Protokoll der Sitzung vom 24.02.2016

Die saarländische Stahlindustrie hat sehr viel im Bereich der Umweltindustrie getan. Hier wurde sehr viel investiert. Es wurde alleine in den letzten sechs Jahren in einer Größenordnung von rund 1 Milliarde Euro in Umwelttechnik investiert. Nun ist es so, dass, wenn man diese Innovationen macht und in Umweltschutz investiert, man natürlich in den ersten Jahren die größten Erfolge hat und irgendwann schon einen guten Stand erreicht hat. Wir sind im Saarland in der glücklichen Situation, dass wir diesem Stand sehr nahe sind. Deshalb - und darum geht es doch in der Auseinandersetzung - darf die saarländische Stahlindustrie weder durch den Emissionshandel in Brüssel noch durch das EEG noch durch Dumpingpreise aus China gefährdet werden. Wir müssen dafür kämpfen, dass diese innovative Richtung beibehalten werden kann, dass diese innovativen Wege der saarländischen Stahlindustrie hier im Saarland weiter beschritten werden können. Darum geht es. Und wenn Sie, Herr Ulrich und Herr Hilberer, halbwegs klar bei Verstand sind, treten Sie dem Antrag der Koalition bei.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

Es wurde heute schon ein paarmal gesagt, aber es gibt Dinge, die man nicht oft genug wiederholen kann: Auch wir sagen Ja zur Reduzierung von CO2, auch wir stehen hinter den Klimazielen von Brüssel. Die saarländische Stahlindustrie steht nicht nur hinter diesen Zielen, sondern sie hat auch jahrelang etwas dafür getan. Das muss sich jetzt bei der Gesetzgebung auszahlen. Wir brauchen Regelungen, dass es beim EEG für Eigenstromerzeugung weiterhin eine Ausnahme gibt. Wir brauchen einen Zertifikatenhandel, das ist klar, aber da müssen alle mitmachen. Da müssen auch China, Indien und die Schwellenländer mitmachen, andernfalls ist das ein ungerechtes Spiel. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, die dafür sorgen, dass in diesen Ländern auch weiterhin sauberer Stahl produziert wird, denn, Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, unsere Erde ist rund. Die Umweltschäden, die in irgendeinem Bereich entstehen, bleiben nicht lokal begrenzt, sondern sie wandern um den Erdball. Wir hätten deshalb dem Umweltziel einen Bärendienst erwiesen, wenn wir in Europa saubere Stahlindustrie zugrunde richten würden und Billigimporten aus China den Weg weisen würden. Das würde den Klimazielen nicht nutzen,

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Wer hat denn das behauptet?)

das wollen wir nicht.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Sie haben das nicht behauptet. Ich wollte heute nicht auf Ihren Antrag von 2015 zum Klimaschutzgesetz im Saarland eingehen. Aber was Sie damals gefordert hatten, hätte das Ende der saarländischen Stahlindustrie bedeutet.

(Abg. Ulrich: Ja, ja, natürlich!)

Das wissen Sie auch, Herr Ulrich. Da können Sie immer wieder „Ja, natürlich“ rufen,

(Weitere Zurufe des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE) )

wir lassen uns von Ihnen nicht aufhalten. Wir werden unseren Weg gehen -

Wir haben hier einen Redner, Herr Ulrich. Sie können sich zu Wort melden, aber blöken Sie nicht ständig dazwischen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Stahlindustrie, nicht nur die SPD-Fraktion, sondern die Koalition insgesamt und die LINKE stehen hinter euch. Wir werden unsere Stimme erheben, wir können gemeinsam einiges tun in Richtung Berlin, in Richtung

Brüssel. Es geht um einen Teil des Saarlandes, es geht um die Identifikation -

Herr Abgeordneter Kurtz, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich weiß, ich bin gleich fertig. - Es geht darum, dass diese Grundindustrie erhalten bleibt, weil dies Auswirkungen hat auf Automotive und andere Bereiche. Wir werden nicht nur heute diesen Antrag beschließen. Wir werden mit euch gemeinsam auch Unterschriften zur Resolution der IG Metall sammeln, damit dieses Land eine Zukunft hat, damit die Stahlindustrie eine Zukunft hat. Es geht um die Menschen in diesem Land, es geht um die Wirtschaft in diesem Land. Ein gemeinsames Glück auf -

