichen Auftrag gibt es also bereits. Wir nehmen aber auch wahr, dass es in der baulichen Praxis auch bei Bauten der öffentlichen Hand an der einen oder anderen Stelle hakt, und wir

(Abg. Kolb (SPD) )

alle sollten uns im weiteren Verfahren fragen, ob und an welcher Stelle wir nicht eine Klarstellung aufnehmen könnten. Nach meiner Überzeugung würde sich zum Beispiel eine Aufnahme der Vorschriften in das in § 64 LBO geregelte Pflichtprüfungsprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren durchaus anbieten. Wir sollten bei der Anhörung darüber diskutieren, was dagegen sprechen könnte. Ich halte es aber für eine charmante Lösung.

Neu in der LBO ist, dass wir den Prüfumfang des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens mit dieser Novelle um die Prüfung der Abstandsflächenvorschriften erweitert haben, was in einem dicht bebauten Land wie dem Saarland sicher eine große Hilfe für die Bauherrinnen und Bauherren ist. Aber für beides - Abstandsflächenprüfung und barrierefreies Bauen - gilt: Eine präventive bauordnungsrechtliche Prüfung vermeidet Fehler. Es hilft nichts, wenn Bauaufsichtsbehörden nicht präventiv und beratend tätig sein dürfen, aber repressiv tätig sein müssen. Es hilft auch nicht den Bauaufsichtsbehörden, denn der Arbeitsaufwand im repressiven Bereich ist ungleich höher als im präventiven.

Zur Rauchwarnmelderpflicht hat der Kollege Christian Gläser dankenswerterweise alles gesagt.

Meine Damen und Herren, bei der umfassenden LBO-Novelle 2003/2004 machten rund 60 Verbände und Organisationen von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch. Im weiteren Verfahren wird die Anhörung zur Landesbauordnung im zuständigen Ausschuss für Inneres und Sport viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich halte es allerdings mit Blick auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und die Änderungen im Gesetzentwurf zum Thema Barrierefreiheit für geboten, nicht nur den Landesbehindertenbeirat sozusagen als Dachorganisation der Behindertenverbände anzuhören, sondern den Kreis der Anzuhörenden um die einzelnen Verbände behinderter Menschen zu erweitern. Sie müssen als Expertinnen und Experten in eigener Sache mit ins Boot genommen werden. Denn neben den schulrechtlichen Vorschriften und dem Landesgleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung ist die Landesbauordnung das wichtige Gesetz, das die Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen für ein alltägliches Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung setzt und damit ein „mehr miteinander“ regelt beziehungsweise dies möglich macht.

Im Übrigen gilt auch bei dieser Novelle das Strucksche Gesetz: Kein Gesetz verlässt das Parlament so, wie es hineingeht! - Ich bitte um Zustimmung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes, Drucksache 15/1214, in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Sport ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 15/1214 in Erster Lesung einstimmig angenommen wurde. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen.

Wir kommen nun zu den Punkten 3 und 14 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der PIRATEN-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Friedhofs-, Bestattungs- und Leichenwesen (Bestattungsge- setz - BestattG) (Drucksache 15/1216)