Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

(Abg. Berg (SPD) )

(Lachen bei den Oppositionsfraktionen. - Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Jetzt wird es immer besser. Das da ist wirklich Realsatire!)

Mit den Änderungen der Gesetze zur Stärkung der Bürgerbeteiligung soll die Glaubwürdigkeit der Politik eine Renaissance erfahren. Hieran müsste auch die Opposition endlich einmal ernsthaft mitarbeiten und mitwirken und ihre Arbeit sowohl im Parlament als auch durch die Instrumentarien der direkten Demokratie erfüllen. Nur dann kann dieses Ziel gelingen, Bürgerbeteiligung zu stärken, denn wir wollen mehr Bürgerbeteiligung im Saarland wagen. Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Huonker (DIE LINKE) : Sie war damals nicht dabei. - Abg. Spaniol (DIE LINKE): Sie soll sich einmal frühere Reden der SPD über direkte Demokratie ansehen. Da kann sie noch etwas lernen.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Andreas Augustin von der Fraktion der PIRATEN.

Danke, Frau Präsidentin. Ich möchte zunächst um Entschuldigung bitten für die Verwirrung vorhin. Ich hatte die Wortmeldung noch nicht abgegeben, weil ich dachte, die Koalition käme nach den LINKEN noch vor mir dran.

Sie haben sich auch richtig verhalten. Die Begründung wird immer zusammen abgegeben.

Gut. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie auch der Kollege Theis schon bemerkt hat, ist das jetzt nicht das erste Mal in dieser Legislaturperiode, dass wir uns über die Volksgesetzgebung unterhalten. Zuletzt gab es einen Beschluss am 15. Mai 2013, bei dem sowohl die Verfassung des Saarlandes geändert wurde als auch das Volksabstimmungsrecht. Das waren damals zwei Gesetzentwürfe der Koalition. Dazu gab es auch noch einen von uns, der damals abgelehnt wurde.

Wir hatten schon damals sehr viel an den zwei Gesetzentwürfen der Koalition kritisiert. Kurz gesagt müssen viel zu viele Leute in viel zu wenig Zeit Unterschriften abgeben und das gemäß der Amtseintragung auf den jeweiligen Ämtern und natürlich zu deren teils arg eingeschränkten Öffnungszeiten.

An der Stelle muss ich auch sagen, es gibt keinen Beweis durch Beispiel. Es mag vielleicht einzelne Bürgerämter geben, die samstags offen haben. Aber dann frage ich mich auch, ob das wirklich gleiches Recht für alle ist, wenn es von der Gemeinde ab

hängt, in der ich wohne, ob ich samstags auf dem Bürgeramt unterschreiben kann oder nicht. Das muss ich an der Stelle auch einmal sagen. Ich bestreite nicht, dass es Bürgerämter gibt, die samstags geöffnet haben. Ich bestreite aber, dass alle Bürgerämter im Saarland samstags geöffnet haben.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Am Inhalt hatten wir noch andere Dinge zu kritisieren, zum Beispiel, dass die Volksgesetzgebung selbst, die von uns als viel zu restriktiv empfunden wird, auch nicht per Volksentscheid geändert werden kann. Das ist ausdrücklich ausgenommen. Es gibt noch weitere Einschränkungen, zum Beispiel finanzielle, und vieles mehr. Ich will das gar nicht im Detail alles wiederholen. Wer sich das anschauen möchte, kann es in den Protokollen der betreffenden Debatten nachlesen.

Aber an der Stelle muss ich auch darauf zurückkommen, Herr Theis, dass es entsprechende Debatten in der 7. Sitzung, in der 11. und in der 15. gab. Dass es drei Debatten dazu gab, liegt nicht etwa daran, dass eine Verfassungsänderung nur in drei Lesungen geschehen kann - die Zweite und Dritte Lesung waren beide am 15. Mai -, sondern es lag daran, dass Sie zunächst nur eines der beiden Gesetze eingebracht hatten, nämlich in der 7. Sitzung am 19. September, und dann in der 11. Sitzung am 16. Januar 2013 das zweite Gesetz nachgeliefert hatten.

