Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns allen ist bewusst, dass staatliche Verbote und eine intensive Aufklärungsarbeit allein nicht vom Drogenkonsum abhalten. Eine moderne und dynamische Drogenpolitik benötigt deshalb eine ganz enge Verzahnung von Suchtprävention, ausstiegsorientierten Hilfen, Gesundheitshilfen für Drogenkranke, Nachsorge und die Bekämpfung unkontrollierter Einfuhr und Abgabe von Drogen sowie das konsequente Verdrängen von Einstiegsdrogen.

Chronische Suchtkrankheiten, neue Formen der Sucht und Suchtabhängige in allen Altersstufen sowie moderne Designerdrogen stellen auch unsere Drogenpolitik im Saarland vor ganz große Herausforderungen. Sehr geehrter Herr Abgeordneter, deshalb ist das, was ich von Ihnen heute Morgen in den Nachrichten gehört habe und wie Sie zitiert worden sind, dass Cannabis eine Normalität in unserem Land sei, von mir so nicht mitzutragen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Die Landesregierung setzt sich für eine nachhaltige Sucht- und Drogenpolitik ein.

(Sprechen bei B 90/GRÜNEN.)

Das bedeutet, sich den geänderten Herausforderungen zu stellen und zeitnah auf diese zu reagieren. Dies betrifft gerade Veränderungen, die sich aus dem speziellen demografischen Wandel, gesellschaftlichen Veränderungen und den damit verbundenen alten und neuen Suchtformen und Suchtmitteln ergeben. Aus diesem Grund wurden sowohl im Jahr 2011 als auch im Jahr 2013 in Zusammenarbeit mit dem Institut IFT in München Gutachten zur Bewertung und Weiterentwicklung der Suchthilfe im Saarland erstellt. Auf der Grundlage genau dieser Gutachten wird zurzeit die saarländische Suchtkrankenhilfe weiterentwickelt und den veränderten Gegebenheiten angepasst.

Meine Damen und Herren! Die Sucht- und Drogenpolitik der saarländischen Landesregierung zielt genau darauf ab, eine bedarfsgerechte Versorgung suchtkranker Menschen zu gewährleisten und ein unabhängiges und suchtfreies Leben zu ermöglichen. Der Suchtmittelkonsum im Saarland soll dabei reduziert sowie ein Einstieg verhindert werden. Das hoffen wir alle. Mit der Neuausrichtung der Drogenund Suchthilfe, die derzeit im saarländischen Drogen- und Suchtkonzept unter dem Motto „Drogenund Suchtpolitik im Saarland - zukunftsorientiert und nachhaltig gestalten“ neu skizziert wird, wollen wir die Vernetzung aller Akteure verstärken, zeitgemäße Strukturen schaffen und die bereits bestehenden Beratungs- und Präventionsangebote fördern und in Zukunft ausbauen.

Ein wesentlicher Baustein der Neuausrichtung ist die Einrichtung eines beratenden Beirates zum Thema

(Abg. Döring (SPD) )

Drogen und Sucht. Dieser hat sich im November vergangenen Jahres - es ist also noch gar nicht lange her - konstituiert und wird 2016 regelmäßig zusammentreten, um der Landesregierung in allen Fragen unterstützend zur Seite zu stehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In meinem Ministerium nehmen wir das Thema so ernst, dass mein Staatssekretär Stephan Kolling, der heute hier ist, sich persönlich dieses Themas annimmt und die Ausrichtung der Sucht- und Drogenpolitik begleitet. Er versucht, das Beste für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen und den Menschen, die krank geworden sind, zu helfen. Neben den bestehenden Angeboten zur Beratung und Behandlung, den Hilfen zum Ausstieg, den Maßnahmen zur Schadensreduzierung und zur Prävention bleibt die Repression ein zentraler Pfeiler unserer Drogen- und Suchtpolitik. Das Saarland hat diesen Maximen in der Vergangenheit bereits Rechnung getragen und wird auch die zukünftige Drogen- und Suchtpolitik hiernach ausrichten.

Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass Cannabis jahrtausendelang ein Bestandteil der Medizin war. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts verschwanden Hanfmedikamente im Zuge des allgemeinen Cannabisverbots vom Markt. In den letzten Jahren stellen wir fest, dass die Forschung jedoch wieder an die ursprüngliche Nutzung der Hanfpflanze anknüpfte. Da bekannt ist, dass Cannabisprodukte bei chronischen Schmerzen oder bei MS helfen können, wurden bereits in der Vergangenheit Möglichkeiten geschaffen, diese Produkte medizinisch zu nutzen.

