Das erste Ergebnis dieser Anhörung ist, dass die meisten saarländischen Bildungsakteure - sie sind bekannt, Elternvertretungen, Lehrervertretungen, Gewerkschaften, auch die Landesschülervertretung - weder eine Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 noch eine Rückkehr zum G9-Gymnasium wollen. Das zweite Ergebnis ist die Forderung nach einer Verbesserung im System der zwei Säulen, das heißt im achtjährigen Gymnasium und an der Gemeinschaftsschule, die - das wissen wir mittlerweile alle bis zur achten Klassenstufe aufgewachsen ist.
In Umsetzung dieser Ergebnisse - jetzt komme ich zu unserem Antrag - haben wir einen Antrag formuliert, der meiner Meinung nach deutlich über den Antrag der Großen Koalition hinausgeht. Ich kann jetzt aus Zeitgründen nur auf einige Punkte unseres Antrags eingehen. Wir wollen konkrete Verbesserungen im achtjährigen Gymnasium vornehmen und endlich eine echte Gleichwertigkeit des Gymnasiums mit der Gemeinschaftsschule erreichen. Dazu es tut mir leid, das sagen zu müssen - ist etwas mehr erforderlich als die dürftigen Aussagen und zaghaften Forderungen der Großen Koalition in ihrem Antrag. Da ist einfach nur die Rede von der Weiterführung der Qualitätsdebatte am Gymnasium und die Fortentwicklung der Oberstufen. Das ist zwar richtig, aber etwas dürftig. Insofern werden wir uns hier enthalten. Es geht uns nicht weit genug. Unsere Forderungen für beide Schulformen konzentrieren sich zuerst einmal auf die notwendige Stellenausweitung. Anstatt eines Abbaus von Lehrerstellen, wie dies in der Vergangenheit erfolgt ist, wollen wir einen Aufbau. Es muss Schluss sein mit dem Abbau von Lehrerstellen an den Schulformen an sich.
Auch die aktuelle Ankündigung, dass es zusätzliche Stellen geben wird - wir warten ab, wie viel, wie sich das rechnet, wie die finanziert werden -, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ja in der Vergangenheit auch am Gymnasium Lehrerplanstellen abgebaut worden sind.
Der nächste Punkt sind die Klassengrößen. Das ist auch ein Dauerbrenner. Von Ihrer Ankündigung im Koalitionsvertrag, die Klassenhöchstgrenze am Gymnasium, Eingangsklassen 5 und 6, auf 25 festzulegen, sind wir meilenweit entfernt. Es gibt Eingangsklassen, die immer noch 30 und mehr haben. Ich nenne - im Ausschuss ist das Beispiel ja genannt
Ja, wenn Sie mehr Lehrer hätten, sodass man teilen könnte, könnten Sie auch teilen. Am Max-PlanckGymnasium gibt es 30, am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Dillingen gibt es 30 Kinder in einer Klasse, weil die Eltern das wollen! Okay.
Jetzt kommen wir zur Gemeinschaftsschule. Es gibt keine Gleichwertigkeit mit dem Gymnasium, obwohl im Schulordnungsgesetz die Gleichwertigkeit des Bildungsauftrags definiert ist. Beide Schulformen vermitteln eine erweiterte, vertiefte Bildung, beide Schulformen führen zum Abitur, aber nur wenigen Menschen im Land ist dies bekannt. Sie tun nichts dafür, liebe Kollegin und Herr Minister, dass dies bekannter wird, sei es, dass die SPD jetzt die Gemeinschaftsschule stiefmütterlich behandelt - es ist ja nicht ihr Kind - oder die CDU die Gemeinschaftsschule bis auf ein paar Ausnahmen am liebsten als Sekundarstufen-I-Schule definieren würde, um nicht die beruflichen Oberstufen-Gymnasien zu gefährden.
Aber das ist vielleicht auch der Grund, warum bis heute noch kein Oberstufenkonzept vorliegt. Wir brauchen dringend, meine sehr geehrten Damen und Herren - darauf hat die Kollegin Kolb zu Recht hingewiesen -, das Konzept für die gymnasialen Oberstufe an der Gemeinschaftsschule. Wir brauchen dringend eine Aussage, wo an welchem Standort einer Gemeinschaftsschule entweder ein eigener gymnasialer Oberstufenstandort eingerichtet wird und an welchen Gemeinschaftsschulen in Kooperation mit anderen, aber möglicherweise auch in Kooperation mit einem Berufsbildungszentrum, den dort vorhandenen gymnasialen Oberstufen, eine Kooperationsoberstufe entsteht. Dies fehlt in diesem Land, dies ist nicht bekannt. Ich sage in aller Deutlichkeit: Dies haben Sie in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt.