Wenn Sie also jetzt vorbringen, dass die LINKEN eigentlich noch die Verfassung mitändern müssten, dann kritisieren Sie die eigene Verfahrensweise, wie Sie es damals gemacht haben, genauso. Da hatten Sie ja auch zunächst nur ein Gesetz vorgelegt und dann das zweite nachgereicht. Es wurden beide zusammen in Zweiter Lesung, bei der Verfassungsänderung auch in Dritter Lesung, am 15. Mai behandelt. Aber eingereicht, so wie heute in Erster Lesung, wurden sie an zwei verschiedenen Terminen. Wenn Sie das so machen können, sehe ich nicht, warum die LINKE und wir das nicht auch dürfen sollten.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Was ich beim letzten Mal mit am stärksten kritisiert habe, war die Amtseintragung. Ich muss auch heute noch mal Kritik üben. Ich sehe die Amtseintragung nach wie vor als das größte Hindernis.

(Beifall bei der LINKEN.)

Ich finde es gut, dass in dem Gesetzentwurf, den ursprünglich die LINKE vorgelegt hat und dem wir zwischenzeitlich beigetreten sind, ein Kompromissvorschlag enthalten ist, den die Kollegin Schramm auch genauso genannt hat. Damals gab es nur die beiden Alternativen freie Sammlung oder Amtseintragung. Was heute zur Diskussion steht, ein Äquivalent zur Briefwahl, stand damals nicht zur Diskussion. Ich

(Abg. Berg (SPD) )

halte aber genau das für einen sinnvollen Kompromiss. Deshalb sehe ich auch nicht, dass heute noch mal ein altes Thema neu aufgerollt wird und sich die gleiche Diskussion wiederholt. Nein, es ist ein neuer Vorschlag, den ich wirklich als sinnvollen Kompromiss empfinde und den ich deshalb auch voll und ganz mittragen kann. Ich hätte es schön gefunden, wenn wir uns auf diesen Kompromiss hätten einigen können.

(Beifall von den PIRATEN und der LINKEN.)

Ein Argument Ihrerseits gegen die freie Sammlung war damals auch, dass man auf der Straße übertölpelt werden könnte und etwas unterschreibt, ohne genau gelesen zu haben, worum es geht. Dieses Argument sehe ich bei diesem Äquivalent zur Briefwahl nicht. Dementsprechend sollte Ihnen das auch nicht mehr als Gegenargument dienen können.

Als Argument gegen die freie Unterschriftensammlung haben Sie damals ferner vorgebracht, dass dies nicht überprüfbar wäre; das haben Sie heute wiederholt. Das gilt damals wie heute nicht. Die Unterschriften werden überprüft. Sie haben eben auch darauf hingewiesen, dass ursprünglich 5.000 Unterschriften frei gesammelt wurden, und haben dann Andeutungen gemacht, dass dies nicht auf den Ämtern geschehen sei. Das wird aber durchaus kontrolliert. Es kann niemand zwei Mal oder mit falschem Namen unterschreiben. Es ist ja nicht so, dass ich einen Zettel mit 5.000 beliebigen, potenziell mehrfachen und gefälschten Unterschriften bringe und das würde reichen. Das wird kontrolliert. Von daher sehe ich das nicht so wie Sie, dass eine freie Sammlung nicht überprüfbar wäre.