Wegen vielfacher Klagen über Schwierigkeiten und wegen hoher Kosten bei der Versorgung chronisch Kranker mit Cannabisprodukten plant die Bundesregierung den Aufbau einer staatlichen Cannabisagentur. Im Bundesministerium für Gesundheit wird durch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zurzeit ein Gesetzgebungsverfahren erarbeitet, mit dem chronisch kranken Patienten leichter der Zugang zu medizinisch nutzbarem Cannabis ermöglicht werden soll. Darüber hinaus soll auch eine Kostenerstattung durch die Krankenkassen in medizinisch begründbaren Fällen geprüft werden.

Die Argumente für die Legalisierung von Drogen werden immer wieder auf die Tagesordnung gerufen. Sie geistern seit Jahren durch die Öffentlichkeit; immer wieder werden sie neu gefordert - in immer neuen Verpackungen. Meine Meinung ist, falsche Argumente werden durch häufige Verwendung nicht richtig, zumal sie von Suchtforschern schon längst widerlegt wurden. Der Standpunkt, das Verbot sei gescheitert - wie Sie es gesagt haben -, weil immer noch Menschen Drogen konsumieren, spielt in der Debatte um eine Legalisierung von Drogen eine zentrale Rolle. Das haben Sie heute Mittag auch ge

sagt. Eine legale Verfügbarkeit steigert aber definitiv die Nachfrage.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Das ist aber nicht erwiesen. Das ist widerlegt.)

Widersinnig ist dabei auch das Argument, dass der Staat durch Legalisierung und die Erhebung von Steuern genügend Geld zum Beispiel für die Prävention einnehmen würde. Dies bedeutet, dass erst durch die Erhöhung der Zahl der Abhängigen genügend Geld für eine Prävention vorhanden ist. Genauso haben Sie es eben in Ihrem Beitrag dargestellt. Unbestritten bleibt, dass Cannabis ein Suchtpotenzial hat. Cannabis ist eben nicht normal im Saarland. Cannabis macht wie alle anderen Suchtmittel abhängig.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Wie so vieles im Saarland. - Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE): Genauso wie Schnaps.)

Cannabis ist kein harmloser Freizeitspaß. Mediziner wissen seit Langem, dass der Wirkstoff THC die Hirnfunktion beeinträchtigen kann, zumindest dann, wenn der Konsum in einem frühen Lebensalter beginnt, wenn regelmäßig relativ viel konsumiert wird und der Konsum über längere Zeit fortgesetzt wird.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Schnaps auch.)

Cannabis ist wie alle Drogen - Pia Döring hat es eben gesagt - uncool. Ich sage: nicht ungefährlich und uncool. Substanzen, die unser Bewusstsein angreifen, können per se aus unserer Sicht nicht ungefährlich sein. Sie führen niemals zu einer Befreiung des Individuums, sondern immer zu einer Abhängigkeit. Die Gefährlichkeit von Cannabis und seinen Abkömmlingen zeigte sich aktuell wieder an dem Beispiel, das ich Ihnen zu Anfang aus dem Pressebericht vorgelesen habe.

Den Vorschlag der staatlichen Abgabe von Cannabis erachte ich zusammen mit meinem Haus und meinem Staatssekretär als vollkommen falsch. Rauschmittel schaden nicht nur den Konsumenten, sondern auch unserer Gesellschaft. Diese nun zu legalisieren, wäre aus meiner Sicht ein Schritt in die völlig falsche Richtung.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Genau dadurch entstünde aus meiner Sicht die Mentalität: Wenn es staatlich und legal ist, dann kann es ja nicht so schlimm oder so schlecht sein. Ein Modellprojekt zur Abgabe von Cannabis im Saarland ist deshalb nicht nur widersinnig, sondern auch - wie Ihnen bekannt ist - aufgrund der geltenden Rechtslage und der aktuellen richterlichen Entscheidungen nicht möglich und nicht nötig.

Meine Damen und Herren! Um die Folgen von illegalem Betäubungsmittelgebrauch zu mildern, sieht das Betäubungsmittelrecht bereits jetzt die Möglich

(Ministerin Bachmann)

keit von Substitution mit Drogenersatzstoffen vor. Ich darf Ihnen Zahlen nennen. So werden aus Mitteln der Krankenkassen durchschnittlich 700 Saarländer substituiert und durch die Kassenärztliche Vereinigung versorgt. Verpflichtend dabei ist eine psychosoziale Begleitung, die durch mein Haus und meinen Haushalt im Jahr mit 600.000 Euro finanziert und gefördert wird. Damit wird den Menschen zwar kein suchtunabhängiges Leben, aber ein Leben ohne die negativen Begleiterscheinungen der Suchmittelbeschaffung und ohne die negativen sozialen Folgen ermöglicht.

Das Saarland wird deshalb keine Bundesratsinitiative zur Legalisierung von Drogen unterstützen, sondern weiterhin bei der seit Jahren bewährten These bleiben: Wir wollen beraten, wir wollen aufklären, wir wollen behandeln, aber auch Repressionen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit! Auf eine gute Zusammenarbeit in der Drogenpolitik; zumindest mit denjenigen, die ich jetzt gerade angeschaut habe.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Vorsitzende der Fraktion die PIRATEN, Michael Hilberer.