Herr Abgeordneter -

Meine Zeit ist leider zu Ende. Ich sehe es euch an: Ihr hättet mir noch gerne zugehört.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und der LINKEN und vereinzelt Heiterkeit.)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Dagmar Heib von der CDU-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stehe nicht hier, weil mir die Initialen meines Namens eine Verbundenheit zur saarländischen Stahlindustrie bescheinigen würden. Ich stehe hier, weil meine Heimatstadt Dillingen seit über 350 Jahren auf eine Industriegeschichte zurückblicken kann. Seit ihrer Gründung im Jahre 1685 hat sich die Dillinger Hütte zu einer Lebensader der Region, ja des gesamten Landes entwickelt. Seit 1809 sind die Dillinger Hüttenwerke eine Aktiengesellschaft, sie ist auch heute noch als älteste bestehende Aktiengesellschaft in Deutschland notiert. Von daher schafft das für mich Verbundenheit. Ich bin groß geworden im Schatten der Dillinger Hütte. Ich habe nie berufliche Verbindungen zur Dillinger Hütte gehabt, aber als Dillingerin braucht man das auch nicht; da ist man auch so mit der Hütte verbunden.

(Beifall bei der CDU.)

Danke. - Die Dillinger Hütte ist heute mit der Saarstahl AG Teil der SHS Stahl-Holding-Saar, eine gute Entwicklung im Saarland. Beide haben mit ihren Premiumprodukten - auch das ist heute schon angeklungen - im Flachstahl und im Langproduktebereich

(Abg. Kurtz (SPD) )

einen hervorragenden Ruf, sie stehen weltweit für Innovation und Qualität. Sie stehen darüber hinaus auch regional gesehen für einen Arbeitgebertyp, den man sich als Arbeitnehmer nur wünschen kann. Dazu haben in der Vergangenheit auch alle Sozialpartner beigetragen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Bedeutung der Stahlindustrie für den Wirtschaftsstandort Saarland ist von den Vorrednern ausführlich gewürdigt worden. Die Bedeutung von sauberen Industrien im Vergleich zu weniger sauberen Industrien ist aber eine wichtige Tatsache, die es hier zu beachten gilt.

Wir sprechen - es ist schon gesagt worden - von 13.000 Arbeitnehmern insgesamt, die im Saarland unmittelbar in der Stahlindustrie tätig sind. In Dillingen sind es 5.600. Und wir sprechen von 22.000 Arbeitsplätzen, die unmittelbar mit der Stahlindustrie zu tun haben. Die wirtschaftliche Kraft der Unternehmen und die vielen Arbeitsplätze sichern nicht nur die Existenz der Bürger, sondern auch die Existenz der Standortkommunen. Ohne die industrielle Basis ihrer Wirtschaftskraft sind die Kommunen nicht existenzfähig. Ohne die aus der Stahlindustrie resultierenden Steuereinnahmen steht es um die kommunalen Investitionen schlecht. Das dürfte uns allen klar sein.

Die Stahlarbeiter und ihre Familien haben großen Anteil an der Kaufkraft in unserem Land. Davon profitieren Einzel- und Großhandel, die Zulieferer, die Handwerksbetriebe. Die gesamte saarländische Wirtschaft profitiert davon, der Bäcker an der Ecke in Dillingen oder auch der Zeitschriftenladen in Völklingen, der Malerbetrieb im Haustadter Tal oder auch der Malerbetrieb in Lauterbach. Vielerorts im Saarland, fast flächendeckend wird davon profitiert.

Es ist schon gesagt worden: Die Billigimporte aus Ländern, wo mit deutlich stärkeren Emissionen produziert wird, auch die weltweiten Überkapazitäten, die anstehende Novellierung des EEG, das EUEmissionshandelssystem stellen unsere Stahlwerke vor enorme Herausforderungen, und zwar nicht erst seit heute, sondern schon seit einiger Zeit. Von daher ist es gut zu sehen, dass es in dieser Frage einen großen Konsens im saarländischen Landtag, ja im Land insgesamt gibt. Ich erinnere an die Resolution „Für eine starke saarländische Stahlindustrie“ aus dem vergangenen Jahr, die die saarländische Landesregierung zusammen mit der Wirtschaftsvereinigung Stahl, den Saarhütten und auch der IG Metall geschlossen hatte.