Wir hatten diese Debatte vor knapp zwei Jahren schon einmal. Zwischenzeitlich hat die Koalition ihre zwei Gesetzentwürfe beschlossen mit dem vorgeblichen Ziel, die Volksgesetzgebung vereinfachen zu wollen. Ihnen war unser Gesetzentwurf zu weitgehend. Wir hatten die Hürden wesentlich weiter gesenkt, darüber kann man verschiedener Meinung sein. Aber Sie können nicht bestreiten, dass auch Ihr inzwischen beschlossener Gesetzentwurf nicht dazu geführt hat, dass es in den letzten zwei Jahren einen Volksentscheid gegeben hätte. Sie wollten ihn vereinfachen. Ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass diese Vereinfachung, wie Sie es nennen, nicht dazu geführt hat, dass es seitdem einen Volksentscheid gegeben hätte. Weiter möchte ich Sie an dieser Stelle bitten, diese kleine Vereinfachung, die diese Briefwahl darstellen würde und die weit von dem entfernt ist, was wir damals als Gesetzentwurf eingebracht haben, heute trotzdem anzunehmen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Oskar Lafontaine.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann meine Ausführungen sehr kurz machen. Ich glaube nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger aufmerksam lauschen, wenn wir hier gesetzestechnische und rechtliche Probleme erörtern. Aber sie werden verstehen, wenn wir die Frage aufwerfen, ob es sinnvoll ist, mehr Bürgerbeteiligung zu haben oder nicht. Das ist die Frage, um die es hier geht. Zu dieser Frage kann man Ja oder Nein sagen. Wenn man Nein sagt, soll man einfach erklären: Ich stehe zur repräsentativen Demokratie, ich möchte keine zusätzliche Bürgerbeteiligung. Diesen Standpunkt kann man ja vertreten. Ich will Ihnen jetzt nicht verfassungsrechtlich erläutern, warum die repräsentative Demokratie geschaffen wurde und warum insbesondere die Verfassungsväter die Volksabstimmung nicht wollten. Das hat etwas mit der Eigentumsfrage zu tun. Wenn Sie mal Zeit haben, lesen Sie es nach, ich will das hier nicht vertiefen.

Die Frage ist nur: Wollen Sie mehr Bürgerbeteiligung oder wollen Sie es nicht? Da will ich Ihre Frage gleich beantworten, Frau Berg. Wenn Sie mehr Bürgerbeteiligung wollen, dann müssen Sie Ja sagen. Dann müssen Sie aber auch etwas dafür tun, dass mehr Bürgerbeteiligung möglich wird.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Sie haben hier mit viel Wortakrobatik versucht, dieser Frage auszuweichen. Wenn Sie sagen, unsere Vorschläge seien unzureichend, dann machen Sie bessere! Wir sind sofort dabei, wir bestehen gar nicht auf unseren Vorschlägen. Nun sind wir nicht außerhalb der Welt, sondern wir leben in einer Welt, in der die Wahlbeteiligung immer weiter zurückgeht. Jetzt sage ich nicht, das liege an einer Partei. Aber der Kollege Ulrich hat recht, wenn er darauf hinweist, dass sich alle Parteien die Frage stellen müssen, warum das so ist. Wenn man ernsthaft etwas erreichen will, dann muss man auch auf die Argumente der Bevölkerung eingehen. Frau Schramm hat hier ein entscheidendes Argument vorgebracht, das immer wieder auf allen Ebenen zu hören ist: Es bringt doch gar nichts mehr, zur Wahl zu gehen, die machen ja doch, was sie wollen. Vielleicht haben Sie sich auch mal selbst kritisch die Frage gestellt, ob an dieser Argumentation etwas dran sein könnte.

Warum sagt die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft habe einen viel zu großen Einfluss auf die demokratischen Entscheidungen? Weit über 60 Prozent meinen das. Und wenn Sie sehen, was weltweit passiert - denken Sie nur einmal

(Abg. Augustin (PIRATEN) )

an die Finanzkrise in Europa -, dann können Sie doch gar nicht mehr übersehen, dass nicht das Volk hier bestimmt. Das kann doch nur ein Naiver behaupten, der nie darüber nachgedacht hat, was Demokratie eigentlich will.

Ich komme jetzt zurück zu der kleinen Szene, die wir hier zu behandeln haben. Wollen wir das Volk mehr beteiligen oder wollen wir das nicht? Wenn wir es wollen, dann sollten wir es auch tun. Und wenn unsere Vorschläge nicht ausreichen, dann sollten Sie bessere machen. Aber wir haben hier einen Kompromiss vorgelegt, der in der Annahme besteht, dass vielleicht die SPD mitzieht, die ja mal eine Zeitlang Vorreiter war bei der Einführung von Volksbegehren, etwa in Person von Dr. Hans-Jochen Vogel.

(Beifall von der LINKEN und vom Abgeordneten Kessler (B 90/GRÜNE).)

