Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/1332 - neu - in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Sport ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 15/1332 - neu - in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Oppositionsfraktionen, dagegen die Koalitionsfraktionen.

Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung

Erste Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Brandschutz, die Technische Hilfe und den Katastrophenschutz im Saarland (Drucksache 15/1326)

Zur Begründung erteile ich Herrn Minister Klaus Bouillon das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung legt Ihnen heute einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über den Brandschutz, die Technische Hilfe und den Katastrophenschutz vor. Mit diesem Gesetzentwurf werden europäische Vorgaben in Bezug auf die Erstellung und den Inhalt externer Notfallpläne im Saarland umgesetzt.

Konkret geht es um die entsprechende Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates, die sogenannte Seveso-III-Richtlinie. Diese Richtlinie löst die geltende Richtlinie 96/82/EG am 01. Juni 2015 ab und muss deshalb bis zum 31. Mai 2015 in nationales Recht umgesetzt werden.

Landesrechtlich ist es deshalb notwendig, § 34 des Gesetzes über den Brandschutz, die Technische Hilfe und den Katastrophenschutz, der die Umsetzung der Regelungen der Seveso-II-Richtlinie umfasst, an die neuen Rechtsnormen der Seveso-III-Richtlinie anzupassen. Der vorliegende Gesetzentwurf trägt diesem Erfordernis Rechnung. Zu dem Gesetzentwurf bitte ich Sie um Ihre Zustimmung und Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Sport. Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich danke dem Herrn Minister und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/1326 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Sport ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 15/1326 in Erster Lesung einstimmig, mit den Stimmen aller Fraktionen, angenommen und zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen wurde.

Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes (Drucksache 15/1335)

Zur Begründung erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus Kessler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vergangenen Wochen und Monate haben uns leider eindrucksvoll vor Augen geführt, was passiert, wenn eine Stadt betriebswirtschaftliche Risiken eingeht, diese Risiken auch eintreten und dadurch die nahezu vollständige Handlungsunfähigkeit einer solchen Stadt erreicht wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie kennen diese Stadt. Es geht um die Stadt Völklingen. Es geht um das Projekt Meeresfischzuchtanlage. Man kann mit Fug und Recht sagen, dieses Projekt ist mittlerweile grandios gescheitert. Mehr noch. Es ist ein Projekt, das sich offensichtlich zunehmend als Skandal mit Ansage entwickelt, und dies angesichts der Umstände und der Bewertung durch die damalige Landesregierung sowie durch die Genehmigung der damaligen CDULandesregierung. Nach und nach gelangen immer neue Details an die Öffentlichkeit. Diese reichen von Warnungen - und Feststellungen - der Rechtswidrigkeit durch den damaligen Innenstaatssekretär bis zum Versagen der Kommunalaufsicht, ganz abgesehen von sehr großen Managementfehlern bei diesem Projekt.

Ich beziehe mich auf eine Anfrage der LINKENLandtagsfraktion an die Landesregierung. Aus der Antwort darauf geht hervor, dass die damalige Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer das Projekt trotz erheblicher rechtlicher Bedenken aus dem eigenen Haus durchgesetzt hat und es im

(Vizepräsidentin Ries)

Nachhinein zum Anlass genommen hat, das KSVG zu ändern.

(Abg. Theis (CDU) : Das macht der Landtag.)

Der Landtag, ja. Vielen Dank für die Belehrung, Herr Theis. - Ich zitiere aus der Antwort: „Nach einer intensiven Abwägung wurden diese rechtlichen Bedenken letztlich aus übergeordneten öffentlichen Interessen zurückgestellt“ - die rechtlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Projektes - „und es wurde der Entschluss gefasst, eine Gesetzesinitiative für die Möglichkeit einer Befreiung von § 108 KSVG zu ergreifen.“

Diese Gesetzesinitiative - das ist heute das Schlagwort - ist bekannt geworden unter dem Namen Lex Fischzucht. Sie wurde von der damaligen CDU-Alleinregierung im Jahr 2008 im Landtag verabschiedet. Im KSVG befindet sich seitdem der § 118 Abs. 2. Der Landtag hat das verabschiedet. Dieser besagt, dass im Falle der Nichterfüllung von Voraussetzungen das wirtschaftliche Handeln einer Kommune oder einer Stadt trotzdem genehmigt werden kann, wenn das Innenministerium es gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses dieses erlaubt. Das heißt, man hat im Nachgang zum Fischzuchtprojekt Völklingen eine Ausnahmeregelung geschaffen, wonach unter bestimmten Voraussetzungen Städte und Kommunen auch trotz erheblicher finanzieller und wirtschaftlicher Risiken solche Betätigungen vornehmen können.

