Protokoll der Sitzung vom 20.05.2015

Wenn Sie genau zugehört hätten, hätten Sie mitbekommen, welche Differenzierung ich gemacht habe: keinen Gesetzesentwurf der Regierung und keinen Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen. Für Sie noch einmal an der Stelle verdeutlicht.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Das ist nett.)

Das ist immer das Problem, er hört einfach nicht zu. - Es liegt also kein Entwurf vor. Das ist eine Tatsache, die mich genauso unzufrieden macht, wie viele andere in diesem Raum. Da sind wir sicherlich auch alle nahe beieinander. Wir sind auch nahe beieinander in der Feststellung, dass es tatsächlich eine Notwendigkeit gibt, eine Novellierung des ÖPNV-Gesetzes vorzunehmen. Dies allein schon in formaler Hinsicht, aufgrund europarechtlicher Vorschriften, die in unserem Landesrecht ihre Umsetzung erfahren müssen, aber auch um Struktur verbessernde Maßnahmen herbeizuführen und damit letztendlich den Weg frei zu machen zu einem noch besseren,

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

einem attraktiveren ÖPNV in diesem Land. Auch da sind wir uns einig. Da brauchen wir uns gegenseitig keine Vorhaltungen zu machen. Die entscheidende Frage ist, in welchem Rahmen und wann ich es tue und wie es umgesetzt wird. Hier stelle ich neben den Gemeinsamkeiten, die ich gerade genannt habe, zwei Unterschiede fest.

Der erste Unterschied besteht darin, dass für uns die Frage entscheidend ist, wie viel Geld uns zur Verfügung steht, um welche Strukturen und Leistungen des ÖPNV zu finanzieren. Denn wir wollen ja kein Gesetz machen, in dem lediglich unsere Wunschvorstellungen formuliert sind, sondern wir wollen eines machen, das geeignet ist, die Realität in einem positiven Sinn umzusetzen. Dabei spielen die Finanzen eine entscheidende Rolle. Ich werde kein Gesetz auf den Weg bringen, das die finanzielle Situation ausblendet.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Es gibt einen zweiten Unterschied, was die Herangehensweise angeht. Es ist der Unterschied, dass wir nicht versuchen, mit dem Kopf durch die Wand zu rennen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Oh! So etwas!)

Wir setzen uns auch nicht ins stille Kämmerlein und schreiben auf, was wir gerne hätten, völlig unabhängig davon, was andere Betroffene in diesem System für sich als richtig, wichtig und notwendig definiert haben. Denn es gibt in der Tat viele Akteure und Player auf dem Spielfeld.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Und es gibt bessere Akteure!)

Diese Akteure haben natürlich manchmal andere Vorstellungen, die aber aus ihrer Sichtweise heraus nachvollziehbar sein können. Ich kann sie also nicht ohne Weiteres vom Tisch wischen. Deshalb ist es auch ein Unterschied in der Herangehensweise, wenn man versucht, mit diesen Akteuren über das zu sprechen, was man in Form eines Gesetzes zu Papier gebracht hat. Man muss versuchen, sie mitzunehmen, denn sie sind diejenigen, die das ganze vor Ort mit Leben erfüllen müssen. Genau das haben wir getan, genau das hat zusammengenommen zu einem Referentenentwurf geführt. Es ist mitnichten so, dass wir die Hände in den Schoß gelegt und gesagt haben, wir warten, bis die Entscheidungen in Berlin zwischen den Ländern und zwischen den Ländern und dem Bund getroffen sind. Wir haben sehr wohl daran gearbeitet, wir haben mit den relevanten Akteuren gesprochen, wir haben Arbeitsergebnisse erzielt. Sie liegen in einem Referentenentwurf vor. Ich muss aber wissen, dass das, was ich dort erarbeitet habe, auch finanziert und bezahlt werden kann. Deshalb stehen wir heute an ebendieser Stelle. Unter anderem deshalb können wir Ihren