Man muss nämlich wissen, wir haben 63 Gemeinschaftsschulen im Land, und 46 dieser Gemeinschaftsschulen haben bislang keine perspektivische Aussage über einen gymnasialen Oberstufenstandort. Herr Minister, handeln Sie endlich! Verstecken Sie sich nicht weiter hinter den Schulträgern. Die haben längst Anträge gestellt. In Saarlouis gibt es einen Antrag für die Einrichtung von gymnasialen
Die Anhörung hat mehrheitlich ergeben - jetzt komme ich wieder zurück zu meinem Ausgangspunkt -, dass keine neue Schulreform im Land erwünscht ist. Dies akzeptieren wir. Denn man muss wissen: Wer eine einfache Rückkehr zum G9 möchte - so wie im PIRATEN-Antrag - oder wer eine Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 einrichten will - wie im LINKEN-Antrag -, muss auch die Folgen für die Gemeinschaftsschulen und die beruflichen Gymnasien berücksichtigen. Die Folgen können wegen der dann entstehenden Sogwirkung - wenn wir dahin zurückkehren würden - für diese beiden Schulformen negativ sein. Diese Negativfolgen wollen wir nicht. Deshalb lehnen wir diese Anträge ab.
Stattdessen wollen wir das Zwei-Säulen-Modell mit echter Wahlmöglichkeit zwischen acht und neun Jahren bis zum Abitur - auf der einen Seite am Gymnasium, auf der anderen Seite an der Gemeinschaftsschule - konsequent ausbauen. Das verlange ich von Ihnen als Landesregierung. Tun Sie das, bislang haben Sie es nicht getan. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Zur Begründung des Antrages der DIE LINKE-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Barbara Spaniol das Wort.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Vertreterin der „G9 - jetzt!“-Initiative, Frau Oltmanns! Herzlich willkommen bei uns im Haus, schön dass Sie zuhören. Es ist unbestritten, dass das Abitur nach 13 Jahren Schule eine Renaissance erlebt, zu Recht und auch überall dort, wo man den Eltern die Wahl lässt. Wir müssen uns noch einmal darüber klar werden, worum es heute eigentlich geht. Es geht um Bürgerbeteiligung. Es geht darum, dass die Initiative „G9 - jetzt!“ in sehr kurzer Zeit über 6.000 Unterschriften gesammelt hat.
Das ist sehr bemerkenswert. Wir wissen, wovon wir sprechen. Wir wissen, wie hoch die Hürden dafür sind, so etwas durchzuführen. Es geht darum, dass ganz offensichtlich bei vielen Eltern, Schülerinnen und Schülern der Wunsch nach einer Veränderung da ist. Viele Eltern wünschen sich für ihre Kinder mehr Zeit zum Lernen, und zwar am Gymnasium, wenn sie sich für diesen Weg entschieden haben. Deshalb wäre eine grundsätzliche Wahlfreiheit zwischen dem Abitur nach acht oder neun Jahren, und
zwar am Gymnasium, ein weiteres Angebot, eine weitere Möglichkeit, die es zu prüfen gilt. Diesen Wunsch dürfen Sie nicht so einfach vom Tisch wischen. Die Bewegung der Eltern, die nicht in Verbänden organisiert sind, ist längst da. Nur um des lieben Schulfriedens willen darf man diese Realitäten aus unserer Sicht nicht ausblenden. Die Diskussion um G9 hat auch nichts mit Populismus zu tun. Das sind Reaktionen auf die Realität im Schulalltag an den Gymnasien. Die sollte man ernst nehmen und respektieren.
Wir tun dies. Wir respektieren aber auch die Einschätzung der Verbände. Viele sagten nach der Anhörung - das muss ich hier doch noch mal betonen -, sie hätten in ihren Stellungnahmen nur das Thema komplette Rückkehr zum G9 im Blick gehabt und nicht die Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9. Auch solche Reaktionen gab es in den Gesprächen.