Unserer Auffassung nach war dies ein großer Fehler und das Scheitern des Fischzuchtprojektes in Völklingen mitsamt seinen Folgen - ich weise darauf hin, es geht mittlerweile um mehr als 20 Millionen Euro Verlust, es geht um Arbeitsplätze bei den Stadtwerken und es geht natürlich auch um die politische Verantwortung bei diesem Projekt - bestätigt unsere Einschätzung, dass diese Ausnahmeregelung im Gesetz rückgängig gemacht werden muss.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Diese Megapleite der Völklinger Fischzucht muss aus unserer Sicht gesetzgeberische Konsequenzen haben und deshalb legen wir heute diesen Gesetzentwurf vor. Bereits im Plenum vom 12.11.2014 hatten wir in Form eines Beschlussantrages gefordert, unter anderem den besagten Paragrafen im KSVG zu streichen. CDU und SPD hatten das damals abgelehnt, es wurde uns vorgeworfen - Kollege Theis hatte es, glaube ich, gesagt -, keinen eigenen Gesetzentwurf eingebracht zu haben. Diese Kritik haben wir aufgegriffen, vielen Dank für den Tipp. Heute liegt ein Gesetzentwurf vor und eigentlich dürften Sie keine Probleme mehr haben, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich entnehme auch gewisse Tendenzen aus einem Artikel in der Saarbrücker Zeitung vom 03. Februar, den Daniel Kirch mit Bezug auf die beiden großen Parteien geschrieben hat. Die SPD wird dort mit folgender Aussage zitiert, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: „Die SPD sieht sich ‚nachträglich bestätigt‘, weil sie vor Jahren gegen das Gesetz gestimmt hatte, das die Projekte wie die Fischzucht erst möglich macht. Wirtschaftliche Betätigung der Städte und Gemeinden müsse aber in engen Grenzen möglich bleiben, etwa bei der Windkraft oder der Wasserversorgung.“ So die SPD. Und im gleichen Artikel wird Kollege Hans zitiert, der für die CDU dort äußert, ich zitiere weiter: „Man könne nun nicht alle Kommunen ‚unter Generalverdacht‘ stellen. Allerdings schloss er nicht aus, dass das Gesetz nach einer Prüfung nachgebessert werden wird.“ Immerhin. Wenn ich diese Aussagen richtig verstehe, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die SPD nach wie vor gegen diese Gesetzesänderung aus dem Jahre 2008 und die CDU will das Gesetz zumindest nachbessern. Meines Erachtens ganz gute Voraussetzungen, dass Sie sich heute unserem Gesetzentwurf zumindest einmal positiv nähern.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen. - Zurufe von den Regierungsfraktionen.)

Ich werde in diesem Haus nie den Optimismus verlieren.

(Heiterkeit und Beifall bei den Oppositionsfraktio- nen.)

Jetzt noch zu einem Einwand des Kollegen Theis, der damals auf die Kommunalaufsicht verwies, die gleichsam eine hohe Hürde bei der Genehmigung riskanter wirtschaftlicher Betätigungen darstelle. Dazu ist Folgendes zu sagen, auch mit Blick auf die Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der Linksfraktion, ich zitiere nur den einen entscheidenden Satz, mit Ihrer Erlaubnis: „Grundsätzlich ist die Kommunalaufsicht nicht verpflichtet einzuschreiten, (…).“ Das heißt doch nichts anderes, als dass die Kommunalaufsicht eigentlich ein zahnloser Tiger ist, wenn es um die Kontrolle der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen geht.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Auch Kollege Theis hat damals in der Debatte auf ein erfolgreiches kommunales Projekt hingewiesen, den Ferienpark Bostalsee. Ich räume ein, unter dem Strich ist dieses Projekt erfolgreich. Allerdings ist dieses Projekt, weil es ein völlig anderes operatives Geschäft ist, nicht mit einer Meeresfischzuchtanlage vergleichbar, bei der es um den Ankauf und Verkauf von Fischen geht. Und außerdem, Herr Kollege Theis, ist dieses Projekt auch nicht ganz ohne Makel und auch nicht ganz ohne Skandale verlaufen. Es gab Probleme bei der Bezahlung der eingesetzten Arbeiter.

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Und gibt sie!)

Es gab auch erhebliche Mängel mit Blick auf das Antragsverfahren und die Vergabe von 4,4 Millionen Euro Fördermittel, dies hat nämlich der Rechnungshof in seinem Bericht von 2013 festgestellt. Ich zitiere hier, der Rechnungshof bezeichnet dies als „eine bewusste Missachtung der Fördervorgaben“, was die Landesregierung dazu veranlasst hat anzukündigen, diese jetzt entsprechend zu ändern. Unter dem Strich, wenn ich diese beiden Projekte mal nehme, Fischzuchtanlage auf der einen Seite, Ferienpark Bostalsee auf der anderen Seite, kann man sagen, dass lediglich 50 Prozent Erfolgsquote festzustellen sind und 20 Millionen Euro in den Sand gesetzt wurden. Also, das wollen wir in Zukunft nicht mehr. Deshalb wollen wir eine Streichung des Ausnahmeparagrafen 118 Abs. 2, damit wir nicht mehr auf eine so bescheidene Erfolgsquote kommen. Diese Erfolgsquote ist uns zu gering, Herr Dr. Jung.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wir kommen aber im zweiten Teil unseres Gesetzentwurfes noch zu einem anderen Sachverhalt. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf den Städten und Kommunen erlauben, sich zukünftig in weitaus größerem Maße an der Energieerzeugung zu beteiligen,