Gesetzentwurf heute auch nicht annehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Thema Regionalisierungsmittel ist kein vorgeschobener Grund. Das sage ich deutlich. Es kann nicht angehen, dass wir hier darüber diskutieren, wie wir die Tarife ausgestalten und was wir an Leistungen im ÖPNV erbringen können, ohne zu wissen, ob wir dafür auch das Geld haben. Da geht es nicht gerade um kleine Hausnummern. Wir reden darüber, dass wir momentan verteilt auf die Länder etwas mehr als 7 Milliarden Euro plus Dynamisierung bekommen. Davon entfallen auf das Saarland etwa 96 Millionen Euro pro Jahr. Damit ist klar, wie viel dieses Land als derjenige, der den öffentlichen Personennahverkehr zu organisieren hat, jedes Jahr in diesen öffentlichen Personennahverkehr steckt. Es werden dort jedes Jahr 96 Millionen Euro verausgabt. - Wir brauchen aber mehr, um besser zu werden. Das stimmt. Natürlich kann man auch versuchen, besser zu werden mit dem, was man hat. Auch dazu bin ich gerne bereit.

Wir diskutieren gerade mit dem Bund. Es gibt zu dem Thema zwei Gutachten. Eines davon haben die Länder in Auftrag gegeben. Nun kann man sagen, es ist klar, dass bei diesem Gutachten herauskommt, die Länder müssten mehr bekommen. Aber auch in dem Gutachten, das der Bund selbst in Auftrag gegeben hat, wird festgestellt, dass die Länder eigentlich 8,5 Milliarden plus eine entsprechende Dynamisierung brauchen, um das zu bezahlen, was sie im Moment haben. Das ist keine Kleinigkeit. Deshalb brauchen wir in der Gesamtheit aller Länder eine Einigung.

Nur um zu zeigen, wie wichtig das den Ländern ist, sei mir ein Hinweis erlaubt. Damit vonseiten des Bundes nicht die Möglichkeit besteht, einen Spaltpilz zwischen die Länder zu treiben, nach dem Motto „Wir würden ja gerne Geld geben, aber ihr seid euch über die Verteilung untereinander nicht einig“, haben es die Länder in intensiven Beratungen geschafft, einen neuen Verteilungsschlüssel festzulegen, bei dem eine Reihe von Ländern weniger bekommen wird, als sie vorher hatten. Trotzdem haben wir den Schlüssel so festgelegt. Das zeigt, wie wichtig allen Ländern diese Finanzierungsfrage gegenüber dem Bund ist.

Wir müssen deutlich machen, dass es eine Sachund Fachfrage ist. Die Ministerpräsidentin und ich tun das in den Gesprächen um die Bund-Länder-Finanzbeziehungen, wo natürlich immer geschaut wird, wo Geld ist, das zur Verteilung ansteht, und einen Kompromiss zu erreichen. Natürlich sind 8,5 Milliarden Euro, über die wir hier sprechen, viel Geld. Aber das Geld kann nicht sachfremd verteilt werden, sondern es muss so verteilt werden, wie

(Ministerin Rehlinger)

man es braucht, um den ÖPNV zu organisieren. Der Umstand, dass es schwierige Fahrwasser sind, ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass es sich um viel Geld handelt, sondern darauf, dass es eine wichtige und zentrale Aufgabe, eine Aufgabe der Daseinsvorsorge in diesem Land ist. Deshalb lasse ich mir nicht vorhalten, es wäre ein vorgeschobenes Argument. Es ist ein ganz zentraler Punkt, wenn es darum geht, in diesem Land ÖPNV-Strukturen ernsthaft aufzustellen. Genau das ist unser Ziel und nichts anderes.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich will den folgenden Punkt aufgreifen, weil so getan wird, als wären wir in absoluter Zeitverzögerung, als wäre es nur eine Frage des Wollens und ganz leicht, dieses ÖPNV-Gesetz ohne Weiteres auf den Weg zu bringen. Wenn das alles so stimmt, muss man die Frage stellen, warum die GRÜNEN in ihrer Regierungszeit nichts auf den Weg gebracht haben.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Darüber reden wir gleich! Das kommt noch!)