Sehr wohl war das so. Es gibt ja auch noch Gespräche danach. Viele sagten, wenn sie als Eltern entscheiden könnten, würden sie sich für das G9 am Gymnasium entscheiden, das haben die mir gesagt. Ihnen vielleicht nicht, aber das ist so.
Herr Kollege Schmitt, es ist gut. Jedenfalls gibt es diese Befindlichkeiten, können wir uns darauf einigen? - Mein Gott, was für ein Klein-Klein in dieser Diskussion, das ist unfassbar!
Ich möchte daher noch mal klarstellen, worum es uns heute in unserem Antrag geht. Es geht uns nicht um eine völlige Rückkehr zum G9, wobei ich die PIRATEN verstehen kann, wenn sie das fordern. Das ist ja einem gewissen Trend geschuldet, wie ich am Anfang schon gesagt habe. Aber wir würden eine Wahlfreiheit bevorzugen. Da geht es aus unserer Sicht eben gerade nicht um eine neue Strukturdebatte, Frau Kolb, die brauchen wir gar nicht. Da stimme ich dem Bildungsminister zu. Es braucht aus unserer Sicht keine Änderung der Schulstruktur, um eine Wahlfreiheit am Gymnasium zu ermöglichen. Es klingt immer - und das ist immer dasselbe - wie ein Totschlagargument, um jegliche Veränderung zu unterbinden. Die Eltern verstehen das auch nicht.
Es geht nicht darum - ich sage es noch mal wie in den vergangenen Debatten -, mit der Brechstange an allen Schulen sofort alles umzustülpen. Das will niemand. Es geht darum, sich der Debatte nicht zu verschließen, denn die geht längst weiter. Die geht weit über diese Anhörung im Ausschuss, die gut war, hinaus. Es geht darum, sich nicht zu verschließen und an den Gymnasien die Umsetzung einer Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 wenigstens zu prüfen und auf den Weg zu bringen.
In anderen Bundesländern - da drehen wir uns schon lange im Kreis - geht das ja auch, ohne dass der Schulfrieden nachhaltig gestört wäre. Schulfrieden um jeden Preis ohne Verbesserungen, auf dem Rücken der Schüler, das können Sie doch nicht ernsthaft wollen!
Ein Blick nach Baden-Württemberg, nach Hessen, nach Niedersachsen, nach Schleswig-Holstein zeigt klar, dass G9 neben G8 auch am Gymnasium umsetzbar ist. Auch in Hamburg ist die Diskussion, wie wir eben gehört haben, noch gar nicht abgeschlossen. Dort gibt es ein neues Projekt „Abitur im eigenen Takt“, die Wahl wird den Schülern überlassen, ob sie G8 oder G9 wollen. Das ist ein Anfang, die Diskussion geht auch dort weiter.
Dazu sage ich Ihnen gleich etwas, Herr Kollege. Wenn es nun heißt, es gebe die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9, und zwar in Form von Gymnasium und Gemeinschaftsschule - das sagen Sie immer wieder -, stimmt das so nicht. Denn wir haben immer noch kein tragfähiges Oberstufenkonzept. Das ist ein Eiertanz. Wir hatten das zigfach im Ausschuss auf der Tagesordnung, das ist doch der Punkt. Das fehlende Oberstufenkonzept hat die Eltern verunsichert, und das können Sie doch nicht wollen.
Wir hatten auf der Tagesordnung Freisen, die Mail haben Sie doch auch alle bekommen, wie die sich aufgeregt haben, warum das so lange dauert. Darum geht es doch. Wenn jetzt endlich etwas passiert - wunderbar! Aber warum nicht schon viel früher? Denn es ist doch völlig klar, dass die Familien wissen wollen, in welcher Form und wo genau ein Abitur an einer Gemeinschaftsschule machbar ist.
Das wollen sie wissen, bevor sie sich für eine Schule entscheiden, und möglichst auch bevor eine Gemeinschaftsschule schon wieder schließen muss, weil sie nicht genug Zeit hatte, sich zu entwickeln und um Schüler zu werben. Das ist ja auch so etwas, was dauernd vorkommt. Das ist der Punkt. Und da gebe ich dem Kollegen Kessler recht: Es geht um die Werbung für diese Schulform, das muss man wirklich politisch wollen. Und die ganze Zeit war das fehlende Oberstufenkonzept das eigentliche Problem. Das schadet der Akzeptanz der Gemeinschaftsschule, und hier muss man dringend gegensteuern.
