Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

Ich halte diese Entscheidung für im diametralen Gegensatz stehend zu dem, was man als gerecht empfinden darf. Ich halte es auch unter wirtschaftsethischen Gesichtspunkten für höchst problematisch, eine solche Vorgehensweise zu wählen, insbesondere nachdem der neue Eigentümer nach Übernahme bei den Beschäftigten auch in seiner unmittelbaren Ansprache etwas völlig anderes in Aussicht gestellt hat, er die Hoffnung geweckt hat, dass es hier um ein strategisches Invest geht, dass man an den Standort glaubt, dass man investieren und dort auch produzieren will. All das steht im Gegensatz zu dem, was tatsächlich vollzogen worden ist, insbesondere auch durch die Übertragung des Anlagevermögens in eine Holding nach Luxemburg.

Vierte Zusatzfrage: Wird die Landesregierung, wenn es nicht kurzfristig zu einer Einigung mit Whitesell kommt, gerichtlich gegen diese Firma vorgehen?

Wir behalten uns gegebenenfalls auch eine rechtliche Auseinandersetzung vor. Das wird geprüft. Ich will allerdings noch mal unterstreichen, dass im Moment mit all dem, was wir tun - was wir auch in den vielen zurückliegenden Tagen getan haben -, wir uns vor allem darauf konzentrieren, tatsächlich das auf den Weg zu bringen, was notwendig ist, um eine Fortführung des Werkes zu ermöglichen und damit auch die Beschäftigung im Werk zu sichern. Es geht nicht darum, rechtstheoretische Debatten zu führen, die Ergebnisse produzieren, die zu einem Zeitpunkt vorliegen, wenn sie niemandem mehr helfen. Vielmehr wollen wir hier und heute den Beschäftigten helfen.

Fünfte Frage, bitte.

Wird die Landesregierung im Bundesrat eine Initiative ergreifen, um zukünftig gesetzlich zu regeln, dass solche kriminellen Verschiebungen des Belegschaftsvermögens in Firmen außerhalb des Landes unmöglich werden?

Wir werden diesen Vorgang zum Anlass nehmen, insbesondere im Insolvenzrecht eine Überprüfung vorzunehmen und gegebenenfalls über die Wirtschaftsministerkonferenz einen Vorstoß zu unternehmen, um eine solche Überprüfung durchzuführen. Wenn sich herausstellen sollte, dass das ein rechtskonformes Vorgehen war, gilt es, politisch zu reflektieren, ob ein solches rechtskonformes Vorgehen tatsächlich etwas ist, was wir rechtlich so verankert wissen wollen, oder ob es politischen Handlungsbedarf gibt. Das ist allerdings eine Überprüfung, die wir dann vornehmen werden, wenn die Ergebnisse vorliegen und wenn vor allem Zeit und Raum für uns besteht neben dem, was wir im aktuellen Krisenmanagement vorzunehmen haben.

Sechste Frage, bitte.

Die Verschiebung liegt ja als Ergebnis vor. Insofern müsste die Landesregierung zu einem Ergebnis kommen, ob solche kriminellen Handlungen in Zukunft gesetzlich auszuschließen sind, und entsprechend tätig werden.

Die Frage, ob es sich um eine kriminelle Handlung handelt oder ob es sich um eine Handlung handelt, die innerhalb des Rechtsrahmens stattgefunden hat,

ist eben gerade noch nicht abschließend bewertet worden. Insofern stellt sich die Frage, ist der Rechtsrahmen zutreffend und wurde er an einem bestimmten Punkt hier nur überschritten oder ist der Rechtsrahmen per se falsch. Das ist aber eine Überprüfung, die noch nicht abgeschlossen ist.

Vielen Dank. Die Frage ist damit erledigt. Ich rufe die Frage 2 auf, auch von Herrn Fraktionsvorsitzendem Oskar Lafontaine gestellt.

Welche Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf das zwischenzeitlich insolvente Unternehmen Whitesell und insbesondere die betroffenen Arbeitsplätze sieht die Landesregierung jenseits der Problematik ausgelagerter Vermögenswerte?

Zur Beantwortung erteile ich wiederum Frau Ministerin Anke Rehlinger das Wort.

Das ist das, womit wir uns im Moment und tagtäglich zu beschäftigen haben, nämlich Vorsorge dafür zu treffen, dass es eine erfolgreiche Unternehmensfortführung geben kann und dass vor allem in der Zwischenzeit, bis dieser Zustand erreicht werden kann, die Belastungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst gering gehalten werden beziehungsweise nicht automatisch ein Eintritt in die Arbeitslosigkeit stattfindet.

Bezogen auf eine mögliche Unternehmensfolge steht eine ganze Reihe von Instrumentarien seitens der Landesregierung zur Verfügung. Wir haben in Richtung potenzieller Übernehmer signalisiert, dass wir gerne bereit sind, diese Instrumentarien zum Einsatz zu bringen. Ein sicherlich sehr prominentes Instrument ist das Bürgschaftsinstrument des Landes. Dabei kann das Wirtschaftsministerium bei einer Übernahmelösung zusammen mit dem Finanzministerium im Rahmen der Ermächtigung durch das jeweilige Haushaltsgesetz und natürlich auch unter Beachtung der beihilferechtlichen Vorgaben eine Landesausfallbürgschaft zur Besicherung eines Kredites zugunsten des Unternehmens übernehmen. Im konkreten Fall würde eine solche Bürgschaft dazu beitragen, die hiesige Wirtschaftsstruktur, insbesondere den industriellen Kern unseres Landes, zu erhalten und von allem eine große Anzahl von Industriearbeitsplätzen zu sichern.

Die Voraussetzungen, die dafür gelten, sind insbesondere, dass es ein tragfähiges Übernahmekonzept und ein Unternehmenskonzept gibt, dass die Kapitaldienstfähigkeit des übernehmenden Unternehmens gewährleistet ist und dass eine bankenmäßig ausreichende Sicherheit nicht vorhanden ist, so

dass wir dann als Land in diese Situation eintreten würden und damit demjenigen, der potenziell gewillt, geeignet und in der Lage ist, das Unternehmen zu übernehmen, eine Unterstützungsleistung liefern würden. Das ist eine Hilfemaßnahme in Richtung eines potenziellen Übernehmers.

Daneben gibt es eine Unterstützungsmaßnahme mit Blick auf das Wohl der Beschäftigten, sprich das Instrumentarium der Transfergesellschaft, das momentan sehr intensiv von uns bearbeitet wird, um alle notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Es steht im Raum, dass das Insolvenzverfahren am 27. März endgültig eröffnet wird. Der Insolvenzverwalter hat schon bekundet, dass, um eine Fortführung zu gewährleisten und den Vorgaben des Insolvenzrechts Rechnung tragen zu können, zumindest für einen Teil der Mitarbeiter eine Kündigung mit sofortiger Freistellung stattfinden muss. Es ist bereits im Rahmen des Interessenausgleichs - wenn ich richtig informiert bin - eine Sozialauswahl getroffen worden. Diejenigen, die auf einer solchen Liste stehen, werden das zur Kenntnis bekommen. Noch in dieser Woche findet eine Betriebsversammlung statt, in der das Ganze den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genannt werden soll.

Wir haben unsererseits im Grunde genommen zwei Möglichkeiten. Entweder man macht eine Transfergesellschaft oder man macht eben keine Transfergesellschaft. Wenn man sie nicht macht, dann würde das Aussprechen der Kündigung dazu führen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Eröffnung der Insolvenz das Arbeitslosengeld erhielten und ab sofort zur Vermittlung in den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssten. Oder wir als Landesregierung würden sagen, um die Sicherung von Industriearbeitsplätzen in dieser Region sicherstellen zu können, richten wir zeitlich befristet eine Transfergesellschaft ein. Das ist etwas, was im Einklang mit unserer beschäftigungs- und sozialpolitischen Verpflichtung steht, die wir als saarländische Landesregierung sehen, um den Schritt in die Arbeitslosigkeit als unmittelbaren Schritt zu verhindern und eine stabile Brücke für die Beschäftigten in eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit zu bauen.

Wir haben alles, was dazu an vorbereitenden Maßnahmen notwendig ist, in allerkürzester Zeit auf den Weg gebracht. Wir befinden uns in einem sehr engen Zeitkorsett. Das ist eine ganze Reihe von Maßnahmen. Wir haben bereits ganz konkret eine Vorauswahl für einen entsprechenden Träger getroffen, falls die Einrichtung erfolgt. Wir haben schon veranlasst, dass die Beratung, die in einem solchen Fall vorlaufend stattzufinden hat, ausgeübt werden kann. Wir haben auch sichergestellt, dass ein entsprechender Zuschuss an die Transfergesellschaft haushaltstechnisch abgesichert sein könnte.