Ich erinnere an regionale und kommunale Aktionen, die ebenfalls die Verbundenheit mit den Stahlarbeitern und ihren Familien zum Ausdruck gebracht haben. Herr Ulrich, ich kann Ihre Begründung, warum Sie unserem Antrag nicht beitreten wollten, an der

Stelle nicht nachvollziehen. Wenn es Ihnen wirklich ein Anliegen gewesen wäre, dann wären Sie oder auch die PIRATEN auf die antragstellenden Fraktionen der Koalition zugekommen. So verfahren wir normalerweise hier im Landtag auch.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Dann hätten Sie artikulieren können, was Sie uns hier ausgiebig dargelegt haben, was wir alles falsch machen. Ich denke schon, dass wir uns darüber hätten verständigen können. Es ist geübte Praxis, dass wir schauen, ob wir gemeinsame Anträge hinkriegen. Und bei diesem Antrag wäre es wichtig gewesen, dass es wirklich eine einstimmige Zustimmung im Hause gibt.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich bin froh, dass wir das als Parlament heute zumindest in dieser Einigkeit erreichen, denn es ist ein deutliches Zeichen dafür, dass wir alle dafür einstehen wollen, die Existenz und die Zukunftsperspektiven der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihrer Familien und der Unternehmen zu sichern. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat nun die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, Anke Rehlinger.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses! Kolleginnen und Kollegen aus der saarländischen Stahlindustrie! In der letzten Woche sind Seit an Seit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften und die Unternehmensleitungen in Brüssel marschiert und haben gemeinsame Positionen bezogen und deutlich gemacht, wie sie die Situation der europäischen Stahlindustrie sehen. Selbst für einen montanmitbestimmten Bereich ist es vielleicht nicht überraschend, aber doch eher weniger an der Tagesordnung, dass Beschäftigte und Arbeitgeber gleichermaßen an einer Demonstration teilnehmen und für ihre gemeinsamen Interessen kämpfen. Das macht aber auch deutlich, wie ernst die Lage von allen eingeschätzt wird. Ich glaube, man kann in der Tat feststellen, dass dunkle Wolken am stahlblauen Himmel aufgezogen sind.

Wenn man sich ansieht, welche Entscheidungen im Jahr 2016 und vielleicht auch noch bis ins Frühjahr des Jahres 2017 anstehen, dann wird man sicherlich sagen können, dass dieses Jahr, das wir vor uns haben, ein Schicksalsjahr für die europäische Stahlindustrie, für die deutsche Stahlindustrie und damit natürlich auch für die saarländische Stahlindustrie sein wird. Denn es geht nicht um Entscheidungen, die nur punktuelle Betroffenheit auslösen, die nur

(Abg. Heib (CDU) )

den einen oder anderen tangieren oder ihn noch einmal vor etwas größere Herausforderungen stellen, als er bislang in der Vergangenheit gestanden hat. Nein, es geht vielmehr im wahrsten Sinne des Wortes auch um einen Krisendreiklang. Das ist eben in den Reden schon angeklungen. Es geht um das Thema Überkapazitäten, es geht um die Frage der Ausgestaltung des Emissionshandels auf europäischer Ebene und es geht auch um die nationale Frage der Ausgestaltung der Energiepolitik - natürlich im Wechselspiel zu den Vorgaben, die in Brüssel für uns gemacht werden.

Ich will einmal mit den enormen Überkapazitäten beginnen, die in China entstanden sind und die teilweise zu Preisen auf den europäischen Markt gedrückt werden, die unter den Entstehungskosten im Herkunftsland liegen und deshalb hier mit entsprechenden Dumpingpreisen aufschlagen. Damit man deutlich machen kann, um welche Summen es hier geht, nenne ich eine Zahl zur Stahlimportquote in die Europäische Union. Bezogen auf den Zeitraum 2012 bis 2015 hatten wir einen Anstieg der Stahlimporte aus China in die Europäische Union um 158 Prozent. Diese 158 Prozent sind hier auf den europäischen Markt gedrückt worden. Aus anderen Drittländern waren es noch einmal 51 Prozent.