Das Problem für die Akzeptanz ist aus unserer Sicht nicht unter Umständen ein G9 am Gymnasium, das sieht man auch in den Bundesländern, in denen es die Wahlfreiheit an den Gymnasien gibt. Auch dort da bin ich anderer Meinung als der hochgeschätzte Kollege Kessler - hat die Gemeinschaftsschule nicht darunter gelitten. Ich nenne mal Schleswig-Holstein. In der Regel bieten die Gymnasien das G8 an, elf Gymnasien sind zu G9 zurückgekehrt. An vier Gymnasien kann zwischen G8 und G9 gewählt werden. An den dortigen Gemeinschaftsschulen sind 13 Jahre bis zum Abitur üblich. Also es geht doch. Niemand will die alternativen Bildungswege zum Abitur nach 13 Jahren schwächen, wie das gerne immer wieder suggeriert wird. Das ist Unfug. Wenn ich auf die Gemeinschaftsschule schaue: Wir haben die mit auf den Weg gebracht und wir wollen, dass sie ein Erfolg wird. Damit sie ein Erfolg wird, geht es auch um die Ressourcen. Und da sind Sie in der Verantwortung. Das ist zu wenig, was dort passiert, und das wissen Sie.
Auch die beruflichen Oberstufengymnasien - auch dazu noch ein Wort - leisten hier viel. Das verdient Anerkennung und Respekt. Aber auch dieser Weg muss doch in der Öffentlichkeit ganz anders beworben werden. Die beklagen auch, dass sie da ein gewisses Schattendasein fristen.
Kolleginnen und Kollegen, es macht keinen Sinn, die Wege zum Abitur nach neun Jahren gegeneinander auszuspielen. Alle Wege dorthin bereichern insgesamt das Schulangebot. Davon können die Eltern nur profitieren. Vielen Schülerinnen und Schülern ist schwer vermittelbar, wenn man einfach zu ihnen sagt: Okay, du bist jetzt hier, aber woanders kannst du das Abitur nach neun Jahren machen, dann musst du die Schule halt verlassen. Das ist ziemlich despektierlich, das tut den Schülern weh. Und das ist ganz oft nicht der Königsweg. Denken Sie doch mal an früher, so etwas kann man doch nicht ausblenden. Hier gilt es doch, vielleicht noch bessere Lösungen zu finden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Defizite von G8 sind hinlänglich bekannt, der Druck wird immer stärker. Sprechen Sie mal mehr mit den Eltern, die diese Initiative „G9 - jetzt!“ unterschrieben haben.
Dann sage ich auch noch etwas zu Ihrem Projekt „Fördern statt Sitzenbleiben“, wir wissen ja, woher das kommt. Der Kollege Klaus Kessler hat es auf den Weg gebracht, das ist ganz wichtig. Das dürfte nicht nur ein Projekt bleiben, das müsste die Regel werden. Ihr neues Projekt für mehr individuelle Lernbegleitung ist sicherlich gut gemeint. Das wird aber nicht ausreichen, um die Defizite beim G8 auszuräumen.
es auf den Punkt gebracht: „Wir waren in den vergangenen Jahren in der Tat auf einem falschen Weg, weil wir das Bildungswesen in Richtung Beschleunigung und Verdichtung umgebaut haben. Besonders bizarr ist das dort, wo von G9 auf G8 umgestellt wird.“ Und der niedersächsische Philologenverband, der uns bestimmt nicht nahe steht, hat erklärt: „Alles andere als die Rückkehr zum G9 ist für unsere Schülerinnen und Schüler nicht länger zumutbar, alles andere wäre angesichts der insgesamt schlechten Erfahrungen mit G8 nicht vertretbar.“
Ich kann nur an Sie appellieren: Schieben Sie nicht immer wieder den Schulfrieden vor, um nur ja nicht nachjustieren zu müssen. Die Elterninitiative sagt dazu ganz klar, der politische Schulfrieden werde dem Lehrer-, Schüler- und Familienfrieden geopfert. Das müssen Sie ernst nehmen vor dem Hintergrund all dieser berechtigten Kritik.