Ich wollte mir anschauen, welche Vorleistungen gebracht wurden. Darauf hätte ich gerne aufgesetzt. Es war aber leider nichts vorhanden, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Dafür brauchen Sie uns!)

So viel dazu, wie wichtig dieses Projekt den GRÜNEN in der Landesregierung war. Wir bearbeiten es anständig, ordentlich, im richtigen Finanzrahmen und wir tun das, was geht. Wir versuchen nicht, Dinge zu versprechen, die letztendlich nicht umgesetzt werden können.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Noch einmal zur Frage der Zielrichtung. Ich habe gesagt, wir haben einen Referentenentwurf. Ich will deutlich machen, was unsere Zielrichtung ist. Ich habe festgestellt, dass wir nah beieinander sind. Wir wollen alle einen attraktiven ÖPNV in diesem Land. Wir wollen, dass er so attraktiv ist, dass viele in diesem Land sich tatsächlich dazu angehalten fühlen, vom PKW auf Bus und Bahn umzusteigen. Dazu braucht man natürlich vernünftige Tarife. Dazu braucht man vernünftige Anbindungen, die Taktungen und Schnittstellen, wenn man umsteigen muss, müssen stimmen. All das muss stimmen und unter einer vernünftigen Struktur erfolgen. All dies muss in einer vernünftigen Verwaltungs- und Vermarktungsstruktur aufgesetzt sein. Damit soll natürlich ein Beitrag zu Mobilität und Klimaschutz in diesem Land geleistet werden. Ich glaube, dass mit dem Referentenentwurf, wie er jetzt erarbeitet und wie er intensiv mit den Beteiligten abgestimmt wurde, alldem Rechnung getragen werden kann. An allererster Stelle ist zu nennen, dass dort auch festgeschrieben worden

ist, dass der öffentliche Personennahverkehr eine Frage der Daseinsvorsorge ist. Wenn man in diesen Streikzeiten sieht, was daraus erwächst, wenn der ÖPNV nicht reibungslos funktioniert, dann wird es einem umso deutlicher, dass der ÖPNV eine zentrale Frage der Daseinsvorsorge in unserem Staat ist.

Wir sagen auch ganz deutlich, dass wir den Vorrang des ÖPNV vor dem Individualverkehr haben wollen. Das ist ein klarer Grundsatz, der zum Ausdruck gebracht wird. Wenn ich bei diesen Leitsätzen bin, will ich ebenfalls darauf hinweisen, dass wir im Sinne einer inklusiven Gesellschaft ein klares Postulat zum Thema Barrierefreiheit formuliert haben. Ich möchte aber in Klammern hinzufügen, dass das Geld kostet. Ich ergänze ebenfalls in der Klammer: Es ist gut angelegtes Geld. Ich muss es jedoch zur Verfügung haben und es in die Umsetzung bringen können. Natürlich kann man sagen, wir haben in erster Linie einen Tarifverbund und keinen Verkehrsverbund. Das stimmt, ja.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Da geben Sie wenigstens ein bisschen zu!)

Ich streite es nicht ab.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Doch, bisher wurde das immer abgestritten. Dass Sie es zugeben, ist ja mal schön.)

Ich spreche für mich. - Die Frage ist aber, wie ich mich auf den Weg mache zu dem Ziel, das ich erreichen möchte. Ich habe in dem Zusammenhang schon darauf aufmerksam gemacht, dass es eine Reihe von Akteuren gibt, die man auf diesem Weg mitnehmen muss. Ich bin ein Verfechter der Theorie, dass man das Machbare umsetzen soll, ohne das Wünschenswerte aus dem Auge zu verlieren. Genau diesem Anspruch wird der Referentenentwurf an der Stelle auch gerecht. Die Zuständigkeiten, was die Aufgabenträger angeht, werden neu sortiert, aber niemand wird mit seinen speziellen Interessen hinten runterfallen.