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU) )

ein Engagement, das dringend notwendig ist, um die Energiewende voranzubringen, um die regionale Wertschöpfung zu verbessern und darüber hinaus natürlich auch, um den Kommunen, die das dringend brauchen, zusätzliche Einnahmen zu ermöglichen.

(Zuruf von der CDU: Ganz ohne Risiko!)

Aber hier geht es um Daseinsvorsorge und das ist etwas ganz anderes als eine Fischzuchtanlage. Jetzt können Sie ja sagen - ich greife Ihre Zwischenrufe auf -, dass es auch hier neue Risiken gibt, die auf die Städte und Gemeinden zukommen. Um dies auszuschließen, wollen wir die bereits bestehende Vereinbarung - es gibt ja eine zwischen Innenministerium, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und Arbeitskammer zur Beschleunigung der Energiewende - im Gesetz festschreiben. Außerdem legen wir fest, dass ein angemessenes Verhältnis von wirtschaftlicher Betätigung und Leistungsfähigkeit der Gemeinde nachgewiesen werden muss. Dies minimiert die Risiken erheblich.

(Beifall von den GRÜNEN.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so wird aus unserer Sicht sichergestellt, dass unbeherrschbare Risiken, die mit dem energiewirtschaftlichen Engagement verbunden sind, ausgeschlossen werden, und hinzu kommt, dass das Engagement priva

ter Unternehmen ausdrücklich nicht gebremst werden soll. Kommunen dürfen nämlich nur tätig werden, wenn der öffentliche Zweck, in diesem Fall energiewirtschaftliche Betätigung, nicht ebenso gut durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

Zu meinem Fazit: Wir wollen erstens das Risiko der wirtschaftlichen Betätigung aufgrund eines überwiegend öffentlichen Interesses, von wem auch immer definiert, abschaffen. Damit ziehen wir die Konsequenzen aus dem 20-Millionen-Desaster der Völklinger Meeresfischzucht. Wir wollen zweitens die Möglichkeit energiewirtschaftlicher Betätigung zur Beschleunigung der Energiewende, ein Sachverhalt, den wir dringend brauchen, neu und umfänglich im KSVG verankern. Deshalb bin ich optimistisch geblieben und bitte um die Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Prof. Dr. Bierbaum von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, da stimme ich dem Kollegen Kessler völlig zu, ist das Thema Fischzucht und die Entwicklung in Völklingen ein wirklich öffentlicher Skandal, der aufgearbeitet werden muss und der auch Konsequenzen in der parlamentarischen Behandlung haben muss. Es ist überhaupt gar keine Frage, dass hier etwas vorgenommen worden ist, was überhaupt nicht zu rechtfertigen ist. Ich will nur darauf hinweisen, Kollege Kessler, dass es nach meiner Information deutlich mehr als 20 Millionen sind, die in den Sand gesetzt worden sind, das nähert sich eher den 30 Millionen Euro.

Insofern ist völlig klar, dass auch wir uns als Landtag damit befassen müssen. Das ist auch der Hintergrund der Debatte, die wir gegenwärtig führen. Allerdings bin ich nicht der Auffassung, dass dies jetzt ausschließlich daran hängt, dass da im Anschluss eine Lex Fischzucht gemacht worden ist, die als solche auch nicht zu rechtfertigen ist. Aber der entscheidende Punkt ist doch ein anderer. Der entscheidende Punkt ist, dass es an Transparenz und an Kontrolle gefehlt hat. Wenn ich noch einmal im KSVG schaue, findet sich auch dort im § 116 der Hinweis auf die betriebswirtschaftlichen Grundsätze, die in diesem Zusammenhang völlig außer Acht gelassen worden sind.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

Ich weiß nicht, wie man überhaupt dazu kam, auch auf der Völklinger Ebene, ein solches Projekt weiter zu verfolgen und zu finanzieren, bei dem nun wirklich - das ist inzwischen Tatbestand - kein ausreichendes betriebswirtschaftliches Konzept vorlag. Das ist ein Punkt, der nicht nur auf unserer Ebene, sondern natürlich auch auf Ebene des Völklinger Stadtrates behandelt werden müsste. Es müssten auch entsprechende Konsequenzen gezogen werden.