Nicht ganz überraschend ist unser Vorschlag nicht auf die erhoffte Resonanz gestoßen. Trotzdem sind einige Dinge in der Debatte genannt worden, die man so nicht stehen lassen kann. Gerade Kollege Conradt hat sich damit hervorgetan, an meinem Menschenbild zu zweifeln, weil offenbar die Sachargumente nicht ausreichen, um auf unseren Antrag einzugehen.

Die Drogenpolitik, die momentan im Saarland gemacht wird, würde sich am Menschen orientieren; so haben Sie gesagt. Genau das bezweifle ich. Sie sagen, Verbote wären ein Schutz. Auch die Ministerin und die Kollegin Döring haben das aufgegriffen. Verbote sind aber kein Schutz. Legalisierung ist Schutz. Sie haben auch das vollkommen ungeeignete Beispiel von Menschen in der Pubertät gebracht. Gerade Menschen in der Pubertät lassen sich durch Verbote auf keinen Fall davon abhalten, etwas Verbotenes zu tun.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das ist Ihr Menschenbild! Das ist Ihre Sicht der Realität! Ich glaube nicht, dass das richtig ist. Mein Menschenbild ist ein selbstbestimmtes Handeln. Das sprechen Sie offensichtlich den Saarländerinnen und Saarländern ab. Sie sagen: Beratung, Ausstiegshilfen, Substitution. All dies ist auch nach einer Legalisierung möglich! All dies ist nach einer Legalisierung sogar einfacher möglich als im bestehenden System. Es ist ja nicht so, dass sie abgeschafft wer

den. Diese Mittel sollen vielmehr im Zuge einer klaren staatlichen Regulierung sogar noch verstärkt werden, anstatt alles einem unregulierten Schwarzmarkt zu überlassen.

(Vereinzelt Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Kollegin Döring, ich muss Ihnen leider sagen, die von Ihnen zitierte Studie ist wissenschaftlich widerlegt. Teilweise ist es korrekt, wenn man es auf Heranwachsende bezieht. Das ist auch der Grund, warum wir sagen, nur Volljährige dürfen Drogen erwerben. Da wir mit unserer Initiative auch den Schwarzmarkt abschaffen würden, weil es sich nicht lohnt, nur für Minderjährige einen Schwarzmarkt zu erhalten, kämen Minderjährige sehr viel schwerer an Drogen als heute. Heute ist es nämlich kein Problem für Minderjährige, Drogen zu bekommen.

(Vereinzelt Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Sie sagen, im Mittelpunkt Ihrer Bestrebungen stünde das Minimieren von Gesundheitsrisiken, aber im gleichen Satz überlassen sie die Menschen in diesem Land, die Drogen konsumieren, einem Schwarzmarkt, der sie mit Zusatzstoffen oder Verunreinigungen vergiftet. Das muss nicht sein.

(Vereinzelt Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Noch etwas zur Ministerin. Es ist ein etwas absurdes Beispiel, dem Hörensagen nach aus den französischen Medien zu zitieren. Es ist für mich schwierig, das nachzuvollziehen. Aber selbst nach dem, was Sie gesagt haben, ist es offensichtlich wieder ein Substitutionsmittel, das das Problem ist, und nicht Cannabis an sich. Das heißt, bei einer Legalisierung hätten wir dieses Problem nicht.

Lassen Sie mich noch Folgendes sagen. Cannabis ist eine Normalität in diesem Land! Ich habe schon Jugendliche draußen im Landtagsgarten gesehen, die einen Joint geraucht haben. Gehen Sie einmal durch die Stadt und riechen Sie einmal! Was Sie da riechen, ist kein Tabak.

(Vereinzelt Lachen und Beifall bei den Oppositi- onsfraktionen.)

Ein letzter Irrtum, den Sie uns noch aufgetischt haben -

Herr Hilberer, Ihre Zeit ist schon vorbei.

Ich komme zum Ende. - Der letzte Irrtum ist, das Angebot würde die Nachfrage steigern. Das ist widerlegt durch die Erfahrungen von Ländern, die legalisiert haben. Das legale Angebot steigert nicht die Nachfrage.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

(Ministerin Bachmann)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der PIRATEN-Landtagsfraktion Drucksache 15/1654. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache 15/1654 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 15/1654 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Fraktionen DIE LINKE und die PIRATEN; dagegen gestimmt haben CDU und SPD sowie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion Drucksache 15/1678. Wer für die Annahme des Antrages Drucksache 15/1678 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 15/1678 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Oppositionsfraktionen; dagegen die Koalitionsfraktionen.