Damit man das einmal ins Verhältnis setzen kann zu anderen Regionen dieser Welt, möchte ich darauf hinweisen, dass die Importquote des nordamerikanischen Marktes im gleichen Bezugszeitraum um 25 Prozent zurückgegangen ist. Damit zeigt sich die Wettbewerbs- und die Marktsituation und damit zeigt sich auch der Druck auf die Preise. Die Auslastung in den europäischen Stahlwerken ist vernünftig. Wir haben eine Auslastungsquote von 80 Prozent. Es könnte also noch mehr produziert werden. Aber es nützt erst einmal gar nichts, mehr zu produzieren, wenn man mit diesem Mehr kein Geld verdienen kann, weil man zu Preisen anbieten muss, die für die Produktion nicht auskömmlich sind.

China hat im Jahr 2015 bei einer globalen Stahlexportmenge von insgesamt 355 Millionen Tonnen 111 Millionen Tonnen Stahl exportiert. Der ganz überwiegende Anteil kommt also aus China. Chinas Überkapazitäten sind dreimal größer als die Nachfrage aus dem europäischen Raum. Damit ist die Dimension einmal beschrieben, wenn wir über Überkapazitäten sprechen. Und dass das von heute auf morgen besser werden wird, darauf sollten wir alle miteinander nicht hoffen. Denn das Gegenteil wird wohl der Fall sein, wenn wir uns die wirtschaftliche Entwicklung in China anschauen und wenn wir uns anschauen, wie groß oder wie wenig groß die Bemühungen in China sind, die Strukturprobleme im eigenen Land zu lösen. Das Gegenteil ist der Fall. Es wird nicht angegangen, dass die Strukturprobleme in China gelöst werden, sondern die Strukturprobleme werden ex

portiert, und zwar in den europäischen Markt hinein, und das macht uns hier diese Schwierigkeiten.

Ich bin sehr für Zuversicht und ich bin auch optimistisch, aber wir sollten an dieser Stelle nicht blauäugig sein, Herr Kollege Hilberer. Es wird nicht von alleine gut werden. Im Gegenteil, angesichts dieser Zahlen, die ich jetzt extra noch einmal genannt habe, hilft nur eines, nämlich konkretes Handeln und nicht nur der Glaube, dass es irgendwie schon gut werden wird und die Innovationskraft schon irgendwie ausreichen wird. Es gilt der alte Handwerkergrundsatz bei den Schrauben: Man kann viel daran drehen, aber irgendwann kommt nach fest auch ab. Und das ist ein Zustand, den wir für die saarländische Stahlindustrie in diesem Land nicht haben wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich bleibe einmal bei diesem Problem, nämlich dem Thema der Überkapazitäten, da haben wir einen Instrumentenkasten. Zu diesem Instrumentenkasten gehören die Handelsschutzinstrumentarien, dazu gehört auch, Antidumpingverfahren einzuleiten. Wir haben im Moment insgesamt 52 Antidumpingverfahren auf europäischer Ebene laufen. Und ich erwarte von der EU-Kommission an dieser Stelle, dass sie die Interessen aller Industriebranchen - es ist nicht nur die Stahlindustrie betroffen, aber insbesondere die europäische Stahlindustrie - ernst nimmt und sie auch gegen China durchsetzt.

Dazu gehört eben nicht nur, dass man die Verfahren irgendwann einleitet, sie irgendwie bearbeitet und dann irgendwie auch abschließt, sondern dass man sich anschaut, wo denn meine Eingriffsschwelle liegt, ob sie nicht vielleicht zu hoch liegt, dass man sich anschaut, wie man dieses Verfahren deutlich beschleunigen kann gegenüber dem, was jetzt an Zeiträumen immer im Raum steht. Dazu gehört auch, dass man sich ansieht, welche Höhe die Schutzzölle haben, die letztendlich gegenüber China oder gegenüber anderen verhängt werden. Dazu gehört auch, dass man das alles nicht nur im luftleeren Raum macht, sondern dass man sich anschaut, wie andere WTO-Handelspartner mit solchen Fragen umgehen.