Wir wollen die Aufgabenträger so aufstellen, dass nach dem Verursacherprinzip vorgegangen wird. Es muss doch klar sein - und das unterscheidet uns im Übrigen auch von einem Ihrer Ansätze -, dass die Sicherung des ÖPNV sich auch an den finanziellen Grundlagen zu orientieren hat und die Aufgabenträger diese finanziellen Grundlagen mit zu sichern haben. Alles andere würde ja nicht funktionieren. Wenn der eine beschreibt, was er will, und der andere immer bezahlten muss, werden wir sicher keine vernünftige Struktur hinbekommen.

Der ÖPNV ist in einem Verbund mit dem gemeinsamen Höchsttarif zu erbringen und es sind auch vergünstigte Zeitfahrausweise für Schülerinnen und Schüler anzubieten. Kommunen mit eigenen Nahverkehrsunternehmen - auch die gibt es, mit nach

(Ministerin Rehlinger)

vollziehbarer Interessenlage - können selber Aufgabenträger werden, um rechtssichere sogenannte Inhouse-Vergaben durchführen zu können. Wir wollen darüber hinaus, dass die Verkehrsmanagementgesellschaft mit der Geschäftsstelle des Zweckverbandes Personennahverkehr Saarland (ZPS) verschmolzen wird, um die Strukturen zu verschlanken. - Herr Kollege Ulrich, Sie hören wieder nicht zu und hinterher sagen Sie, wir machen nichts an den Strukturen! Das ist unglaublich!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich kann mir das an der Stelle auch sparen, wenn es Sie ohnehin nicht interessiert. Ich komme insofern gleich zur Bewertung Ihres Gesetzentwurfes und kann mich dort den Ausführungen des Kollegen Strobel und der Kollegin Eder-Hippler anschließen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich will abschließend feststellen, dass es einen entscheidenden Unterschied zwischen der Landesregierung, zwischen der die Regierung tragenden Koalition und der Opposition gibt. Wir gehen nämlich nicht nach dem Prinzip vor „Im Himmel ist Jahrmarkt“, wir gehen auch nicht nach dem Prinzip vor „Es darf sich jeder mal was wünschen“ und schreiben es dann ins Gesetz, vielmehr nehmen wir die Realität zur Kenntnis. Wir nehmen im Übrigen auch zur Kenntnis: Auch wenn uns das alles, wie es in Freiburg ist, super gut gefällt, ist das Saarland eben nicht Freiburg, sondern das Saarland ist das Saarland, und das ist an der Stelle auch gut so, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir sind auch nicht bereit, mit irgendwelchen Wunschvorstellungen, egal auf welchen Parteitagen oder wo sonst sie beschlossen wurden, gegen die Wand zu laufen, sondern wir wollen das Ganze mit den Akteuren vor Ort absprechen. Auch das ist ein Unterschied zu dem, wie der eine oder andere hier vorgeht.

Ich bin auch nicht bereit, die Realität auszublenden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Was hier als Gesetzentwurf zu Papier gebracht wird, muss auch in der Realität funktionieren. Das ist die Maßgabe für das Regierungshandeln insgesamt. Das gilt auch für die Novellierung des ÖPNV-Gesetzes. Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hubert Ulrich. Die Fraktion DIE LINKE hat ihre Redezeit der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN übertragen, sodass Sie 12 Minuten 31 Sekunden zur Verfügung haben.

(Beifall bei der LINKEN.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal meinen Dank an die Fraktion DIE LINKE, dass sie mir ihre Redezeit übertragen hat und mir damit die Möglichkeit gibt, auf die Vorwürfe der CDU und der SPD-Ministerin zu reagieren.

Ich möchte einmal beginnen mit dem Redebeitrag der SPD-Abgeordneten. Liebe Kollegin, eine parlamentarische Debatte lebt, glaube ich, davon, dass man das, was der Vorredner hier vorne gesagt hat, zumindest in etwa aufnimmt, dass man Gegenargumente vernimmt und dann entsprechend darauf eingeht.