(Ministerin Rehlinger)

Wir haben das Verfahren, das auch unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht ganz so einfach ist, beleuchten lassen, ob es möglicherweise eine Kollision mit beihilfe- oder vergaberechtlichen Fragestellungen gibt. Die entsprechende Prüfung ist Gott sei Dank positiv ausgegangen. Das gesetzlich verpflichtende Profiling kann stattfinden. Dazu sind alle vorbereitenden Maßnahmen getroffen worden. Der Projektantrag ist eingereicht. Wir hätten einen vorzeitigen Maßnahmenbeginn schon erteilt, sodass also all das, was notwendig ist, um diesen Weg gehen zu können, auch von uns erledigt worden ist.

Im Übrigen ist all das ganz eng mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter einerseits, aber auch mit den Beschäftigten vor Ort, dem Betriebsrat, dem Betriebsratsvorsitzenden und den Vertretern der Gewerkschaft andererseits bei uns im Hause abgestimmt worden. Nachdem die Angebote innerhalb der Frist einzureichen sind, geht es jetzt um die Fragestellung, ob es eine begründete Hoffnung auf eine stabile Übernahmelösung gibt. Es ist fraglich, ob die Angebote so gut sind, dass man daran glauben kann, und ob die ausreichende Bereitschaft bei Whitesell zu erkennen ist, überhaupt in einen Verkaufsprozess einzusteigen.

Ich bin guter Hoffnung, dass uns das alles gelingen kann. Wenn es uns gelingt, dann stehen wir Gewehr bei Fuß, um all diese Maßnahmen, die jetzt vorbereitet worden sind, unmittelbar in die Umsetzung zum Wohl aller Beschäftigten zu bringen.

Auch hier sind sechs Zusatzfragen möglich. - Bitte, Herr Lafontaine.

Strebt die Landesregierung eine Belegschaftsbeteiligung an?

Es ist nicht die Frage, ob die Landesregierung eine Belegschaftsbeteiligung anstrebt. Es ist vielmehr die Frage, ob einerseits die Belegschaft eine Belegschaftsbeteiligung anstrebt und ob andererseits der Eigentümer eine solche Belegschaftsbeteiligung wünscht. Das wird möglicherweise auch im Rahmen der Angebotsabgabe zu überprüfen sein. Ich halte grundsätzlich das Instrumentarium einer Belegschaftsbeteiligung für ein gutes. Allerdings wird es nur dann funktionieren, wenn beide Seiten es wollen. Das müssen die Beteiligten miteinander klären. Das ist nicht in erster Linie Aufgabe der saarländischen Landesregierung.

Kommentare sind nicht erlaubt, Frau Präsidentin, deshalb die zweite Zusatzfrage: Ist die Landesregie

rung mit Saarstahl, der Saarstahl-Stiftung, im Gespräch, an einer Lösung mitzuwirken, die eine saarländische Mitsprache in der Zukunft dauerhaft sicherstellt?

Die saarländische Landesregierung hat keine direkten Zugriffsrechte auf die Montan-Stiftung. Die Montan-Stiftung ist unabhängig, selbstständig und entscheidet im Rahmen dessen auch, was sie tut, was sie für richtig und auch für kompatibel im Rahmen ihrer satzungsgemäßen Verpflichtung hält. Das ist eine Frage, die letztendlich auch von den Stiftungsorganen zu beantworten ist. Im Übrigen stellt sich auch die Frage, ob das der bessere Weg, ist oder ob man hier nicht Steine statt Brot predigt. Wir konzentrieren uns auf akute, machbare und vor allem in unserem Einwirkungsbereich liegende Hilfe- und Unterstützungsmaßnahmen und konzentrieren uns weniger auf theoretische Debatten.

Dritte Zusatzfrage, bitte.

Angesichts der Auftragslage, die ja zu Personalüberhängen geführt hat: Wird es eine Beschäftigungsoder Transfergesellschaft geben, ja oder nein?

Wir haben alle Vorbereitungen dafür getroffen, dass diese Transfergesellschaft eingerichtet werden kann. Das habe ich eben detailliert formuliert. Gegebenenfalls wird sie auch bis zur Klärung der letzten Frage, ob eine stabile Nachfolgelösung möglich ist, befristet eingeführt werden. Auch dafür sind die notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen getroffen. Die saarländische Landesregierung ist sich hier ihrer beschäftigungspolitischen Verantwortung, insbesondere auch der Verantwortung gegenüber den langjährig Beschäftigten in diesem Unternehmen, die bei entsprechenden Übernahmen schon viele unangenehme Stunden in diesem Werk zu verbringen hatten, sehr wohl bewusst. Wir werden das Notwendige in Absprache mit den Beteiligten tun, wir stehen dort in außerordentlich guten Gesprächen und alle Beteiligten sind sich ihrer großen Verantwortung in diesem Prozess bewusst.

Vierte Zusatzfrage, bitte.

Bei diesen umfangreichen Vorbereitungen: Auf welcher Basis sollen die Beschäftigten weiter entlohnt werden? Wird es Zuschüsse zum Arbeitslosengeld geben, wenn ja, wie hoch?

(Ministerin Rehlinger)

Auch dazu haben wir uns vorbereitend Gedanken gemacht. Es ist von uns für den Fall der Einrichtung einer solchen Transfergesellschaft ins Auge gefasst worden, dass die Arbeitgeberbeiträge für die Sozialversicherung übernommen werden könnten beziehungsweise Aufstockungen der Arbeitsentgelte seitens der saarländischen Landesregierung übernommen werden könnten, damit man über den Prozentsatz von 60 Prozent, der im Übrigen dann von der BA zu entrichten wäre, auch hinauskommt. Gegebenenfalls könnten dort bis zu 80 Prozent bezahlt werden. Wir haben dafür bei Bedarf auch die notwendigen Mittel. Das wird auch entsprechend haushaltspolitisch hinterlegt sein.

Fünfte Zusatzfrage, bitte.

Gegebenenfalls bis zu 80 Prozent könnten bezahlt werden. Meine Frage wäre: Was sehen Sie vor?

Das ist ein Punkt, der zwischen den Beteiligten noch einmal abgestimmt wird. Wir können die Aufstockung bis auf 80 Prozent vornehmen und durch die Transfergesellschaft Lohnleistungen für Urlaub und bezahlte Feiertage sowie Projektleitung, Verwaltungskosten und Beratung erbringen, das ist das übliche Verfahren. Das sind die üblichen Umfänge, die in einer solchen Transfergesellschaft abgebildet werden können. Ich glaube, das ist ein gutes Angebot an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Letzte Zusatzfrage, bitte.

Könnten Sie sich bei der Einrichtung der Transfergesellschaft an der bewährten Transfergesellschaft ausrichten, die wir im Falle Saarstahl in aller Öffentlichkeit langjährig vorgehalten haben?

Ich habe Ihnen gerade die Parameter der Transfergesellschaft, so wie wir sie vorgesehen haben - Aufstockung auf 80 Prozent, Übernahme -

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Die Aufstockung auf 80 Prozent ist also sicher?)

Das ist im Moment vorgesehen, aber da es darum geht, einen abgestimmten und koordinierten Prozess hinzubekommen und es mehrere Partner gibt die Bundesagentur, die Beschäftigten und den Insolvenzverwalter -, ist das der Plan der saarländischen Landesregierung und den werden wir in bewährter

Manier mit den Betroffenen abstimmen. Ich glaube, das ist ein gutes Angebot.

Vielen Dank. Die Fragestunde ist damit erledigt. Wir treten nun in die Tagesordnung ein und kommen zu Punkt 1:

Erste Lesung des von der CDU-Landtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung und den Betrieb der Integrierten Leitstelle des Saarlandes

(Drucksache 15/1290)

Zur Begründung erteile ich Herrn Abgeordneten Günter Becker das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Integrierte Leitstelle - eine schwierige Kiste, so könnte man die Überschrift wählen. Bereits im Jahre 2006 habe ich hier in diesem Haus ausgeführt, dass vor dem Hintergrund zahlreicher Terroranschläge auf der ganzen Welt - auch im Saarland - eine stärkere Verzahnung der zur nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr zur Verfügung stehenden Kräfte zu erfolgen habe. Wir haben die Errichtung einer Integrierten Leitstelle für das Saarland beschlossen, mit dem Ziel, die nicht polizeiliche Gefahrenabwehr so aufeinander abzustimmen, dass sie als einheitliches Hilfesystem funktioniert.