Vielleicht kann Ihre Partei, die den Kompromiss in Hamburg mitgetragen hat, ihn auch hier mittragen. Das war unsere Hoffnung. Deswegen haben wir dem rechtlichen Einwand nicht Rechnung getragen, auch noch die freie Sammlung wieder in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Nur, jeder, der ein bisschen die Praxis kennt und sich ab und zu mal die Mühe macht, mit den Bürgern zu reden, weiß doch, dass es kaum möglich ist, die Menschen ins Rathaus zu bringen, insbesondere nicht unter diesen schwierigen Bedingungen. Deshalb sind wir alle aufgerufen, Möglichkeiten und Wege zu suchen, um die Bevölkerung mit entscheiden zu lassen.

Es ging nicht darum - das war der Irrtum Ihres Vortrages -, dass wir diesen Gesetzentwurf, den wir jetzt beraten, zur Volksabstimmung bringen wollen. Wir wollen ganz einfach der Bevölkerung, insbesondere der ärmeren Bevölkerung, die mit hohen Dispozinsen leben muss, die Möglichkeit geben, ihre Interessen wahrzunehmen und zum Beispiel zu sagen, dass die Dispozinsen gesenkt werden sollen. Schade, dass es dafür so wenig Verständnis in diesem Hause gibt.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat Roland Theis von der CDU-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Lafontaine, wenn Sie an die Adresse unseres Koalitionspartners gerichtet sagen, es sei so einfach, man müsse nur Ja sagen, dann will ich Ihnen eines erwidern: Dann müssen Sie Gesetzentwürfe schreiben, denen man zustimmen kann. Wenn Sie die amtliche Eintragung im Saarland abschaffen wollen, dann müssen Sie die Verfassung ändern. Aber wenn Sie es nicht ein

mal handwerklich hinbekommen, können Sie sich auch nicht hinstellen und anderen vorwerfen, dass sie nicht wollen. Sie können es jedenfalls nicht, das haben Sie in dieser Debatte bewiesen, und das muss man an der Stelle auch einmal sagen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD. - Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)

Zum Zweiten, ich habe es in meiner ersten Antwort schon vorweggenommen - - Hören Sie doch zu, Frau Schramm, dann kann man in der Diskussion vielleicht das eine oder andere mitnehmen. Lesen Sie es nach! Dann werden Sie feststellen, dass ich ganz beim Thema bin. - Ihre These lautet: Je mehr Volksabstimmungen und je mehr und je einfacher Plebiszite sind, desto mehr Beteiligung gibt es. Herr Lafontaine, ich weiß nicht, woher Sie die nehmen. Ich weiß nicht, woher Sie den Erfahrungsschatz nehmen, dass in Ländern, in denen mehr Volksabstimmungen stattfinden, die Abstimmungsbeteiligung höher ist. Nirgends ist das der Fall! In der Schweiz nicht, in den Ländern in Deutschland nicht! Nirgends in der Welt trifft diese These zu! Sie ist schon empirisch falsch. Deshalb stimmt sie auch in dieser Debatte nicht. In dieser Frage gehen Sie von falschen Voraussetzungen aus, Herr Lafontaine!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ein dritter Hinweis. Die Litanei, die Sie, sehr geehrter Herr Lafontaine, hier regelmäßig vortragen, lautet: Eigentlich muss man doch erkennen, wenn man so erleuchtet ist wie ich, dass das hier im Grunde gar keine Demokratie ist, denn es sind ja nicht die Menschen, die entscheiden. Das sind ja die Lobbys, die Wirtschaft und das Finanzkapital. Der wahre Willen der Menschen kommt ja gar nicht zum Ausdruck. Den wahren Willen - den natürlich nur Sie kennen, weil nur Sie sich mit der Bevölkerung unterhalten und die wahre Demokratie haben wir doch schon lange nicht mehr. - Das ist Ihre These. Ich will Ihnen sagen, dass das in einer Art und Weise anmaßend ist, wie ich es an dieser Stelle nicht zulassen kann. Ich halte das für gefährlich, weil Sie unserer Demokratie ihre Legitimation absprechen.

(Sprechen bei der LINKEN.)

Ich sage Ihnen, Gott sei Dank sind die Menschen in diesem Land klüger als Sie und wissen, dass wir in einer Demokratie leben. Sie schätzen sie und partizipieren an dieser Demokratie. Gott sei Dank geben sie uns dafür die Mehrheit und nicht Ihnen! - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsfraktio- nen.)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )